Samstag, 26. März 2022

Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof von Stuttgart 21 scheint zum Großkonflikt zu werden

Bei der Eröffnung des 1,3 Kilometer langen B10-Rosensteintunnels (Straßentunnel) am heutigen Samstag trafen sich Landesverkehrsminister Hermann und Stuttgarts OB Nopper. Dabei wurden einmal mehr die unterschiedlichen Ansichten zum Stuttgart 21-Ergänzungsbahnhof deutlich. Das Ganze scheint sich zum Großkonflikt zu entwickeln.

Gemäß einem Bericht der beiden in Stuttgart erscheinenden Tageszeitungen wies Verkehrsminister Hermann den Wunsch von OB Nopper zurück, dass sich das Land finanziell stärker am Rosensteintunnel beteiligt. Hermann verwies darauf, dass vor Baubeginn der Zuschuss des Landes mehr als die Hälfte der angegebenen Kosten des Straßentunnels ausmachte. Für die exorbitanten Kostensteigerungen, die der Rosensteintunnel genauso wie Stuttgart 21 aufweist, machte Hermann die Stadt, den Straßenbaulastträger des Rosensteintunnels verantwortlich.

Noch interessanter sind jedoch die anschließenden Äußerungen Hermanns, wie sie in den Artikeln der beiden Tageszeitungen dargestellt sind. Demnach ist Hermann bereit, dass sich das Land zukünftig bei neuen Projekten der nachhaltigen Mobilität gerne an die Seite der Stadt stellt. Das gilt gemäß Hermann auch für den Bahnknoten Stuttgart 21, der weiter verbessert werden müsse.

Daraus kann man jetzt mehrere Schlussfolgerungen ziehen:

1. Der B10-Rosensteintunnel ist für Landesverkehrsminister Hermann kein Projekt der nachhaltigen Mobililtät.

2. Wenn Hermann die weitere Verbesserung des Bahnknotens Stuttgart 21 anmahnt, meint er damit in erster Linie den Ergänzungsbahnhof, der Bestandteil des Koalitionsvertrags der laufenden Legislatur in BW ist.

3. Hermann ist bereit, den Ergänzungsbahnhof als Projekt des Landes laufen zu lassen und hierfür Bundesmittel zu erhalten. Die Stadt erhält den Ergänzungsbahnhof mehr oder weniger als Geschenk.

Wie sieht denn der Widerstand in Stuttgart gegen den Ergänzungsbahnhof im Detail aus?
Da sind zunächst einmal die Stuttgart 21-Befürworter und -Betreiber der ersten Stunde. Von dieser Gruppe gehen Jahr für Jahr Weitere in den Ruhestand. Trotzdem gibt es bei der Landeshauptstadt Stuttgart und beim Verband Region Stuttgart noch einige dieser Befürworter in Amt und Würden. Diese Leute wittern bei allen Änderungen und Ergänzungen des Projekts Stuttgart 21 einen Glaubwürdigkeitsverlust.

Die zweite Gruppe sind diejenigen, die auf den bei Stuttgart 21 angeblich freiwerdenden Gleisflächen Geschäfte wittern. Jede angebliche Verzögerung der Freiwerdung der Gleisflächen wird von dieser Gruppe mit Argwohn gesehen.
 
Wie sieht die Sache objektiv aus?
Für den Ergänzungsbahnhof winken riesige Zuschüsse des Bundes, vorausgesetzt, der Bahnhof geht vor 2030 in Bau. Andererseits kann mit dem Wohnungsbau auf den freiwerdenden Gleisflächen kaum vor 2035 begonnen werden. Von daher deutet es sich an, dass ein Ergänzungsbahnhof die Baupläne hinter dem Bahnhof kaum behindern wird. Man bedenke auch, dass es sich bis 2050ff hinziehen wird, bis das gesamte Gelände bebaut ist. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man auch bei einem Bau des Ergänzungsbahnhofs mit dem Wohnungsbau auf Teilflächen bereits beginnen kann.
 
Ergänzungsbahnhof als Großkonflikt
Die Statements von Landesverkehrsminister Hermann und Stuttgarts OB Nopper am Rande der Eröffnung des B10-Rosensteintunnels zeigen eindrucksvoll, dass hinter den Kulissen in Sachen Ergänzungsbahnhof zum Stuttgart 21-Bahnknoten bereits ein Großkonflikt tobt.
 
Es ist klar, dass durch den Ukraine-Krieg manches Thema jetzt gerade ein wenig in den Hintergrund gerückt ist. Das ändert aber nichts daran, dass das Überleben der Menschheit von einer drastischen Reduzierung des CO2-Verbrauchs abhängt. Und ein Unterkapitel hierzu ist die Verdoppelung des Bahnverkehrs bis 2030, ein Ansinnen, das ohne den Ergänzungsbahnhof in Stuttgart nicht umgesetzt werden kann.    
 
 

Montag, 21. März 2022

Durch Umbenennung in "Pfaffensteigtunnel" wird der 12 km lange Gäubahntunnel keinen Deut besser

Gemäß einem Zeitungsbericht vom 21.03.2022 heißt der für die Gäubahn geplante Tunnel zwischen dem Stuttgarter Flughafen und Böblingen jetzt Pfaffensteigtunnel. Dadurch wird dieser ca. 12 Kilometer lange Tunnel aber keinen Deut besser.

In der kommenden Woche will die Bahn in Leinfelden-Echterdingen über den Pfaffensteigtunnel informieren. Das nehmen wir hier zum Anlass, einige Problemfelder und No Gos des Pfaffensteigtunnels noch einmal aufzulisten.

1. Vergleiche mit anderen Bahntunneln in Deutschland zeigen, dass der Pfaffensteigtunnel erst in ca. 15 bis 20 Jahren fertig werden würde.

2. Es ist unsäglich und unstatthaft, dass die Gäubahn 10 bis 15 Jahre keinen Anschluss an den Stuttgarter Hauptbahnhof hat.

3. Mit dem Pfaffensteigtunnel verliert die Gäubahn ihre eigenen Zulaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Statt dessen muss sie sich in den Fildertunnel von Stuttgart 21 einfädeln. Der Pfaffensteigtunnel dient also nur dazu, dass die Gäubahn etwas schneller einen Engpass erreicht.

4. Für die Gesamtleistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart und für den Deutschlandtakt benötigt die Gäubahn eigene Zulaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Das kann nur die bestehende Panoramastrecke der Gäubahn bieten.

5. Die Zahl der prioritären Bahnbauprojekte in Deutschland steht in keinem Verhältnis zu den pro Jahr zur Verfügung stehenden Mitteln. Der Paffensteigtunnel müsste sich somit in eine Warteschlange einreihen. Ein Baubeginn wäre somit nicht vor 2040 möglich.

6. Mit dem Zuschieben der Baulastträgerschaft beim Pfaffensteigtunnel an den Bund und der damit zusammenhängenden Herausnahme der Gäubahn aus dem Projekt Stuttgart 21 wird kaschiert, dass Stuttgart 21 in finanzieller und in terminlicher Sicht bereits grandios gescheitert ist.

7. Die für den Pfaffensteigtunnel geplanten Mittel sind wesentlich besser für eine Modernisierung der Panoramastrecke der Gäubahn zu verwenden.

8. Die Gäubahn sowie der MEX benötigen im Stuttgarter Hauptbahnhof eigene Gleise in der Form eines Ergänzungsbahnhofs. Der Pfaffensteigtunnel steht dem entgegen.

9. Der Pfaffensteigtunnel sowie der Fildertunnel führen bei der Gäubahn zu einer Vielzahl von Fahrtenlagenausschlüssen. Das beeinträchtigt den Freiheitsgrad der Fahrplangestaltung über Gebühr.

10. Der Pfaffensteigtunnel soll mit Mitteln finanziert werden, die eigentlich für den Ausbau der Gäubahn geplant waren. Darunter leidet die gesamte Gäubahn, z.B. durch den Wegfall der Halte der Fernzüge in Böblingen und in Singen (Hohentwiel).

11. Die Panoramastrecke der Gäubahn kann nur dann betrieben und instandgehalten werden, wenn der gesamte Verkehr der Gäubahn über diese Strecke fährt. Lediglich ein tangentialer Verkehr S-Vaihingen - S-Feuerbach lohnt sich nicht. 

12. Entweder die Panoramastrecke der Gäubahn oder der Pfaffensteigtunnel: Beides zusammen geht nicht.

13. Das Nutzen-Kosten-Verhältnis des Pfaffensteigtunnels ist kleiner als eins. Durch trickreiches Vorgehen mit Andocken des Pfaffensteigtunnels an den Gäubahnausbau gelang es, das Nutzen-Kosten-Verhältnis der Gesamtmaßnahme wenig über eins zu bekommen.  

Fazit: Es wird allerhöchste Zeit, dass jetzt das Land Baden-Württemberg das Stopp-Schild zückt und auf einer Beibehaltung der Panoramastrecke der Gäubahn sowie auf einem Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof besteht.

Sonntag, 20. März 2022

ETCS fraglich - Minister Hermann fürchtet um Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21

Gemäß einer Pressemitteilung des Landesverkehrsministeriums vom 18.03.2022 gibt es Fragezeichen hinter der rechtzeitigen Implementierung des neuen Zugsicherungssystems ETCS bei Stuttgart 21. Dabei ist gemäß dem Landesverkehrsminister ETCS für Stuttgart 21 unabdingbar, wenn die Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit und eine höhere Kapazität im Schienenknoten Stuttgart gewährleistet werden soll. 

Konkret befürchtet Hermann, dass der Bund bis zum Jahr 2030 an Stelle der ursprünglich geplanten 13 Milliarden Euro für die Digitalisierung der Schiene nur noch 1,7 Milliarden Euro vorsieht.

Kommentar hierzu
Diese Befürchtung ist absolut berechtigt. Denn einerseits haben sich die Prioritäten der Politik durch die veränderte Weltlage ebenfalls stark geändert. Und andererseits müssen Bund und Bahn wahrscheinlich einen Großteil der Mehrkosten von Stuttgart 21 übernehmen. Das wird die Bereitschaft dieser Projektpartner zur Finanzierung auch noch des ETCS bei Stuttgart 21 nicht gerade fördern.
 
Ergänzung zum Stuttgart 21-Finanzierungsvertrag
Im Jahr 2020 wurde eine Ergänzung zum Stuttgart 21-Finanzierungsvertrag vereinbart, die vorsieht, dass der Bund und die Bahn den Großteil der Finanzierung des ETCS für Stuttgart 21 ebenfalls noch übernehmen. ETCS gehört ja insofern zu den zahlreichen Ergänzungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um Stuttgart 21 in Betrieb nehmen zu können. (Beispiele für Ergänzungsmaßnahmen: Große Wendlinger Kurve, Regionalbahnhof Vaihingen, Drittes Gleis Gäubahn beim Flughafen, Gäubahntunnel, Nordzulauftunnel, ETCS)   

Doubling the Stations Capacity
Auf der Website der EU stand jahrelang die Behauptung, dass sich durch Stuttgart 21 die Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs verdoppelt. Das war u.a. auch maßgebend dafür, dass die EU Stuttgart 21 bezuschusst hat. Erst später wurde diese Behauptung einer Verdoppelung der Kapazität still, heimlich und leise auf der Website der EU wieder gelöscht.

Hermannns Äußerung zur Kapazität von Stuttgart 21 ist rätselhaft
Die Verdoppelung der Kapazität des Stuttgarter Hauptbahnhofs wurde zu einer Zeit behauptet, als eine Aufrüstung des Zugsicherungssystems mit ETCS noch lange nicht absehbar war. Von daher liegt die Schlussfolgerung nahe, dass der Bahnknoten Stuttgart ETCS nicht braucht. Denn auch ohne ETCS verdoppelt Stuttgart 21 die Leistungsfähigkeit.

Oder etwa doch nicht? Die Projektpartner sollten sich ehrlich machen. Bringt nun Stuttgart 21 die Verdoppelung der Kapazität oder ist dies doch nicht der Fall? Falls es nicht der Fall ist, wäre eine Entschuldigung fällig. Dann müsste man auch alles daransetzen, um die Verdoppelung der Kapazität durch den Bau eines Ergänzungsbahnhofs (bzw. des Weiterbetriebs eines Teils des bestehenden Kopfbahnhofs) zu gewährleisten. Denn ob ETCS kommt und ob es die versprochenen Wirkungen (z.B. Kapazitätserhöhung) zeigt, ist unsicher.

Donnerstag, 17. März 2022

Inbetriebnahme der NBS Wendlingen-Ulm ab Dezember 2022 wirkt sich negativ auf die S-Bahnlinie S1 aus

Die zum Fahrplanwechsel im Dezember 2022 geplante Inbetriebnahme der NBS Wendlingen-Ulm (ohne Stuttgart 21) wird sich negativ auf die S-Bahnlinie S1 auswirken.

Das teilte der Verband Region Stuttgart in einer Sitzungsvorlage zur öffentlichen Sitzung des Verkehrsausschusses am 09.02.2022 mit.

Konkret wird sich die Standzeit der S1 im Bahnhof Plochingen in beiden Fahrtrichtungen von heute zwei Minuten auf zukünftig drei Minuten verlängern.

Warum hat die S1 eine Standzeit in Plochingen?
Das hängt mit der eingleisigen Strecke der S1 zwischen Wendlingen und Kirchheim unter Teck zusammen. Gäbe es die Standzeit nicht, würden sich die Züge der S1 im Bereich des eingleisigen Streckenabschnitts zwischen Wendlingen und Kirchheim/Ötlingen begegnen. 
 
Durch die Standzeiten in Plochingen wird erreicht, dass die Zugsbegegnung im Bereich des zweigleisigen Abschnitts beim Bahnhof Wendlingen und östlich davon stattfindet.
 
Warum erhöht sich ab Dezember 2022 die Standzeit der S1 in Plochingen?
Das hängt mit dem stündlich verkehrenden ICE zusammen, der ab diesem Zeitpunkt über die NSB und anschließend über den Abschnitt Wendlingen-Plochingen verkehren wird. Diesem ICE muss die S1 ein wenig ausweichen und somit noch länger in Plochingen warten.
 
Die Pünktlichkeit der S1 wird ebenfalls abnehmen
In der Vorlage des Verbands Region Stuttgart wird zur Pünktlichkeit der S1 nichts gesagt. Dabei gibt es ab Dezember 2022 im Abschnitt zwischen Wendlingen und Plochingen einen extremen Mischverkehr aus ICE, IRE, RE und S-Bahn. Verspätungen, die zum Beispiel der ICE mit sich führt, werden sich negativ auf die S1 in der Form von Folgeverspätungen auswirken. Auch die Pünktlichkeit des ICE wird wegen des extremen Mischbetriebs leiden.
 
Vor- und Nachteile der vorgezogenen Inbetriebnahme der NSB halten sich die Waage
Sehen wir uns mal die Vorteile der vorgezogenen Inbetriebnahme der NBS ab Dezember 2022 an:
Der ICE Stuttgart-Ulm und umgekehrt gewinnt ein paar Minuten Fahrzeit
Es fährt ein neuer IRE Ulm-Merklingen-Wendlingen
Der Übereckverkehr Tübingen-Ulm wird durch Umsteigen in Wendlingen schneller
Das Filstal wird von einem ICE pro Stunde entlastet. Das wirkt sich positiv auf den Regionalverkehr dort aus.
 
Dem stehen aber Nachteile gegenüber:
Die Fahrzeit der S1 wird sich verlängern.
Die Pünktlichkeit der S1, des ICE, des IRE und des RE im Abschnitt zwischen Wendlingen und Plochingen wird leiden.
Es gibt eine neue höhengleiche Gleiskreuzung in Plochingen zwischen dem ICE von Ulm und den Zügen in Richtung Göppingen sowie eine weitere neue höhengleiche Gleiskreuzung zwischen der S-Bahn von Wendlingen und dem ICE in Richtung Ulm über Wendlingen.
Der IRE Ulm-Merklingen-Wendlingen ist für Fahrten Ulm-Stuttgart wenig attraktiv, weil in Wendlingen umgestiegen werden muss. Da fährt man besser mit dem bestehenden IRE Ulm-Stuttgart über Göppingen.
 
Vor- und Nachteile dürften sich somit die Waage halten. Die vorgezogene Inbetriebnahme der NBS Wendlingen-Ulm kostet Geld und bringt wenig. Stuttgart 21 geht frühestens Ende 2025, möglicherweise aber noch später in Betrieb. Die ursprüngliche Planung einer Durchmesserlinie für den Bahnknoten Stuttgart mit Beibehaltung des Kopfbahnhofs wäre somit besser gewesen. Mit dieser Planung hätte wahrscheinlich die Strecke Ulm-Stuttgart in einem Zug in Betrieb gehen können.     

Freitag, 11. März 2022

S1 und Gäubahn - es geht einfach nicht richtig voran

Die zweistündlichen Taktlücken bei der Stuttgarter S-Bahnlinie S1 zwischen Böblingen und Herrenberg werden auf absehbare Zeit nicht geschlossen - nicht einmal provisorisch.

Dies geht aus einem Zeitungsbericht hervor. Der Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart behandelte am 09.03.2022 eine Vorlage, wonach die zweistündliche Taktlücke der S1 zwischen Böblingen und Herrenberg wenigstens provisorisch geschlossen werden soll, indem die betroffenen S-Bahnzüge von Böblingen als Express-S-Bahn nach Herrenberg weitergeführt werden. 

Die Vorlage nennt weitere Details.

Sonntag, 6. März 2022

Findet sich die Landeshauptstadt Stuttgart langsam mit dem Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof ab?

Das Land Baden-Württemberg strebt einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgart 21-Tiefbahnhof an. Das steht sogar im Koalitionsvertrag der aktuellen Legislatur.

Demgegenüber erwies sich die Landeshauptstadt Stuttgart bisher als entschiedene Gegnerin eines Ergänzungsbahnhofs. Man fürchtet, dass der angestrebte Bau von Wohnungen im Rosensteinviertel durch den Ergänzungsbahnhof behindert wird.

Äußerungen von OB Nopper zum Thema "Perspektiven des Wohnungsbaus" (Pressemitteilung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 23.02.2022) lassen nun aber aufhorchen. Beim zweiten Blick scheint es so zu sein, dass die Landeshauptstadt Stuttgart sich ganz langsam und mit vielen kleinen Schritten doch mit einem Ergänzungsbahnhof abfinden wird.

Sehen wir uns die genannte Pressemitteilung mal etwas genauer an:

Bis zum Jahr 2031 sollen in Stuttgart durch Innenentwicklung und Nachverdichtung bis zu 12.740 neue Wohnungen enstehen. Das Wort Stuttgart 21 wird in der Pressemitteilung nicht genannt. Es wird jedoch das Projekt "Stuttgart Rosenstein" genannt. Dieses Projekt kann erst im Jahr 2031 begonnen werden. 

Kommentar dazu:
Das Projekt Stuttgart 21 alias Stuttgart Rosenstein spielt bis 2031 also in Sachen Wohnungsbau keine Rolle. Es gab ja auch schon Statements, dass dieses Projekt erst ab 2035 in Bau gehen kann. Und ein Baubeginn bei Stuttgart Rosenstein im Jahr 2031 bedeutet ja in keinster Weise, dass dann sofort mit dem Wohnungsbau begonnen wird. Da könnten erst mal viele andere Baumodule erforderlich sein, wie z.B. Rückbau, Altlastenentsorgung, Infrastruktur, Straßen usw. Halten wir also fest,  dass Stuttgart 21 alias Stuttgart Rosenstein in Sachen des aktuellen Wohnungsmangels in der Landeshauptstadt Stuttgart überhaupt keine Rolle spielt.
 
Weiter mit der Pressemitteilung
Jetzt wirds spannend. OB Nopper stellt fest, dass mit dem Projekt Rosenstein erst im Jahr 2031 begonnen werden kann - "wenn der Ergänzungsbahnhof käme, sogar noch später".
 
Kommentar dazu
Da haben wirs. Stuttgart 21 wird in der Pressemitteilung nicht genannt. Wohl aber der Ergänzungsbahnhof. Wäre der Ergänzungsbahnhof kein Thema mehr, würde ihn OB Nopper mit keinem Wort erwähnen. Nopper erwähnt den Ergänzungsbahnhof aber. Das zeigt, dass der Ergänzungsbahnhof auch für die Landeshauptstadt Stuttgart ein Thema ist, ja, dass sich die Landeshauptstadt Stuttgart in ganz kleinen Schritten möglicherweise mit dem Ergänzungsbahnhof abfinden wird, ja, diesen Bahnhof vielleicht sogar anerkennen wird.
 
Kommen wir noch einmal zur Zeitskala. Baubeginn beim Projekt Rosenstein wäre nach OB Nopper im Jahr 2031. Kommt der Ergänzungsbahnhof, wäre der Baubeginn beim Projekt Rosenstein noch später. 
 
Das aber ist kein Argument gegen den Ergänzungsbahnhof. Das Jahr 2031 ist ja alles andere als sicher. Noch wichtiger aber ist, dass auch bei einem Bau des Ergänzungsbahnhofs auf bestimmten Flächen bereits mit dem Wohnungsbau begonnen werden kann. Und Städtebaubürgermeister Pätzold hat ja mal gesagt, dass im Rosensteinviertel der Bau von Gebäuden Zug um Zug erfolgen wird. Es wird also nicht alles gleichzeitig gebaut. Bauende ist möglicherweise nicht vor 2050. 
 
Fazit
Die Landeshauptstadt Stuttgart ist gut beraten, wenn sie sich langsam mit dem Ergänzungsbahnhof anfreudet. Argumente gegen den Ergänzungsbahnhof sind nicht stichhaltig.    

Mittwoch, 2. März 2022

Die schlechte Angebotsqualität der Breisgau-S-Bahn - Blaupause für Stuttgart 21?

Bei der neuen Breisgau-S-Bahn sieht es mit der Angebotsqualität nicht gut aus. Vertrauen ging zudem verloren. Darüber berichtet das Verkehrsministerium BW in einer Pressemitteilung vom 15.02.2022. 

Sollte wider Erwarten Stuttgart 21 in seiner Reinform tatsächlich in Betrieb genommen werden, könnte der aktuelle Zustand der Breisgau-S-Bahn zu einer Blaupause für Stuttgart 21 werden.

Gemäß den Angaben des Landesverkehrsministeriums beginnt jetzt eine Zukunftskommission für die Breisgau-S-Bahn mit ihrer Arbeit. Aufgabe der Zukunftskommission ist es, die Breisgau-S-Bahn weiterzuentwickeln mit den Zeithorizonten 2030 und 2040. Das Ministerium wörtlich: "Damit sollen die schwierigen Zeiten mit immensen Erwartungen und einigen Enttäuschungen möglichst zügig der Vergangenheit angehören".

Eine der ersten Aufgaben der Zukunftskommission wird die weitere Stabilisierung der Betriebsqualität sein. Hierzu wurde ein 8 Punkte-Sofortprogramm entwickelt. Dieses Sofortprogramm sieht betriebliche Maßnahmen vor, um die Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit zu steigern sowie die Anschlusssicherheit und das Bedienen der einzelnen Bahnhöfe zu verbessern. Bauliche Maßnahmen gehören nicht zum 8 Punkte-Programm. Die dringend notwendigen baulichen Ergänzungsmaßnahmen können erst mit Zeithorizont 2030 und 2040 umgesetzt werden.

Schlagen wir jetzt den Übergang zum Thema Stuttgart 21 ein! Stuttgart 21 in Reinform wäre noch schlechter ausgestattet als die Breisgau-S-Bahn.

Beispiele 
  • Für 40 Prozent der Nachfrage nach Bahnverkehrsleistungen im Stuttgarter Hauptbahnhof steht in Form des Feuerbacher Tunnels eine nur zweigleisige Zufahrt zu Verfügung.
  • Der Stuttgarter Hauptbahnhof hat nur 8 Gleise.
  • Die Gäubahn würde ihre eigenen Zulaufgleise verlieren und müsste sich mit einer S-Bahn-Strecke vorlieb nehmen.
  • Die Züge der Relation Nürnberg-Karlsruhe und umgekehrt haben im Bereich Untertürkheim eine nur eingleisige Strecke und eine höhengleiche Gleiskreuzung mit der S-Bahn (bei HP Nürnberger Straße).
  • usw.
 
Es ist keine besondere Vorhersagekunst erforderlich um festzustellen, dass diese Ausstattung des Bahnknotens Stuttgart ebenso zu Frust führen wird wie dies bei der Breisgau-S-Bahn der Fall ist, und ebenso zur Einsetzung einer Zukunftskommission führen wird.
 
Das Beispiel der Breisgau-S-Bahn zeigt jedoch auch, dass notwendige bauliche Erweiterungen und Ergänzungen nicht schon morgen,  sondern erst in 10 bis 20 Jahren zur Verfügung stehen werden. Daraus sollte man bei Stuttgart 21 lernen.
 
Was ist bei Stuttgart 21 jetzt notwendig?
Notwendig bei Stuttgart 21 ist jetzt ein Baustopp. Dann muss eine mit internationalen Experten besetzte Kommission den Ergänzungs- und Änderungsbedarf bei Stuttgart 21 feststellen. Dieser Ergänzungs- und Änderungsbedarf muss auch die angestrebte Verdoppelung der Fahrgastzahlen bei der Bahn bis 2030 sowie den angestrebten Deutschlandtakt (integraler Taktfahrplan) berücksichtigen.
 
Ein (teilweiser) Weiterbau von Stuttgart 21 darf erst erfolgen, wenn der gesamte Ergänzungs- und Änderungsbedarf zweifelsfrei feststeht und die Planungen bzw. Arbeiten im Hinblick auf die ergänzenden und ändernden Maßnahmen in die Wege geleitet sind.