Eine neue, durchgehende Doppelspur Frankfurt/Main - Mannheim - Stuttgart - Ulm - Augsburg - München sowie der Deutschlandtakt für die Magistrale Frankfurt/Main - Stuttgart - München gehören zu den wichtigsten Vorhaben des Ausbaus des Bahnnetzes in Deutschland.
Stuttgart 21 behindert beide Vorhaben. Das sehen wir uns im heutigen Post in diesem Blog näher an.
Anlass ist die Bekanntmachung der Bahn vom 21.06.2024, wonach jetzt die zukünftige Trasse für die neue Doppelspur Ulm - Augsburg gefunden ist. Mit diesem Streckenabschnitt fangen wir jetzt auch gleich an.
Neue Doppelspur Ulm - Augsburg
Die jetzt festgelegte neue Doppelspur Ulm - Augsburg wird eine Fahrzeit zwischen den beiden Städten und Bahnknotenpunkten von 26 Minuten ermöglichen. Damit liegt die Fahrzeit ausreichend unter der Kantenzeit von 30 Minuten und ist damit kompatibel mit dem Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt).
Die Planung für die neue Doppelspur Ulm - Augsburg zeigt, dass die Planer der Bahn jetzt voll hinter dem Deutschlandtakt stehen. Eine zunächst angedachte Höchstgeschwindigkeit von 300 km/h ist nicht erforderlich. Es reichen 250 km/h und im Abschnitt östlich von Ulm sogar 160 km/h. Die Devise des Integralen Taktfahrplans lautet ja: "Nicht so schnell wie möglich, sondern so rasch wie nötig".
Zur Aufnahme des Deutschlandtakts müssen auch die Bahnhöfe ausreichend ausgebaut sein. Der Augsburger Hauptbahnhof verfügt über 15 Bahnsteiggleise (einschließlich S-Bahn) und dürfte damit für den Deutschlandtakt gerüstet sein. Der Ulmer Hauptbahnhof hat 12 Bahnsteiggleise, davon 5 Stumpfgleise (einschließlich S-Bahn). Hier sollte man in den nächsten Jahren noch einmal überlegen, ob nicht doch weitere Bahnsteiggleise erforderlich sind.
Neue Doppelspur Frankfurt - Mannheim
Die Planung der neuen Doppelspur und Schnellfahrstrecke Frankfurt/Main - Mannheim ist bereits weiter vorangeschritten als bei der neuen Doppelspur Ulm - Augsburg. Die Planfeststellung ist zwischen Frankfurt und Mannheim bereits im Gange.
Die Bahn ließ bereits vor einiger Zeit verlauten, dass es zwischen Frankfurt und Mannheim mit der neuen Doppelspur eine Fahrzeit von unterhalb der Kantenzeit von 30 Minuten geben wird. Damit ist diese Strecke Deutschlandtakt-kompatibel.
Der Frankfurter Hauptbahnhof wird 25 Gleise im Kopfbahnhof und vier Bahnsteiggleise im Fernverkehrstunnel haben (ohne S-Bahn). Damit dürfte der Frankfurter Hauptbahnhof auch als Zentrum des deutschen Bahnverkehrs genügend Kapazität für den Deutschlandtakt haben.
Der Mannheimer Hauptbahnhof hat 11 Bahnsteiggleise (mit S-Bahn). Zwei Bahnsteiggleise wurden vor Kurzem neugebaut. Ob das ausreicht, muss man sich noch mal überlegen.
Neue Doppelspur Augsburg - München
Dies ist eine Ausbaustrecke, deren Bau bereits abgeschlossen ist. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 230 km/h. Der viergleisige Ausbau geht von Augsburg nicht ganz bis München-Pasing, sondern nur bis zu der Stelle, wo die Güterzüge in Richtung Nordumfahrung München abzweigen. Die Gleise für die S-Bahn werden hier nicht berücksichtigt.
Die meisten Fernzüge halten auch in München-Pasing. Die Fahrzeit von Augsburg bis München-Pasing beträgt im Fernverkehr 20 bis 22 Minuten. Die Fahrzeit von Augsburg bis München Hauptbahnhof beträgt 29 bis 34 Minuten. Damit wird es möglich, sowohl in München-Pasing als auch in München-Hauptbahnhof sogenannte Halbknoten einzurichten.Das ist für den Bahnknoten München, wo ja die meisten Fernzüge enden und beginnen, die ideale Betriebsform.
Neue Doppelspur Stuttgart - Ulm
Wir kommen jetzt mit Riesenschritten zu Stuttgart 21. Die NBS Wendlingen - Ulm und der Stuttgart 21-Teil "Stuttgart-Hauptbahnhof - Fildertunnel - Strecke bis Wendlingen" bringen die neue Doppelspur Stuttgart - Ulm. Bei allen Nachteilen von Stuttgart 21 sowie der NBS Wendlingen - Ulm kann daran nicht mehr gerüttelt werden. Das muss man jetzt akzeptieren. Ich halte vor diesem Hintergrund auch nichts mehr davon, wenn man jetzt noch Stuttgart 21 als Ganzes stoppen will. Das würde dann bedeuten, dass man auf die doch dringend notwendige neue Doppelspur Stuttgart - Ulm noch einmal mindestens 40 Jahre warten muss.
Bei der Fahrzeit gibt es jedoch Probleme. Stuttgart 21 ist ein politisches Projekt. Als man die Idee zu Stuttgart 21 hatte, war der Deutschlandtakt noch weit entfernt, obwohl in der Schweiz der Integrale Taktfahrplan bereits in aller Munde war. Es ist wahrscheinlich, dass die Fahrzeit Stuttgart - Ulm nur knapp unter der Kantenzeit von 30 Minuten oder sogar bei 30 Minuten oder sogar über 30 Minuten sein wird. Das kommt unter anderem durch den von der Politik gewollten Schlenker der Strecke über den Stuttgarter Flughafen, der unnötig Fahrzeit kostet. Die möglicherweise zu lange Fahrzeit bringt für den Deutschlandtakt im Ulmer Hauptbahnhof Probleme, weil das Rendez-Vous der Züge nicht die notwendige Kompaktheit aufweist. Vielleicht gelingt es, dieses Defizit durch Fahrzeitreserven Richtung Augsburg wieder zum Teil zu heilen.
Neue Doppelspur Mannheim - Stuttgart
Im Jahr 1991 wurde die Schnellfahrstrecke Mannheim - Stuttgart eröffnet. Die neue Doppelspur verläuft seitdem von Mannheim bis nördlich von Stuttgart-Zuffenhausen, also nicht bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof.
Da besteht heute ein Mangel. Und das Dumme ist, dass Stuttgart 21 diesen Mangel nicht heilt. Denn Stuttgart 21 bringt zwischen S-Zuffenhausen und dem Hauptbahnhof keine neue Doppelspur.
Auch bei der Fahrzeit Mannheim - Stuttgart mit heute 37 Minuten, die nicht Deutschlandtakt-kompatibel ist, bringt Stuttgart 21 allenfalls eine Verbesserung von 2 Minuten, aber nicht von 9 Minuten, wie es erforderlich ist.
Jetzt muss man den Bund anbetteln, außerhalb von Stuttgart 21 aus Bundesmitteln einen Nordzulauftunnel zu finanzieren, der zusammen mit einigen anderen Maßnahmen die Fahrzeit Mannheim - Stuttgart auf unter die Kantenzeit von 30 Minuten bringt. Das ist aber noch nicht alles. Die neue Doppelspur gibt es erst dann, wenn zusätzlich zum Nordzulauftunnel auch noch zwei Gleise von/nach Ludwigsburg in einen ergänzenden Kopfbahnhof geführt werden. Und den Deutschlandtakt kann man mit Stuttgart 21 im Stuttgarter Hauptbahnhof nicht fahren. Denn dafür gibt es zu wenige Bahnsteiggleise im Hauptbahnhof.
Auswirkungen der Stuttgart 21-Misere auf Ulm, Augsburg und München
Solange die neue Doppelspur Mannheim - Stuttgart nicht vollständig ist, solange die Fahrzeit Mannheim - Stuttgart nicht unter der Kantenzeit von 30 Minuten liegt und solange es nicht mehr Bahnsteiggleise im Stuttgarter Hauptbahnhof gibt, kann der Deutschlandtakt in Stuttgart nicht betrieben werden. Noch schlimmer: Der Deutschlandtakt kann dann in Ulm-Hauptbahnhof, Augsburg-Hauptbahnhof, München-Pasing und München-Hauptbahnhof ebenfalls noch nicht betrieben werden, weil einfach die Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Fernzüge nicht passen. Das gilt auch dann, wenn z.B. die neue Doppelspur Ulm - Augsburg in Betrieb ist.
Und es kann lange dauern, bis in Stuttgart ein Nordzulauftunnel gebaut wird. Stuttgart 21 bringt also für die gesamte Magistrale Frankfurt - München Probleme mit sich.