Freitag, 29. März 2024

Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs erfordert Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21

Zumindest ein Teil von Stuttgart 21 muss in Betrieb gehen, um den Stuttgarter Kopfbahnhof sanieren und modernisieren zu können.

Die Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs ist erforderlich, um die Leistungsfähigkeit, die Betriebsflexibilität (Deutschlandtakt, Ping-Pong-Verkehre) und die Sicherheit (Gleis-Doppelbelegungen, kleine Bahnsteigbreite) des Stuttgarter Hauptbahnhofs sicherzustellen.

Es muss derjenige Teil von Stuttgart 21 vorab in Betrieb gehen, der der vor dem Jahr 1994 geplanten Kombilösung für den Stuttgarter Hauptbahnhof entspricht. Das wäre konkret die Durchmesserlinie, die vom Feuerbacher Tunnel, einem viergleisigen Durchgangsbahnhof und dem Fildertunnel gebildet wird.

Die grundlegende Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs erfordert, dass jeweils zwei Gleise des Kopfbahnhofs über einen Zeitraum von ca. einem Jahr außer Betrieb genommen werden. Bei 16 Gleisen dauert die Sanierung und Modernisierung des Kopfbahnhofs somit mindestens 8 Jahre.

Die Außerbetriebnahme von jeweils zwei Gleisen des Stuttgarter Kopfbahnhofs erfordert, dass eine bestimmte Anzahl von Zügen aus dem Stuttgarter Kopfbahnhof herausgenommen wird. Hier kommt jetzt der Teil "Feuerbacher Tunnel - viergleisiger Durchgangsbahnhof - Fildertunnel" von Stuttgart 21 ins Spiel. Dieser Teil kann die ICE der nationalen Magistrale Frankfurt - Mannheim - Stuttgart - Ulm - Augsburg - München sowie einige weitere, ausgewählte IRE aufnehmen. Das ist die Voraussetzung, damit über einen Zeitraum von acht Jahren der Stuttgarter Kopfbahnhof auch mit nur noch 14 Gleisen auskommt. Später dann, nach den acht Jahren Modernisierungszeit, können der Kopfbahnhof mit seinen 16 Gleisen und der Durchgangsbahnhof von Stuttgart 21 dafür sorgen, dass der Bahnknoten Stuttgart wesentlich mehr Züge als heute aufnehmen kann.

Warum ist die Sanierung und Modernisierung des Stuttgarter Kopfbahnhofs so aufwändig?
Es müssen viele und umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt werden. Ein Teil geht auf das Konto des Sanierungsstaus der letzten Jahrzehnte. Es sind aber auch neue Bauwerke zu erstellen. 

Die früheren Gepäckbahnsteige müssen demontiert werden. Die Personenbahnsteige müssen auf das heute übliche Maß von 11 Metern verbreitert werden. Die Kopfbahnhofgleise werden paarweise zusammengelegt. Das Dach muss neugebaut werden. Es muss ca. 150 Meter von den Prellböcken entfernt eine Fußgängerunterführung gebaut werden. Ggf. ist diese Fußgängerunterführung mit Aufzügen und Fahrtreppen auszurüsten. Der Anschluss des Kopfbahnhofs an den S-Bahnhaltepunkt Hauptbahnhof und an den Stuttgart 21-Durchgangsbahnhof muss für umsteigende Fahrgäste verbessert werden.
 
Die Lage des Kopfbahnhofs
Hätte man den Kombibahnhof aus Kopf- und Durchgangsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof von Anfang an anvisiert, hätte man die Gleise des Kopfbahnhofs über den Stuttgart 21-Tiefbahnhof und damit näher an den Rest-Bonatzbau und näher zur bestehenden Stuttgarter Innenstadt verlegen können. Das scheint aber jetzt nicht mehr möglich zu sein.
 
Die Devise muss deshalb lauten: Wenn der Kopfbahnhof nicht näher an die Stuttgarter Innenstadt gelegt werden kann, muss die Stuttgarter Innenstadt näher an den Kopfbahnhof heranreichen. Das müsste möglich sein. Man denke nur an den Leipziger Hauptbahnhof, unter dessen Querbahnsteig sich ein riesiges Einkaufszentrum befindet. Ähnliches könnte auch in Stuttgart eingerichtet werden.  

Freitag, 22. März 2024

"Ping-Pong-Verkehre" sind die Zukunft für den Stuttgarter Kopfbahnhof

Für die sogenannten "Ping-Pong-Verkehre" ist ein Kopfbahnhof die beste Lösung. 

Das betonte sinngemäß auch der damalige Bahnvorstand Kefer beim Sach- und Faktencheck zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler. Diese Feststellung hatte allerdings keine weitere Folgen. Denn bei Stuttgart 21 waren keine Ping-Pong-Verkehre geplant. Das wurde nicht weiter hinterfragt. 

Was sind Ping-Pong-Verkehre?
Beispiel: Heilbronn - Stuttgart - Heilbronn - Stuttgart - Heilbronn - Stuttgart usw.

Oder: Aalen - Stuttgart - Aalen - Stuttgart - Aalen - Stuttgart usw.

Genauso wie: Pforzheim - Stuttgart - Pforzheim - Stuttgart - Pforzheim - Stuttgart usw.

und viele andere Beispiele mehr. 

Auch die Gäubahn zählt zum Ping-Pong-Verkehr
Wegen der besonderen Umstände zählt auch die gesamte Gäubahn zum Ping-Pong-Verkehr. 
 
Das gilt für die kurze Gäubahn: Horb/Freudenstadt/Nagold - Stuttgart-Hauptbahnhof.
 
Das gilt aber auch für die lange Gäubahn: Singen/Konstanz/Zürich - Stuttgart-Hauptbahnhof. 

Ping-Pong-Verkehre versus durchgebundene Verkehre
Maßgebend für die Wahl zwischen den Ping-Pong-Verkehren und den durchgebundenen Verkehren ist der Anteil der durchfahrenden Fahrgäste an der Gesamtzahl der Fahrgäste in einem Bahnhof.
 
Bei der Infoveranstaltung am 11.10.2022: "Ausblick auf den Regional-Fahrplan nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21" betonte das Landesverkehrsministerium, dass im Stuttgarter Hauptbahnhof der Anteil des Ziel- und Quellverkehrs im Regionalverkehr gegenüber den durchfahrenden Fahrgästen dominiert.
 
Damit ist die Richtung klar, in die der Stuttgarter Hauptbahnhof gehen muss. Ein Teil des Regionalverkehrs muss Ping-Pong-Verkehr sein. Das erfordert einen Kopfbahnhof zusätzlich zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof.
 
Das kann man auch noch etwas pointierter darstellen: Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist der Bahnhof in Baden-Württemberg mit den mit Abstand meisten Fahrgästen. Der Stuttgarter Hauptbahnhof ist auch der Bahnhof in BW mit den meisten aus-, ein und umsteigenden Fahrgästen, sowohl absolut als auch prozentual. Damit ist der Stuttgarter Hauptbahnhof derjenige Bahnhhof in BW, der sich mit Abstand am besten für die Aufnahme von Ping-Pong-Verkehren eignet. Es geht im Stuttgarter Hauptbahnhof beim Regionalverkkehr nicht in erster Linie darum, schnell durchgebunden zu werden, sondern darum, zur richtigen Zeit anzukommen und abzufahren, damit Anschlüsse in und aus alle(n) Richtungen gewährleistet sind.
 
Die Fahrgäste steigen im Stuttgarter Hauptbahnhof von einem beliebigen Regionalzug in andere Regionalzüge um, in die Fernzüge, in die S-Bahn, in die Stadtbahn, in die Linienbusse und in die Taxis. Oder sie steigen aus, um zum Beispiel in die Stuttgarter Innenstadt zu gehen. Pro Regionalzug können das bis zu 90 Prozent der Fahrgäste sein.

Durchgebundene Verkehre, lange Standzeiten und Gleis-Doppelbelegungen
Jetzt wird es aber noch interessanter. Bei der schon genannten Informationsveranstaltung vom 11.10.2022 betonte das Landesverkehrsministerium, dass im Stuttgarter Hauptbahnhof Pufferzeiten zur Steigerung der Pünktlichkeit und Robustheit zielführend sind. Und die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg ergänzte, dass die durchgebundenen Regionalzüge längere Standzeiten im Hauptbahnhof aufweisen werden. Das wiederum sei ursächlich für die große Zahl an Gleis-Doppelbelegungen im Hauptbahnhof.
 
Jetzt muss man sich aber doch erst mal setzen. Das ist ja sensationell! Mit der schnellen Durchbindung von Regionalzügen im Stuttgarter Hauptbahnhof wird es also nichts sein. Im Gegenteil werden die Regionalzüge längere Standzeiten aufweisen, damit Verspätungen aus einer Strecke nicht auch noch auf die andere Strecke übertragen werden. Die Durchbindung von Regionalzügen bringt nicht nur für sehr wenige Fahrgäste überhaupt etwas. Der Stuttgart 21-Tiefbahnhof ist dazuhin auch noch unterdimensioniert, weil längere Standzeiten der Regionalzüge auch noch zu Gleis-Doppelbelegungen in größerem Ausmaß führen.
 
Die Lösung des Problems stellen der ergänzende Kopfbahnhof und der Ping-Pong-Verkehr dar. Mit diesen Randbedingungen gibt es keine Verspätungsübertragung von einer Strecke auf die andere. Es stehen zudem genügend Gleise zur Verfügung, so dass es nicht zu Gleis-Doppelbelegungen kommen muss. Die Ankunft und Abfahrt der Ping-Pong-Züge ist zudem so, dass die bestmöglichen Anschlüsse zu anderen Zügen hergestellt werden.      

Die städtebaulichen Aspekte der Ping-Pong-Verkehre
Beim Werben für die Ping-Ping-Verkehre und den ergänzenden Kopfbahnhof darf der städtebauliche Aspekt nicht unerwähnt bleiben.
 
Wir nehmen an, dass der Stuttgart 21-Tiefbahnhof die am Hauptbahnhof durchgebundenen Verkehre übernimmt. Das sind die Fernzüge der Magistrale Frankfurt - Mannheim - Stuttgart - Ulm - Augsburg - München und deren Varianten (Paris - Stuttgart, Saarbrücken - Stuttgart, Heidelberg - Stuttgart und Offenburg - Stuttgart). Dazu kommen noch ganz wenige ausgewählte IRE (im Wesentlichen Heilbronn - Tübingen und Karlsruhe - Ulm).
 
Alles Andere - und das ist sehr viel - wird im Rahmen von Ping-Pong-Verkehren über den Kopfbahnhof abgewickelt. Das heißt dann aber auch, dass es im Kopfbahnhof keine durchgebundenen Züge mehr geben wird. Und das bedeutet, dass man auf Überwerfungen usw. im Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs verzichten kann. Denn die einzelnen Strecken der Ping-Pong-Verkehre überkreuzen sich nicht, sondern laufen parallel zueinander in den Kopfbahnhof ein. Damit lässt sich das Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs wesentlich besser städtebaulich integrieren, sowohl in Bezug auf die visuellen Aspekte als auch in Bezug auf den Flächenverbrauch.
 
 

Freitag, 15. März 2024

Fernbahntunnel in Frankfurt: Geht die Bahn so langsam auf Distanz zu Stuttgart 21?

Stuttgart 21 scheint inzwischen selbst von der Bahn als ein Beispiel, wie man es nicht macht, gesehen zu werden.

Darauf zumindest deuten Äußerungen von Gerd-Dietrich Bolte (Leiter Infrastrukturprojekte Region Mitte bei der DB InfraGO AG) hin, über die die Zeitung Frankfurter Rundschau auf ihrer Website mit Datum vom 27.02.2024 berichtete.

Demnach war bei einer Diskussion zum geplanten Frankfurter Fernbahntunnel im Haus am Dom auch Stuttgart 21 ein Thema. Gerd-Dietrich Bolte äußerte sich sinngemäß so, dass der Frankfurter Fernbahntunnel mit Stuttgart 21 nicht vergleichbar ist. Denn - und jetzt heißt es aufpassen - in Frankfurt werden mit dem Fernbahntunnel Zusatzkapazitäten geschaffen und nicht nur der Verkehr weg von der Oberfläche verlagert.

Das ist dann aber doch zwischen den Zeilen ein vernichtendes Urteil zu Stuttgart 21. Der Fernbahntunnel in Frankfurt soll gemäß Bolte bis zu 25 Prozent mehr Kapazität schaffen. Frankfurt soll so zu einem Superknoten an zentraler Stelle im Netz werden. Die Verkehrswende in Deutschland hängt am Frankfurter Fernbahntunnel.

Was kann man daraus für Stuttgart 21 folgern?
Das Projekt ist falsch. Ebenso falsch sind die diskutierten Ergänzungsprojekte, vor allem die unsäglichen Tangentenplanungen sowie der Pfaffensteigtunnel.
 
Inzwischen scheint selbst die Bahn der Auffassung zu sein, dass es bei Stuttgart 21 in erster Linie darum geht, den Verkehr weg von der Oberfläche zu verlagern und weniger darum, Zusatzkapazitäten zu schaffen. Da haben wir wieder die Einschätzung, dass Stuttgart 21 ein Immobilienprojekt und weniger ein Bahnprojekt ist.
 
Was für Frankfurt erforderlich ist, gilt auch für Stuttgart. Auch der Stuttgarter Hauptbahnhof muss ein Superknoten - diesmal an zentraler Stelle (mehr Zentralität geht nicht) des Bundeslandes BW - werden und mehr Kapazität schaffen.
 
Das aber geht nur mit Hilfe eines Ergänzungsbahnhofs beim Hauptbahnhof sowie mit einer weiteren Doppelspur im Nordzulauf.
 
Warum nimmt die Bahn das Heft des Handelns nicht in die Hand?
Wir haben es bei Stuttgart 21 ja mit einem kollektiven Versagen der Politik zu tun - quer durch alle Parteien und sowohl auf lokaler Ebene als auch auf Landesebene.
 
Warum nimmt die Bahn nicht das Heft des Handels in die Hand? Die Bahn braucht nur festzustellen, dass in Stuttgart ein Teil des Kopfbahnhofs erhalten bleiben muss oder ein Ergänzungsbahnhof gebaut werden muss. Da wollen wir mal sehen, ob die Politik dem zu widersprechen wagt. Dieses Thema könnte doch mit dem laufenden Gerichtsprozess zur Sprechklausel von Stuttgart 21 verknüpft werden!

Freitag, 8. März 2024

Stuttgart 21: Schlechte Rahmenbedingungen für die Bahnstrecke Stuttgart - Nürnberg

Die Bahnstrecke Stuttgart - Nürnberg sieht sich beim Projekt Stuttgart 21 schlechten Rahmenbedingungen ausgesetzt. Wesentlich besser wäre es auch für dieses Problem, wenn man einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof baute und von dort Züge in Richtung Nürnberg bzw. Aalen abfahren lässt.

Das sehen wir uns im heutigen Post in diesem Blog näher an.

Was läuft heute?
Heute gibt es beim Fernverkehr einen zweistündlichen IC Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg und zurück. Dieser IC ist der Nachfolger eines IR. Nach der Einstellung des eigenwirtschaftlich gefahrenen Interregio-Verkehrs durch die Bahn wurden einige IR-Linien von den Bundesländern übernommen, die sie durch Regionalverkehrslinien ersetzten. Einige IR-Linien waren aber für die Bahn so wichtig, dass sie sie durch IC-Linien ersetzte. Dazu gehört der IC Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg.
 
Das Land BW hat mit dem IRE 1 Karlsruhe - Stuttgart - Aalen einen Komplementärverkehr zum IC der Bahn bestellt. Der IRE 1 verkehrt ebenfalls zweistündlich. Von Karlsruhe über Stuttgart nach Aalen gibt es somit einen Stundentakt mit schnellen Zügen. 
 
Karlsruhe - Nürnberg: Zukünftig eine Fahrt mit Hindernissen
Unter Stuttgart 21 ist die Verbindung Karlsruhe - Nürnberg über Stuttgart verschiedenen Hindernissen ausgesetzt, die einen Weiterbetrieb dieser Linie fraglich erscheinen lassen.
 
Engstellen gibt es zunächst mal im Stuttgart 21-Hauptbahnhof. Die von Karlsruhe kommenden Züge erreichen den Stuttgart 21-Hauptbahnhof über den Feuerbacher Tunnel und kommen somit an einem der inneren Gleise an. Weiter geht es durch den Untertürkheimer Tunnel. Hierzu müssen die Züge auf eines der äußeren Gleise im Stuttgart 21-Hauptbahnhof wechseln. Es besteht somit hier eine Innen-Außen-Durchbindung, die kapazitätsmindernd ist, weil ein solcher Zug mindestens zwei Fahrstraßen gleichzeitig belegt. In der Gegenrichtung ist eine Außen-Innen-Durchbindung vorhanden.
 
Jetzt geht es aber richtig zur Sache.  Nach dem Verlassen des Untertürkheimer Tunnels findet der IC nach Nürnberg eine mehrere hundert Meter lange eingleisige Strecke vor (die sogenannte Interregio-Kurve). Damit nicht genug. In der Folge gibt es eine höhengleiche Gleiskreuzung mit der alle 5/10-Minuten fahrenden S-Bahn Richtung Waiblingen sowie eine Einfädelung in das Regional-/Fernverkehrsgleis von Bad Cannstatt nach Waiblingen. In der Gegenrichtung ist die Engstellensituation ähnlich.
 
Das Land BW hat bereits auf das Engstellen-Feuerwerk reagiert
Im geplanten Regionalzugfahrplan für Stuttgart 21 verzichtet das Land BW auf die heute vorhandene Durchbindung des schnellen Regionalzugs von Karlsruhe nach Aalen. Sowohl die von Karlsruhe als auch die von Aalen nach Stuttgart kommenden Regionalzüge erhalten jeweils eine andere Durchbindung. Damit ist die Konfiguration von Stuttgart 21 für die Wahl der Durchbindung maßgebend. Eigentlich muss es umgekehrt sein ("form follows function"). 

Der Fernverkehr Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg ist unklar
Im dritten Gutachterentwurf zum Deutschlandtakt ist ein stündlicher schneller Zug der Relation Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg sowie ein stündlicher schneller Zug der Relation Zürich - Stuttgart - Nürnberg vorgesehen. Dies können sowohl eigenwirtschaftlich betriebene Fernverkehre als auch vom Land bestellte schnelle Regionalzüge sein.
 
Die genannte Durchbindung Zürich - Nürnberg wird es in den kommenden Jahrzehnten nicht geben. Die genannte Durchbindung Karlsruhe - Nürnberg könnte an den beschriebenen Engstellenproblemen scheitern. Es ist somit möglich, dass weder die Bahn noch das Land einen Zug für diese Relationen auf die Schiene bringen werden.
 
Die Durchbindung wird überbewertet
Nur in der Relation der Nationalen Magistrale Frankfurt/Main - Mannheim - Stuttgart - Ulm - Augsburg - München ist von den Fahrgastinteressen her eine Durchbindung der Züge zwingend. Bei allen anderen Relationen einschließlich der genannten Relationen von/nach Nürnberg wird der Nutzen einer Durchbindung überschätzt. Bis zu 90 Prozent der Fahrgäste, die in einem beliebigen Zug zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren, steigen dort aus oder um. Die Durchbindung der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof hat somit kaum einen Nutzen. Sie ist in erster Linie der Form von Stuttgart 21 geschuldet, das endende und wendende Züge entweder nicht zulässt oder erschwert.
 
Der Ergänzungsbahnhof ist auch für die Züge Stuttgart - Nürnberg vorteilhaft
Auch für den IC Stuttgart - Nürnberg sowie den IRE Stuttgart - Aalen sowie die MEX Stuttgart - Aalen und Stuttgart - Schwäbisch Hall ist der Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof die beste Lösung. Ohne die Probleme der Durchbindung können diese Züge im Ergänzungsbahnhof ein- und ausfahren. Zudem ermöglicht der Ergänzungsbahnhof, dass die Züge auf geradem Wege von und nach Bad Cannstatt fahren - ohne unterirdische Ehrenrunde unter halb Stuttgart.

Freitag, 1. März 2024

Landeshauptstadt Stuttgart - die große Verliererin beim Stuttgart 21-Spiel?

Je nach Ausgang der laufenden Gerichtsverfahren (einschließlich der Revisionen) ist es möglich, dass die Landeshauptstadt Stuttgart zusätzliche Kosten des Projekts Stuttgart 21 in Milliardenhöhe schultern muss.

Wir sehen uns die Rolle der Landeshauptstadt Stuttgart in Sachen Stuttgart 21 heute mal etwas näher an. Irgendwelchen Entscheidungen von Gerichten soll hier in keinster Weise vorgegriffen werden.

Was könnte auf die Landeshauptstadt Stuttgart zukommen?
Ein Eckwert von null Euro zusätzlichen Kosten für die Landeshauptstadt Stuttgart wäre dann gegeben, wenn ein Gericht entschiede, dass der Bauherr (Die Bahn) alle Mehrkosten von Stuttgart 21 übernehmen muss.

Ein anderer Eckwert wäre so zu definieren, dass die Landeshauptstadt Stuttgart alle gegenüber dem Stuttgart 21-Vertrag auftretenden Mehrkosten übernehmen muss. Das wären weit über fünf Milliarden Euro. Stuttgart wäre dann pleite. Dieser Eckwert leitet sich daraus ab, dass sich die Stadtverwaltung Stuttgart sinngemäß so geäußert hat, das sie sich nicht am Projekt Stuttgart 21 beteiligte hätte, wenn die oberirdischen Gleise im Stuttgarter Talkessel nicht aufgelassen würden. Damit aber wird Stuttgart 21 in seiner Eigenschaft als Immobilienprojekt deutlich. Das aber ist ausschließlich Sache der Landeshauptstadt Stuttgart.
 
Eine dritte Variante wäre, dass sich Stuttgart gemäß dem bisherigen Anteil an der Finanzierung des Projekts auch bei den Mehrkosten beteiligen muss. Das wären so ganz grob geschätzt 1,5 Milliarden Euro, die an der Stadt hängenbleiben. Dieser Mittelweg ist gar nicht so unwahrscheinlich. Auch das würde Stuttgart hart treffen. Es müssten dann wohl alle freiwilligen Leistungen der Stadt eingeschränkt oder storniert werden. Stuttgart müsste hohe Schulden aufnehmen.
 
Die Bahnreform - nicht gut für Stuttgart
Stuttgart hat nach der Bahnreform gleich dreimal Pech gehabt. Zum einen kam mit Heinz Dürr ein Manager an die Spitze der Bahn, der kein Bahnfachmann war. Heinz Dürr interessierte sich für den Verkauf von Bahnflächen in größerem Ausmaß. Zum Zweiten stammte Heinz Dürr auch noch aus Stuttgart. Damit wurde der Stuttgarter Hauptbahnhof zum Versuchskaninchen in Sachen Vergoldung der Bahnflächen. Und zum Dritten hatte Dürr gegenüber dem damaligen Ministerpräsidenten Teufel und dem damaligen Stuttgarter OB Rommel - beides ebenfalls keine Bahnfachleute - leichtes Spiel. Beide ließen sich sofort von Stuttgart 21 begeistern.
 
Hätte die Landeshauptstadt Stuttgart die Bruchstellen von Stuttgart 21 erkennen müssen?
Stuttgart 21 weist mindestens zwei Systemfehler bzw. Bruchstellen auf.
 
Eine der Bruchstellen ist die außenseiterhafte Finanzierung des Projekts. Es ist immer ratsam, Projekte von derjenigen Institution finanzieren zu lassen, die dafür auch zuständig ist. Bei den Bahnstrecken und Bahnhöfen wäre dies der Bund. Der Bund wollte aber Stuttgart 21 nicht finanzieren. Sicher hatte und hat der Bund gute Gründe für diese Entscheidung. Die gewählte Finanzierung von Stuttgart 21 als eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn bringt nun alle hinlänglich bekannten Probleme mit sich. Es gibt die inzwischen berühmte Sprechklausel, die nun vor Gericht gelandet ist. 
 
Aufgabe von Heinz Dürr und auch der Landeshauptstadt Stuttgart wäre gewesen, beim Bund für die Kombilösung beim Stuttgarter Hauptbahnhof zu werben. Kombilösung bedeutet die Erhaltung und die Modernisierung des Kopfbahnhofs sowie eine neue Durchmesserlinie mit einem viergleisigen Durchgangsbahnhof. Das hätte der Bund sicher nicht bereits im Jahr 1994 finanziert und verwirklicht. Der Bund musste erst mal viel in die neuen Bundesländer investieren. Aber in den Nuller Jahren oder den Zehner Jahren oder den Zwanziger Jahren wäre die Kombilösung in Stuttgart im Bau gewesen. Da ist auch ein wenig Geduld gefragt.
 
Die zweite Bruchstelle ist die minimalistische Ausgestaltung des Projekts als Folge des Zwangs, dass alle oberirdischen Gleise im Stuttgarter Talkessel verschwinden müssen. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat ja erklärt, Stuttgart 21 nur dann zu unterstützen, wenn es keine oberirdischen Gleise mehr gibt. Das aber hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Konfiguration von Stuttgart 21. Das Projekt musste in der Folge in einer minimalistischen Form ausgeführt werden. Alles andere hätte sich nicht gerechnet.
 
Der Hauptbahnhof erhält nur acht Gleise. Der für 40 Prozent der Verkehrsnachfrage und der Zugzahlen zum/vom Hauptbahnhof zuständige Nordzulauf erhält nur zwei Gleise. Die Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn muss als unfahrbar bezeichnet werden. Ebenfalls unfahrbar mit eingleisigem Abschnitt und mehreren höhengleichen Gleiskreuzungen ist die Relation Hauptbahnhof - Untertürkheimer Tunnel - Waiblingen. Bei den Gleisen des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs muss teilweise sogar die Doppelbelegung eingeführt werden - und das trotz starker Längsneigung der Gleise. Der Deutschlandtakt (Integraler Taktfahrplan) ist mit Stuttgart 21 zum Scheitern verurteilt - in Bezug auf die zu wenigen Zulaufgleise und in Bezug auf die zu wenigen Bahnsteiggleise.
 
Verschiedene Ergänzungsprojekte musste das Land BW übernehmen, wie die Große Wendlinger Kurve, der Regionalbahnhof Vaihingen und die P-Option. Verschiedene Maßnahmen, um Stuttgart 21 irgendwie zum Laufen zu bringen, wurden dem Bund vor die Türe gekarrt. Das sind z.B. der Digitale Knoten Stuttgart, der Nordzulauftunnel und der Pfaffensteigtunnel.
 
Was hätte die Landeshauptstadt Stuttgart unternehmen müssen?
Die Landeshauptstadt Stuttgart hätte die Hauptbahnhöfe in Europa analysieren müssen dergestalt, ob es irgendwo ein zweites Stuttgart 21 gibt. Das Ergebnis hätte Nein gelautet. In der Folge hätte die Landeshauptstadt Stuttgart ihre Unterschrift unter das Projekt verweigern müssen. Das Projekt wäre damit Projekt geblieben.           
 
Frankfurt am Main ist zu beneiden 
Hier noch kurz als Beispiel ein Bahnprojekt, das so läuft, wie es eigentlich in Deutschland vorgesehen ist.
 
In Frankfurt am Main läuft alles anders als in Stuttgart, will heißen, in Frankfurt am Main läuft alles normal. Vor einigen Monaten betonte der Oberbürgermeister von Frankfurt, dass die Stadt Frankfurt keinen Cent am neuen Fernbahntunnel in Frankfurt zuzahlen muss.

Da hat er Recht. Denn der Frankfurter Fernbahntunnel ist ein Vorhaben im Rahmen der Bundesschienenwege und wird vom Bund finanziert. Es ist im vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans 2030 enthalten.

Es gab bereits Einwände, dass die Einwohnerinnen und Einwohner von Frankfurt vom neuen Fernbahntunnel eigentlich gar nichts haben. Das ist allerdings falsch. Denn der neue Fernbahntunnel ermöglicht es, noch mehr Fernzüge über den Frankfurter Hauptbahnhof zu führen.

Viel wichtiger aber ist, dass auch der Regionalverkehr vom Fernbahntunnel profitiert. Denn der Fernbahntunnel macht im Frankfurter Kopfbahnhof mehrere Gleise frei, die bisher dem Fernverkehr dienen. Damit können in Zukunft auch mehr Regionalzüge fahren und die Überlastung des Regionalverkehrssystems in der Region Rhein-Main abmildern.

Das geht aber nur, weil als Folge des Fernbahntunnels kein einziges Gleis im Frankfurter Kopfbahnhof stillgelegt wird. Im Gegenteil: Bald sollen die Bauarbeiten für das neue Gleis 25 des Kopfbahnhofs beginnen.