Freitag, 23. Februar 2024

Digitale S-Bahn Hamburg zeigt: Verband Region Stuttgart ist bei ETCS und ATO für die Stuttgarter S-Bahn auf dem Holzweg

Beim Verband Region Stuttgart liebäugelt man nach wie vor damit, mit dem neuen European Control System (ETCS) und der Automatic Train Operation (ATO) zusätzliche Züge auf die heute schon überlastete Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn bringen zu können, z.B. im Rahmen einer neuen S-Bahnlinie von Stuttgart nach Göppingen.

Der Verband Region Stuttgart ist hier auf dem Holzweg. Die Effekte der neuen Zugsicherungssysteme dürfen allenfalls dazu verwendet werden, Verspätungen abzubauen und Energie zu sparen.

Wir haben hier in diesem Blog mehrfach auf die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn verwiesen, wo mit den neuen Signalsystemen nach Inbetriebnahme der Zweiten Stammstrecke im Verlauf der Ersten Stammstrecke sogar weniger Züge als heute verkehren sollen.

Heute sehen wir uns mal die S-Bahn in Hamburg an. Im "Magazin der S-Bahn Hamburg" vom 18. Juli 2023 werden die neuen Zugsicherungssysteme ETCS und ATO gegenüber der Hamburger Bevölkerung ausführlich erläutert, genannt "Digitale S-Bahn Hamburg 2.0". 

Aktueller Einschub
Im Rahmen der klammen Haushaltskasse des Bundes gibt es die Möglichkeit, dass sowohl das Zugsicherungsprojekt für die Stuttgarter S-Bahn als auch das Zugsicherungsprojekt für die Hamburger S-Bahn erst mal nicht kofinanziert werden. Das nachfolgend Gesagte ist aber von grundlegender Bedeutung und würde auch bei einer Wiederaufnahme der beiden Projekte in einigen Jahrzehnten gelten.   

Es fällt sofort auf: Von noch mehr Zügen im Verlauf der beiden Hamburger S-Bahn-Stammstrecken ist keine Rede. Dafür spielen andere Punkte bei den neuen Zugsicherungssystemen eine maßgebende Rolle.

Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit
Die neuen Zugsicherungssysteme sollen die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Hamburger S-Bahn erhöhen. 

Energieersparnis
Der automatisierte Fahrbetrieb soll zu einer signifikanten Energieeinsparung bei der Hamburger S-Bahn führen. Der Stromverbrauch soll um 30 Prozent sinken. Halte auf der freien Strecke können zukünftig vermieden werden, weil die Position aller Züge bekannt ist. Notwendige betriebliche Halte werden somit in die Haltepunkte verlagert. Lastspitzen sollen abgebaut werden, indem vermieden wird, dass mehrere Züge in einem bestimmten Bereich gleichzeitig anfahren.

ÖPNV-Weltkongress 2025 (UITP) in Hamburg
Das neue System soll testweise zum ÖPNV-Weltkongress 2025 in Hamburg zum Einsatz kommen.
 
Wann konzentriert sich der Verband Region Stuttgart auf die Hamburger Effekte bei der S-Bahn?
Wann verzichtet der Verband Region Stuttgart endlich auf die Planung einer Führung zusätzlicher Linien im Verlauf der überlasteten Stuttgarter S-Bahn-Stammstrecke und konzentriert sich auf die in Hamburg dargestellten Effekte der neuen Zugsicherungssysteme?
 
Es scheint so, als wolle der Verband Region Stuttgart einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof partout verhindern. Daran führt aber kein Weg vorbei, denn zusätzliche S-Bahnzüge (z.B. Express-S-Bahn Kirchheim unter Teck - Stuttgart) gibt es nur mit dem Ergänzungsbahnhof. Und eine Zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn ist auf absehbare Zeit nicht möglich. 
 
Was in München und Hamburg die Zweite Stammstrecke der S-Bahn ist, stellt in Stuttgart der Ergänzungsbahnhof dar. Die S-Bahn in Frankfurt am Main hat nur eine Stammstrecke. Frankfurt am Main verfügt jedoch über einen großen Kopfbahnhof, in dem eine S-Bahnlinie endet, für die im Verlauf der Stammstrecke kein Platz ist.  

Freitag, 16. Februar 2024

Express-S-Bahn nach Kirchheim unter Teck: Herleitung - Begründung - Bau - Betrieb

Es gibt eine Reihe von Gründen, weshalb zusätzlich zur heute verkehrenden S1 auch noch eine Express-S-Bahnlinie zwischen dem Hauptbahnhof und Kirchheim unter Teck fahren sollte.

Darum geht es heute in diesem Blog.

Die Einwohner und Einwohnerinnen von Kirchheim unter Teck haben ein Recht auf eine schnelle Verbindung zum Hauptbahnhof
Viele Städte in der Region Stuttgart haben neben der S-Bahn auch noch eine schnelle Verbindung zum Stuttgarter Hauptbahnhof in Form des Metropolexpress (MEX), der nicht überall anhält. Kirchheim unter Teck hat beachtliche ca. 42.000 Einwohner und dazu noch ein Hinterland. Kirchheim unter Teck wird aber bisher nur von der S1 bedient. Eine Fahrt mit der S1 von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof dauert 45 Minuten.
 
Das ist viel zu lang. Das geht nicht. Kirchheiim unter Teck hat dasselbe Recht wie die anderen Städte in der Region Stuttgart, dass es nämlich eine schnelle Verbindung zum Hauptbahnhof erhält, schneller als die Fahrt mit der herkömmlichen S-Bahn. Im Falle von Kirchheim unter Teck wird diese schnellere Verbindung mit einer Express-S-Bahn hergestellt.
 
Warum soll nach Kirchheim unter Teck eine Express-S-Bahn fahren und kein MEX?
Es geht darum, dass im Regelfall nur ein Bahnsystem mit seinen Kenndaten zum Einsatz kommen soll. Unterschiedliche Bahnsysteme z.B. mit unterschiedlichen Bahnsteighöhen führen zu unnötigen Kosten, zu längeren Wegen, zu mehr Flächenverbrauch, zu negativen Auswirkungen auf das Stadtbild und die Landschaft oder zu Einschränkungen bei der Barrierefreiheit.
 
Nach Kirchheim unter Teck fährt heute die S-Bahn und nicht der MEX. Dabei sollte es bleiben. Ein schnelles Angebot von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof muss deshalb auf Basis der S-Bahn und nicht des MEX funktionieren.
 
Wo soll die Express-S-Bahn halten?
Die Express-S-Bahn soll ähnlich verkehren wie ein MEX. Innerhalb des Stuttgarter S-Bahnnetzes hält der MEX nur an ausgewählten Bahnhöfen. Das wären dann für die Express-S-Bahn: Kirchheim unter Teck, Wendlingen, Plochingen, Esslingen am Neckar, Bad Cannstatt, Hauptbahnhof (Ergänzungsbahnhof). 
 
Welche Ausbaumaßnahmen sind erforderlich?
Zwischen Wendlingen und Kirchheim unter Teck wird es als Folge der Express-S-Bahn zusätzliche Begegnungsstellen geben. Es ist somit ein teilweiser zweigleisiger Ausbau dieser zur Zeit eingleisigen Strecke erforderlich.
 
Dann ist ein Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof mit Zulauf für die S-Bahn erforderlich. Dieser Ergänzungsbahnhof ist allerdings sowieso und unabhängig von der Express-S-Bahn erforderlich.
 
Warum soll eine Express-S-Bahn von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof auf den Gleisen der S1 fahren?
Dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen ist es die Bahnsteighöhe. Die S1 sowie auch die Express-S-Bahn benötigen für die Barrierefreiheit eine Bahnsteighöhe von 96 cm. Das lässt sich am Besten erfüllen, wenn beide Linien dieselben Gleise benutzen und auch an denselben Bahnsteigen halten.
 
Zum Anderen geht es um den Bahnhof Plochingen. Dort werden die beiden Gleise der Filstalbahn und die beiden Gleise der Neckar-Alb-Bahn zusammengeführt. Die beiden Gleispaare laufen dann bis zum Hauptbahnhof nebeneinander her. Die S1 fährt im Zuge der Neckar-Alb-Bahn. Sollte die Express-S-Bahn in Plochingen nun auf die Gleise der Filstalbahn gelenkt werden, entstünden zwei höhengleiche Gleiskreuzungen im Bahnhof Plochingen, die für die Leistungsfähigkeit und Pünktlichkeit des Zugverkehrs negative Auswirkungen haben. Eine Führung der Express-S-Bahn über die Gleise der S1 vermeidet diese höhengleichen Gleiskreuzungen. 
 
Neue höhengleiche Gleiskreuzungen im Bahnhof Plochingen und ihre negativen Auswirkungen
Viele Jahre lang war es in Plochingen so, dass die von Göppingen über die Filstalbahn nach Plochingen kommenden Züge auch im Verlauf der Filstalbahn weiterfuhren. Dasselbe galt für die von Wendlingen über die Neckar-Alb-Bahn nach Plochingen kommenden Züge. Sie fuhren im Verlauf der Neckar-Alb-Bahn weiter
 
Eine erste Änderung dieses Prinzips gab es durch den IRE Stuttgart - Sigmaringen. Dieser Zug fährt vom Hauptbahnhof bis Plochingen auf den Gleisen der Filstalbahn und wechselt dann in Plochingen auf die Gleise der Neckar-Alb-Bahn. Das führt zu zwei höhengleichen Gleiskreuzungen und zu einer Einfädelung.
 
Mit Stuttgart 21 sollen alle Züge der Neckar-Alb-Bahn in Plochingen von der Neckar-Alb-Bahn auf die Filstalbahn wechseln, einerseits, um zwischen Plochingen und dem Hauptbahnhof nicht mehr zusammen mit der S-Bahn fahren zu müssen und andererseits, weil der Stuttgart 21-Tiefbahnhof über die Gleise der Neckar-Alb-Bahn nicht erreichbar ist. Die höhengleichen Gleiskreuzungen in Plochingen nehmen also weiter zu.
 
Der Verband Region Stuttgart strebt an, eine neue S-Bahnlinie vom Hauptbahnhof nach Göppingen und Geislingen zu führen. Diese Linie würde beim Bahnhof Plochingen von der Neckar-Alb-Bahn zur Filstalbahn wechseln müssen. Damit nimmt die Zahl der höhengleichen Gleiskreuzungen und Einfädelungen beim Bahnhof Plochingen weiter zu. Damit würde aber der Verkehr im Bahnhof Plochingen zusammenbrechen. Überwerfungsbauwerke sind bei der gegebenen Situation in Plochingen zwischen Neckar und Straßen mit Talhängen wohl nur sehr schwierig umzusetzen. Der Verband Region Stuttgart sollte deshalb von diesen Plänen einer neuen S-Bahn abrücken. Die Filstalbahn ist und bleibt ausschließlich für den MEX reserviert. Das gilt auch für die Strecke Plochingen - Nürtingen.
 
Die hier thematisierte neue Express-S-Bahn von Kirchheim unter Teck zum Hauptbahnhof verursacht im Bahnhof Plochingen keine weiteren höhengleichen Gleiskreuzungen. Denn sie fährt durchgehend auf den Gleisen der S1 (Neckar-Alb-Bahn).           
 
Das Non-Stop-Angebot Bad Cannstatt - Esslingen kommt zurück
Die neue Express-S-Bahn Hauptbahnhof - Kirchheim unter Teck kann auch einen der zahlreichen Riesenfehler von Stuttgart 21 ein Stück weit heilen. Mit dieser Express-S-Bahn kommt nämlich der Non-Stop-Verkehr Bad Cannstatt - Esslingen, der mit Stuttgart 21 eingestellt wird, zurück.
 
Es gibt ja heute vier Non-Stop-Fahrten pro Stunde und Richtung zwischen Bad Cannstatt und Esslingen. Das sind zwei Fahrten des MEX Stuttgart - Geislingen an der Steige sowie zwei Fahrten des MEX Stuttgart - Tübingen.
 
Stuttgart 21 setzt nun dem wichtigen Bahnhof Bad Cannstatt arg zu. Mit Stuttgart 21 wird es keine einzige Non-Stop-Fahrt zwischen Bad Cannstatt und Esslingen mehr geben. Es wird Verbindungen zwischen dem Hauptbahnhof und Esslingen über den Untertürkheimer Tunnel geben. Diese Fahrten fahren aber an Bad Cannstatt vorbei. Und es wird eine Linie geben, die in Bad Cannstatt startet und dann eine Ehrenrunde über den Hauptbahnhof und den Untertürkheimer Tunnel nach Esslingen dreht.
 
Die neue, halbstündlich verkehrende Express-S-Bahn Hauptbahnhof - Kirchheim unter Teck bringt nun diese Non-Stop-Fahrten wenigstens ein Stück weit zurück. Diese Express-S-Bahn erfüllt somit außer der schnellen Anbindung von Kirchheim unter Teck an den Hauptbahnhof eine weitere wichtige Funktion im Bereich des Neckartals. 
 
Der Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof
Kurz vorweg: Ob der Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof dadurch zustandekommt, dass man einen Teil des bestehenden Kopfbahnhofs erhält und modernisiert oder ob er dadurch zustandekommt, dass man einen neuen Kopfbahnhof baut, ist erst mal sekundär.
 
Primär ist, dass die Express-S-Bahn von Kirchheim unter Teck zum Stuttgarter Hauptbahnhof in einem Ergänzungsbahnhof endet. Wir haben ja in der Region Stuttgart zwei Bahnsysteme, was die Bahnsteighöhe betrifft. Einmal ist dies die S-Bahn mit der Bahnsteighöhe von 96 cm. Und zum Zweiten sind dies die anderen Züge mit einer Bahnsteighöhe von 76 cm oder geringer. Der Ergänzungsbahnhof muss für beide Systeme Kapazitäten bereithalten. Es muss im Ergänzungsbahnhof also Bahnsteige mit einer Höhe von 96 cm und Bahnsteige mit einer Höhe von 76 cm geben.
 
Was die neue Express-S-Bahn betrifft, so ist für diese Linie weder in der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn noch im Stuttgart 21-Tiefbahnhof Platz. An einer Führung dieser Linie in den Ergänzungsbahnhof führt deshalb kein Weg vorbei.  
    
  


Freitag, 9. Februar 2024

EU-Flughafen-Fernbahnanschluss: Macht das für den Stuttgarter Flughafen Sinn?

Ende 2023 hat die EU im Rahmen einer Einigung in Sachen Weiterentwicklung des TEN-T-Netzes auch neue Vorgaben für den Anschluss von Flughäfen an das Fernbahnnetz gemacht.

Demnach sollen "Major Airports", die mehr als 12 Mio. Passagiere pro Jahr aufweisen, an das Fernbahnnetz angeschlossen werden. Dadurch soll die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn gegenüber den innerstaatlichen Flügen verbessert werden.

Wir sehen uns heute am Beispiel des Stuttgarter Flughafens an, ob diese Vorgabe der EU in jedem Fall sinnvoll ist.
 
Zunächst mal bleibt festzuhalten, dass der Stuttgarter Flughafen im Jahr 2023 lediglich 8,4 Mio. Passagiere aufweisen konnte. Ist also die EU-Vorgabe für den Stuttgarter Flughafen gar nicht gültig? Nun wollen wir hier nicht päpstlicher sein als der Papst. Im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Corona-Krise, hatte der Stuttgarter Flughafen schon mal 12,7 Mio. Passagiere.
 
Auffällig ist allerdings, dass der Stuttgarter Flughafen fast das Schlusslicht unter den Flughäfen bildet, wenn es um die Rückkehr zu den Vor-Corona-Zahlen bei den Passagieren geht. Viele Flughäfen haben bereits die Vor-Corona-Werte (fast) wieder erreicht oder übertreffen sie sogar. Der Stuttgarter Flughafen strebt eine Rückkehr zu den Vor-Corona-Zahlen erst in einigen Jahren an. Warum dies so ist, würde allerdings den heutigen Post hier in diesem Blog überfrachten.    
 
Ersatz der innerdeutschen Linienflüge durch die Bahn
Im Rahmen einer CO²-Reduzierung kann es Sinn machen, die innerdeutschen Linienflüge durch die Bahn zu ersetzen.
 
Hierzu ist aber kein Fernbahnanschluss der Flughäfen erforderlich. Im Gegenteil: Ein Fernbahnanschluss eines Flughafens würde hier zu unnötigen Umleitungen und Fahrzeitverlusten beim Fernverkehr führen. Wenn man innerdeutsch mit der Bahn fährt, fährt man ja nicht von Flughafen zu Flughafen, sondern von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof. Von daher ist es nicht wichtig, den Flughafen schnell zu erreichen. Wichtig ist vielmehr, schnell zum Hauptbahnhof zu kommen, in dem die Abfahrt stattfindet, sowie schnell vom Hauptbahnhof wegzukommen, in dem die Ankunft des Zuges stattfindet. Ein Fernverkehrsanschluss des Stuttgarter Flughafens lässt sich also nicht mit einer angestrebten Verlagerung des innerdeutschen Verkehrs von der Luft auf die Bahn begründen.

Sehen wir uns dies mal kurz beispielhaft für die Gäubahn an. Würde die Gäubahn über den Stuttgarter Flughafen geführt, würden die innerdeutschen Flüge ab Stuttgart attraktiver, die Bahnreise ab dem Hauptbahnhof würde weniger attraktiv. Die Gäubahn darf also nicht zum Stuttgarter Flughafen geführt werden. Vielmehr muss sie auf schnellsten und direktestem Weg den Stuttgarter Hauptbahnhof erreichen.
 
Ersatz von Zu- und Abbringerflügen durch die Bahn
Zu- und Abbringerflüge könnten durch die Bahn ersetzt werden. Hierzu wäre ein Fernverkehrsanschluss des Stuttgarter Flughafens erforderlich. Zu- und Abbringerflüge gibt es jedoch in nennenswertem Umfang nur zu und von Knotenpunktsflughäfen (sogenannten Hubs). Der Stuttgarter Flughafen ist jedoch nicht im Entferntesten ein Hub. Der Stuttgarter Flughafen fertigt Punkt-zu-Punkt-Verkehre ab, sowie Charterverkehre und Zu-/Abbringerflüge zu und von europäischen Hubs. Zu- und Abbringerflüge gibt es sehr wohl ab/bis Stuttgart, allerdings nicht, weil der Stuttgarter Flughafen ein Hub wäre, sondern genau umgekehrt. Die Flüge von Stuttgart gehen zu den zahlreichen Hubs in Europa, von wo die Passagiere dann weiter in alle Welt fliegen. 
 
Die Lufthansa Group hat den Stuttgarter Flughafen förmlich mit Hubs umzingelt. Dazu gehören Frankfurt am Main (Lufthansa), München (Lufthansa), Zürich (SWISS), Wien (Austrian Airlins) und Brüssel (Brussels Airlines). Darüber hinaus gibt es zahlreiche Hubs anderer Fluggesellschaften in Europa, die Passagiere aus Stuttgart anziehen. Von daher ist es äußerst unwahrscheinlich, dass der Stuttgarter Flughafen in der Zukunft auch nur ansatzweise ein Hub werden wird.
 
Sehen wir uns dies mal kurz für die Gäubahn an. Wegen der fehlenden Hub-Funktion des Stuttgarter Flughafens gibt es keinen Grund, die Gäubahn zum Stuttgarter Flughafen zu führen. Dagegen wäre es sinnvoll, die Gäubahn zum Zürcher Flughafen zu führen. Denn der Zürcher Flughafen ist im Gegensatz zum Stuttgarter Flughafen ein Hub. In der Folge wären dann die Zu- und Abbringerflüge Stuttgart - Zürich - Stuttgart einzustellen.   
 
Flughafenanbindung der Gäubahn in Stuttgart wohl nicht im Sinne der EU 
Eine Führung der Gäubahn über den Stuttgarter Flughafen wäre wohl nicht im Sinne der EU. Denn eine solche Anbindung würde die innerdeutschen Linienflüge attraktiver machen und den innerdeutschen Bahnverkehr weniger attraktiv machen. Es sei noch einmal gesagt: Nutzt man innerdeutsch die Bahn, geht die Reise nicht von Flughafen zu Flughafen, sondern von Hauptbahnhof zu Hauptbahnhof. Deshalb ist die Gäubahn nicht an den Stuttgarter Flughafen anzuschließen, sondern an den Stuttgarter Hauptbahnhof - am besten direkt ohne Umwege und auf eigenen Gleisen.   
 
Die EU sollte die Kriterien für die Anbindung von Flughäfen an den Schienenfernverkehr ändern
Die jetzt bekanntgewordene Zahl von 12 Mio. Passagieren pro Jahr ist als Kriterium für die Anbindung eines Flughafens an den Schienenfernverkehr denkbar ungeeignet bzw wenigstens unvollständig. Statt dessen sollte als Kriterium eine Hub-Funktion eines Flughafens eingeführt werden.
 
Ein Fernverkehrsanschluss des Stuttgarter Flughafens ist also unsinnig. Die hierzu vergrabenen Mittel sind hinausgeschmissenes Geld. 
 
Noch ein Beispiel dazu: Der Flughafen der Mittelmeerinsel Mallorca gehört zu den größten Flughäfen Europas. Im Jahr 2023 wurden über 31 Mio. Passagiere abgefertigt, ein neuer Rekord. Es wird aber doch niemand auf die Idee kommen, dass dieser Flughafen an das Schienen-Fernverkehrsnetz angebunden werden muss?!   


Freitag, 2. Februar 2024

Sonder-Bahnsteighöhe bei der Stuttgarter S-Bahn ist einer der Gründe für die Unmöglichkeit einer S-Bahnverlängerung nach Horb

Die Stuttgarter S-Bahn sowie einige wenige andere S-Bahnsysteme in Deutschland benötigen für das barrierefreie Ein- und Aussteigen eine Bahnsteighöhe von 96 cm. Damit sind diese Systeme ein Sonderfall in Deutschland.

Die erforderliche Bahnsteighöhe von 96 cm ist auch einer von mehreren Gründen, weshalb eine Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn von Herrenberg nach Horb nicht sinnvoll oder möglich ist. Genau eine solche Verlängerung zieht aber der Verband Region Stuttgart in Erwägung.

Fangen wir erst mal kurz mit den Zuständigkeiten an. Der Verband Region Stuttgart ist für eine S-Bahnlinie von Horb nach Herrenberg gar nicht zuständig. Denn das Gesetz über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart (GVRS) vom 7. Februar 1994, zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 4. April 2023, legt in §4 fest, dass der Verband Region Stuttgart die Trägerschaft für die S-Bahn nur bis zur Verbandsgrenze innehat. Aus Richtung Stuttgart gesehen ist der Verband Region Stuttgart somit nur bis zum Bahnhof Bondorf zuständig. Horb befindet sich nicht in der Region Stuttgart, sondern im Landkreis Freudenstadt. 

Ist ein Umbau der Stuttgarter S-Bahn für Bahnsteighöhen von 76 cm machbar?
Ein solcher Umbau ist kaum mehr machbar. Er würde Milliarden kosten. Man müsste die S-Bahn für mehrere Jahre stilllegen und fast alle Bahnhöfe umbauen. Zudem müsste man alle S-Bahn-Fahrzeuge austauschen.
 
Es gibt nun einmal Entscheidungen, die für die Ewigkeit getroffen worden sind. Und dazu gehört die Entscheidung, die S-Bahnnetze von München, Frankfurt und Stuttgart mit besonderen Fahrzeugen zu betreiben, die eine Bahnsteighöhe von 96 cm erfordern.
 
In der Schweiz gibt es diese Probleme nicht. Dort hat die S-Bahn dieselben Bahnsteighöhen wie die Fernzüge oder Regionalzüge. Deshalb  können die S-Bahnnetze in der Schweiz flexibler ausgebaut werden und größere Streckenlängen aufweisen.
 
Für die Stuttgarter S-Bahn bleibt nur, dass sie sich auf die Strecken mit besonders starkem Verkehrsaufkommen konzentriert. Das ist im Wesentlichen das bestehende S-Bahnnetz. Zudem sollte ein Mischverkehr zwischen dem Metropolexpress (Bahnsteighöhe 76 cm) und der S-Bahn im Regelfall bei den einzelnen Bahnhöfen vermieden werden. Eine Ausnahme sind die größeren Bahnhöfe wie z.B. Esslingen am Neckar, wo seit jeher verschieden hohe Bahnsteige vorhanden sind. 
 
Welche Nachteile hat eine S-Bahn nach Horb?
Die Sonder-Bahnsteighöhe von 96 cm bei der Stuttgarter S-Bahn würde einen Umbau bzw. eine Erweiterung der Bahnhöfe Gäufelden, Bondorf, Ergenzingen, Eutingen im Gäu und Horb für den Mischverkehr Metropolexpress / Gäubahn erfordern. Das wäre raumgreifend, lange Wege für die Fahrgäste erzeugend, teuer, ggf. mit zusätzlichen Weichen verbunden und langwierig (4 oder mehr Jahre Planungs- und Bauzeit), wie ein aktuelles Beispiel aus München gerade zeigt.
 
Die S-Bahn hat zudem kein WC - im Gegensatz zum Metropolexpress. Die S-Bahn hat weniger Sitzplätze als der Metropolexpress. Die Sitze der S-Bahn sind weniger bequem als die Sitze des Metropolexpress. Je nach Betriebsmodell ist die Fahrzeit mit der S-Bahn von Horb nach Stuttgart länger als die Fahrzeit mit dem Metropolexpress.
 
Eine S-Bahn nach Horb ist zudem eine Verspätungsschleuder. Je länger die S-Bahn auf denselben Gleisen wie die Fernzüge und der Metropolexpress fährt, desto größer wird die Gefahr von Verspätungen - bei der S-Bahn und bei den Fernzügen.  
 
Wie lange ist die Fahrzeit Horb - Stuttgart?
Je nach der einzusetzenden S-Bahnlinie wäre die Fahrzeit Horb - Stuttgart unterschiedlich lang.
 
Würde man die S1 von Herrenberg nach Horb verlängern, wäre die Fahrzeit mit der S-Bahn von Horb nach Stuttgart länger als eine Fahrt mit dem Metropolexpress. Denn die S1 hält zwischen Herrenberg und S-Vaihingen an allen Haltepunkten - im Gegensatz zum Metropolexpress.
 
Würde man hingegen die S5 vom heutigen Endpunkt Schwabstraße nach S-Vaihingen und weiter als Express-S-Bahn bis Horb (Haltepunkte = diejenigen des Metropolexpress) verlängern, wäre die Fahrzeit Horb - Stuttgart mit der S-Bahn gleich lang wie mit dem Metropolexpress.
 
Fahrlagen der S-Bahn, des Metropolexpress und der Fernzüge
Wir haben ja heute bereits das Problem, dass es Einschränkungen beim Verkehr im Verlauf der Gäubahn gibt, weil die Strecke überlastet ist. So gibt es alle zwei Stunden eine Taktlücke bei der S1 in den Haltepunkten Hulb, Ehningen, Gärtringen und Nufringen.
 
Würde die S-Bahn bis Horb verlängert, könnten wegen Streckenüberlastung die S-Bahn und der Metropolexpress wohl jeweils nur im Stundentakt verkehren. Das ist nicht attraktiv.      
 
Maßgebend ist das Land BW
Das Land BW ist bei der Bahnlinie Horb - Stuttgart am Zug und muss die Federführung übernehmen. Es muss im Halbstundentakt ein Metropolexpress Horb - Stuttgart verkehren. Zudem muss die Möglichkeit bestehen, dass jede Stunde ein Fernzug Zürich - Stuttgart verkehrt. Alle diese Züge müssen in einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof geführt werden.    
 
Ergänzungsbahnhof hat auch 96 cm-Bahnsteige für die S-Bahn
Die aktuellen Probleme, die zu  einem immer hektischeren Aktionismus bei der Gäubahn führen, haben auch etwas mit der Passivität des Verbands Region Stuttgart in Sachen Ergänzungsbahnhof zu tun. Der Verband Region Stuttgart hat es versäumt, den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof voranzutreiben. Dies ist sehr wohl auch in der Zuständigkeit des Verbands Region Stuttgart. Denn der Ergänzungsbahnhof wird auch einige Gleise mit einer Bahnsteighöhe von 96 cm für die S-Bahn aufweisen. Sie dienen dazu, dass im Störungsfall S-Bahnzüge den Stuttgarter Hauptbahnhof erreichen, sowie dass neue Angebote auf die Schiene gestellt werden können (z.B. Express-S-Bahn Kirchheim unter Teck - Stuttgart).