Am 11. Oktober 2022 hat Landesverkehrsminister Hermann den neuen Stuttgart 21-Fahrplan für den Regionalverkehr präsentiert. Am 12. Oktober 2022 erschien dazu eine Pressemitteilung auf der Website des Landesverkehrsministeriums.
Beim Durchlesen der Pressemitteilung fällt sofort auf: Dies ist keine Sternstunde für Verkehrsminister Hermann. Das wollen wir im heutigen Post in diesem Blog an Hand einiger Sachverhalte, die diese Pressemitteilung beschreibt, näher betrachten.
Soll man von Schorndorf zukünftig nach Berlin und Hamburg fliegen?
Stolz verkündet die Pressemitteilung, dass sich die Fahrzeit von Schorndorf zum Stuttgarter Flughafen von heute 64 Minuten auf zukünftig (ab Dezember 2027) 36 Minuten verkürzt - und das ohne Umsteigen.
Das ist ja eine förmliche Einladung, zukünftig von Schorndorf nicht mehr mit der Bahn nach Berlin und Hamburg zu fahren, sondern vom Stuttgarter Flughafen dorthin zu fliegen. Will Verkehrsminister Hermann im Ernst die weitere Zunahme des Flugverkehrs am Stuttgarter Flughafen?
Doppelspur Stuttgart-Ulm
Die in der Pressemitteilung genannten zusätzlichen Verkehre bzw. die besser getakteten Verkehre (viermal pro Stunde von Tübingen nach Stuttgart sowie Halbstundentakt des MEX im Filstal sowie Stundentakt IRE über die Schnellfahrstrecke) gehen nicht auf Stuttgart 21, sondern auf die neue Doppelspur Stuttgart-Ulm zurück.
Die neue Doppelspur Stuttgart-Ulm ist aber kein Alleinstellungsmerkmal von Stuttgart 21. Diese neue Doppelspur hätte es auch gegeben, wenn in Stuttgart die Kombilösung gebaut worden wäre. Die neue Doppelspur Stuttgart-Ulm hätte es auch gegeben, wenn der Kopfbahnhof so wie heute erhalten geblieben wäre. Die neue Doppelspur Stuttgart-Ulm war in den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Filstal sogar bereits in einem konkreten Planungsstadium und nicht weit vom Baubeginn entfernt. Dann wurden diese Pläne der Bahn von einflussreichen Leuten verworfen. Es begann alles wieder von vorn. Deshalb hat die neue Doppelspur Stuttgart-Ulm wegen Stuttgart 21 sogar eine jahrzehntelange Verspätung.
Verlängerung Crailsheim
Der schnelle Regionalzug auf der Remsbahn soll von Stuttgart kommend nicht mehr in Aalen enden, sondern nach Crailsheim verlängert werden. Das aber hat mit Stuttgart 21 direkt nichts zu tun. Das kann, sofern es die Strecke erlaubt, sofort erfolgen bzw. hätte schon längst erfolgen können. Dadurch aber, dass die Streckenverlängerung in einer Stuttgart 21-Pressemitteilung erscheint, wird - bewusst oder unbewusst - der Eindruck erzeugt, als ob Stuttgart 21 diese Streckenverlängerung ermöglichte.
Karlsruhe-Friedrichshafen
Stündlich soll es eine schnelle Verbindung von Karlsruhe über Stuttgart nach Friedrichshafen geben. Das aber gibt es heute schon - mit Umsteigen in Stuttgart und ohne die Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm. Und es ist fraglich, ob die zukünftig durchgebundenen Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof schnell durchgebunden sind, oder ob sie aus verschiedenen Gründen (Anschlüsse, Pünktlichkeit, Zugsüberholung) längere Zeit im Stuttgarter Hauptbahnhof stehenbleiben.
Wichtiger ist jedoch, dass die beschriebene Verbindung eher in die Kategorie Neuverkehr gehört als in die Kategorie Verkehrswende. Denn Autofahrer werden deswegen kaum auf die Bahn umsteigen. Es wird aber Neuverkehr geben, indem dann möglicherweise auch von Karlsruhe und von Pforzheim der Bodensee in einem Tagesausflug besucht wird. In Zeiten der Klimakrise ist ein solcher Neuverkehr bedenklich.
Keine zusätzlichen Züge im Nordzulauf
Nicht erwähnt wird in der Pressemitteilung, ob es auch im Verlauf der Remsbahn, der Murrbahn und der Strecken des Nordzulaufs (Frankenbahn, Residenzbahn, Westbahn) zusätzliche Züge geben wird.
Es ist zu vermuten, dass es keine zusätzlichen Züge auf diesen Strecken geben wird. Der Nordzulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof ist bereits heute ausgelastet. Stuttgart 21 ändert daran nichts. Auch die Remsbahn, die Murrbahn usw. sind mit den schnellen und langsamen Regionalzügen sowie der S-Bahn und den Fernzügen bereits heute ausgelastet.
Doppelstockzüge
Es werden in der Pressemitteilung die neuen Doppelstockzüge genannt. Es wird der Eindruck erweckt, als ob die durch die Doppelstockzüge mögliche Kapazitätssteigerung auf Stuttgart 21 zurückzuführen ist. Das aber ist falsch bzw. die Verknüpfung zu Stuttgart 21 ist ganz anders. Wegen der mangelnden Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 sah sich das Land nämlich genötigt, die ursprünglichen Fahrzeugpläne über den Haufen zu werfen und an Stelle von einstöckigen Zügen Doppelstockzüge zu bestellen.
Zusätzliche Finanzmittel erforderlich
Interessant ist, dass für das vorgestellte Angebot nach Auskunft des Landes zusätzliche Regionalisierungsmittel des Bundes erforderlich sind. Bleiben diese aus, muss das Angebot gekürzt werden.
In diesem Zusammenhang fällt der stündlich verkehrende schnelle Regionalzug (200 km/h) im Verlauf der Neubaustrecke Stuttgart-Ulm auf. Dieser Zug ist für das Land BW relativ teuer. Mit diesem Zug wird ein Stück weit auch die Schnellfahrstrecke finanziert. Dieser Zug ist zudem kaum der Kategorie "Regionalverkehr" zuzuordnen. Denn zwischen Ulm und Stuttgart wird kaum ein durchschnittlicher Weg von Haustür zu Haustür (gesamte Reiseweite) von 50 Kilometern erreicht, wie es das Regionalisierungsgesetz darstellt. Das ist eigentlich Fernverkekhr.
Insofern sollte sich das Land darauf vorbereiten, den IRE über die Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm wieder abzubestellen. Das eingesparte Geld kann dann für Angebotsverbesserungen anderswo verwendet werden.
Gäubahn
Über die drohende, jahrzehntelange Unterbrechung der Gäubahn ist in der Pressemitteilung nichts zu lesen. Genau darum aber sowie um den Bau eines Ergänzungsbahnhofs beim Stuttgarter Hauptbahnhof sollte sich der Landesverkehrsminister kümmern. Daran muss er sich messen lassen. Ansonsten sind die Sachverhalte, die in der Pressemitteilung genannt werden, nichts Neues. Das ist schon lange bekannt.
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