Am 26. September 2023 wurde der erste Spatenstich für die Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn vom bisherigen Endpunkt Filderstadt nach Neuhausen auf den Fildern gefeiert.
Wir sehen uns die ganze Sache heute hier in diesem Blog unter dem Aspekt von Stuttgart 21 mal etwas genauer an.
Die neue Strecke soll ca. 2027 eröffnet werden. Zwischen den Bahnhöfen Filderstadt und Neuhausen auf den Fildern gibt es auch noch den Haltepunkt Sielmingen. Die Strecke soll von der S3 im 15 Minuten-Takt befahren werden
Ohne Stuttgart 21 wäre die S-Bahn 20 Jahre früher in Neuhausen a.d.F. gewesen
Im Jahr 1993 wurde die Stuttgarter S-Bahn bis zum Flughafen eröffnet. Im Jahr 2001 folgte die Verlängerung nach Filderstadt. Mit den heutigen Zeitangaben liegen somit zwischen der Anbindung von Filderstadt und der Anbindung von Neuhausen auf den Fildern mindestens 26 Jahre.
Diese unglaublich lange Zeit ist dem Projekt Stuttgart 21 geschuldet. Dieses Projekt beanspruchte und beansprucht einen großen Teil der Mittel, der Aufmerksamkeit und der personellen Resourcen. Ohne Stuttgart 21 wäre die S-Bahn nach Neuhausen a.d.F. in den Nullerjahren gebaut worden. Sie wäre heute schon längst fertig und sie wäre ca. 20 Jahre früher fertig gewesen als dies jetzt wohl der Fall ist. Und der Clou an der ganzen Sache ist, dass mit Stuttgart 21 kein Verkehrssachverhalt auf die Fildern kommt, für den sich die 20jährige Wartezeit gelohnt hätte. Dazu gleich mehr.
15 Minuten-Takt
Die S3 soll alle 15 Minuten nach Neuhausen a.d.F. fahren. Das hört sich so selbstverständlich an, fahren doch im Verlauf fast aller anderen Streckenäste der Stuttgarter S-Bahn die Züge auch alle 15 Minuten.
Der 15 Minuten-Takt für die S3 war aber hart umkämpft. Wären die ursprünglichen Pläne von Stuttgart 21 mit einer Führung der Gäubahn auf den Gleisen der Flughafen-S-Bahn umgesetzt worden, wäre es nichts geworden mit einem 15 Minuten-Takt auf der Flughafen-S-Bahn. Dann hätte man zwangsläufig beim früher praktizierten, fahrgastunfreundlichen 10/20 Minuten-Stottertakt bleiben müssen. Wegen der Eingleisigkeit der Strecke zwischen Flughafen und Filderstadt hätte man im Abschnitt zwischen Flughafen und Neuhausen a.d.F. dann wahrscheinlich sogar nur einen 30 Minuten-Takt einrichten können.
Hier muss man wirklich einmal ein großes Dankeschön an die große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 und ihre zahlreichen Untergruppierungen sagen. Ohne die jahre- oder sogar jahrzehntelange Argumentation gegen die Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn (Spitzname: Gäubahn-Filder-Murks) hätte wir bei der S-Bahnlinie S3 heute und auch in Zukunft keinen 15 Minuten-Takt im Filderbereich. Zwar laufen die derzeitigen Planungen darauf hinaus, den Gäubahn-Filder-Murks durch eine genauso schlechte Planung mit Namen Pfaffensteigtunnel zu ersetzen. Darüber ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen.
Die Potenziale des bestehenden S-Bahn-Flughafenbahnhofs hätten zunächst mal gehoben werden müssen (Ringschluss)
Bevor man einen hundsteuren, in großer Tiefe liegenden, nur mit Aufzügen erreichbaren, weit vom S-Bahnhof entfernten, umständlichen und lange Wartezeiten auf die Züge generierenden neuen Flughafenbahnhof baut, hätte man zunächst mal die noch bestehenden Potenziale des bestehenden S-Bahn-Flughafenbahnhofs analysieren und heben müssen.
Der S-Bahn-Flughafenbahnhof hat in der Tat noch Potenziale. Ein S-Bahnhof, bei dem lediglich eine S-Bahnlinie im 15 Minuten-Takt fährt, ist noch nicht ausgelastet. Hier ist Platz für mindestens eine weitere S-Bahnlinie, die auch als Express-S-Bahn ausgebildet werden kann.
Es gäbe also beim Flughafenbahnhof dann zwei S-Bahnlinien. Die S3 verliefe von Nürtingen über Oberboihingen, Neuhausen a.d.F, Sielmingen, Flughafen, weiter mit Halt an allen Stationen über die S-Bahn-Stammstrecke nach Backnang. Eine neue S7 verliefe als Express-S-Bahn von Plochingen über Wendlingen, den Flughafen, S-Vaihingen, Nordbahnhof zum Stuttgarter Hauptbahnhof (Ergänzungsbahnhof).
Im Gegensatz zu den Zügen im neuen Stuttgart 21-Flughafenbahnhof verkehren die beiden S-Bahnlinien jeweils alle 15 Minuten. Im Stuttgart 21-Flughafenbahnhof verkehren die Züge nur alle halbe oder jede Stunde.
Mit der Hebung der Potenziale des bestehenden S-Bahn-Flughafenbahnhofs hätte man glatt auf die Führung der Stuttgart 21-Strecke über den Flughafen verzichten können und statt dessen die von der Bahn ursprünglich geplante direkte Anbindung des Stuttgarter Hauptbahnhhofs an die Schnellfahrstrecke Wendlingen - Ulm ohne Umweg über den Flughafen realisieren können. Jetzt haben wir eine Situation, dass jeder ICE über die Filderhochfläche umgeleitet wird, obwohl der überwiegende Teil der ICEs gar nicht am Flughafen hält.
Rechnet sich der S-Bahn-Ringschluss nicht?
Unter dem S-Bahn-Ringschluss versteht man seit Jahrzehnten eine Verbindung mit der S-Bahn von den Fildern hinab ins Neckartal zwischen Plochingen und Nürtingen.
Es gab in der letzten Zeit Aussagen, dass ein S-Bahn-Ringschluss nicht wirtschaftlich sei. Und auch hier haben wir es wieder mit Stuttgart 21 zu tun. Stuttgart 21 und der Ringschluss zusammen rechnen sich wohl nicht. Stuttgart 21 nimmt hier dem Ringschluss zu viele Fahrgäste weg. Stuttgart 21 verhält sich auf den Fildern also so wie ein Elefant im Porzellanladen. Ohne Stuttgart 21 hätte sich der Ringschluss bestimmt gerechnet. Schade, wieder eine gute Verbindung in der Region Stuttgart, die nicht gebaut werden kann.
Den Wettkampf mit dem Auto gewinnt man im Bereich der Strecken zwischen 20 und 40 Kilometern
Wenn die Bahn dem Auto ernsthaft Konkurrenz machen will, muss sie im Entfernungsbereich von 20 bis 40 Kilometern attraktive Angebote parat haben. Denn der Großteil der Menschen bewegt sich täglich in diesem Entfernungsbereich zwischen 20 und 40 Kilometern. Und bisher ist dieser Entfernungsbereich eine Domäne des Autos.
Eine Erschließung des Flughafens und der Fildern mit der S-Bahn wie oben beschrieben kann dem Auto viel mehr Konkurrenz machen als ein Stuttgart 21 Flughafenbahnhof. Die S-Bahn erschließt mehr Gebiete als der Stuttgart 21-Flughafenbahnhof. Ob man vom Stuttgart 21-Flughafenbahnhof stündlich nach Merklingen auf der Schwäbischen Alb fahren kann, interessiert hier nicht. Zudem sollte das Fernpendeln gerade in Zeiten der Klimakrise vom Staat nicht auch noch gefördert werden.
Selbst wenn die eine oder andere Verbindung mit der S-Bahn eine etwas längere Fahrzeit als über den Stuttgart 21-Flughafenbahnhof ausweist, darf man die S-Bahn nicht unterschätzen. Denn die S-Bahn fährt im 15 Minuten-Takt. Die maximale Wartezeit auf den Zug ist hier 15 Minuten. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt 7,5 Minuten. Vom Stuttgart 21-Flughafenbahnhof fahren halbstündlich Züge Richtung Tübingen. Die maximale Wartezeit auf den Zug ist hier 30 Minuten. Die durchschnittliche Wartezeit beträgt 15 Minuten. Vom Stuttgart 21-Flughafenbahnhof fahren stündlich Regionalzüge nach Merklingen - Ulm. Die maximale Wartezeit auf den Zug ist hier 60 Minuten. die durchschnittliche Wartezeit beträgt 30 Minuten.
Das Umsteigen innerhalb des S-Bahnhofs Flughafen geht zudem wesentlich schneller vonstatten als das Umsteigen vom S-Bahnhof Flughafen zum Stuttgart 21-Flughafenbahnhof.
Fazit
Der erste Spatenstich für die S-Bahnverlängerung nach Neuhausen a.d.F. kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Stuttgart 21 auf den Fildern eine grandiose Fehlplanung ist, eine Fehlplanung, die zudem vernünftige Projekte um 20 Jahre verschiebt bzw. verunmöglicht.