Mittwoch, 20. August 2025

Der Gäubahn-Pfaffensteigtunnel - Unterstützer oder Schädiger des Deutschlandtakts?

Zwischen Böblingen und dem Stuttgarter Flughafen soll der über 10 Kilometer lange Pfaffensteigtunnel für die Gäubahn gebaut werden.

In diesem Blog wurde und wird die Meinung vertreten, dass der Pfaffensteigtunnel nicht in erster Linie der Gäubahn dient, sondern eine Reparaturmaßnahme für Stuttgart 21 ist.

Heute sehen wir uns hier in diesem Blog den Pfaffensteigtunnel unter dem Gesichtspunkt des Deutschlandtakts bzw. Integralen Taktfahrplans an. Ist der Pfaffensteigtunnel ein Unterstützer oder ein Schädiger des Deutschlandtakts?

Die Zulaufgleise
Fangen wir mit den Zulaufgleisen zum Bahnknoten Stuttgart an. Ein großer Bahnknoten wie Stuttgart Hauptbahnhof braucht unter dem Deutschlandtakt möglichst viele Zu- und Ablaufgleise. Nur so wird erreicht, dass das Rendez-Vous der Züge zur vollen und zur halben Stunde möglichst kompakt abgewickelt werden kann und die Wartezeiten auf den Anschlusszug möglichst klein sind.
 
Heute besitzt die Gäubahn eigene Zu- und Ablaufgleise zum und vom Stuttgarter Hauptbahnhof. Mit dem Pfaffensteigtunnel gehen diese eigenen Gleise für die Gäubahn verloren. Dann müsste sich die Gäubahn in die Zugschlange im Fildertunnel zwischen Flughafen und Hauptbahnhof einreihen.
 
Die Bahnsteiggleise
Um ein Rendez-Vous der wichtigen Züge im großen Bahnknoten Stuttgart erreichen zu können, müssen möglichst viele Bahnsteiggleise vorhanden sein. Die bei Stuttgart 21 geplanten acht Bahnsteiggleise reichen hier bei weitem nicht aus. Es werden zusätzliche Gleise - vor allem in Form eines ergänzenden Kopfbahnhofs - benötigt.
 
Die Gäubahn muss also, um am Rendez-Vous der wichtigen Züge im Bahnknoten Stuttgart teilnehmen zu können, in den ergänzenden Kopfbahnhof fahren.
 
Spätestens mit der Fertiggestellung des Nordzulauftunnels werden sich die Züge der Magistrale Frankfurt - Stuttgart - München nicht nur im Mannheimer Hauptbahnhof, sondern auch im Stuttgarter Hauptbahnhof aus Richtung und Gegenrichtung begegnen.Spätestens dann wird der Stuttgarter Hauptbahnhof zu einem Vollknoten im Deutschlandtakt. Dafür sind weit mehr als acht Bahnsteiggleise erforderlich.
 
Die Fahrzeiten
Beim Integralen Taktfahrplan bzw. Deutschlandtakt werden Kantenzeiten definiert. Sie dienen dazu, dass sich die Züge in den Knotenpunktsbahnhöfen begegnen. Die Kantenzeiten sind ein Vielfaches der Taktzeit, konkret also 30 Minuten mal 1, mal 2, mal 3 oder mal 4.
 
Die Fahrzeit zwischen zwei Knotenpunkten muss etwas kleiner sein als die Kantenzeit, weil ja neben der Fahrzeit auch noch die Hälfte der Aufenthaltszeit in den Knotenbahnhöfen berücksichtigt werden muss.
 
Für die Gäubahn müssen zunächst die Knotenpunkte festgelegt werden. Dann gilt es, die Kantenzeiten zwischen den Knotenpunkten festzulegen. Darauf gilt es, die Fahrzeiten zwischen zwei Knotenpunkten festzulegen. Schließlich gilt es, alle Ausbaumaßnahmen festzulegen, damit die festgelegten Fahrzeiten auch erreicht werden. 
 
Dafür braucht man den Pfaffensteigtunnel nicht. Bei Bedarf können auch für die Panoramastrecke der Gäubahn Ausbaumaßnahmen festgelegt werden, z.B. ein Neubau des Kriegsbergtunnels mit einer Verlängerung bis zur Wolframstraße.
 
Fazit
Der geplante Pfaffensteigtunnel für die Gäubahn konterkariert den Deutschlandtakt. Es werden nicht ausreichend Zulaufgleise bereitgehalten. Es sind zu wenig Bahnsteiggleise vorhanden. Die Fahrzeiten für die Gäubahn zwischen zwei Knotenpunkten müssen so festgelegt werden, dass die Züge der Gäubahn rechtzeitig für das Rendez-Vous zur vollen und zur halben Stunde im Stuttgarter Hauptbahnhof sind.       

Montag, 11. August 2025

Blick vom "Eszet-Steg" in S-Untertürkheim zeigt Engpass "Interregiokurve" von Stuttgart 21

Der "Eszet-Steg" zählt zu den längsten Fußgängerstegen Stuttgarts.

Vom Eszet-Steg ergibt sich ein guter Blick auf den im Bau befindlichen Wartungs- und Rangierbahnhof von Stuttgart 21 sowie auch auf den Beginn der eingleisigen Interregio-Kurve von Stuttgart 21.

Die Interregio-Kurve wird bei Stuttgart 21 z.B. von den Fernzügen Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg und zurück befahren. Ein Beispiel aus dem Regionalverkehr wäre eine Verbindung von Heilbonn über Stuttgart nach Aalen und zurück.

Die Interregiokurve ist eine der zahlreichen Engstellen von Stuttgart 21. Die Interregiokurve selbst ist eingleisig mit einer Länge von mehreren hundert Metern. Dazu kommen höhengleiche Gleiskreuzungen und Einfädelungen. 

Wie sieht es bei einem Zug von Karlsruhe über Stuttgart nach Nürnberg aus? Zunächst mal befährt dieser Zug bei der Interregiokurve eine mehrere hundert Meter lange eingleisige Strecke. Dann gibt es eine höhengleiche Gleiskreuzung mit dem allle 5/10 Minuten befahrenen S-Bahngleis Richtung Waiblingen. Dann gibt eine Einfädelung in das Regionalzuggleis von Bad Cannstatt nach Waiblingen.

Wie sieht es bei einem Zug von Nürnberg über Stuttgart nach Karlsruhe aus? Zunächst mal gibt es eine höhengleiche Gleiskreuzung mit dem Regionalzuggleis von Bad Cannstatt nach Waiblingen. Dann gibt es eine höhengleiche Gleiskreuzung mit dem alle 5/10 Minuten befahrenen S-Bahngleis Richtung Waiblingen. Dann gibt es eine mehrere hundert Meter lange eingleisige Strecke.

Diese Aufeinanderballung von  Engstellen könnte zur Unfahrbarkeit führen, mindestens aber zu schweren Beeinträchtigungen beim Freiheitsgrad der Fahrplangestaltung. 

Wie kommt man hin?
Mit der Stadtbahnlinie U13 fährt man zur Haltestelle "Eszet". Sie liegt zwischen Bad Cannstatt und Untertürkheim. Bei der Haltestelle befindet sich der Steg. Viele Treppenstufen führen zum Steg hinauf. Man kann im Verlauf des Stegs so weit gehen, bis man direkt über der Rampe des Untertürkheimer Tunnels von Stuttgart 21 steht.   
Blick vom Eszet-Steg auf die zweigleisige Tunnelrampe des Untertürkheimer Tunnels von Stuttgart 21 


Blick vom Eszet-Steg auf den Beginn der Interregiokurve: Die beiden Gleise im Vordergrund werden im Hintergrund zu einem Gleis zusammengeführt.

Mittwoch, 6. August 2025

Cannstatter Tunnel von Stuttgart 21 soll erst im November 2027 öffnen: Liegt es an der P-Option?

Gemäß den veröffentlichten Info-Folien von der Sitzung des Lenkungskreises Stuttgart 21 vom 18.07.2025 soll der Cannstatter Tunnel - einer von vier Zu-/Ablaufstrecken des Projekts Stuttgart 21 - erst im November 2027 in Betrieb gehen. 

Im Gegensatz dazu sollen alle anderen Tunnel von Stuttgart 21 bereits Ende 2026 in Betrieb gehen.

Ob dies realistisch ist, soll im heutigen Post in diesem Blog gar nicht diskutiert werden. Es geht lediglich darum, warum der Cannstatter Tunnel den anderen Tunneln von Stuttgart 21 so hinterherhinkt.

Liegt es daran, dass der Cannstatter Tunnel nicht rechtzeitig fertig wird? Oder liegt es daran, dass man Stuttgart 21 nicht auf einen Schlag, sondern stufenweise in Betrieb nehmen will?

Möglicherweise hat auch die P-Option von Stuttgart 21, inzwischen Wartbergtunnel genannt, mit der verspäteten Inbetriebnahme des Cannstatter Tunnnels von Stuttgart 21 zu tun.  

Im Rahmen der P-Option sollen zwei Gleise nördlich des Feuerbacher Tunnels von Stuttgart 21 abzweigen, dann durch den bestehenden Pragtunnel verlaufen und kurz darauf in den Wartbergtunnel führen, der wiederum in den Cannstatter Tunnel mündet.

Der Anschluss des Wartbergtunnels an den Cannstatter Tunnel würde die eine oder andere Sperrung des Cannstatter Tunnels - beide Röhren oder nur eine Röhre - erfordern. Vielleicht will man mit der verspäteten Inbetriebnahme des Cannstatter Tunnels solche Sperrungen vermeiden.

Warum braucht man überhaupt die P-Option mit dem Wartbergtunnel?
Der Grund ist der Nordzulauftunnel. Sollte der Nordzulauftunnel irgendwann gebaut werden, muss er an den Feuerbacher Tunnel von Stuttgart 21 angeschlossen werden. Dafür aber muss der Feuerbacher Tunnel - eine Röhre oder beide Röhren - über eine längere Zeit gesperrt werden. Der Stuttgarter Hauptbahnhof wäre dann aus Norden nur noch über die P-Option erreichbar.
 
Warum braucht man den Nordzulauftunnel?
Neben einer zusätzlichen Doppelspur bringt der Nordzulauftunnel zusammen mit einigen anderen kleineren Maßnahmen eine Fahrzeit Mannheim - Stuttgart, die unter der Kantenzeit von 30 Minuten liegt.
 
Warum wurde der Anschluss des Nordzulauftunnels nicht sofort mitgebaut?
Diese Frage ist berechtigt. Als im Jahr 1994 das Projekt Stuttgart 21 überfallartig vorgestellt wurde, war zwar der Integrale Taktfahrplan in Deutschland noch kein Thema. In der Schweiz startete der Integrale Taktfahrplan jedoch bereits im Jahr 1986. Das wusste man auch in Deutschland. Und für ein Jahrhundertprojekt, wie es Stuttgart 21 sein sollte, wäre es notwendig gewesen, Vorkehrungen für eine spätere Einführung des Integralen Taktfahrplans zu treffen. Mit dem Deutschlandtakt kam dann der Integrale Taktfahrplan einige Jahre später tatsächlich nach Deutschland. Man hätte also den Anschluss eines späteren Nordzulauftunnels an den Feuerbacher Tunnel von vornherein berücksichtigen müssen.
 
Wäre dies so erfolgt, hätte man den Feuerbacher Tunnel später nicht sperren müssen. Dann hätte man auch die P-Option mit dem Wartbergtunnel nicht bauen müssen.
 
Die Zukunft des Stuttgarter Kopfbahnhofs
Für den Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt) ist nicht nur der Nordzulauf erforderlich. Dafür sind auch wesentlich mehr als acht Gleise im Stuttgarter Hauptbahnhof erforderlich. Dies kann nur der Kopfbahnhof bieten. Deshalb wird es jetzt spannend, ob man aus Fehlern gelernt hat und zumindest einen Teil des Kopfbahnhofs in Betrieb lässt oder ob man den Fehler mit dem Feuerbacher Tunnel wiederholt.