Freitag, 15. Oktober 2010

Ehemaliger Stadtrat Kußmaul verwechselt Äpfel mit Birnen

Der ehemalige SPD-Stadtrat im Stuttgarter Gemeinderat Kußmaul hat sich jetzt mit einem Leserbrief in der Stuttgarter Zeitung zu Wort gemeldet.

Zunächst einmal ist festzustellen, dass solche Leserbriefe - Leserbriefe ehemaliger Politiker, Beamter usw. - in denen sich die betreffenden Personen als normale Bürger tarnen, nicht gerade zu den Highlights der Mediendemokratie gehören. Aber in der Tat: es ist nicht verboten, solche Leserbriefe zu schreiben, deshalb gehen wir jetzt einmal zum Inhalt des Briefes.

Herr Kußmaul äußert sein Unverständnis gegenüber den Widerständen in der Stuttgarter Bevölkerung zum Projekt Stuttgart 21 und erklärt, um wieviel besser alles in der Schweiz sei, man denke nur an den Gotthard-Basistunnel und die Zürcher Durchmesserlinie.

Es ist dringend erforderlich, das Halbwissen von Herrn Kußmaul hier zu ergänzen und vom Kopf auf die Füße zu stellen.



Als allererstes bleibt festzustellen, dass die Bevölkerung der Schweiz über alle Großprojekte - dazu gehören auch der Gotthard-Basistunnel und die Zürcher Durchmesserlinie - in Abstimmungen entscheidet. Die Erfahrung aus jahrzehntelanger direkter Demokratie in der Schweiz hat gezeigt, dass das Volk sinnvolle Projekte stets unterstützt und unsinnige Projekte ablehnt. Das wiederum hat dazu geführt, dass die Schweiz heute das beste öffentliche Verkehrssystem in Europa besitzt.

Über das unsinnige Projekt Stuttgart 21 durfte die Bevölkerung nicht entscheiden. Und so ist es kein Zufall, dass das Projekt Stuttgart 21 die größten Widerstände hervorruft, die je ein Bauprojekt in Deutschland hervorgerufen hat.

Kommen wir nun zum Gotthard-Basistunnel, bei dem übrigens am heutigen Freitag, den 15 Oktober 2010 der letzte Durchschlag erfolgen wird.

Der Gotthard-Basistunnel ist Teil eines Schemas, mit dem in der Schweiz der gesamte Lkw-Transitverkehr von der Straße auf die Schiene verlagert werden soll. Für diesen Zweck wird der Tunnel in erster Linie gebaut. Der Personen-Hochgeschwindigkeitsverkehr durch den Tunnel ist zwar ein wichtiger Nebeneffekt, jedoch tatsächlich nur ein Nebeneffekt. Und es gibt Verträge zwischen der EU und der Schweiz, die es der Schweiz ermöglichen, nach der Eröffnung des Lötschberg-Basistunnels sowie des Gotthard-Basistunnels den gesamten Lkw-Transitverkehr von der Straße abzuweisen. Auch die EU hat sich zu Maßnahmen verpflichtet. Dazu gehört auf deutscher Seite der Ausbau der Zulaufstrecken zum Gotthard-Basistunnel, z.B. der viergleisige Ausbau der Bahn im Oberrheintal.

Nun wird Deutschland leider seine vertraglich festgelegten Verpflichtungen gegenüber der Schweiz nicht einhalten können. Maßgebend dafür sind nicht nur die viel zu geringe Investitionsbereitschaft in die Bahn, sondern auch solche Unsinnsprojekte wie Stuttgart 21.

Und dann hat Herr Kußmaul auch noch etwas über die Züricher Durchmesserlinie gehört. Aber warum wird denn die Züricher Durchmesserlinie ausschließlich gebaut? Sie wird gebaut, weil der bestehende Kopfbahnhof in Zürich an die Grenzen seiner Kapazitäten gelangt ist. Es braucht dringend weitere Bahnsteige und Gleise. Und diese 4 weiteren Bahnsteige werden in Form einer Durchmesserlinie unter dem Kopfbahnhof hindurch gebaut.

Ja, es wäre schön, wenn auch im Stuttgarter Kopfbahnhof bald so viele Züge fahren würden, dass auch dort die 16 Gleise nicht mehr ausreichen. Niemand hätte dann etwas dagegen, zusätzliche Gleise zu bauen, entweder weitere Kopfbahnhofgleise unter den bestehenden Gleisen, oder aber eine Durchmesserlinie wie in Zürich. Das sähe dann aber so aus, dass die von Bad Cannstatt kommenden Züge im Vorfeld der Bahnhofs abtauchen, um in einer neuen Station unter dem Kopfbahnhof anzuhalten. Mit einer Schleife durch den Kriegsberg erreicht diese Durchmesserlinie dann bei Zuffenhausen wieder das bestehende Trassee.

Ein Projekt wie Stuttgart 21 jedenfalls würde in der Schweiz garantiert nicht gebaut. Alle Projekte, die in der Schweiz vom Volk bewilligt wurden, sind auf die schrittweise Verbesserung und die Kapazitätserweiterung des Bahnsystems ausgerichtet. Stuttgart 21 weist eine Bauzeit von ca. 15 Jahren auf bei Kosten von 5 bis 7 Milliarden Euro. Und was ist das Ergebnis? Nach dieser ewig langen Bauzeit und nach diesen Riesenkosten hat man ein Bahnsystem, das summa summarum sogar schlechter ist als das heute bestehende System.

Und wenn man schon die Schweiz als Referenz bei der Eisenbahn heranzieht, dann muss das wie folgt sein:
1. Das Schweizer Volk stimmt über alle baulichen und betrieblichen Maßnahmen der Eisenbahn ab.
2. Das eigentliche Wesen der Schweizer Eisenbahn ist deren Betrieb, mit dichtem Takt auf fast allen Linien und mit Anschlüssen zwischen allen Zügen in den Knotenpunktsbahnhöfen.
3. Und erst an dritter Stelle kommen die großen Tunnel der Schweiz, die wegen der schwierigen Topographie erforderlich sind.

Der Leserbrief des ehemaligen Stadtrats Kußmaul zeigt in erschreckender Weise, was für Leute in den Parlamenten und in den Gemeinderäten über das Projekt Stuttgart 21 abgestimmt haben. So kann es nicht mehr weitergehen! Sollte alles nichts helfen, wie wäre es, wenn die Bürger von BW einen Antrag auf Aufnahme in die Schweizer Eidgenossenschaft stellen würden? 

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