Mitte November 2014 explodierte einmal mehr eine Kostenbombe im Umfeld von Stuttgart 21. Die geplante Verlängerung der S-Bahn von Bernhausen nach Neuhausen a.d.F. soll nun nicht mehr 92 Millionen Euro, sondern sage und schreibe 125 Millionen Euro kosten.
Auf diese Kostenexplosion gibt es nun drei Varianten einer Reaktion.
- Man kann die Kostenexplosion achselzuckend zur Kenntnis nehmen und hoffen, dass die S-Bahn nach Neuhausen a.d.F. letztendlich doch irgendwie auch mit den hohen Kosten gebaut werden kann.
- Man kann die Kostenexplosion auch zum vielleicht willkommenen Anlass nehmen, um die Pläne zum Bau einer Bahnstrecke nach Neuhausen a.d.F. zu beerdigen.
Tatsächlich beschränken sich die Reaktionen von Politik und Öffentlichkeit bisher auf diese beiden Varianten. Die dritte mögliche Variante wird merkwürdigerweise bisher so gut wie nicht angesprochen. Dabei ist es gerade diese Variante, die das Potenzial hat, einen Weg in die Zukunft zu weisen und einen Ausweg aus der Sackgasse Stuttgart 21 aufzuzeigen.
Als einziges Großbauvorhaben der Eisenbahn in Europa ist das Projekt Stuttgart 21 nicht in den staatlichen Verkehrsausbauplänen enthalten. Das Projekt wird statt dessen als eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn bezeichnet. Ist dies ein genialer Schachzug, um der Region Stuttgart zu einer besseren Infrastruktur zu verhelfen? Oder begibt sich die Region Stuttgart mit der Abgabe ihrer Eisenbahninfrastruktur an ein eigenwirtschaftlich handelndes Privatunternehmen auf bahnverkehrliches Glatteis? Diesen Fragen wollen wir im heutigen Post in diesem Blog nachgehen.
Aus Sicht der Betreiber von Stuttgart 21 ist die Darstellung des Vorhabens als eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn tatsächlich genial. Dadurch werden die ansonsten für derartige Großprojekte erforderlichen Nutzen-Kosten-Untersuchungen entbehrlich. Öffentliche Mittel können für das Projekt jedoch trotzdem fließen. Sie fließen aber nicht direkt in das Projekt, sondern sie fließen als Zuschuss an die Bahn, damit diese aus ihrer unternehmerischen Sicht das Projekt als eigenwirtschaftlich betrachten und mit dem Bau beginnen kann.
Allenfalls stehen dem Mittelabfluss der öffentlichen Hand (Land BW, Landeshauptstadt Stuttgart, Region Stuttgart, Flughafen Stuttgart) in Richtung Bahn allgemeine Grundsätze für die öffentlichen Haushalte entgegen. Diese Bestimmungen sind jedoch so dehnbar, dass eine diesbezügliche Klage vor Gericht wohl wenig Aussicht auf Erfolg hätte bzw. über viele Instanzen hinweg eine quasi endlose Prozessdauer bekäme. Derweil hätten die damaligen Entscheider längst das Altenteil erreicht.
Nun gibt es ja den Spruch, dass der Zweck die Mittel heiligt. Man könnte nun tatsächlich sagen, dass die fragwürdige Konstruktion von Stuttgart 21 mit ihrer Umleitung öffentlicher Mittel hin zu einem Privatkonzern ohne die sonst übliche Nutzen-Kosten-Betrachtung vielleicht dann zu rechtfertigen wäre, wenn dies klar zum Nutzen für die Region Stuttgart, für das Land Baden-Württemberg, für die Menschen, für die Bahnkunden und für das Bahnnetz wäre. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein. Hierzu lohnt es sich, kurz die einzelnen Zugkategorien des Bahnverkehrs getrennt zu betrachten.