Dienstag, 10. April 2012
Innenstadterweiterung in Stuttgart - kein Ruhmesblatt für Architektur und Stadtplanung
Stuttgart 21 wird nicht in der Lage sein, die Stuttgarter Innenstadt zu erweitern und damit Stuttgart attraktiver zu machen. Das zeigt ein Blick auf die bereits sichtbare Bebauung des A1-Gebiets zwischen dem bestehenden Kopfbahnhof und der Heilbronner Straße. Und das wurde im vorletzten Post in diesem Blog klar. Denn Stuttgart 21 würde neue Rückseiten schaffen, würde eine neue städtebauliche Wüste von 400 mal 100 Metern hinterlassen, die die Stadt weiter trennen wird.
Stuttgart, auch die Stadt der Architekten genannt, zeigt sich in Bezug auf seine architektonische und städtebauliche Qualität heute desolat. Möglicherweise hat sich keine andere deutsche Großstadt nach dem Zweiten Weltkrieg so weit von einer urbanen, qualtiativ hochwertigen, auf die Bedürfnisse der Bewohner zentrierten Stadtplanung und Architektur entfernt wie Stuttgart.
Vor diesem Hintergrund kann einem schon der Mut schwinden, wollte man heute noch Vorschläge für eine Innenstadterweiterung unterbreiten, wie im vorangegangenen Post in diesem Blog geschehen.
Dies ist der vierte und vorläufig letzte Post einer Reihe in diesem Blog, die sich mit einer Erweiterung der Stuttgarter Innenstadt beschäftigt. Im ersten Post dieser Reihe wurde gefragt, ob die Stuttgarter Innenstadt zu klein ist. Im zweiten Post wurde dann klar, dass Stuttgart 21 mitnichten in der Lage sein wird, die Innenstadt zu erweitern. Im dritten Post gab es den Vorschlag für eine echte Innenstadterweiterung durch eine Verlegung des Kopfbahnhofs um 1.000 Meter in Richtung Nordosten. Diese Ausbauvariante des Bahnknotens Stuttgart vermeidet alle mit Stuttgart 21 verbundenen Nachteile. Und im heutigen Post blicken wir einmal zurück und schauen, was aus dem Erweiterungsgebiet der Innenstadt geworden ist, das durch die Verlegung des Kopbahnhofs in den Zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts von der Bolzstraße an den heutigen Arnulf-Klett-Platz ermöglicht wurde.
Als der Stuttgarter Kopfbahnhof noch an der Bolzstraße lag, hieß diese Straße Schlosstraße. Die Bahnhofsgleise und das Gleisvorfeld befanden sich an der Stelle der heutigen Lautenschlagerstraße und südöstlich davon. Die Untere Königstraße gab es bereits. Am Ende der Unteren Köngistraße beim heutigen Arnulf-Klett-Platz befand sich das Königstor. Die Friedrichstraße war ebenfalls bereits vorhanden. Dann gab es bereits zwei querende Straßen, die Kronenstraße und die Schillerstraße. Beide Straßen unterquerten rechtwinklig das Gleisvorfeld des ersten Stuttgarter Kopfbahnhofs. Nicht vorhanden war damals die Thouretstraße und die Stephanstraße. An ihrer Stelle lag das Gleisvorfeld des Kopfbahnhofs.
Der heutige Kopfbahnhof wurde in zwei Etappen in den Jahren 1922 und 1928 fertiggestellt. Zunächst wurde der Südostteil des neuen Kopfbahnhofs mit dem heute so genannten Südflügel gebaut und in Betrieb genommen. Während der Bauzeit des Südostteils wurde der Bahnverkehr weiterhin bis zum alten Kopfbahnhof an der Schlossstraße (Bolzstraße) abgewickelt. Nach der Inbetriebnahme des Südostteils des neuen Kopfbahnhofs wurden der alte Kopfbahnhof stillgelegt und die alten Gleisanlagen zurückgebaut. Erst dadurch wurde der Platz geschaffen, um jetzt auch den Nordwestteil des heutigen Kopfbahnhofs mit dem heute so genannten Nordflügel zu bauen. Dieser Teil des neuen Kopfbahnhofs führte nach seiner Inbetriebnahme 1928 zu einer Verdoppelung der Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs im Vergleich zum alten Bahnhof.
Nach dem Rückbau der Gleisanlagen entstand im Viereck Schlosstraße (heute Bolzstraße), Untere Königstraße, Schillerstraße (heute Arnulf-Klett-Platz) und Friedrichstraße eine große und wichtige Erweiterungsfläche für die Innenstadt. Wie präsentiert sich heute, 90 Jahre nach der Stilllegung der alten Gleisanlagen, diese Erweiterungsfläche? Wurde die städtebauliche Chance genutzt? Ist hier ein vorzeigbares Quartier entstanden? Das schauen wir uns einmal mit ein paar Bildern an.
Was bleibt nun als Fazit dieses Spaziergangs durch das Erweiterungsgebiet der Innenstadt zwischen Bolzstraße und Arnulf-Klett-Platz sowie aus den Erkenntnissen der letzten vier Posts in diesem Blog? Ein wenig bleibt man mut- und ratlos zurück. Es ist augenscheinlich zur Zeit nicht möglich, in Stuttgart einen attraktiven Städtebau zu betreiben. Stuttgart 21 würde für die kommenden 100 Jahre einen weiteren Kardinalfehler der Stadtplanung zementieren. Optionen für einen Ausbau des Bahnknotens Stuttgart ohne die Nachteile von Stuttgart 21 und bei gleichzeitiger attraktiver Innenstadterweiterung gibt es. Jedoch stellt sich die Frage, ob die Stadtplanung heute überhaupt in der Lage ist, die damit verbundenen Chancen umzusetzen.
Möglicherweise muss man in kleinen Schritten vorangehen. Das Alles-oder-Nichts-Projekt Stuttgart 21 gilt es so schnell wie möglich zu stornieren. Dann sollte ein Ausbau des Bahnknotens Stuttgart und der Stuttgarter Innenstadt Schritt für Schritt erfolgen. Beginnen könnte man mit dem Bau des Regionalzughalts in S-Vaihingen, dann weiter mit einer Express-S-Bahn vom Flughafen nach Wendlingen-Plochingen, dann könnte man die S-Bahn zwischen dem bestehenden Hauptbahnhof und dem Rosensteinpark neu trassieren etc. etc. Der Ausbau des Bahnknotens Stuttgart wie auch der Stuttgarter Innenstadt sollte eine Daueraufgabe sein. Schließlich ist der Ausbau des Straßennetzes ja auch ein fortwährender Prozess.
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