Freitag, 22. November 2024

Die Filstalbahn unter Stuttgart 21: Hier muss umgesteuert werden

Die Filstalbahn zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Geislingen an der Steige wird durch Stuttgart 21 schwer gebeutelt. Das sehen wir uns heute näher an.

Fangen wir mal mit dem Bahnhof Bad Cannstatt an. Wenn man sich heute während des nachmittäglichen Berufsverkehrs im Bahnhof Bad Cannstatt aufhält, wundert man sich vielleicht über die Menschenmassen, die auf den Bahnsteigen für den Regionalverkehr auf ihren Zug warten.  

Das Regionalverkehrsangebot ab dem Bahnhof Bad Cannstatt ist ja heute nicht schlecht. Es gibt ab dem Bahnhof Bad Cannstatt halbstündliche Regionalverkehrsverbindungen in Richtung Aalen, in Richtung Schwäbisch Hall, in Richtung Geislingen an der Steige und in Richtung Tübingen.

Unter Stuttgart 21 fallen jedoch die direkten Regionalverkehrsverbindungen zwischen Bad Cannstatt und Geislingen an der Steige sowie Bad Cannstatt und Tübingen weg. In Richtung Geislingen an der Steige hat man dann von Bad Cannstatt die Wahl, zuerst zum Hauptbahnhof zu fahren und dann von dort weiter auf die Filstalbahn und die Neckar-Alb-Bahn. Oder man bummelt mit der S-Bahn ab Bad Cannstatt Richtung Plochingen und steigt dann in den Zug in Richtung Geislingen an der Steige oder in Richtung Tübingen um.

Jedenfalls ist das eine Verschlechterung für die Fahrgäste, die ab Bad Cannstatt fahren wollen. Um das zu heilen, bedarf es eines zweigleisigen Zulaufs von Bad Cannstatt zum Stuttgarter Kopfbahnhof. Das ist erreichbar, wenn man zwei Gleise aus dem Cannstatter Tunnel von Stuttgart 21 ausschleift und in den ergänzenden Kopfbahnhof führt. 

Keine S-Bahn ins Filstal
Nach einer vollständigen Inbetriebnahme von Stuttgart 21 werden im Filstal keine Fernverkehrszüge mehr fahren. Das hat ja einige Lokalpolitiker überrascht. Mit dem schnellen Regionalzug pro Stunde über Göppingen, der ggf. später mal halbstündlich verkehren kann, ist jedoch eine gute Anbindung des Filstals an die weite Welt gegeben. Dann gibt es den MEX (Metropolexpress), der halbstündlich verkehrt und zwischen Plochingen und Geislingen überall hält.
 
Diesen MEX kann man bei Bedarf und wenn es für das Ziel einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 erforderlich ist, sogar viertelstündlich verkehren lassen. Das ist jedenfalls um Längen besser als dass man zusätzlich zum MEX auch noch die S-Bahn von Plochingen nach Göppingen verlängert. Dann hätte man auch so etwas wie einen Viertelstundentakt, jedoch wäre dies wahrscheinlich ein Stottertakt sowie ein Takt, der aus vollkommen unterschiedlichen Bahnsystemen besteht (Bahnsteighöhe, Zuglänge, Türanordnung, Fahrzeugaustattung). Die Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn über Plochingen hinaus sollte man deshalb tunlichst bleiben lassen. Wenn es um zukünftigen Kapazitätszuwachs im Bahnknoten Stuttgart geht, ist in erster Linie der MEX gefragt und nicht die S-Bahn.             


Freitag, 15. November 2024

Zuggattung IRE entfällt im Stuttgarter Hauptbahnhof: Wie geht es mit dem Regionalverkehr unter Stuttgart 21 weiter?

Mit dem kommenden Fahrplanwechsel im Dezember 2024 wird im Stuttgarter Hauptbahnhof die Zuggattung IRE entfallen. Das war das Thema im vorangegangenen Post in diesem Blog.

Heute geht es um den Regionalverkehr (Nahverkehr) im Bahnknoten Stuttgart ohne IRE, aber mit RE (Regionalexpress), MEX (Metropolexpress) und S-Bahn unter Stuttgart 21. Da läuft nicht alles so, wie es sein soll. Änderungen sind durchzuführen, solange es noch geht.

Wegen der Vielzahl der einzelnen Punkte halten wir den Text so knapp wie möglich.

Keine Taktverdichtung der S-Bahn im Verlauf der Stammstrecke
Zur Zeit fährt im Verlauf der Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn alle 2,5 Minuten ein Zug pro Richtung (15 Minuten-Takt je Linie). Mehr geht nicht. Eventuelle Verbesserungen durch neue Signalsysteme dürfen ausschließlich zum Verspätungsabbau, nicht aber für noch mehr Verkehr verwendet werden. Spürbare Kapazitätssteigerungen zur Erreichung der Verdoppelung des Bahnverkehrs bis 2030 dürfen nur im Rahmen des Metropol-Express (MEX) umgesetzt werden.
 
Kein 10 Minuten-Takt bei der S-Bahn
Immer wieder hört man von Forderungen, den 10 Minuten-Takt bei der S-Bahn einzuführen. Das geht überhaupt nicht. Allein schon die Strecken Fellbach - Schorndorf, Fellbach - Backnang und S-Vaihingen - Herrenberg schließen wegen des dort praktizierten Mischbetriebs einen 10 Minuten-Takt bei der S-Bahn aus, es sei denn, man will, dass die Regional- und Fernzüge hinter den S-Bahnzügen daherzuckeln. An Stelle des 10 Minuten-Takts bei der S-Bahn muss der MEX weiter ausgebaut werden.
 
Keine unterschiedlichen Takte bei der S-Bahn
Unterschiedliche Takte bei den verschiedenen S-Bahnlinien dürfen nicht praktiziert werden. Das würde zu einem Verkehrschaos im Verlauf der Stammstrecke führen.
 
Kein Mischbetrieb aus MEX und S-Bahn im Filstal
Der Verband Region Stuttgart hat jetzt Untersuchungen beauftragt, wonach die S-Bahn ins Filstal (Göppingen) verlängert werden soll. Diese Planungen sind sofort zu stoppen. Der MEX fährt bereits im Filstal und ist ggf. auf einen 15 Minuten-Takt zu verdichten. Es geht nicht, dass zwei so unterschiedliche Verkehrssysteme wie der MEX und die S-Bahn mit unterschiedlichen Bahnsteighöhen, mit unterschiedlichen Zuglängen, mit einer unterschiedlichen Türanordnung und mit unterschiedlichen Innenräumen (WC) zusammen geführt werden. Zudem ist eine Verlängerung der S-Bahn ins Filstal nicht geeignet, eine Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 zu  bewirken. Denn zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Plochingen ändert sich dadurch am bestehenden 15 Minuten-Takt der S-Bahn nichts.
 
Kein Mischbetrieb aus MEX und S-Bahn Richtung Pforzheim
Auch eine Verlängerung der S-Bahn von Bietigheim nach Mühlacker und Pforzheim ist nicht sinnvoll. Auch hier fährt der MEX, der ggf. auf einen 15 Minuten-Takt verdichtet werden muss. Auch hier würde als Folge der Verlängerung der S-Bahn über Bietigheim hinaus zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und Bietigheim gegenüber heute kein S-Bahnzug zusätzlich fahren.
 
15 Minuten-Takt von MEX/S-Bahn im Filstal und nach Mühlacker hat ein Fragezeichen
Hinter einen resultierenden 15 Minuten-Takt im Filstal und nach Mühlacker, der aus einem Halbstundentakt von MEX und S-Bahn besteht, ist ein Fragezeichen zu setzen. Wegen der vielen Einschränkungen bei der Wahl der Fahrlage der S-Bahn (Stammstrecke, Mischbetrieb, eingleisige Strecken) ist zu befürchten, dass kein genauer 15 Minuten-Takt, sondern ein Stottertakt zustandekommt. Bei einem reinen MEX-Betrieb ist dagegen ein exakter 15 Minuten-Takt möglich, weil der MEX - vor allem unter Berücksichtigung eines ergänzenden Kopfbahnhofs - größere Freiheitsgrade hat als die S-Bahn.
 
15 Minuten-Takt-MEX muss in den ergänzenden Kopfbahnhof fahren
Wir haben jetzt bereits zwei MEX-Strecken identifiziert, bei denen mittelfristig ein 15 Minuten-Takt eingerichtet werden muss. Das sind die Filstalbahn Stuttgart-Hauptbahnhof - Göppingen (-Geislingen an der Steige) sowie die Strecke Stuttgart-Hauptbahnhof - Mühlacker - (Pforzheim).
 
Diese beiden MEX-Linien sollten in den ergänzenden Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Dieser Ergänzungsbahnhof ist auch wegen des Deutschlandtakts erforderlich.    
 
Der MEX muss auf allen Radialstrecken zum Stuttgarter Hauptbahnhof mit mindestens einem 30 Minuten-Takt eingerichtet werden
Zur Marke MEX gehört mindestens ein Halbstundentakt auf allen Radiallinien vom und zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Dazu gehört auch die Verwendung der Marke MEX auf allen betroffenen Zügen. Leider ist dies unter Stuttgart 21 wohl nicht der Fall.
 
So wird es im Verlauf der Radiallinie Pforzheim - Vaihingen (Enz) - Bietigheim - Hauptbahnhof wohl keinen MEX geben, sondern einen halbstündlichen RE. Möglicherweise ist die Durchbindung dieses Zuges über Flughafen nach Tübingen der Grund. Möglicherweise fahren im Verlauf der Schnellfahrstrecke nach Wendlingen keine MEX.

Im Verlauf der Radiallinie Schwäbisch Hall - Hauptbahnhof wird es einen MEX im Stundentakt geben. Einen weiteren MEX gibt es zweistündlich. Dann gibt es noch einen zweistündlichen RE. Naja, das ist wohl nicht der Weisheit letzter Schluss.
 
Es ist dringend erforderlich, dass möglichst viele MEX-Linien im ergänzenden Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof enden. Dadurch wird der MEX eine saubere Sache.

Freitag, 8. November 2024

Fahrplanwechsel im Dezember 2024 schafft Zuggattung "Interregio-Express (IRE)" im Stuttgarter Hauptbahnhof ab

Mit dem Fahrplanwechsel im Dezember 2024 schafft Baden-Württemberg die Zuggattung "Interregio-Express (IRE)" ab. Damit wird es auch im Stuttgarter Hauptbahnhof keine IRE-Züge mehr geben. 

Die Zuggattung IRE wird durch die Zuggattung RE (Regionalexpress) ersetzt.

Die Zuggattung des IRE wurde in Baden-Württemberg im Jahr 2001 eingeführt. Auslöser war die Einstellung des von der Bahn eigenwirtschaftlich betriebenen Fernverkehrssegments "Interregio". 

Einige Interregio-Linien hat die Bahn durch weiterhin eigenwirtschaftlich betriebene Intercity-Linien ersetzt. Ein Beispiel dafür ist die heutige Intercity-Linie Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg.

Einige andere Interregio-Linien hat die Bahn nicht ersetzt. Als Ersatz hat das Land Baden-Württemberg Regionalzüge bestellt und sie IRE genannt, z.B. der heutige IRE Karlsruhe - Stuttgart.

Das Land BW hat darüberhinaus auf einigen Strecken IRE-Züge bestellt, auf denen kein IR fuhr. Ein Beispiel dafür ist die Strecke Stuttgart - Reutlingen - Tübingen - Sigmaringen.

In den vergangenen Jahren hat das Land BW die Marke IRE bereits zum Teil wieder zurückgezogen. Ein Beispiel dafür ist der schnelle Regionalzug Stuttgart - Göppingen - Ulm, der früher zur Zuggattung IRE gehörte und heute als RE 5 firmiert.

Nun also der vollständige Rückzug vom IRE. Interessant ist, dass auch der auf der neuen Schnellfahrstrecke Wendlingen - Ulm fahrende IRE 200 in RE 200 umbenannt wird.

Stuttgarter Hauptbahnhof ohne IRE
Im Stuttgarter Hauptbahnhof wird es ab Dezember 2024 die folgenden Zuggattungen beim Regionalverkehr (Nahverkehr) geben:
  • RE Regionalexpress
  • MEX Metropolexpress
  • S-Bahn

Drei Zuggattungen beim Regionalverkehr (Nahverkehr) scheinen übersichtlich und ausreichend zu sein. Größere Probleme bei der Umstellung sollten eigentlich nicht auftreten. 

Ist damit beim Regionalverkehr (Nahverkehr) im Stuttgarter Hauptbahnhof und dessen Umfeld alles in Ordnung? 

Nein!

Es gibt zwischen den drei Zuggattungen des Regionalverkehrs (Nahverkehrs) in der Region Stuttgart vielmehr Probleme. Darauf gehen wir im Post am kommenden Freitag näher ein.

  

Freitag, 1. November 2024

"Perspektive BAHN 2050" der Schweiz zeigt: Stuttgart 21 am Stuttgarter Flughafen ist der falsche Weg

Das Schweizer Bundesamt für Verkehr BAV erläutert in seinem Newsletter vom Oktober 2024 die konkreten Folgen der vom Schweizer Bundesrat beschlossenen "Perspektive BAHN 2050", einer Langfriststrategie für den Bahnausbau in der Schweiz.

Demnach soll die Bahn vor allem dort weiter ausgebaut werden, wo sie den grössten Beitrag zur Bewältigung der künftigen Mobilitätsbedürfnisse leisten kann. Das heißt konkret, dass sie dem motorisierten Individualverkehr Konkurrenz machen muss. Die Mehrzahl der Fahrten mit dem motorisierten Individualverkehr findet im Entfernungsbereich von unter 30 Kilometern statt. In diesem Entfernungsbereich muss die Bahn somit attraktiver werden, so dass sie möglichst viele Fahrten vom motorisierten Individualverkehr abgreifen kann.

Das hat Folgen für den zukünftigen Bahnausbau, der möglicherweise ganz anders gestaltet werden muss, als man dies bisher gedacht hat.

Die S-Bahn-Alternative zu Stuttgart 21 am Flughafen wäre besser geeignet, Fahrten vom motorisierten Individualverkehr abzugreifen 
Kommen wir zu Stuttgart 21 und im Besonderen zu Stuttgart 21 beim Stuttgarter Flughafen und auf den Fildern.

Ein alternativer Ausbau der S-Bahn beim Stuttgarter Flughafen und auf den Fildern wäre sehr nah an die jetzt in der Schweiz auf die Tagesordnung gebrachte Perspektive BAHN 2050 gekommen. Dreh- und Angelpunkt wäre der bestehende S-Bahnhaltepunkt am Stuttgarter Flughafen gewesen. Dieser Haltepunkt ist bei weitem nicht ausgelastet und weist große Potenziale und Reserven auf. Ein zweiter hundsteurer, in großer Tiefenlage liegender und nur  mit Aufzügen erreichbarer Bahnhof am Stuttgarter Flughafen - wie jetzt bei Stuttgart 21 geschehen - wäre nicht notwendig gewesen.

Vom S-Bahnhaltepunkt Flughafen wären im 15 Minuten-Takt Express-S-Bahnverbindungen nach Wendlingen und Plochingen, nach Nürtingen, nach S-Vaihingen und zum Stuttgarter Hauptbahnhof sowie auch nach Böblingen und Renningen möglich gewesen. Das Ganze hätte sich gerechnet. Denn ein zweiter Flughafenbahnhof hätte sich erübrigt und auch der sogenannte Ringschluss der S-Bahn wäre ohne Konkurrenz durch Stuttgart 21 möglich geworden.

Auch die Erschließung des Flughafens wäre mit diesen Express-S-Bahnen in die verschiedensten Richtungen hervorragend gewesen.

Jetzt kommt Stuttgart 21
Jetzt kommt aber Stuttgart 21 und verhindert den Ringschluss der Stuttgarter S-Bahn vom Flughafen über die Fildern ins Neckartal nach Plochingen, Wendlingen und Nürtingen. Damit kann die S-Bahn nicht zu einer attraktiven Konkurrenz im Entfernungbereich bis zu 30 Kilometer zum motorisierten Individualverkehr ausgebaut werden. 
 
Wie man das wieder heilen kann, ist mir unklar. Beim Stuttgarter Hauptbahnhof ist die Sache ja noch nicht hoffnungslos. Dort kann man noch einen ergänzenden Kopfbahnhof mit Zuläufen von der Gäubahn, von Ludwigsburg und von Bad Cannstatt vorsehen. Aber am Flughafen?