Montag, 8. November 2010

Stuttgart 21 bringt keine Einbindung in Hochgeschwindigkeits-Magistralen


Seit der dritten Schlichtungsrunde zum Bahnprojekt Stuttgart 21 ist es ja klar: die jahrelang von der Landesregierung und der Bahn gemachte Propaganda in Sachen Magistrale für Europa, in Sachen Magistrale Paris - Bratislava ist gegenstandslos. Die Bahn selbst hat zugegeben, dass die Magistrale Paris - Bratislava keine verkehrliche Bedeutung hat, auch nicht im Zusammenhang mit Stuttgart 21.

Die Magistrale Paris - Bratislava ist nur insoweit von Bedeutung, dass auf längere Sicht im Verlauf dieser Bahnstrecke einheitliche technische Standards bestehen sollen. Dies ist eigentlich einleuchtend, denn nur beim Bestehen einheitlicher technischer Standards (z.B. europäisches Kontrollsystem ETCS) kann eine Strecke von allen möglichen Betreibern auch genutzt werden. Nur: für die Einrichtung einheitlicher technischer Standards braucht es weder Stuttgart 21 noch die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm. 

Wenn schon die europäische Dimension beim Projekt Stuttgart 21 so kläglich verloren gegangen ist, bleibt dann wenigstens eine nationale Dimension? Wird die Region Stuttgart durch das Projekt Stuttgart 21 wenigstens in das nationale Hochgeschwindigkeitsnetz eingebunden?

Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass dies nicht der Fall ist, vor allem nicht bei der Bahnstrecke nördlich des Stuttgarter Hauptbahnhofs. Hier zeigt sich, dass das Projekt Stuttgart 21 für die nächsten 100 Jahre eine wirkliche Einbindung der Region Stuttgart in den Hochgeschwindigkeitsverkehr verhindert. Eine Einbindung in den Hochgeschwindigkeitsverkehr wäre nur gegeben, wenn die ICE mit Höchstgeschwindigkeit bis unmittelbar zum Hauptbahnhof Stuttgart fahren könnten. Genau das ist aber beim Projekt Stuttgart 21 nicht der Fall.

Wie sieht es nun konkret nördlich des Hauptbahnhofs aus? Von Mannheim kommend endet heute die Hochgeschwindigkeitsstrecke bereits 9 Kilometer vor dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Ab diesem Punkt gibt es keine 250 km/h mehr zu fahren, sondern 120 km/h bzw. 100 km/h. Eine Kurve reiht sich hier an die andere. Und dieser Abschnitt würde durch das Projekt Stuttgart 21 in keinster Weise beschleunigt, sondern für alle Zeiten im heutigen Zustand festgezurrt.

Bereits im südlichsten Tunnel der Hochgeschwindigkeitsstrecke Mannheim - Stuttgart, dem Tunnel Langes Feld, müssen die ICE von 250 km/h auf 120 km/h und dann 100 km/h abbremsen. In einer langen Rechtskurve verlässt man den Tunnel und fährt unter der Stahlhochbrücke Zuffenhausen (B10) hindurch.

Blick von der Brücke der Zabergäustraße in Stuttgart - Zuffenhausen nach Norden: die Stahlhochstraße der B10 ist im Hintergrund, südlich der Stahlhochstraßenbrücke kommt die zweite Kurve für die von Norden kommenden ICE, eine Linkskurve.
Blick von der Brücke der Zabergäustraße in Richtung Süden: mit einer Linkskurve fährt der ICE am S-Bahnhof Zuffenhausen vorbei. 
Blick von der MEA-Brücke in Stuttgart - Feuerbach in Richtung Norden: im Anschluss an die Linkskurve in Zuffenhausen gibt es hier eine Rechtskurve für den ICE.
Blick von der MEA--Brücke in Zuffenhausen in Richtung Süden: an die Rechtskurve schließt sich im Hintergrund im Bereich der S-Bahnhofs Feuerbach eine Linkskurve an. Auch der TGV von/nach Paris muss beim Projekt Stuttgart 21 für alle Zeiten all diese Kurven mit langsamer Geschwindigkeit befahren.
Das Projekt Stuttgart 21 sieht ungefähr beim S-Bahnhof Feuerbach eine Tunnelrampe und einen anschließenden Tunnel zum unterirdischen Durchgangsbahnhof (Hauptbahnhof) vor. In diesem Tunnel könnte der ICE wieder beschleunigen. Das lohnt sich jedoch nicht. Der Tunnel ist hierfür nicht lang genug. Somit wird der ICE die Geschwindigkeit von 100 bzw. 120 km/h auch im Tunnel beibehalten müssen. Der Tunnel befindet sich im Gefälle, das gilt im übrigen auch für den Tunnelbahnhof. Und da muss man schon rechtzeitig abbremsen, um im Tiefbahnhof noch anhalten zu können.

Halten wir also fest, dass die Einbindung der Region Stuttgart in irgendwelche Hochgeschwindigkeitsstrecken oder Magistralen im Zusammenhang mit Stuttgart 21 ein Märchen ist. Da ist es tatsächlich wesentlich einfacher, billiger und flexibler, den bestehenden Kopfbahnhof in Etappen auszubauen. Der Kopfbahnhof bringt eine genauso gute Einbindung in die Hochgeschwindigkeitsstrecken wie der Stuttgart 21 - Tiefbahnhof.

Ein Blick in die fernere Zukunft sei hier trotzdem gewagt. Es ist nicht ausgeschlossen, dass eines Tages die Region Stuttgart tatsächlich und wahrhaftig an das Hochgeschwindigkeitsnetz angebunden wird. Allerdings hat das zur Zeit überhaupt keine Priorität. Festzuhalten bleibt, dass ein etappierbarer Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs alle Möglichkeiten bietet, auch die spätere vollständige Einbindung der Region Stuttgart in das Hochgeschwindigkeitsnetz.  Das wird dann aber - einfach mal grob geschätzt - die zehnte Ausbaustufe im Rahmen des etappierbaren Ausbaus des Bahnknotens Stuttgart sein. Sie wird in 20 oder 30 Jahren umgesetzt. Und wie das dann genau erfolgen kann, soll hier einmal offen bleiben. Einige Varianten hierzu sind denkbar.    

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