Dienstag, 30. November 2010

Wie könnte ein den Kopfbahnhof ergänzender Fernverkehrs-Durchgangsbahnhof aussehen?

Im letzten Post ging es um die Nachteile eines Halbtiefbahnhofs quer zum Stuttgarter Talkessel wie bei Stuttgart 21 geplant. Der Vollständigkeit halber muss jedoch auch die alternative Konzeption K 21 (der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs) eine Option beschreiben, wie ein zusätzlicher z.B. viergleisiger Durchgangsbahnhof für den Fernverkehr in diese Konzeption eingebunden werden könnte. Das heißt noch lange nicht, dass der ergänzende Durchgangsbahnhof in absehbarer Zeit gebaut werden muss. Ich glaube sogar, dass ein Tiefbahnhof zusätzlich zum Kopfbahnhof nie kommen wird oder erst in vielen Jahrzehnten kommen wird.  Aber es ist wichtig darzulegen, dass die Konzeption K 21 alle Optionen für die Zukunft offenhält und damit in jeder Hinsicht bessere Zukunftsperspektiven bietet als Stuttgart.21.



Vorbild für diese Option ist die neue Durchmesserlinie in Zürich, die wegen Überlastung des Zürcher Kopfbahnhofs eine neue Verbindung für den Fernverkehr mit einem viergleisigen Durchgangsbahnhof unter dem Hauptbahnhof vorsieht. Ein solcher Fernverkehrs-Durchgangsbahnhof wäre auch in Stuttgart dann aktuell, wenn die Kapazität des 16gleisigen Stuttgarter Kopfbahnhofs eines Tages nicht mehr ausreicht. Und trotz bestehender und noch zu aktivierender Kapazitätsreserven beim Stuttgarter Kopfbahnhof kann ein Engpass dann eintreten, wenn politisch gewollt zukünftig tatsächlich nennenswert mehr Verkehr auf die Schiene kommen soll.

Aber zur Klarstellung kann man nicht oft genug sagen, dass ein Fernverkehrs-Durchgangsbahnhof in keinster Weise ein Muss beim etappierbaren Ausbau des Stuttgarter Bahnknotens auf der Basis des Kopfbahnhofs ist, sondern nur ein Kann, eine Option.

Welche Rahmenbedingungen sind für einen Durchgangs-Fernbahnhof unter dem Stuttgarter Kopfbahnhof zu beachten? Eine wichtige Randbedingung ist - das war ja das Thema von bereits mehreren Posts - , dass der Stuttgarter Flughafen keinen Fernbahnanschluss benötigt. Der Durchgangs-Fernbahnhof braucht also auf den Stuttgarter Flughafen keine Rücksicht zu nehmen. Eine weitere Bedingung ist, dass der Fernverkehrs-Durchgangsbahnhof nicht quer, sondern längs zum Stuttgarter Talkessel verläuft. Zudem dürfen die Parkanlagen durch den Fernverkehrs-Bahnhof nicht beeinträchtigt werden.

Also fangen wir an. Die Königstraße steht für einen Fernbahntunnel nicht zur Verfügung, denn dort verläuft ein Tunnel der Stadtbahn. Die Lautenschlagerstraße steht ebenfalls nicht zur Verfügung, denn dort befindet sich der S-Bahntunnel. Der Schlossgarten und die Konrad-Adenauer-Straße stehen selbstredend ebenfalls nicht zur Verfügung. Was bleibt da noch übrig? Übrig bleibt die Kriegsbergstraße. Das ist bei genauerer Betrachtung sogar eine hervorragende Lage für den Fernbahntunnel.

Konstruieren wir den neuen Fernbahntunnel einfach mal ausgehend von der Kriegsbergstraße. Verlängert man die Achse der Kriegsbergstraße in Richtung Hauptbahnhof, kommt man zunächst zum Kurt-Georg-Kiesinger Platz. Dann geht es unter einem Teil des Verwaltungsgebäudes der LBBW hindurch. Anschließend unterfährt der Tunnel einen Teil des Gleisvorfelds des Kopfbahnhofs. Der neue viergleisige Durchgangsbahnhof beginnt beim Kurt-Georg-Kiesinger Platz und erstreckt sich bis unter die Gleise des Kopfbahnhofs. Ein Teil des Gebäudes der LBBW muss für den Tunnel abgebrochen und später möglicherweise wiederaufgebaut werden. Im Vergleich zu Stuttgart 21, das ja den Abbruch einiger, teilweise denkmalgeschützter Gebäude vorsieht, wäre der Abbruch des nicht gerade einen Schönheitspreis verdienenden LBBW-Gebäudes nur ein kleiner Eingriff. Im Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs taucht dann die Fernbahn zweigleisig auf und verläuft weiter in Richtung Bad Cannstatt. Die Fernzüge in Richtung Ulm-München und in Richtung Nürnberg würden also diese unterirdische Durchbindung benutzen können.

Es sind weitere Dinge zu beachten. Der Stadtbahntunnel zwischen den Haltestellen Hauptbahnhof und Friedrichsbau (U9, U14) kommt dem Fernbahntunnel nicht in die Quere. Denn der Stadtbahntunnel biegt ohne den Fernbahntunnel zu berühren in die Friedrichstraße ab. Der Stadtbahntunnel zwischen den Haltestellen Hauptbahnhof und Türlenstraße (U5, U6, U7) kreuzt den Fernbahntunnel. Jedoch befindet sich dieser Stadtbahntunnel an der Kreuzungsstelle vergleichsweise tief. Der Fernbahntunnel führt über den Stadtbahntunnel hinweg. Ebenso führt der Fernbahntunnel über die Gleise der S-Bahn hinweg. Abgerissen werden muss lediglich die Fußgängerunterführung in Verlängerung der Klett-Passage in Richtung Kriegsbergstraße.

Jetzt geht es von der Kriegsbergstraße in die andere Richtung. Am Ende der Kriegsbergstraße befindet sich der Hegelplatz. Dort findet die Kriegsbergstraße ihre Fortsetzung in der Hegelstraße. Allerdings verläuft die Hegelstraße nicht genau in derselben Richtung wie die Kriegsbergstraße. Im Bereich des Hegelplatzes muss die Fernbahn somit eine Kurve machen. Diese Kurve ist jedoch in keinster Weise der Geschwindigkeit der Fernbahn abträglich, die ja so nah am Hauptbahnhof nicht besonders schnell fährt.  . 

Dort wo die Hegelstraße bei der Russischen Kirche steiler zu steigen beginnt, startet der bergmännisch aufzufahrende Tunnel. Die Tunnel unter der Kriegsbergstraße und der Hegelstraße werden ansonsten in offener Bauweise (Deckelbauweise) gebaut. Diese Tunnel befinden sich gleich unter der Oberfläche.

Jetzt gibt es für die Weiterführung des Tunnels zwei Varianten. Klar ist, dass der Tunnel bzw. die Strecke der Durchmesserfernbahnlinie irgendwann die Schnellfahrstrecke in Richtung Vaihingen / Enz erreichen muss. 

Es gibt eine kürzere Variante, die zum Ziel hat, so schnell wie irgend möglich wieder vorhandene Bahnstrecken zu erreichen. Diese Variante entspricht dem Konzept der Züricher Durchmesserlinie. Bei dieser Variante würde der bergmännisch aufzufahrende Tunnel in einem großen Bogen von der Hegelstraße unter die Straße "Am Kräherwald' führen, dann weiter unter dem Killesberg hindurch nach Feuerbach. Beim Bahnhof Feuerbach würde dann die bestehende Bahnstrecke wieder erreicht. Von dort bis zur Verzweigung Vaihingen / Enz - Ludwigsburg würde die bestehende Bahnstrecke von vier auf sechs Gleise ausgebaut werden.

Und es ist auch eine längere Variante denkbar. Sie hat zum Ziel, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof ohne Kompromisse vollständig in das Hochgeschwindigkeitsnetz eingebunden wird. Bei der längeren Variante würde man direkt zur vorhandenen Hochgeschwindigkeitsstrecke fahren und diese im Bereich Möglingen erreichen. Hierbei wird der Tunnel das Feuerbacher Tal unterqueren, zwischen S-Feuerbach und S-Weilimdorf verlaufen, unter dem Lemberg verlaufen und im Bereich der Anschlussstelle Zuffenhausen die A81 erreichen. Von dort gibt es eine oberirdische Weiterführung bis zur bestehenden Schnellfahrstrecke.

Eine Folge der längeren Durchmesservariante ist, dass die ICE-Fahrzeit Mannheim - Stuttgart von heute 36 auf zukünftig 28 Minuten reduziert werden kann. Dazu tragen bei die Verkürzung der Strecke Stuttgart-Mannheim gegenüber dem heutigen Zustand sowie die durchgehende Eignung der Strecke für den Hochgeschwindigkeitsverkehr (das ist heute wegen des Geschwindigkeitseinbruchs zwischen dem Tunnel Langes Feld und dem Kopfbahnhof nicht der Fall). Die Fahrzeit von 28 Minuten hat den Vorteil, dass man sowohl in Mannheim als auch in Stuttgart einen Vollknoten im Rahmen des integralen Taktfahrplans einrichten kann. So etwas wäre bei Stuttgart 21 nicht möglich. Denn bei Stuttgart 21 würde sich die Fahrzeit Stuttgart - Mannheim allerhöchstens auf 33 Minuten reduzieren.

Bei der längeren Durchmesservariante gibt es noch eine weitere Option. Es ist längerfristig auch eine Tunnelverzweigung im Bereich des Feuerbacher Tals denkbar, die auf schnellstem Weg zur A8 bei Leonberg führt und entlang der A8 weiter nach Pforzheim - Karlsruhe.

Fazit: der etappierbare Ausbau des Bahnknotens Stuttgart auf der Basis des bestehenden Kopfbahnhofs bietet auch auf längere Sicht faszinierende Ausbaumöglichkeiten. Diese Ausbaumöglichkeiten decken alle denkbaren Steigerungen des Bahnverkehrs in der Zukunft ab und bieten vollständige perfekte Lösungen bestehender und zukünftiger Verkehrsprobleme, im Gegensatz zu den bei Stuttgart 21 vielfach vorhandenen Halblösungen und Kompromissen.         

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