Mittwoch, 29. März 2023

144 beschleunigte Autobahnprojekte: Achtspuriger Ausbau der A8 direkte Konkurrenz zu Stuttgart 21

Die Ampelregierung im Bund hat beschlossen, dass 144 Autobahnprojekte beschleunigt geplant und umgesetzt werden sollen. Darunter sind auch zwei Projekte, die in direkter Konkurrenz zu Stuttgart 21 stehen. Das sehen wir uns heute mal näher an.

Die FDP hat sich in der Marathonsitzung der Ampelregierung gut verkauft. Obwohl es eine Vielzahl von Themen gab, spricht fast die gesamte Öffentlichkeit nur noch von den 144 Autobahnprojekten, deren beschleunigte Planung und Umsetzung die FDP durchgesetzt hat.

Darunter sind auch zwei Autobahnprojekte in der Region Stuttgart, die in direkter Konkurrenz zu Stuttgart 21 stehen. Das sind der achtspurige Ausbau der A8 zwischen dem Autobahnkreuz Stuttgart und der Anschlussstelle Stuttgart-Degerloch sowie der achtspurige Ausbau der A8 zwischen der Anschlussstelle Stuttgart-Degerloch und der Anschlussstelle Wendlingen. Hier können wir einen baldigen Baubeginn und einen schnellen Bau erwarten.

Stuttgart 21: Summa summarum keine Kapazitätssteigerung 
Kommen wir aber zu Stuttgart 21. Stuttgart 21 ist ja ein Projekt, bei dem 10 oder mehr Mia. Euro in einen Umbau des Bahnknotens Stuttgart investiert werden mit dem Ergebnis, dass der neue Knoten summa summarum nicht leistungsfähiger ist als der Bestand. Das einzige Teilprojekt, bei dem Stuttgart 21 mehr Kapazität bietet, ist die neue Doppelspur Stuttgart - Wendlingen. Bei allen anderen Teilprojekten bringt Stuttgart 21 keine zusätzliche Kapazität bzw. verringert die Kapazität sogar. Beispiele: Nordzulauf mit unverändert zwei Gleisen, Hauptbahnhof mit nur noch 8 Gleisen, Interregiokurve Waiblingen - Hauptbahnhof mit sogar teilweise eingleisiger Führung, Gäubahn mit jahrzehntelanger Unterbrechung.

Der achtspurige Ausbau der A8 trifft nun genau denjenigen Teil von Stuttgart 21, der einen Kapazitätszuwachs beinhaltet. Dieser Kapazitätszuwachs wird wegen des starken Konkurrenten Straße aber bald verpuffen.

Kein Vergleich mit dem Pfaffensteigtunnel
Allerdings kann man den achtspurigen Ausbau der A8 nicht mit dem Pfaffensteigtunnel der Gäubahn vergleichen. Denn die Pläne für einen achtspurigen Ausbau der A8 sind schon jahrzehntealt. So hat die vor einigen Jahrzehnten errichtete neue Brücke für die Stadtbahnlinie U5 über die A8 den achtspurigen Ausbau der A8 bereits berücksichtigt. Das Gleiche gilt selbstverständlich für die neue Brücke der Stadtbahnlinie U6 über die A8. Ganz schwierig wird es dagegen bei der Brücke der A8 über die B27 bei der Anschlussstelle Stuttgart-Degerloch. Diese Brücke bewältigt die heutige sechsspurige A8 bereits nur mit Ach und Krach. Hier ist ein vollständig neuer Brückenbau erforderlich. Es wird spannend,  wie dies im engen Rahmen der Anschlussstelle S-Degerloch konkret erfolgen kann.

Stuttgart wird also die Autostadt bleiben. Vielleicht ist eine Städtepartnerschaft mit Los Angeles unter diesen Rahmenbedingungen sinnvoll?

     

Mittwoch, 22. März 2023

Nach SSB-Verhüllungsskandal: Stuttgarter Gemeinderat muss SSB besser kontrollieren

Eine von der Stuttgarter Straßenbahnen AG beauftragte Werbeagentur hat eine Werbekampagne lanciert,  in der verschiedene Pkw verhüllt worden sind. Auf der Verhüllung sind Werbesprüche zu sehen, die gegen das Auto Stellung beziehen.

Diese Werbeaktion stieß in der Öffentlichkeit nicht unbedingt auf Zustimmung. Der frühere Ministerpräsident Oettinger bezeichnete die Aktion als "widerwärtig".

Man muss sich m.E. generell fragen, welchen Sinn solche von der SSB beauftragten Aktionen überhaupt machen. Schließlich handelt es sich hier um Gelder, die entweder der Steuerzahler oder der Fahrgast bezahlen muss.

Wir müssen in der heutigen Zeit - nicht zuletzt mit dem 49 Euro Ticket - davon ausgehen, dass alle Menschen, die mit dem ÖPNV fahren können oder wollen, dies tatsächlich auch tun. Weitergehende Werbemaßnahmen sind von daher nicht mehr erforderlich. Dies führt dazu, dass die Marketingabteilung der SSB zu schließen ist.

Die SSB macht keine Politik
Die SSB hat keinen Auftrag, Politik zu machen. Da stößt noch sauer auf, dass zwar nicht die gesamte SSB, aber einige ihrer Vertreter in der Vergangenheit massive Propaganda für Stuttgart 21 gemacht haben. Das ist noch nicht aufgearbeitet und das darf sich auch nicht wiederholen. 
 
Was ist die Aufgabe der SSB?
Die SSB soll möglichst attraktiven Nahverkehr anbieten, bei gleichzeitig möglichst günstigen Preisen, bei gleichzeitig möglichst geringem Zuschussbedarf der öffentlichen Hand und bei gleichzeitig möglichst guten Löhnen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
 
Das ist eine genügend große Aufgabe. Insbesondere sollte die SSB akzeptieren, dass es tausend Gründe gibt, auch mal das Auto zu benutzen. Ich selbst würde mich als ÖPNV-afin bezeichnen. Trotzdem nutze ich für meine Fahrten ca. zur Hälfte das Auto. 
 
Es gibt auch subjektive Gründe, öffentliche Verkehrsmittel nicht zu nutzen. Z.B. ist die Sicherheit in öffentlichen Verkehrsmitteln für nicht wenige Menschen ein Problem. Da hilft es auch nichts, wenn ein Statistiker daherkommt und sagt, dass die Wahrscheinlichkeit eines Autounfalls mit Todesfolge größer ist als die Wahrscheinlichkeit, Opfer eines Messermonsters zu werden. Nach der Corona-Epidemie gibt es auch Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen den ÖPNV nicht mehr nutzen. Ich respektiere das.
 
Und wenn es dann zu den neumodischen Megasperrungen von Bahnstrecken kommt, ist man plötzlich doch froh, dass es Autos gibt, die dann die Verkehrsleistung der Bahn übernehmen können.  
 
Es gibt mehr als genug zu tun für die SSB. Plumbe Anti-Auto-Werbung gehört nicht dazu.
 
Der Stuttgarter Gemeinderat und der Stuttgarter OB sollten die SSB zukünftig besser kontrollieren. 
 
    

Mittwoch, 15. März 2023

Der Zug fährt in Stuttgart in die falsche Richtung - ich kann ihn nicht mehr aufhalten

Landesverkehrsminister Hermann hat am 15.03.2023 ein Papier "Vorschlag eines Ausbaukonzeptes für den Eisenbahnknoten Stuttgart 2040" präsentiert.

Leider zeigt sich: Die falsche Richtung, in die die Eisenbahn in Stuttgart seit dem Projekt Stuttgart 21 fährt, wird mit dem heute präsentierten Papier fortgesetzt. Die Außenseiterposition Stuttgarts in Sachen Eisenbahn sowie Verkehr insgesamt wird weiter vertieft.

So falsch diese Richtung ist, so wenig kann man als durchschnittlicher Bürger dagegen noch unternehmen. Ich will die Präsentation des Papiers deshalb zum Anlass nehmen, bei diesem Blog "Der Stuttgart 21-Irrtum" mal eine Pause von unbestimmter Dauer einzulegen. So gern ich mich mit den verkehrlichen Themen in der Vergangenheit auch befasst habe, so muss man doch auch erkennen, ab wann eine solche Beschäftigung sinnlos wird. Man kann auch die Leute nicht zu ihrem Glück zwingen. 

Das aber ist für mich kein Grund zur Wehmut. 98 Prozent meiner produktiven Zeit beschäftige ich mich mit dem Naturschutz und dem Gehen in der Natur, z.B. in der Region Stuttgart, im Schwarzwald, auf der Schwäbischen Alb, im Allgäu oder auf Mallorca. Das werde ich selbstverständlich fortsetzen und noch intensiver betreiben.

Allerdings sehen wir uns das von Verkehrsminister Hermann präsentierte Papier doch noch mal etwas näher an.

1. S-Bahn-Stammstrecke
Im Verlauf der S-Bahn-Stammstrecke sollen durch das neue Signalsystem ETCS nicht mehr nur 24 Züge pro Stunde und Richtung, sondern deren 30 fahren.

Das ist eine absolute Außenseiterregelung. Dort wo es diese hohe Zahl von 30 Zügen pro Richtung und Stunde heute gibt (z.B. in München) werden gigantische Maßnahmen ergriffen, diese Zahl zu reduzieren. Nur Stuttgart will den entgegengesetzten Weg gehen. Viel Spaß! Mit den angestrebten 30 Zügen pro Stunde und Richtung will man auf Teufel komm raus den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof verhindern, der auch für die S-Bahn eine wichtige Funktion hat und auch Bahnsteige für die S-Bahn aufweisen muss. 
 
2. Deutschlandtakt
Im von Hermann präsentierten Papier kommt der Deutschlandtakt nur einmal vor, nämlich im Zusammenhang mit dem Nordzulauftunnel. Ein Nordzulauftunnel ist jedoch sinnlos, solange es im Stuttgarter Hauptbahnhof nicht wesentlich mehr Gleise gibt, z.B. in der Form eines ergänzenden Kopfbahnhofs. Stehen diese Gleise nicht zur Verfügung, sind die in einen Nordzulauf gesteckten Milliarden und die dadurch gewonnenen Fahrzeitverkürzungen sinnlos. Das fünfte und sechste Gleis des Nordzulaufs, das absolut notwendig ist, kann man auch ohne Nordzulauftunnel bauen.
 
Im Rahmen des Deutschlandtakts muss der Stuttgarter Hauptbahnhof zu einem ITF-Vollknoten werden. Voraussetzung dafür ist der Nordzulauftunnel und einige andere Maßnahmen, mit denen die Fahrzeit Mannheim - Stuttgart auf unter 30 Minuten reduziert wird. Für einen Vollknoten braucht man jedoch mindestens 16 Gleise im Stuttgarter Hauptbahnhof. Daraus folgt: Ohne 16 Gleise kein Vollknoten. Und ohne Vollknoten kein Nordzulauftunnel.
 
Es hätte eigentlich zu den wichtigsten und vornehmsten Aufgaben eines Landesverkehrsministers in BW gehört, für einen Vollknoten Stuttgart-Hauptbahnhof im Rahmen des Deutschlandtakts zu lobiieren. Davon war aber wenig zu hören. 
 
3. Tangentiale Verkehre
Solche Bahnverkehre gibt es in den deutschen Städten so gut wie nicht. Und das aus gutem Grund. Das hält Herrmann nicht davon ab, eine ganze Latte von tangentialen Bahnverkehren in der Umgebung des Nordbahnhofs zu postulieren. Diese Verkehre werden - sollten sie tatsächlich umgesetzt werden - bei Finanzknappheit dann auch ganz schnell wieder eingestellt. Tangentiale Verkehre ziehen nur einen Bruchtal der Fahrgäste an, die radiale Verkehre aufweisen. Oder dienen die tangentialen Verkehre zukünftig dazu, den überlasteten Stuttgart 21-Minihauptbahnhof zu umfahren?
 
4. Pfaffensteigtunnel
Der längste Bahntunnel Deutschlands für ganz wenige Züge einer relativ wenig wichtigen Bahnstrecke (Gäubahn): Verkehrsminister Herrmann ist begeistert davon. Jahrzehntelang wollte man keinen Cent in die Gäubahn investieren. Erst wenn es darum geht, dass der Stuttgarter Talkessel auch partout gleisfrei werden soll, rollen plötzlich die Milliarden für die Gäubahn (= Pfaffensteigtunnel). Dass es mit den Grünen so weit kommen konnte, hätte man vor einigen Jahrzehnten nicht vermutet.
 
5. Regionalbahnhof Vaihingen
Das Land hat den Regionalbahnhof Vaihingen finanziert. Das Dumme ist nur: Dort hält fast kein Zug. Der Bahnhof wird vielleicht zukünftig von Bedeutung, wenn wegen der Sperrung der Gäubahn durch Stuttgart 21 dort Gäubahnzüge halten und wenden. Dann aber wäre dessen Finanzierung eine Sache der Bahn gewesen. Denn er ist eine Folge von Stuttgart 21, das ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn ist. Das ist vielleicht eine Sache für den Rechnungshof und für das Recherche-Fernsehen.
 
6. Regionalbahnhof Merklingen
Das ist die wohl größte Schnapsidee von Herrmann. Der Regionalbahnhof Merklingen fördert das Fernpendeln und führt zu Neuverkehr, indem Bürgerinnen und Bürger von Ulm oder von Stuttgart auf die noch vergleichsweise billige Alb ziehen und dann täglich nach Ulm und Stuttgart fernpendeln. Dass in Zeiten der Klimakrise die Grünen so etwas zustandebringen, hätte man ebenfalls vor einiger Zeit noch nicht vermutet.
 
Fazit
Entweder haben Hermann und die Grünen noch ein Ass im Stuttgart 21-Ärmel, das zu gegebener Zeit gezogen wird. Oder wir haben es hier mit dem Totalversagen einer Partei und eines Verkehrsministers zu tun. Gerne sollten die Beteiligten dann über Konsequenzen nachdenken. 
 

Dienstag, 14. März 2023

Nach Straßentunnel-Kapitulation in Stuttgart: Rosenstein ist kein Argument mehr gegen Beibehaltung eines Teil-Kopfbahnhofs

Die Stuttgarter Stadtverwaltung hat den Gemeinderat darüber informiert, dass wegen der zahlreichen maroden Brücken und Tunnel sowie wichtiger IBA-Projekte und fehlendem Personal Straßen- und Tunnelprojekte gestrichen werden müssen. Dazu gehört auch der geplante lange Straßentunnel im Verlauf der B10/B27 bei der Friedrichswahl.

Darüber berichtet der BUND Kreisverband Stuttgart am 23.02.2023. 

Damit dürfte aber klar sein: Die von der Landeshauptstadt Stuttgart gewünschte Bebauung der Gleisanlagen beim bestehenden Kopfbahnhof und auf dem bisherigen Gleisvorfeld wird sich nicht wie gewünscht realisieren lassen. Argumente gegen eine Beibehaltung eines Teils des bestehenden Kopfbahnhofs hat die Landeshauptstadt Stuttgart somit nicht mehr.

Sehen wir uns die Sache noch etwas näher an.
 
Der Bestand bei der Friedrichswahl an der Grenze der Stuttgarter Stadtbezirke Feuerbach und Zuffenhausen stammt noch aus den autofreundlichen Siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Das gewaltige Straßenohr und die Straßenbrücke dort waren im Hinblick auf eine sechsspurige Krailenshaldentrasse bis zum Pragsattel schon mal vorweg gebaut worden. Die Krailenshaldentrasse wird nicht mehr kommen. Als Ersatz war ein Dachsraintunnel geplant. Auch dieser Tunnel wird nicht mehr kommen. Als Ersatz hat man die Heilbronner Straße zwischen dem Pragsattel und der Friedrichswahl sechsspurig ausgebaut. Dieser sechsspurige Ausbau weist allerdings Problemstellen auf.
 
Im Januar 2022 hat der Stuttgarter Gemeinderat beschlossen, dass bei der Friedrichswahl ein langer, sechsspuriger Straßentunnel gebaut wird. Danach sollten die nicht mehr benötigte Brücke und das Ohr abgerissen werden.
 
Nun ist auch diese Planung obsolet geworden. Die Stuttgarter Stadtverwaltung kommt nicht mehr nach.
 
Daraus sollte man einmal mehr jedoch auch Schlussfolgerungen für Stuttgart 21 ziehen.
 
1. Mit großer Wahrscheinlichkeit wird die Stuttgarter Stadtverwaltung auch bei der Bebauung der Gleisflächen nicht hinterherkommen. Das Ganze wird sich möglicherweise bis 2070 hinziehen.
 
2. Auch wenn ein Teil des bestehenden Kopfbahnhofs mit den Zuläufen von der Gäubahn und von Zuffenhausen erhalten bleibt, gibt es genügend freiwerdende Flächen, um der Stadtverwaltung in den kommenden 40 Jahren ein Auskommen zu sichern.
 
3. Mit der Internationalen Bauausstellung IBA 27 hat sich die Landeshauptstadt Stuttgart bereits blamiert. Diese IBA sollte auf den freigewordenen Gleisflächen stattfinden. Das ist selbstverständlich im Jahr 2027 nicht möglich. Eine weitere Blamage sollte sich die Landeshauptstadt Stuttgart sparen und ihren Widerstand gegen eine Beibehaltung eines Teils der Kopfbahnhofs aufgeben.      

  

Sonntag, 12. März 2023

Mega-Sperrungen von Bahnstrecken in der Region Stuttgart sind Folge von Stuttgart 21

Völlig überraschend und kurzfristig hat die Bahn angekündigt, dass im Jahr 2023 wichtige Bahnstrecken beim Bahnknoten Stuttgart über mehrere Wochen gesperrt werden müssen.

Es ist anzunehmen, dass diese Streckensperrungen auch in den Folgejahren weitergehen. Der Grund ist der Einbau des neuen Signalsystems ETCS.

Der Bahnknoten Stuttgart ist ja als deutschlandweiter Pilotknoten für das neue Signalsystem ETCS auserkoren worden. Hier gilt es nun dringend, die Deutungshoheit zu behalten. Der Bahnknoten Stuttgart wurde nicht deshalb zum ETCS-Pilotknoten gemacht, weil alle etwas für Stuttgart tun wollen und weil Stuttgart 21 ein so tolles Projekt ist. Im Gegenteil gehört die Einführung von ETCS beim Bahnknoten Stuttgart zu mehreren Maßnahmen, um den Engpass Stuttgart 21 wenigstens teilweise noch zu heilen.

Sehen wir uns mal einige dieses Feuerwehr-Maßnahmen zur Verbesserung von Stuttgart 21 an.

ETCS
Mit ETCS erhofft man sich eine Verringerung der Zugfolgezeiten und damit eine Leistungssteigerung von Stuttgart 21. Ob dies so funktionieren wird, bleibt der Zukunft überlassen.
 
Doppelstockzüge
Ursprünglich war geplant, dass die Regionalzüge bei Stuttgart 21 einstöckig sind. Die dafür benötigten Fahrzeuge hat man vor wenigen Jahren erst angeschafft. Nun zeigte sich jedoch, dass Stuttgart 21 einfach nicht genügend Züge abwickeln kann. Deshalb war jetzt ein erneuter Schwenk hin zu Doppelstockzügen erforderlich, deren Fahrzeuge erst noch produziert werden müssen.
 
Doppelbelegungen
Bei Stuttgart 21 gibt es im Hauptbahnhof eine ganze Reihe von Bahnsteig-Doppelbelegungen. Dies ist ein Offenbarungseid für ein Projekt, das erst in einigen Jahren fertig wird und das den Anspruch mit sich trägt, modern zu sein.
 
Die Innen-Innen und Außen-Außen - Restriktionen
Die Durchbindung der Regionalzüge im Stuttgarter Hauptbahnhof kann bei Stuttgart 21 aus Leistungsgrünen nicht bedarfsgerecht erfolgen. So gibt es zum Beispiel im Verlauf der wichtigsten württembergischen Bahnlinie (Ludwigsburg - Stuttgart - Esslingen) keine Durchbindung. Die Durchbindungen müssen sich statt dessen am Prinzip orientieren, dass sie möglichst wenige Fahrstraßen belegen.
 
Zwei Mega-Umstellungen gleichzeitig
Nun stehen wir in Stuttgart vor der Situation, dass zwei Mega-Umstellungen im Bahnverkehr gleichzeitig erfolgen sollen. Das sind das Projekt Stuttgart 21 und das neue Signalsystem ETCS. Eine dieser beiden Umstellungen allein würde bereits alles fordern. Es ist deshalb abzusehen, dass das Ganze schiefgehen wird.
 
Die Rolle der Politik ist kaum mehr erträglich
Die Politik zeigt sich stets überrascht und empört und kehrt dann zum Tagesgeschehen zurück. So kann es nicht mehr weitergehen! Viele dieser Politiker auf den unterschiedlichen Ebenen scheinen mit ihrem (Neben-)Beruf überfordert zu sein.
 
Die Politik muss jetzt proaktiv handeln, anstatt ihre immer gleichen Sprechblasen abzusondern. Das heißt konkret: Es muss unbedingt bei Inbetriebnahme von Stuttgart 21 ein Restkopfbahnhof erhalten bleiben, bis ein Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof fertiggestellt ist.      

Mittwoch, 8. März 2023

Fährt der ICE Stuttgart - München bald nur noch bis München-Pasing?

Man stelle sich vor: Eines Morgens wacht man auf und liest oder hört die folgende Meldung in den Medien:

"Der Münchner OB und der Münchner Stadtrat wollen die Fern- und Regionalverkehrsstrecke München-Pasing - München-Hauptbahnhof stilllegen. Dort sollen nur noch S-Bahnen verkehren. Reisende von Stuttgart nach München müssen zukünftig in München-Pasing umsteigen und mit der S-Bahn weiterfahren. Reisende z.B. von Stuttgart nach Salzburg fahren mit dem ICE bis München-Pasing. Dann geht es weiter mit der S-Bahn bis zum Münchner Hauptbahnhof. Dort geht es vom tiefliegenden S-Bahnhaltepunkt hoch zum Kopfbahnhof und von dort weiter mit einem Zug nach Salzburg.

Aus Stuttgart kam bereits ein Vorschlag, dass wenigstens die Münchner S-Bahn bis nach Stuttgart verlängert wird. 

Die Stadt München will die umfangreichen Gleisflächen zwischen München-Pasing und dem Münchner Hauptbahnhof für den Wohnungsbau nutzen. Nur noch die S-Bahn kann dort fahren, vielleicht zukünftig auch unterirdisch. Wohnungsbau sei wichtiger als gute Bahnverbindungen von München z.B. nach Stuttgart."  

Gott sei Dank nur ein Alptraum
Stellen wir aber sofort klar: Eine solche Meldung kann allenfalls ein Albtraum sein. In Wirklichkeit würden der Münchner OB und der Münchner Stadtrat niemals auf eine solche Schnapsidee kommen, dass man eine Bahnstrecke nach München kappt. Niemals würde die Weltstadt München ihre Erreichbarkeit auf der Schiene, der Straße und aus der Luft mutwillig aufs Spiel setzen. Und obwohl die Weltstadt München keine Bahnstrecken stilllegen will, werden in München mehr neue Wohnungen fertiggestellt als in Stuttgart.
 
Alles in Butter also?
Ist damit alles in Butter? Können wir das Ganze unter der Rubrik Albtraum ablegen? Können wir froh sein, dass es so etwas in Wirklichkeit nicht gibt?
 
Nicht ganz! Denn in Stuttgart soll genau das, was in München wohl unmöglich ist, eben doch stattfinden. Die Gäubahn soll ab 2025 nicht mehr zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Fahrgäste müssen in die S-Bahn umsteigen. Fahrgäste z.B. von Rottweil nach Aalen müssen zweimal umsteigen.
 
Die Landeshauptstadt Stuttgart steckt hinter der Schnapsidee
Hinter dieser Schnapsidee steckt die Landeshauptstadt Stuttgart. Anscheinend ist es für die Landeshauptstadt Stuttgart kein Problem, wenn sie aus wichtigen Richtungen nicht mehr adäquat auf der Schiene erreichbar ist. Die Gäubahn erschließt wichtige Teile des Südwestens von Baden-Württemberg und bindet diese an den Stuttgarter Hauptbahnhof an. Zudem stellt die Gäubahn eine wichtige Verbindung von Stuttgart in die Schweiz her.
 
Die Landeshauptstadt Stuttgart will auf dem Bahngelände des bisherigen Kopfbahnhofs Gebäude errichten. Das ist wichtiger als die Einbindung Stuttgarts in das Bahnnetz. Dass diese Gebäude erst nach dem Ablauf der Zwanziger Jahre begonnen werden können: geschenkt! Dass auch bei Weiterführung der Gäubahn zum Kopfbahnhof noch genügend Gebäude errichtet werden können: das vergessen wir mal!
 
Was kann man jetzt tun
Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, der Landeshauptstadt Stuttgart Einhalt zu gebieten.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit wären dies:
1. Der Bund nimmt seine Kompetenzen war und besteht auf dem Weiterbetrieb der Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof.
 
2. Das Land BW nimmt seine Kompetenzen wahr und bestellt weiterhin Regionalzugverkehr auf der Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof.
 
3. Die Bahn muss ein Stilllegungverfahren durchführen, in dessen Verlauf der Weiterbetrieb der Gäubahn erklärt werden kann.
 
4. Die zehn größten Stuttgarter Firmen schließen sich zusammen und fordern den Weiterbetrieb der Gäubahn bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof.
 
5. Die Touristik-Organisationen in BW fordern den Weiterbetrieb der Gäubahn zum Hauptbahnhof.
 
6. Bürgerinitativen in Stuttgart und in BW informieren sämtliche Medien in Europa über die Stuttgarter Schnapsidee mit der Gäubahn. Damit kann dann die europaweite Berichterstattung über diesen Schwabenstreich beginnen.    

Sonntag, 5. März 2023

Wann geht Stuttgart 21 eigentlich in Betrieb?

Nach bisherigem Kenntnisstand soll Stuttgart 21 im Dezember 2025 in Betrieb gehen.

Im heutigen Post in diesem Blog geht es nicht so sehr darum, ob der Termin Dezember 2025 realistisch ist oder ob man mit weiteren Terminverschiebungen rechnen muss. Heute geht es vielmehr darum, dass Stuttgart 21 nicht als Ganzes in Betrieb geht sowie darum, dass Stuttgart 21 womöglich niemals ganz in Betrieb geht.

Die S-Bahn
Die neuen Tunnel für die S-Bahn zwischen dem Hauptbahnhof und dem Nordbahnhof bzw. Bad Cannstatt einschließlich des neuen Haltepunkts Mittnachtstraße sollen nach Auskunft des Verbands Region Stuttgart bereits Mitte 2025 in Betrieb gehen
 
Die Inbetriebnahme Dezember 2025
Sofern die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im Dezember 2025 gehalten werden kann (daran  gibt es Zweifel), ist dies nur eine Teilinbetriebnahme. Nicht in Betrieb gehen die Einbindung der Gäubahn in den Bahnknoten Stuttgart, die Anbindung des Flughafens von Ulm/Tübingen und eines der beiden Gleise des Cannstatter Tunnels.
 
Die Anbindung des Flughafens
Wegen vorbereitender Baumaßnahmen zum Pfaffensteigtunnel kann der Tunnel auf der Seite Wendlingen des Flughafens zunächst nicht in Betrieb genommen werden. Deshalb kann der Flughafen von Tübingen/Ulm zunächst nicht angefahren werden. Vom Stuttgarter Hauptbahnhof wird es allenfalls Pendelverkehre zum Flughafen geben. Erst ca. 2027 wird der Tunnel in Betrieb genommen werden können.
 
Der Cannstatter Tunnel
Wegen Bauarbeiten für den Anschluss der P-Option an den Cannstatter Tunnel muss eine Röhre des Cannstatter Tunnels für mehrere Jahre gesperrt werden. Das geht möglicherweise von 2026 bis 2028. Damit ist die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 vorübergehend noch weiter eingeschränkt. Die P-Option wurde zwar im Zusammenhang mit Stuttgart 21 geplant. Sie ist jedoch nicht Bestandteil des Projekts Stuttgart 21, sondern wäre im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans vom Bund zu finanzieren. Darauf haben die Stuttgart 21-Betreiber keinen Einfluss.
 
Der Feuerbacher Tunnel und der Nordzulauftunnel
Wegen des Anschlusses des Nordzulauftunnels an den Feuerbacher Tunnel muss der Feuerbacher Tunnel über mehrere Jahre hinweg gesperrt werden. Der Verkehr wird dann über die P-Option geleitet. Damit wird die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 weiter eingeschränkt. Der Nordzulauftunnel ist kein Bestandteil des Projekts Stuttgart 21, sondern wäre vom Bund im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans zu finanzieren. Darauf haben die Stuttgart 21-Betreiber keinen Einfluss. Die Sperrzeit des Feuerbacher Tunnels ist noch nicht bekannt. Vielleicht ist es 2028 - 2030.
 
Der Pfaffensteigtunnel
Die Stuttgart 21-Betreiber haben in Bezug auf die Gäubahn das Projekt Stuttgart 21 kurzerhand geändert. Die Anbindung der Gäubahn an den Bahnknoten Stuttgart ist jetzt nicht mehr Bestandteil des Projekts Stuttgart 21. Damit aber wird Stuttgart 21 in der ursprünglich geplanten Form überhaupt niemals fertig.
 
Der Pfaffensteigtunnel der Gäubahn soll im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans vom Bund finanziert werden. Darauf haben die Stuttgart 21-Betreiber jedoch keinen Einfluss. Es sollen die bisher für die Führung der Gäubahn auf den Gleisen der Flughafen-S-Bahn reservierten Finanzmittel an den Bund zur Cofinanzierung des Pfaffensteigtunnels transferiert werden.

Das Bundesverkehrsministerium hat vor wenigen Tagen bekanntgegeben, dass die Fertigstellung des Deutschlandtakts sich bis 2070 hinziehen wird. Der Pfaffensteigtunnel ist - selbst wenn man ihn als Bestandteil des Deutschlandtakts bezeichnen würde - eines der unwichtigsten Projekte des Deutschlandtakts. Wir können also mit einer Bauzeit des Pfaffensteigtunnels von 2060 - 2070 rechnen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Pfaffensteigtunnel gar nicht gebaut wird und statt dessen die Panoramastrecke der Gäubahn und ein Rest-Kopfbahnhof modernisiert werden.   
         

Donnerstag, 2. März 2023

Deutschlandtakt verschiebt sich bis 2070 - Dies ist keine wirkliche Neuigkeit

Das ZDF berichtet in seiner Online-Ausgabe vom 02.03.2023, dass sich die Fertigstellung von wesentlichen Teilen des Deutschlandtakts von bisher geplant im Jahr 2030 auf das Jahr 2070 verschiebt. Diese Nachricht kommt vom Bundesverkehrsministerium.

Damit wäre der Deutschlandtakt nicht in der Lage, einen wesentlichen Beitrag zur Energie- und Klimawende zu leisten, die ja wichtige Ergebnisse weit vor 2070 verlangt.

Die drastische Verschiebung des Deutschlandtakts ist allerdings für uns und hier in diesem Blog keine wirkliche Überraschung. Zum Teil ist die Verschiebung falschen Vorstellungen zum Deutschlandtakt geschuldet. Zum Teil wurde mit der Umsetzung des Deutschlandtakts zu spät begonnen, weil wichtige wissenschaftliche Berater noch in den Achtziger und Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts nichts vom Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt) hielten, zu einer Zeit, als der Integrale Taktfahrplan im Nachbarland Schweiz schon längst in der Umsetzung begriffen war.

Dieses Gemengelage sehen wir uns heute mal etwas näher an.

Wahrscheinlich weiß die Mehrheit nicht, was Deutschlandtakt bedeutet
Nachweisen kann man es nicht, aber es gibt die Annahme, dass der größere Teil der Bevölkerung sowie auch der Politiker nicht wirklich weiß, was ein Deutschlandtakt ist. Meist wird der Deutschlandtakt auf einen Halbstundentakt zwischen den deutschen Metropolen reduziert.

Der Deutschlandtakt ist aber wesentlich mehr als nur ein Halbstundentakt. Wenn es nur um einen Halbstundentakt ginge, könnte man den Deutschlandtakt wohl bis 2030 einrichten. Beim Deutschlandtakt geht es aber im Wesentlichen darum, dass sich alle Züge in bestimmten Knotenpunkten treffen, damit die Fahrgäste von überall nach überall schnell umsteigen können. Dafür aber sind massive Invesitionen in das Streckennetz und in die Knotenpunkte erforderlich. Diese Investitionen sind so groß, dass sie tatsächlich nicht vor 2070 abgeschlossen werden können.

Bei den Strecken zwischen den einzelnen Knotenpunkten geht es darum, dass eine ganz genau bestimmte Fahrzeit erreicht wird. Auf diese Fahrzeit sind alle Investitionen auszurichten. Bei den Knotenpunkten geht es darum, dass genügend Zu-/Ablaufgleise und genügend Bahnsteiggleise zur Verfügung stehen.

Auch in der Schweiz sind die Investitionen in den Integralen Taktfahrplan noch längst nicht beendet
In der Schweiz wird der Integrale Taktfahrplan seit Mitte der Achtziger Jahre umgesetzt. Zudem investiert die Schweiz ein Vielfaches in das Schienennetz im Vergleich zu Deutschland. Trotzdem - und das muss jetzt aufhorchen lassen - ist das Schweizer Schienennetz immer noch nicht überall für den Integralen Taktfahrplan bereit.
 
So ist in der Ostschweiz (St. Gallen) immer noch kein Vollknoten im Rahmen des Integralen Taktfahrplans vorhanden. Das wird erst der Fall sein, wenn in den Dreißiger Jahren der neue Brüttener Tunnel eröffnet wird, der die Fahrzeit zwischen Zürich und St. Gallen auf ca. 56 Minuten und damit deutlich unter die Kantenzeit von 60 Minuten herunterdrücken wird.
 
Dasselbe gilt für die Zentralschweiz (Luzern). Erst mit Fertigstellung des Zimmerbergtunnels II sowie der Luzerner Durchmesserlinie mit dem Seetunnel kann Luzern ein Vollknoten im Rahmen des Integralen Taktfahrplans werden.
 
Stuttgart 21 und NBS Wendlingen - Ulm haben mit dem Deutschlandtakt nichts zu tun
Die Verschiebung der Fertigstellung von wesentlichen Teilen des Deutschlandtaks von 2030 auf 2070 ist kein eigentlicher Skandal. Wenn man schon einen Skandal sehen will, dann muss man Stuttgart 21 sowie die NBS Wendlingen - Ulm betrachten. Diese Projekte gingen zu einer Zeit in Bau, als der Integrale Taktfahrplan schon längst bekannt war und im Nachbarland schon längst in der Umsetzung begriffen war.
 
Stuttgart 21 und die NBS Wendlingen - Ulm sind jedoch das glatte Gegenteil von Integralem Taktfahrplan und Deutschlandtakt. Jetzt haben wir den Skandal, dass bis 2030 Projekte in Betrieb gehen, die nichts mit dem Deutschlandtakt zu tun haben.
 
Ausblick
Was muss jetzt getan werden? Zunächst einmal gilt es, sich ehrlich zu machen und zuzugeben, dass der Deutschlandtakt für die Klimaziele zunächst mal nichts beiträgt. Dann gilt es, die Politik und die Öffentlichkeit über den Deutschlandtakt zu informieren. Dann muss der Bundestag eine Sitzung zum Deutschlandtakt abhalten und den Deutschlandtakt offiziell beschließen. Schließlich muss Stuttgart 21 so verändert werden, dass es wenigstens ansatzweise Deutschlandtakt-konform ausgebildet sein wird.    
 
 

      

 

Mittwoch, 1. März 2023

Bebauungsplanverfahren in Stuttgart verzögert sich weiter: Keine Argumente mehr gegen Ergänzungsbahnhof

Das Gebiet um die ehemalige Bundesbahndirektion beim Stuttgarter Hauptbahnhof harrt nach der Fertigstellung des Rohbaus der Stuttgart 21-Tunnel dort einer neuen Bebauung. Leider dauert die Erstellung des Bebauungsplans gefühlt eine Ewigkeit. Zudem verschieben sich die Termine immer weiter. 

Die Geschichte des Bebauungsplans um die ehemalige Bundesbahndirektion steht als Beispiel für viele Bebauungspläne, Stadtentwicklungsmaßnahmen und Bauvorhaben, auch und gerade auf dem Gelände des heutigen Kopfbahnhofs. Unter diesen Umständen hat die Landeshauptstadt Stuttgart keine glaubwürdigen Argumente mehr in der Hand, die gegen einen vorübergehenden Weiterbetrieb von Teilen des Stuttgarter Kopfbahnhofs nach einer ersten Teileröffnung von Stuttgart 21 und gegen den Bau eines Ergänzungsbahnhofs sprechen.

Sehen wir uns die Sache mal näher an
Das Gebäude der ehemaligen Bundesbahndirektion wurde im Zuge der Stuttgart 21-Bauarbeiten zum Teil abgerissen. Der zentrale, stadtbildprägende Teil blieb jedoch erhalten. In der Umgebung des erhalten gebliebenen Teils der ehemaligen Bundesbahndirektion gibt es nun jede Menge Flächen, die bebaut werden können.
 
Voraussetzung für eine Bebauung ist ein gültiger Bebauungsplan. Ca. im Jahr 2018 hieß es, der neue Bebauungsplan für das Gebiet wäre im Jahr 2022 fertig. Das erschien schon damals als eine kleine Ewigkeit. Nun ist das Jahr 2022 bereits Geschichte. Vor wenigen Wochen stellte die Stadt die verschiedenen Baumaßnahmen in der Umgebung des Hauptbahnhofs vor. In Bezug auf die Bebauung des Gebiets um die ehemalige Bundesbahndirektion hieß es nun, der Bebauungsplan werde im Jahr 2024 fertig. Erst nach dem Beschluss des neuen Bebauungsplans können dann die Architekten mit der Planung beginnen. Bis zu einem Bau werden dann weitere Jahre vergehen.
 
Was läuft hier eigentlich schief? Könnte die Stadt vielleicht im Amtsblatt mal publizieren, warum Bebauungsplanverfahren immer länger dauern und sich zudem immer weiter verschieben?
Was sind die Gründe?
Ist es Personalmangel bei Behörden und Gutachtern?
Ist es die Corona-Krise?
Ist es der Ukraine-Krieg?
Fehlen Fachkräfte?
Fehlt Material?
Werden die gesetzlichen Anforderungen immer umfangreicher?
Gibt es weitere Gründe?
 
Kein Einzelfall
Die Sache mit dem Bebauungsplan im Bereich der ehemaligen Bundesbahndirektion ist kein Einzelfall. Wer mit offenen Augen durch den Stuttgarter Talkessel geht, nimmt überall Verzögerungen war, Verzögerungen beim Bau und bei der Planung - und das nicht von Monaten, sondern von Jahren.
 
Vor diesem Hintergrund wird es immer weniger glaubhaft, wenn sich die Stadt gegen die Beibehaltung einiger Gleise des Stuttgarter Kopfbahnhofs mit Zulaufgleisen von der Gäubahn und von Feuerbach wehrt. Die Beibehaltung von Teilen des Kopfbahnhofs behindert die städtebauliche Entwicklung Stuttgarts nicht. Bei dem Tempo, das die Stadt diesbezüglich vorlegt, wird es viele Jahrzehnte dauern, bis alle Flächen bebaut sind.
 
Die Bahnbrücke über die Wolframstraße kann erst mal bestehen bleiben
Die neue Führung des City-Rings nicht mehr über den Bahnhofsvorplatz, sondern im Verlauf der Wolframstraße erfordert gemäß der Argumentation der Stadt den Abriss der Gleise über die Wolframstraße. Das kann man so aber nicht nachvollziehen. Einige der Gleise werden nach einer ersten Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht mehr gebraucht. Die kann man abreisen. Ein paar weitere Gleise können bestehen bleiben.
 
Denn der maßgebende Engpass im Verlauf des neuen Cityrings ist ja gar nicht die bereits heute vierspurige Wolframstraße. Das sind vielmehr die Kreuzungen Cannstatter Straße / Heilmannstraße und Heilbronner Straße / Wolframstraße. Mir fehlt die Fantasie, wie man über diese bereits heute überlasteten Kreuzungen auch noch den Cityring führen will. Indirekt hat das auch die CDU im Stuttgarter Gemeinderat bereits eingestanden. Denn vor wenigen Jahren beantragte die CDU, dass die Stadtverwaltung einen Straßentunnel zwischen der Gaisburger Brücke und der Wolframstraße prüfen soll. Damit soll die Cannstatter Straße beim Knoten Cannstatter Straße / Heilmannstraße entlastet werden.
 
Der Kopfbahnhof und Ergänzungsbahnhof berühren Bundesrecht
Die Beibehaltung eines Teils des Kopfbahnhofs und der Bau eines Ergänzungsbahnhofs beim Stuttgarter Hauptbahnhof fallen unter Bundesrecht und nicht unter kommunales Recht. Insofern müsste sich das auch ohne die Zustimmung der Stadt realisieren lassen. Notfalls müsste man die Gerichte bemühen.

Es wäre allerdings wesentlich besser, wenn das Ganze im Einvernehmen zwischen allen Beteiligten passiert. Die Stadt sollte also von ihrem hohen Ross heruntersteigen und aus der Sackgasse herauskommen. Sie sollte einen guten Bahnknoten Stuttgart auch zu ihrem ureigenen Interesse fördern - und sei es nur, um europaweit nicht mehr als Außenseiter in Sachen Verkehr dazustehen.

Blick auf den erhalten gebliebenen Rest der ehemalingen Bundesbahndirektion (rechts im Bild): Der Blick vom Bahnhofsvorplatz auf den Weinberg am Kriegsbergturm soll verbessert werden (links der ehemaligen Bahndirektion). Das Parkhaus (weiter links) soll abgerissen werden und durch Neubauten ersetzt werden.