Heute geht es hier in diesem Blog um einige Probleme des Gotthard-Basistunnels. Die Leserinnen und Leser mögen selbst beurteilen, ob und wie diese Probleme in Relation zu Stuttgart 21 zu setzen sind. Werden die nicht wegzudiskutierenden Probleme des Gotthard-Basistunnels einigermaßen gelöst und wie sieht dies bei Stuttgart 21 aus?
Voraussichtlich im September 2024 soll die wegen des schweren Bahnunfalls nur eingeschränkte Nutzbarkeit des Gotthard-Basistunnels enden. Dann soll auch - wegen des Bahnunfalls verspätet - der genaue Halbstundentakt beim Personenverkehr im Gotthard-Basistunnel eingeführt werden.
Damit aber ist längst nicht alles in Butter beim Gotthard-Basistunnel. Der Tunnel leidet vielmehr unter Einschränkungen und Defiziten, die zum Teil auf falsche Entscheidungen der Politik zurückzuführen sind.
Das sehen wir uns heute hier in diesem Blog näher an. Konkret geht es um die Themen Tunnelquerschnitt und Energieverbrauch, Mischverkehr mit Personen- und Güterverkehr sowie Integraler Taktfahrplan.
Tunnelquerschnitte
Hier sind einige lichte Tunnelquerschnitte aufgelistet (jeweils eingleisige Tunnelröhren):
Gotthard-Basistunnel: 41 m²
Lötschberg-Basistunnel: 45 m²
Katzenbergtunnel (Freiburg - Basel): 62 m²
Boßlertunnel und Steinbühltunnel (Stuttgart - Ulm): 60 m²
Es fällt sofort auf, dass der Gotthard-Basistunnel einen vergleichsweise kleinen lichten Querschnitt aufweist. Nach allem, was ich im Internet recherchieren konnte, geht dieser kleine Querschnitt auf Einflussnahmen der Politik zurück und ist gegen den Rat von Fachleuten gebaut worden.
Extrem hoher Energieverbrauch im Gotthard-Basistunnel
Der Energieverbrauch der fahrenden Züge im Tunnel hängt unmittelbar vom Tunnelquerschnitt ab.
Gemäß dem "Verband Schweizer Lokführer und Anwärter" kann durch eine maßvolle Reduzierung der Höchstgeschwindigkeiten von 200 km/h auf 160 km/h in den langen Alpentunneln (Gotthard-Basistunnel, Ceneri-Basistunnel, Lötschberg-Basistunnel) der Energieverbrauch um 30 Prozent gesenkt werden.
In einer Stellungnahme des Schweizer Bundesrates vom 22.08.2018 auf eine parlamentarische Anfrage heißt es, dass Züge bei 250 km/h im Tunnel im Vergleich zu 200 km/h 56 Prozent mehr Energie verbrauchen. Beim Vergleich 250 km/h zu 180 km/h sind dies sogar 93 Prozent mehr Energie.
Die Schweizer Zeitung "Blick" berichtete am 04.09.2016, dass der Gotthard-Basistunnel um fast 10 Prozent enger gebaut ist als der Lötschberg-Basistunnel und keine Druckausgleichsstollen aufweist.
Im Gotthard-Basistunnel müssen die Züge eine bis zu 57 Kilometer lange Luftsäule in einer vergleichsweise engen Röhre vor sich herschieben. Ein im Tunnel vorausfahrender Güterzug - das ist der Regelbetriebsfall - bremst das Luftpaket weiter ab.
Die Schweizer Bundesbahnen SBB haben sich zu einer energiesparenden Fahrweise verpflichtet. Es ist deshalb wahrscheinlich - auch wenn dies in den Pressemitteilungen zum September 2024 nicht explizit erwähnt wird - dass die Personenzüge im Normalfall ab September 2024 nur noch mit 160 km/h durch den Gotthard-Basistunnel fahren werden.
Die folgenden Geschwindigkeiten sind wahrscheinlich ab September 2024 im Gotthard-Basistunnel relevant:
Technische Höchstgeschwindigkeit: 275 km/h
Zulässige Geschwindigkeit der Personenzüge bei Verspätungen: 200 km/h
Regelgeschwindigkeit der Personenzüge: 160 km/h
Regelgeschwindigkeit der Güterzüge: 100 km/h
Der Mischverkehr mit Personen- und Güterzügen
Es gibt aber noch einen weiteren wichtigen Grund, der dafür spricht, dass die Regelgeschwindigkeit für die Personenzüge zukünftig auf 160 km/h festgelegt wird. Das ist der im Gotthard-Basistunnel herrschende Mischverkehr mit Personen- und Güterzügen.
Hier sind die Fahrzeiten durch den Tunnel (57,1 Kilometer Länge):
275 km/h (76,38 m/s): Fahrzeit 748 s = 12,5 Minuten
200 km/h (55,55 m/s): Fahrzeit 1.028 s = 17,1 Minuten
160 km/h (44,44 m/s): Fahrzeit 1.285 s = 21,4 Minuten
100 km/h (27,78 m/s): Fahrzeit 2.055 s = 34,3 Minuten
Dies ist eine vereinfachte Berechnung ohne Beschleunigungs- und Verzögerungsvorgänge.
Variante 200 km/h für Personenzüge und 100 km/h für Güterzüge
1. Ein Personenzug fährt zur Minute 00* in den Tunnel ein und verlässt den Tunnel zur Minute 18 (Minuten jeweils aufgerundet).
* Beispiel, muss nicht mit dem Fahrplan übereinstimmen.
2. Ein Personenzug fährt zur Minute 30 in den Tunnel ein (Halbstundentakt im Personenverkekhr) und verlässt den Tunnel zur Minute 48.
3. Ein Güterzug fährt dann zur Minute 3 in den Tunnel (Annahme: Zugbruttomindestabstand 3 Minuten) und verlässt den Tunnel zur Minute 38.
4. Ein Güterzug fährt dann zur Minute 6 in den Tunnel und verlässt den Tunnel zur Minute 41.
5. Ein Güterzug fährt dann zur Minute 9 in den Tunnel und verlässt den Tunnel zur Minute 44.
6. Mehr Güterzüge passen nicht in den Tunnel. Es würde sonst der nachfolgende Personenzug gestört.
Bei einer Geschwindigkeit der Personenzüge von 200 km/h und der Güterzüge von 100 km/h passen somit zwei mal drei = sechs Güterzüge pro Stunde und Richtung in den Tunnel. Das ist nicht gerade viel.
Variante 160 km/h für Personenzüge und 100 km/h für Güterzüge
1. Ein Personenzug fährt zur Minute 00 in den Tunnel ein und verlässt den Tunnel zur Minute 22 (Minuten jeweils aufgerundet).
2. Ein Personenzug fährt zur Minute 30 in den Tunnel ein und verlässt den Tunnel zur Minute 52.
3.
Ein Güterzug fährt dann zur Minute 3 in den Tunnel (Annahme:
Zugmindestbruttoabstand 3 Minuten) und verlässt den Tunnel zur Minute
38.
4. Ein Güterzug fährt dann zur Minute 6 in den Tunnel und verlässt den Tunnel zur Minute 41.
5. Ein Güterzug fährt dann zur Minute 9 in den Tunnel und verlässt den Tunnel zur Minute 44.
6. Ein Güterzug fährt dann zur Minute 12 in den Tunnel und verlässt den Tunnel zur Minute 47.
7. Mehr Güterzüge passen nicht in den Tunnel. Es würde sonst der nachfolgende Personenzug gestört.
Bei dieser Variante passen also zwei mal vier = acht Güterzüge pro Stunde und Richtung in den Tunnel.
160 km/h für Personenzüge wegen kleinem Tunnelquerschnitt und für größere Leistungsfähigkeit
Damit wird klar, warum ab September 2024 für die Personenzüge im Gotthard-Basistunnel im Regelfall 160 km/h eingeführt werden sollte. Das ist zum Einen aus Energiespargründen notwendig. Das ist zum Anderen auch wegen des Mischverkehrs notwenig, der ansonsten die Leistungsfähigkeit des Tunnels allzusehr beschneiden würde.
Was ist mit dem Integralen Taktfahrplan (ITF)?
Der Fahrzeitunterschied im Gotthard-Basistunnel zwischen 200 und 160 km/h beträgt vier bis fünf Minuten. Es stellt sich die Frage, die hier aber nicht beantwortet werden kann, ob die Fahrzeiten zwischen den ITF-Knoten nördlich der Alpen (z.B. Zürich) und den Tessiner ITF-Knoten (Bellinzona, Lugano) bei einer Fahrzeiterhöhung noch passend sind, um die Kantenzeiten zu ermöglichen.
Fazit
Der Gotthard-Basistunnel weist einige Probleme auf. Wegen des relativ kleinen Tunnelquerschnitts entsteht bei hohen Geschwindigkeiten ein enormer Energieverbrauch. Eine Reduzierung der Geschwindigkeit für Personenzüge auf 160 km/h ist deshalb sinnvoll. Auch wegen des Mischbetriebs von Personen- und Güterzügen ist eine Annäherung der Höchstgeschwindigkeiten von Güterzügen (100 km/h) und Personenzügen (160 km/h) richtig. Je kleiner die Geschwindigkeit der Personenzüge ist, desto höher ist die Kapazität des Tunnels. Eventuelle Auswirkungen einer kleineren Geschwindigkeit der Personenzüge auf den Integralen Taktfahrplan können hier nicht abgeschätzt werden.
Es scheint unter dem Strich so sein, dass die Probleme des Gotthard-Basistunnels einigermaßen gelöst werden können. Würde so etwas auch auf Stuttgart 21 zutreffen?