Freitag, 22. November 2024

Die Filstalbahn unter Stuttgart 21: Hier muss umgesteuert werden

Die Filstalbahn zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Geislingen an der Steige wird durch Stuttgart 21 schwer gebeutelt. Das sehen wir uns heute näher an.

Fangen wir mal mit dem Bahnhof Bad Cannstatt an. Wenn man sich heute während des nachmittäglichen Berufsverkehrs im Bahnhof Bad Cannstatt aufhält, wundert man sich vielleicht über die Menschenmassen, die auf den Bahnsteigen für den Regionalverkehr auf ihren Zug warten.  

Das Regionalverkehrsangebot ab dem Bahnhof Bad Cannstatt ist ja heute nicht schlecht. Es gibt ab dem Bahnhof Bad Cannstatt halbstündliche Regionalverkehrsverbindungen in Richtung Aalen, in Richtung Schwäbisch Hall, in Richtung Geislingen an der Steige und in Richtung Tübingen.

Unter Stuttgart 21 fallen jedoch die direkten Regionalverkehrsverbindungen zwischen Bad Cannstatt und Geislingen an der Steige sowie Bad Cannstatt und Tübingen weg. In Richtung Geislingen an der Steige hat man dann von Bad Cannstatt die Wahl, zuerst zum Hauptbahnhof zu fahren und dann von dort weiter auf die Filstalbahn und die Neckar-Alb-Bahn. Oder man bummelt mit der S-Bahn ab Bad Cannstatt Richtung Plochingen und steigt dann in den Zug in Richtung Geislingen an der Steige oder in Richtung Tübingen um.

Jedenfalls ist das eine Verschlechterung für die Fahrgäste, die ab Bad Cannstatt fahren wollen. Um das zu heilen, bedarf es eines zweigleisigen Zulaufs von Bad Cannstatt zum Stuttgarter Kopfbahnhof. Das ist erreichbar, wenn man zwei Gleise aus dem Cannstatter Tunnel von Stuttgart 21 ausschleift und in den ergänzenden Kopfbahnhof führt. 

Keine S-Bahn ins Filstal
Nach einer vollständigen Inbetriebnahme von Stuttgart 21 werden im Filstal keine Fernverkehrszüge mehr fahren. Das hat ja einige Lokalpolitiker überrascht. Mit dem schnellen Regionalzug pro Stunde über Göppingen, der ggf. später mal halbstündlich verkehren kann, ist jedoch eine gute Anbindung des Filstals an die weite Welt gegeben. Dann gibt es den MEX (Metropolexpress), der halbstündlich verkehrt und zwischen Plochingen und Geislingen überall hält.
 
Diesen MEX kann man bei Bedarf und wenn es für das Ziel einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 erforderlich ist, sogar viertelstündlich verkehren lassen. Das ist jedenfalls um Längen besser als dass man zusätzlich zum MEX auch noch die S-Bahn von Plochingen nach Göppingen verlängert. Dann hätte man auch so etwas wie einen Viertelstundentakt, jedoch wäre dies wahrscheinlich ein Stottertakt sowie ein Takt, der aus vollkommen unterschiedlichen Bahnsystemen besteht (Bahnsteighöhe, Zuglänge, Türanordnung, Fahrzeugaustattung). Die Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn über Plochingen hinaus sollte man deshalb tunlichst bleiben lassen. Wenn es um zukünftigen Kapazitätszuwachs im Bahnknoten Stuttgart geht, ist in erster Linie der MEX gefragt und nicht die S-Bahn.             


Freitag, 15. November 2024

Zuggattung IRE entfällt im Stuttgarter Hauptbahnhof: Wie geht es mit dem Regionalverkehr unter Stuttgart 21 weiter?

Mit dem kommenden Fahrplanwechsel im Dezember 2024 wird im Stuttgarter Hauptbahnhof die Zuggattung IRE entfallen. Das war das Thema im vorangegangenen Post in diesem Blog.

Heute geht es um den Regionalverkehr (Nahverkehr) im Bahnknoten Stuttgart ohne IRE, aber mit RE (Regionalexpress), MEX (Metropolexpress) und S-Bahn unter Stuttgart 21. Da läuft nicht alles so, wie es sein soll. Änderungen sind durchzuführen, solange es noch geht.

Wegen der Vielzahl der einzelnen Punkte halten wir den Text so knapp wie möglich.

Keine Taktverdichtung der S-Bahn im Verlauf der Stammstrecke
Zur Zeit fährt im Verlauf der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn alle 2,5 Minuten ein Zug pro Richtung (15 Minuten-Takt je Linie). Mehr geht nicht. Eventuelle Verbesserungen durch neue Signalsysteme dürfen ausschließlich zum Verspätungsabbau, nicht aber für noch mehr Verkehr verwendet werden. Spürbare Kapazitätssteigerungen zur Erreichung der Verdoppelung des Bahnverkehrs bis 2030 dürfen nur im Rahmen des Metropol-Express (MEX) umgesetzt werden.
 
Kein 10 Minuten-Takt bei der S-Bahn
Immer wieder hört man von Forderungen, den 10 Minuten-Takt bei der S-Bahn einzuführen. Das geht überhaupt nicht. Allein schon die Strecken Fellbach - Schorndorf, Fellbach - Backnang und S-Vaihingen - Herrenberg schließen wegen des dort praktizierten Mischbetriebs einen 10 Minuten-Takt bei der S-Bahn aus, es sei denn, man will, dass die Regional- und Fernzüge hinter den S-Bahnzügen daherzuckeln. An Stelle des 10 Minuten-Takts bei der S-Bahn muss der MEX weiter ausgebaut werden.
 
Keine unterschiedlichen Takte bei der S-Bahn
Unterschiedliche Takte bei den verschiedenen S-Bahnlinien dürfen nicht praktiziert werden. Das würde zu einem Verkehrschaos im Verlauf der Stammstrecke führen.
 
Kein Mischbetrieb aus MEX und S-Bahn im Filstal
Der Verband Region Stuttgart hat jetzt Untersuchungen beauftragt, wonach die S-Bahn ins Filstal (Göppingen) verlängert werden soll. Diese Planungen sind sofort zu stoppen. Der MEX fährt bereits im Filstal und ist ggf. auf einen 15 Minuten-Takt zu verdichten. Es geht nicht, dass zwei so unterschiedliche Verkehrssysteme wie der MEX und die S-Bahn mit unterschiedlichen Bahnsteighöhen, mit unterschiedlichen Zuglängen, mit einer unterschiedlichen Türanordnung und mit unterschiedlichen Innenräumen (WC) zusammen geführt werden. Zudem ist eine Verlängerung der S-Bahn ins Filstal nicht geeignet, eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 zu  bewirken. Denn zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Plochingen ändert sich dadurch am bestehenden 15 Minuten-Takt der S-Bahn nichts.
 
Kein Mischbetrieb aus MEX und S-Bahn Richtung Pforzheim
Auch eine Verlängerung der S-Bahn von Bietigheim nach Mühlacker und Pforzheim ist nicht sinnvoll. Auch hier fährt der MEX, der ggf. auf einen 15 Minuten-Takt verdichtet werden muss. Auch hier würde als Folge der Verlängerung der S-Bahn über Bietigheim hinaus zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Bietigheim gegenüber heute kein S-Bahnzug zusätzlich fahren.
 
15 Minuten-Takt von MEX/S-Bahn im Filstal und nach Mühlacker hat ein Fragezeichen
Hinter einen resultierenden 15 Minuten-Takt im Filstal und nach Mühlacker, der aus einem Halbstundentakt von MEX und S-Bahn besteht, ist ein Fragezeichen zu setzen. Wegen der vielen Einschränkungen bei der Wahl der Fahrlage der S-Bahn (Stammstrecke, Mischbetrieb, eingleisige Strecken) ist zu befürchten, dass kein genauer 15 Minuten-Takt, sondern ein Stottertakt zustandekommt. Bei einem reinen MEX-Betrieb ist dagegen ein exakter 15 Minuten-Takt möglich, weil der MEX - vor allem unter Berücksichtigung eines ergänzenden Kopfbahnhofs - größere Freiheitsgrade hat als die S-Bahn.
 
15 Minuten-Takt-MEX muss in den ergänzenden Kopfbahnhof fahren
Wir haben jetzt bereits zwei MEX-Strecken identifiziert, bei denen mittelfristig ein 15 Minuten-Takt eingerichtet werden muss. Das sind die Filstalbahn Stuttgart-Hauptbahnhof - Göppingen (-Geislingen an der Steige) sowie die Strecke Stuttgart-Hauptbahnhof - Mühlacker - (Pforzheim).
 
Diese beiden MEX-Linien sollten in den ergänzenden Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Dieser Ergänzungsbahnhof ist auch wegen des Deutschlandtakts erforderlich.    
 
Der MEX muss auf allen Radialstrecken zum Stuttgarter Hauptbahnhof mit mindestens einem 30 Minuten-Takt eingerichtet werden
Zur Marke MEX gehört mindestens ein Halbstundentakt auf allen Radiallinien vom und zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Dazu gehört auch die Verwendung der Marke MEX auf allen betroffenen Zügen. Leider ist dies unter Stuttgart 21 wohl nicht der Fall.
 
So wird es im Verlauf der Radiallinie Pforzheim - Vaihingen (Enz) - Bietigheim - Hauptbahnhof wohl keinen MEX geben, sondern einen halbstündlichen RE. Möglicherweise ist die Durchbindung dieses Zuges über Flughafen nach Tübingen der Grund. Möglicherweise fahren im Verlauf der Schnellfahrstrecke nach Wendlingen keine MEX.

Im Verlauf der Radiallinie Schwäbisch Hall - Hauptbahnhof wird es einen MEX im Stundentakt geben. Einen weiteren MEX gibt es zweistündlich. Dann gibt es noch einen zweistündlichen RE. Naja, das ist wohl nicht der Weisheit letzter Schluss.
 
Es ist dringend erforderlich, dass möglichst viele MEX-Linien im ergänzenden Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof enden. Dadurch wird der MEX eine saubere Sache.

Freitag, 8. November 2024

Fahrplanwechsel im Dezember 2024 schafft Zuggattung "Interregio-Express (IRE)" im Stuttgarter Hauptbahnhof ab

Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 schafft Baden-Württemberg die Zuggattung "Interregio-Express (IRE)" ab. Damit wird es auch im Stuttgarter Hauptbahnhof keine IRE-Züge mehr geben. 

Die Zuggattung IRE wird durch die Zuggattung RE (Regionalexpress) ersetzt.

Die Zuggattung des IRE wurde in Baden-Württemberg im Jahr 2001 eingeführt. Auslöser war die Einstellung des von der Bahn eigenwirtschaftlich betriebenen Fernverkehrssegments "Interregio". 

Einige Interregio-Linien hat die Bahn durch weiterhin eigenwirtschaftlich betriebene Intercity-Linien ersetzt. Ein Beispiel dafür ist die heutige Intercity-Linie Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg.

Einige andere Interregio-Linien hat die Bahn nicht ersetzt. Als Ersatz hat das Land Baden-Württemberg Regionalzüge bestellt und sie IRE genannt, z.B. der heutige IRE Karlsruhe - Stuttgart.

Das Land BW hat darüberhinaus auf einigen Strecken IRE-Züge bestellt, auf denen kein IR fuhr. Ein Beispiel dafür ist die Strecke Stuttgart - Reutlingen - Tübingen - Sigmaringen.

In den vergangenen Jahren hat das Land BW die Marke IRE bereits zum Teil wieder zurückgezogen. Ein Beispiel dafür ist der schnelle Regionalzug Stuttgart - Göppingen - Ulm, der früher zur Zuggattung IRE gehörte und heute als RE 5 firmiert.

Nun also der vollständige Rückzug vom IRE. Interessant ist, dass auch der auf der neuen Schnellfahrstrecke Wendlingen - Ulm fahrende IRE 200 in RE 200 umbenannt wird.

Stuttgarter Hauptbahnhof ohne IRE
Im Stuttgarter Hauptbahnhof wird es ab Dezember 2024 die folgenden Zuggattungen beim Regionalverkehr (Nahverkehr) geben:
  • RE Regionalexpress
  • MEX Metropolexpress
  • S-Bahn

Drei Zuggattungen beim Regionalverkehr (Nahverkehr) scheinen übersichtlich und ausreichend zu sein. Größere Probleme bei der Umstellung sollten eigentlich nicht auftreten. 

Ist damit beim Regionalverkehr (Nahverkehr) im Stuttgarter Hauptbahnhof und dessen Umfeld alles in Ordnung? 

Nein!

Es gibt zwischen den drei Zuggattungen des Regionalverkehrs (Nahverkehrs) in der Region Stuttgart vielmehr Probleme. Darauf gehen wir im Post am kommenden Freitag näher ein.

  

Freitag, 1. November 2024

"Perspektive BAHN 2050" der Schweiz zeigt: Stuttgart 21 am Stuttgarter Flughafen ist der falsche Weg

Das Schweizer Bundesamt für Verkehr BAV erläutert in seinem Newsletter vom Oktober 2024 die konkreten Folgen der vom Schweizer Bundesrat beschlossenen "Perspektive BAHN 2050", einer Langfriststrategie für den Bahnausbau in der Schweiz.

Demnach soll die Bahn vor allem dort weiter ausgebaut werden, wo sie den grössten Beitrag zur Bewältigung der künftigen Mobilitätsbedürfnisse leisten kann. Das heißt konkret, dass sie dem motorisierten Individualverkehr Konkurrenz machen muss. Die Mehrzahl der Fahrten mit dem motorisierten Individualverkehr findet im Entfernungsbereich von unter 30 Kilometern statt. In diesem Entfernungsbereich muss die Bahn somit attraktiver werden, so dass sie möglichst viele Fahrten vom motorisierten Individualverkehr abgreifen kann.

Das hat Folgen für den zukünftigen Bahnausbau, der möglicherweise ganz anders gestaltet werden muss, als man dies bisher gedacht hat.

Die S-Bahn-Alternative zu Stuttgart 21 am Flughafen wäre besser geeignet, Fahrten vom motorisierten Individualverkehr abzugreifen 
Kommen wir zu Stuttgart 21 und im Besonderen zu Stuttgart 21 beim Stuttgarter Flughafen und auf den Fildern.

Ein alternativer Ausbau der S-Bahn beim Stuttgarter Flughafen und auf den Fildern wäre sehr nah an die jetzt in der Schweiz auf die Tagesordnung gebrachte Perspektive BAHN 2050 gekommen. Dreh- und Angelpunkt wäre der bestehende S-Bahnhaltepunkt am Stuttgarter Flughafen gewesen. Dieser Haltepunkt ist bei weitem nicht ausgelastet und weist große Potenziale und Reserven auf. Ein zweiter hundsteurer, in großer Tiefenlage liegender und nur  mit Aufzügen erreichbarer Bahnhof am Stuttgarter Flughafen - wie jetzt bei Stuttgart 21 geschehen - wäre nicht notwendig gewesen.

Vom S-Bahnhaltepunkt Flughafen wären im 15 Minuten-Takt Express-S-Bahnverbindungen nach Wendlingen und Plochingen, nach Nürtingen, nach S-Vaihingen und zum Stuttgarter Hauptbahnhof sowie auch nach Böblingen und Renningen möglich gewesen. Das Ganze hätte sich gerechnet. Denn ein zweiter Flughafenbahnhof hätte sich erübrigt und auch der sogenannte Ringschluss der S-Bahn wäre ohne Konkurrenz durch Stuttgart 21 möglich geworden.

Auch die Erschließung des Flughafens wäre mit diesen Express-S-Bahnen in die verschiedensten Richtungen hervorragend gewesen.

Jetzt kommt Stuttgart 21
Jetzt kommt aber Stuttgart 21 und verhindert den Ringschluss der Stuttgarter S-Bahn vom Flughafen über die Fildern ins Neckartal nach Plochingen, Wendlingen und Nürtingen. Damit kann die S-Bahn nicht zu einer attraktiven Konkurrenz im Entfernungbereich bis zu 30 Kilometer zum motorisierten Individualverkehr ausgebaut werden. 
 
Wie man das wieder heilen kann, ist mir unklar. Beim Stuttgarter Hauptbahnhof ist die Sache ja noch nicht hoffnungslos. Dort kann man noch einen ergänzenden Kopfbahnhof mit Zuläufen von der Gäubahn, von Ludwigsburg und von Bad Cannstatt vorsehen. Aber am Flughafen?

 

 


Freitag, 25. Oktober 2024

Landesverkehrsminister Hermann wiederholt alte Stuttgart 21-Flughafenbahnhof-Peinlichkeiten

Am Richtfest des Stuttgart 21-Flughafenbahnhofs nahm auch Landesverkehrsminister Hermann teil. 

Gemäß einem Artikel der Stuttgarter Zeitung von 11.10.2024 hat sich Hermann beim Richtfest zu verschiedenen Themen im Zusammenhang mit dem Stuttgart 21-Flughafenbahnhof geäußert. Dazu nehmen wir im heutigen Post in diesem Blog Stellung.

Hält der ICE am Flughafenbahnhof?
So kritisierte Hermann, dass bisher nur ein zweistündlicher Halt eines ICE pro Richtung am Flughafenbahnhof vorgesehen sei.
 
Dieses Thema haben wir in der Anfangszeit dieses Blogs vor über 10 Jahren bereits ausführlich behandelt. Hermann irrt bei diesem Thema. Ob am Flughafen ICEs halten oder nicht ist allein Sache der Bahn. Denn es handelt sich hier um eigenwirtschaftliche Verkehre der Bahn. Ein ganz wichtiges Systemmerkmal des deutschen ICE ist zudem der nur einmalige Halt pro Großstadt bzw. pro Region. Ausnahmen davon gibt es lediglich an den Endpunkten des ICE-Netzes und in ganz eingeschränktem Umfang in Frankfurt am Main.
 
Wo käme der ICE denn hin, wenn man von diesem wichtigen Grundsatz eines nur einmaligen Halts pro Großstadt bzw. Region abweichen würde? Das ICE-System wäre dann nicht mehr attraktiv.

Freitag, 18. Oktober 2024

Kein Bekenntnis zum Bau des Gäubahn-Pfaffensteigtunnels

Gero Hocker (FDP) ist der neue Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium und damit Nachfolger von Michael Theurer (FDP), der zur Bundesbank wechselte. 

Gero Hocker nahm am 11.10.2024 als Vertreter des Bundes an der Feier für das Richtfest beim Stuttgart 21-Flughafenbahnhof teil. So etwas ist ja seit jeher eine gute Gelegenheit, eine neue Botschaft zu verkünden oder mit einem neuen Scheck zu wedeln. Das aber tat Gero Hocker nicht. Gemäß einem Bericht der Stuttgarter Zeitung vom 11.10.2024 ließ sich Hocker eine Zusage zum Bau des Gäubahn-Pfaffensteigtunnels nicht entlocken.

Das muss aufhorchen lassen. Das Umfeld für den Bau des Gäubahn-Pfaffensteigtunnels sieht anscheinend nicht besonders gut aus. Das passt jedenfalls zu den Äußerungen zum Tunnelbau, die in letzter Zeit aus der Schweiz und von DB InfraGO kommen. Im Tunnelland Schweiz ist eine Diskussion um weitere Eisenbahntunnel entbrannt. Denn diese Tunnel kosten ja nicht nur beim Bau ein Heidengeld. Sie liegen in den Folgejahren weiter auf der Tasche der Steuerzahler. Denn sie müssen regelmäßig gewartet und instandgesetzt werden. Und nicht zu vergessen sind die täglichen hohen Betriebskosten. Ähnlich sieht es wohl aus der Sicht von DB InfraGO aus. Dort hat man alle Hände voll zu tun, das Bestandsnetz in Schuss zu halten und instandzusetzen. Für weitere Megatunnel vom Typ des Pfaffensteigtunnels ist da wohl erst mal kein Geld vorhanden.

Die Gretchenfrage lautet: Wie viel Infrastruktur (z.B. Bahntunnel) kann sich eine Gesellschaft, ein Staat, dauerhaft leisten. Und diesbezüglich gibt es drei Varianten:

1. Es ist noch Luft nach oben. Es gibt noch Geld und Resourcen für weitere Tunnel.

2. Der Wendepunk ist erreicht. Weitere Bahntunnel können nicht mehr gebaut werden, es sei denn, man legt vorhandene Infrastruktur still.

3. Der Wendepunkt ist überschritten. Die vorhandene Infrastruktur zerfällt und kann wenigstens in Teilen nicht mehr instandgehalten werden.

Wenn man die jüngsten Äußerungen zusammenfügt, scheint unsere Gesellschaft, unser Staat, so langsam bei der Variante 2 anzukommen.

Es sieht also nicht gut aus für den Gäubahn-Pfaffensteigtunnel.
Man kann den Bau dieses Tunnels, eines der längsten Tunnels Deutschlands, nicht wirklich begründen. Denn die Gäubahn verfügt bereits über eine zweigleisige Zulaufstrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof (mit Ausnahme eines ganz kurzen Stücks beim Nordbahnhhof, das aber leicht geheilt werden kann). 

Der Pfaffensteigtunnel würde die Rahmenbedingungen für die Gäubahn sogar verschlechtern. Denn die Züge der Gäubahn müssen sich hier unmittelbar hinter dem Pfaffensteigtunnel in den Fildertunnel einfädeln und sich in die Zugschlange der Züge von Ulm und von Tübingen einflechten. Das ist gerade unter dem Gesichtspunkt des Integralen Taktfahrplans (Deutschlandtakt) ganz schlecht. Die Gäubahn braucht eigene Gleise zum Hauptbahnhof, damit das Rendez-Vous der Züge zur vollen und halben Stunde im Stuttgarter Hauptbahnhof ausreichend kompakt gestaltet werden kann.

Und was soll eigentlich dieser Pfaffensteigtunnel? Für drei Züge pro Stunde und Richtung einen der längsten und teuersten Tunnels Deutschlands bauen? Und die Züge dann beim Flughafen eine 270 Grad-Pirouette drehen lassen? Das ist weltweit einmalig. Einmalig lächerlich.

Alle diese Punkte sollten auch berücksichtigt werden, wenn im Februar des kommenden Jahres die Klage der DUH um Erfüllung des Planfeststellungsbeschlusses und um den Weiterbetrieb der Gäubahn auf ihrer angestammten Panoramastrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof verhandelt wird.             


Freitag, 11. Oktober 2024

Verspätungen bei durchgebundenen Regionalzügen: Ein Vorgeschmack auf Stuttgart 21?

Wenn das Projekt Stuttgart 21 einmal fertiggestellt sein sollte, werden fast alle Regionalzüge im Stuttgarter Hauptbahnhof durchgebunden.

Das erfolgt aber nicht deshalb, weil dies die beste Betriebsform ist oder weil das für die Mehrzahl der Fahrgäste günstig ist. Das erfolgt vor allem deshalb, weil dies die Betriebsform ist, mit der Stuttgart 21 noch am ehesten zurecht kommt.

Bereits heute gibt es einen Vorgeschmack auf die Durchbindungen bei den Regionalzügen. Mindestens eine von Tübingen kommende Regionalzuglinie wird im Stuttgarter Hauptbahnhof nach Heilbronn durchgebunden. Und zweistündlich wird ein IRE von Karlsruhe nach Aalen durchgebunden.

In einem Brief an die Bahn nimmt der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer nun auch diese Thematik auf - neben vielen anderen Dingen. Darüber berichtet die Zeitung Reutlinger General-Anzeiger in ihrer Webausgabe vom 04.10.2024.

Palmer vertritt die Auffassung, dass die wegen Stuttgart 21 stattfindende Durchbindung von Regionalzügen in der Relation Tübingen - Heilbronn eine der Ursachen für die aktuell immer weiter zunehmenden Verspätungen ist. Der frühere Pendelverkehr Stuttgart - Tübingen verkehrte dagegen zuverlässig. Leider vertieft Palmer dieses Thema nicht weiter, sondern geht gleich zu anderen Bahnthemen über.

In diesem Blog haben wir bereits Dutzendfach auf die Nachteile der Durchbindung von Regionalzügen bei Stuttgart 21 hingewiesen. Das führt zu Verspätungsübertragungen und nützt der ganz großen Mehrzahl der Fahrgäste nichts, weil sie in Stuttgart aus- und umsteigen.

Es gibt auch bei diesem Thema nur eine Lösung: Es muss ein ergänzender Kopfbahnhof her, mit eigenen Zuläufen von Ludwigsburg, von der Gäubahn und von Bad Cannstatt.   

     

Freitag, 4. Oktober 2024

Neuer Geschäftsführer bei Stadtbahn Ludwigsburg: Gelingen ist auch für Stuttgart wichtig

Das Projekt der Stadtbahn Ludwigsburg hat einen neuen Geschäftsführer bekommen, auch wenn sich diese Persönlichkeit nur als Interims-Geschäftsführer sieht.

Es gibt thematische Verbindungen zwischen der Stadtbahn Ludwigsburg und der Stuttgarter Stadtbahn. Diese Verbindungen sind genau herauszuarbeiten - im Interesse sowohl der Ludwigsburger als auch der Stuttgarter Stadtbahn.

Der geplanten Ludwigsburger Stadtbahn weht von Teilen der Bevölkerung und der Politik immer noch ein scharfer Wind entgegen. Hierbei hat man möglicherweise das Negativbeispiel der Stuttgarter Stadtbahn vor Augen, die sich mit ihren klobigen Fahrzeugen, ihren Hochbahnsteigen und ihren großen Gleisradien nicht gerade stadtverträglich verhält, wenn sie an der Oberfäche fährt.

Auch in Tübingen spielte bei der Volksabstimmung über die Innenstadtstrecke der Regional-Stadtbahn Neckar-Alb die Stuttgarter Stadtbahn eine gewisse Rolle. So hat der Schwäbische Heimatbund, eine NGO, im Vorfeld der Abstimmung verlauten lassen, dass man gegen die Innenstadtstrecke der Stadtbahn in Tübingen sei. Als Begründung wurde unter anderem der Berliner Platz in Stuttgart genannt, wo zum Teil 80 Meter lange Stadtbahnzüge um die Ecke fahren, den Platz ungebührlich einnehmen und dabei den Gebäuden am Platzrand ziemlich nahe kommen. Die Bürgerinnen und Bürger in Tübingen votierten gegen die Innenstadtstrecke der Stadtbahn.

Die Stuttgarter Stadtbahn hat also das Potenzial, dem Entstehen moderner Niederflurstadtbahnsysteme anderswo Hindernisse in den Weg zu legen. Umso wichtiger ist es, dass der Geschäftsführer der Stadtbahn Ludwigburg gute Beispiele für den Schienenverkehr in der Stadt hervorhebt, als Beispiel unter vielen die Stadtbahn Straßburg, und ggf. eine Exkursion dorthin für die Ludwigsburger Politik organisiert.

Problem: Bahnsteighöhe gemäß EBO (Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung)
Nun gibt es allerdings bei der Ludwigsburger Stadtbahn, sofern sie als "Tram-Train-Fahrzeug" verkehren soll, ein Problem mit den Bahnsteighöhen. Gemäß der EBO müssen Bahnsteige mindestens 38 cm hoch sein. Das aber wäre auf den straßenbahnmäßig befahrenen Streckenabschnitten durch Ludwigsburgs Innenstadt hindurch immer noch vergleichsweise viel.
 
Deshalb sollte man sich noch einmal überlegen, ob man die Strecke von Markgröningen nach Ludwigsburg (EBO) nicht doch besser von der durch Ludwigsburg fahrenden Straßenbahn entkoppelt, etwa indem die nach EBO fahrenden Züge von Markgröningen über Ludwigsburg weiter Richtung Kornwestheim mit  Zwischenhalt W&W geführt werden. Die durch Ludwigsburg fahrende Straßenbahn würde dann im Westen im Bereich der Schwieberdinger Straße fahren.
 
Stuttgart kann sich möglicherweise in der Zukunft ein Beispiel an Ludwigsburg nehmen
Umgekehrt ist ein Gelingen der Stadtbahn Ludwigsburg auch für die Zukunft der Stuttgarter Stadtbahn wichtig. Nein, es ist absolut nicht vorgesehen oder sinnvoll, die Stuttgarter Stadtbahn als Ganzes in Richtung Niederflurstraßenbahn zu migrieren. Es ist jedoch erforderlich, sich Gedanken über eine dritte Stammstrecke für die Stuttgarter Stadtbahn zu machen, die die beiden bestehenden Stammstrecken entlasten könnte und die Kapazität der Stuttgarter Stadtbahn insgesamt erhöhen könnte. 
 
Und eine von mehreren Varianten für die dritte Stammstrecke wäre eine Niederflurstraßenbahn, die einige Streckenäste der bestehenden Stadtbahn von der ersten und zweiten Stammstrecke übernehmen könnte. Und in diesem Zusammenhang wäre es dann gut, wenn die Stuttgarter Gemeinderäte sich zu gegebener Zeit in Ludwigsburg über die Niederflurstraßenbahn informieren könnten.    


Freitag, 27. September 2024

Stuttgart 21-Nordzulauf: Keine Steigerung bei den Zugzahlen

Mit Stuttgart 21 wird im Nordzulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof wahrscheinlich kein Zug zusätzlich fahren im Vergleich zum gerade aktuellen Fahrplan. Das zeigt ein Vergleich des aktuellen Fahrplans mit dem Regionalverkehrsfahrplan von Stuttgart 21.  

Nach dem Ende der Sommerferien 2024 ist ein neuer Fahrplan für den Stuttgarter Hauptbahnhof in Kraft getreten. Wir sehen uns bei diesem neuen Fahrplan die Regionalzüge vom Stuttgarter Hauptbahnhof in Richtung Nordzulauf an. Der Zeitbereich ist werktags von 17 Uhr bis 18 Uhr.

Im aktuellen Fahrplan fahren:

17:11 Regionalzug Richtung Würzburg
17:14 Regionalzug Richtung Mühlacker
17:19 Regionalzug Richtung Mosbach
17:32 Regionalzug Richtung Karlsruhe
17:39 Regionalzug Richtung Neckarsulm
17:45 Regionalzug Richtung Osterburken
17:48 Regionalzug Richtung Mühlacker
 
Das sind insgesamt sieben Regionalzüge pro Stunde und Richtung über den Nordzulauf des Stuttgarter Hauptbahnhofs.
 
Sehen wir uns die bei Stuttgart 21 geplanten Regionalzüge über den Nordzulauf an.
 
IRE 1 einmal pro Stunde
RE5 einmal pro Stunde
RE8 einmal pro Stunde
RE17 zweimal pro Stunde
MEX 18 zweimal pro Stunde
 
Das ergibt dann sieben Regionalzüge pro Stunde und Richtung über den Nordzulauf. Damit fahren bei Stuttgart 21 genausoviele Regionalzüge über den Nordzulauf im betrachteten Zeitraum von 17 bis 18 Uhr wie heute bereits.
 
Nun müssen wir auch noch die Fernzüge betrachten.
 
Im aktuellen Fahrplan fahren die folgenden Fernzüge zwischen 17 und 18 Uhr vom Stuttgarter Hauptbahnhof über den Nordzulauf:
 
17:01 Fernzug Richtung Karlsruhe
17:08 Fernzug Richtung Saarbrücken 
17:23 Fernzug Richtung Berlin
17:34 Fernzug Richtung Karlsruhe
17:51 Fernzug Richtung Köln
 
Heute fahren also fünf Fernzüge pro Stunde vom Stuttgarter Hauptbahnhof über den Nordzulauf ab. 

Insgesamt haben wir also heute sieben Regionalzüge und fünf Fernzüge = 12 Züge pro Stunde und Richtung über den Nordzulauf.

Die bei Stuttgart 21 über den Nordzulauf geplanten Fernzüge sind mir nicht bekannt. Es ist jedoch nicht gerade wahrscheinlich, dass bei Stuttgart 21 mehr Fernzüge über den Nordzulauf fahren werden als dies heute der Fall ist.

Bei 12 bis 13 Zügen pro Stunde und Richtung ist Schluss
Viele Male haben wir hier in diesem Blog auf die Obergrenze von 12 bis 13 Zügen pro Stunde und Richtung für zweigleisige Zufahrten zu großen Bahnknoten, die von Regional- und Fernzügen befahren werden, hingewiesen. Die aktuellen Zahlen  bestätigen dies einmal mehr. Wer mehr als 12 bis 13 Züge pro Stunde und Richtung auf solche Strecken draufpacken will, läuft Gefahr, einer Verspätungsexplosion Vorschub zu leisten, die sich auf ganz Deutschland negativ auswirkt. Auch Stuttgart 21 kann daran nichts ändern. Denn bei Stuttgart 21 erhält der Nordzulauf kein einziges zusätzliches Gleis. Deshalb kann Stuttgart 21 keine Leistungssteigerung für den Nordzulauf bringen - und das bei einer Investition von wahrscheinlich über 11 Milliarden Euro.
 
Ein Desaster
Die Bahn hat vor kurzem fünf bedeutende Knotenpunkte in Deutschland benannt, die besonders verspätungsanfällig sind und die dringend einer Modernisierung bedürfen. Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist nicht darunter.
 
Wir haben jetzt also die Situation, dass wahrscheinlich über 11 Milliarden Euro in den Stuttgarter Hauptbahnhof gesteckt werden, Geld, das zum großen Teil die Bahn in die Hand nehmen muss und das dort fehlt, wo es dringend benötigt wird. Gleichzeitig bewirken diese 11 Milliarden Euro für den Bahnknoten Stuttgart nur wenig oder sogar gar nichts für die Bahn. Gerade beim Nordzulauf ändert sich an den nur zwei Gleisen für den Fern- und Regionalverkehr nichts. Es ist ein Desaster.
 
Ergänzungsinvestitionen sind unabdingbar
Mit Stuttgart 21 hat man bereits viel Geld in den Sand gesetzt. Trotzdem sind jetzt dringend Ergänzungsinvestitionen erforderlich wie folgt:

Ergänzender Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof
Führung der Gäubahn in den Kopfbahnhof
Neue Doppelspur von Ludwigsburg in den Kopfbahnhof
Doppelspur von Bad Cannstatt in den Kopfbahnhof.
 

Dienstag, 24. September 2024

Ansturm auf Gäubahn - alle wollen zum Stuttgarter Hauptbahnhof

Eine Fahrt mit der Gäubahn von Horb nach Stuttgart am vergangenen Sonntag-Nachmittag: Das scheint mir berichtenswert zu sein.

Der Zug kam in Horb mit zehnminütiger Verspätung an. Das ist aber nicht weiter bemerkenswert bei einer großteils eingleisigen Strecke, wie es hier der Fall ist. Amüsant die Durchsage: Der Zug sei wegen Hochwassers verspätet. Ich habe nicht bemerkt, dass es an diesem Sonntag geregnet hätte.

Dann kam der Zug, ein IC, bestehend aus einer Lok und fünf Doppelstockwagen, ein beeindruckender Anblick.

Beim Einsteigen dann der Schock: Der Zug war zum Bersten gefüllt. In den Türräumen standen jede Menge Leute. Zu den Sitzplätzen kam man gar nicht durch.

In Böblingen stiegen vergleichsweise wenige Fahrgäste aus. Dabei muss man in Böblingen aussteigen, wenn man zum Stuttgarter Flughafen will. Fast alle wollten augenscheinlich zum Stuttgarter Hauptbahnhof.

Nach der Ankunft im Stuttgarter Hauptbahnhof dauerte es eine Ewigkeit, bis man mit  dem Aussteigen an der Reihe war. Das war so ähnlich wie bei einem Flugzeug, das an einer Fluggastbrücke andockt und bei dem alle Fluggäste durch die vordere Tür aussteigen müssen.

Auf dem Bahnsteig (Gleis 2) des Stuttgarter Hauptbahnhofs dann ein eindrucksvoller Anblick. Der Bahnsteig war durch die aussteigenden Fahrgäste knallevoll. Es ging nur noch in Trippelschritten voran. Unwillkürlich legte man seine Hand auf die Zugänge zu den Wertsachen.

Fazit
Wer unter diesen Umständen auch nur daran denkt, die Gäubahn nicht mehr zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren zu lassen, muss sich den Vorwurf der Realitätsferne gefallen lassen.