Der in Eigenregie der Bahn betriebene Fernverkehr umfasste bis zum Jahr 2006 die drei Zuggattungen ICE, IC und IR (Interregio). Im Jahr 2006 stellte die Bahn die Interregiozüge endgültig ein. Den Bundesländern blieb damals nichts anderes übrig, als auf eigene Kosten Ersatzleistungen im Regionalverkehr bei der Bahn zu bestellen. Diese Züge werden in Baden-Württemberg IRE (Interregio-Express) genannt. Einige wenige Interregiolinien hat die Bahn in Intercitylinien überführt.
Auf längere Sicht ist zu befürchten, dass sich die Bahn auch von den Intercitylinien immer mehr verabschieden wird. Übrig bleiben wird dann ein ICE-Rumpfnetz, das in Eigenregie der Bahn betrieben wird, sowie ein Regionalnetz, dessen Umfang von der Kassenlage der Bundesländer abhängig sein wird.
Das Projekt Stuttgart 21 wird diese Entwicklung befördern und verstärken. Ein Beispiel ist die Intercitylinie Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg. Zur Zeit verkehren auf dieser Relation Intercityzüge im Zwei-Stunden-Takt. Werktags fahren sieben Intercityzüge von Nürnberg über Stuttgart nach Karlsruhe und sechs Intercityzüge von Karlsruhe über Stuttgart nach Nürnberg (zu der unterschiedlichen Zugzahl bei den beiden Richtungen kann ich im Moment keine plausible Erklärung liefern).
Im Betriebskonzept zu Stuttgart 21 gibt es die Intercityverbindung zwischen Stuttgart und Nürnberg nicht mehr. Das Land Baden-Württemberg nimmt also an, dass die Bahn zum Zeitpunkt der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 den in Eigenregie betriebenen Fernverkehr zwischen Stuttgart und Nürnberg eingestellt haben wird. Als Ersatz sieht das Betriebskonzept zu Stuttgart 21 einen vom Land bestellten schnellen Regionalzug (IRE) vor, der im Zwei-Stunden-Takt verkehren wird.
So also wird die Einbindung der Region Stuttgart in das europäische Fernverkehrsnetz aussehen! In viele Richtungen wird es keinen Fernverkehr bzw nur noch einen eingeschränkten Fernverkehr geben:
- Fehlanzeige in Richtung Nürnberg, mit Anschlüssen nach Prag, Leipzig und Berlin
- Fehlanzeige in Richtung Würzburg, mit Anschlüssen nach Hannover, Hamburg, Berlin
- und nur noch unter verschlechterten Betriebsbedingungen über die Gäubahn in Richtung Zürich (siehe Post vom 21.09.2010)
Eigentlich gibt es bei Stuttgart 21 nur noch eine Fernverkehrsachse, nämlich Mannheim / Karlsruhe - Stuttgart - Ulm. Und das wird uns von den Stuttgart 21 - Politikern als großer Fortschritt verkauft, als Einbindung in die europäischen Fernverkehrsachsen.
Auf diese Art von Fortschritt, der in Wirklichkeit ein Rückschritt ist, können wir verzichten. Und vor allem sind wir nicht bereit, für diesen Fortschritt 5 Milliarden Euro auszugeben, einen denkmalgeschützten Bahnhof zu zerstören, einen Park mitten in der Innenstadt zu zerstören und eine einst hoffnungsfrohe deutsche Großstadt auf Dauer zu entzweien und ihrer Zukunft zu berauben.
Im nächsten Post geht es noch einmal um die Verbindung Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg. Dann schauen wir uns einmal die ganz schlechten Betriebsbedingungen an, mit denen die Ersatzregionalzüge nach der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 auf dieser Relation zu tun haben werden.
Ein Intercityzug der Relation Karlsruhe - Stuttgart - Nürnberg ist vor 5 Minuten im Stuttgarter Hauptbahnhof abgefahren und bewegt sich nun durch die große Kurve zwischen dem Bahnhof Bad Cannstatt und dem Haltepunkt Nürnberger Straße. Bei der Verwirklichung des Projekts Stuttgart 21 würde dieses Bild der Vergangenheit angehören. |
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