Dienstag, 15. Januar 2013

Die S21-Grundstücksgeschäfte - Flächen, Preise, Verzinsung, Rückabwicklung

Die Landeshauptstadt Stuttgart hat im Bestreben, der Bahn das Projekt Stuttgart 21 schmackhaft zu machen, im Jahr 2001 große Gleisflächen von der Bahn gekauft, deren städtebaulicher Nutzen zum überwiegenden Teil auch bei einer Umsetzung von Stuttgart 21 erst in ferner Zukunft eintreten würde.

Wir sehen uns im heutigen Post in diesem Blog die Flächen genauer an. Wie groß sind die einzelnen Flächen? Was haben sie gekostet? Wie wurde mit der Verzinsung verfahren? Welche Flächenkäufe und Verzinsungsverzichte müssten auch bei einem Bau von Stuttgart 21 rückgängig gemacht werden? Welche zusätzlichen Kosten entstehen dadurch für Stuttgart 21?

Die betreffenden Flächen des Kopfbahnhofs, des Gleisvorfelds, der Zulaufstrecken sowie des Abstell- und Wartungsbahnhofs Rosenstein waren bis zum Jahr 1994 im Besitz der Bundesbahn, somit in staatlichem Besitz,  also im Besitz der Bevölkerung. Im Zuge der Bahnreform wurden die Flächen der DB AG kostenlos übereignet, die ab diesem Zeitpunkt bestrebt war, so viele Flächen wie möglich zu Geld zu machen.


Sonderfall A1-Gebiet
Das 16 Hektar große A1-Gebiet gehört nicht zu den Flächen, die die Stadt zur Unterstützung von Stuttgart 21 im Jahr 2001 direkt von der Bahn gekauft hat. Das A1-Gebiet erstreckt sich zwischen der Heilbronner Straße, der Wolframstraße und dem Karoline-Kaulla-Weg. Dieses Gebiet verkaufte die Bahn ohne den Umweg über die Stadt direkt an Investoren. Allerdings gibt es auch bei diesem Gebiet eine Bezuschussung der Bahn durch die Landeshaupthauptstadt Stuttgart.  

Denn die Flächen des A1-Gebiets erwiesen sich zunächst als unverkäuflich bzw. schwer verkäuflich. Da ist die Stadt dann in die Bresche gesprungen und hat einen großen Teil des A1-Gebiets für die Ansiedlung der LBBW sowie für die Ansiedlung der neuen Bibliothek gekauft. Erst zu einem späteren Zeitpunkt haben sich dann sehr zögerlich auch private Investoren für das Gebiet interessiert. Der Zeitpunkt sowie die Größe der durch die Stadt gekauften Flächen im A1-Gebiet muss als weitere Bezuschussung von Stuttgart 21 gewertet werden, auch wenn wir diese Bezuschussung heute nicht quantifizieren wollen.

Kauf des A2-Gebiets
Das 11 Hektar große A2-Gebiet erstreckt sich zwischen der Wolframstraße, der Straße Am Schlossgarten, der östlichen Grenze des Stuttgart 21-Bahnhofstrogs und dem Karoline-Kaulla-Weg. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat dieses Gebiet im Jahr 2001 zu einem Kaufpreis von 212.186.000 Euro erworben. Der Kaufpreis im Jahr 2001 orientierte sich hierbei am angenommenen Verkehrswert der Grundstücke im Jahr 2010, der mit einem jährlichen Zinssatz von 5 Prozent abgezinst wurde. 

Nachdem sich für das Projekt Stuttgart 21 weitere Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen abgezeichnet haben, hat die Landeshauptstadt Stuttgart in einem Memorandum of Understanding im Jahr 2007 der Bahn die Verzugszinsen für die Jahre 2010 bis 2020 erlassen. Ziel war, der Bahn auch nach den in der Zwischenzeit bekanntgewordenen Kostensteigerungen und Zeitverzögerungen weiterhin eine Projektrendite von 7,5 Prozent zu sichern. Die Verzugszinsen beliefen sich ursprünglich auf 5,5 Prozent für die Jahre 2010 bis 2014 sowie 4 Prozent über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank für die Jahre 2014 bis 2020.

Kauf des A3-Gebiets
Das 2 Hektar große A3-Gebiet umfasst die Fläche des Bahnhofstrogs von Stuttgart 21, die sich zwischen den beiden Seitenflügeln des Kopfbahnhofs befindet. Das A3-Gebiet wurde inzwischen dem A2-Gebiet zugeschlagen. Wir behandeln hier das A3-Gebiet weiterhin separat. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat dieses Gebiet im Jahr 2001 zu einem Kaufpreis von 17.895.000 Euro erworben. Der Kaufpreis im Jahr 2001 orientierte sich hierbei am angenommenen Verkehrswert der Grundstücke im Jahr 2010, der mit einem jährlichen Zinssatz von 5 Prozent abgezinst wurde. Zum Erlass der Verzugszinsen ab dem Jahr 2010 siehe beim A2-Gebiet.

Kauf des B-Gebiets           
Das 48 Hektar große B-Gebiet umfasst die Fläche zwischen dem Rosensteinpark bzw. der Ehmannstraße, dem Unteren Schlossgarten, der Wolframstraße, der Rosensteinstraße und dem Media-Forum. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat dieses Gebiet im Jahr 2001 zu einem Kaufpreis von 90.499.000 Euro erworben. Der Kaufpreis im Jahr 2001 orientierte sich hierbei am angenommenen Verkehrswert der Grundstücke im Jahr 2010, der mit einem jährlichen Zinssatz von 5 Prozent abgezinst wurde. Zum Erlass der Verzugszinsen ab dem Jahr 2010 siehe beim A2-Gebiet.

Kauf des C1-Gebiets
Das 13 Hektar große C1-Gebiet umfasst die Fläche zwischen dem Pragfriedhof und der Gäubahn. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat dieses Gebiet im Jahr 2001 zu einem Kaufpreis von 55.731.000 erworben. Der Kaufpreis im Jahr 2001 orientierte sich hierbei am angenommenen Verkehrswert der Grundstücke im Jahr 2010, der mit einem jährlichen Zinssatz von 5 Prozent abgezinst wurde. 

Das C1-Gebiet kann ab sofort ohne die Abhängigkeit von einem Bau des Projekts Stuttgart 21 bebaut werden. Eine Rückabwicklung des C1-Gebiets ist somit in keinem Fall erforderlich.

Kauf des C2-Gebiets
Das 10 Hektar große C2-Gebiet umfasst die Flächen zwischen dem Pragtunnel und der Heilbronner Straße sowie im Bereich Nordbahnhof. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat dieses Gebiet im Jahr 2001 zu einem Kaufpreis von 42.949.000 Euro erworben. Der Kaufpreis im Jahr 2001 orientierte sich hierbei am angenommenen Verkehrswert der Grundstücke im Jahr 2010, der mit einem jährlichen Zinssatz von 5 Prozent abgezinst wurde. Zum Erlass der Verzugszinsen ab dem Jahr 2010 siehe beim A2-Gebiet.   

Kauf des D-Gebiets
Das 38 Hektar große D-Gebiet umfasst die Fläche der Gäubahn zwischen S-Dachswald und dem Nordbahnhof. Die Landeshauptstadt Stuttgart hat dieses Gebiet im Jahr 2001 zu einem Kaufpreis von 5.113.000 Euro erworben. Der Kaufpreis im Jahr 2001 orientierte sich hierbei am angenommenen Verkehrswert der Grundstücke im Jahr 2010, der mit einem jährlichen Zinssatz von 5 Prozent abgezinst wurde. Zum Erlass der Verzugszinsen ab dem Jahr 2010 siehe beim A2-Gebiet.

Welche Grundstücksgeschäfte müssten auch bei einer Umsetzung von Stuttgart 21 rückgängig gemacht werden?

1. D-Gebiet
Die Gäubahn muss gemäß dem Schlichterspruch von Heiner Geißler erhalten bleiben und an den Hauptbahnhof angebunden werden. Zudem hat die Gäubahn auch als Ausweichstrecke bei Störungen im Verlauf der S-Bahn-Stammstrecke eine wichtige Bedeutung. Das Grundstücksgeschäft des D-Gebiets müsste somit auch dann rückabgewickelt werden, wenn Stuttgart 21 gebaut werden würde. Dies hat der neue Stuttgarter OB Fritz Kuhn noch vor seiner Wahl bereits bestätigt.

Kaufpreis des D-Gebiets: 5.113.000 Euro
Verkehrswert im Jahr 2010: 11.328.000 Euro
Verzugszinsen vom Jahr 2011 bis zum Jahr 2013 (5,5 Prozent/a): 1.973.806 Euro
Summe: 13.301.806 Euro

2. A3-Gebiet
Das A3-Gebiet umfasst den Deckel über dem Bahnhofstrog von Stuttgart 21. Es ist fraglich, ob die Stadt im Besitz dieses von zahlreichen hässlichen sogenannten Lichtaugen verstellten Platzes bzw. Deckels sein muss. Der Erwerb dieser Fläche ist mit einer großen Wahrscheinlichkeit eine verfassungswidrige Mischfinanzierung von Stuttgart 21. Dieses Grundstücksgeschäft muss somit auch bei einem Bau von Stuttgart 21 rückabgewickelt werden.

Kaufpreis des A3-Gebiets: 17.895.000 Euro
Verkehrswert im Jahr 2010: 29.149.000 Euro
Verzugszinsen vom Jahr 2011 bis zum Jahr 2013 (5,5 Prozent/a):  5.078.961 Euro
Summe: 34.227.796 Euro  

3. Der bestehende Kopfbahnhof und das Gleisvorfeld werden mindestens teilweise auch nach einer Fertigstellung von Stuttgart 21 genutzt
Die Notwendigkeit einer zumindest teilweisen Weiternutzung des Kopfbahnhofs und des Gleisvorfelds ergibt sich aus der mangelnden Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 und dem Interesse von Wettbewerbern der Bahn, die bestehenden Gleisanlagen weiterzubetreiben.

Nun ist es müßig, willkürlich irgendeinen Prozentsatz an Gleisfläche anzunehmen, der erhalten bleiben muss. Wir nehmen der rechnerischen Einfachheit halber an, dass die Hälfte des Kopfbahnhofs sowie des Gleisvorfelds mindestens erhalten bleiben müssen. Das betrifft die Gebiete A2 und B. Das Gebiet C2 muss vollständig für die Bahn erhalten bleiben. 

Kaufpreis von 50 Prozent des A2-Gebiets: 106.093.000 Euro
Verkehrswert von 50 Prozent des A2-Gebiets im Jahr 2010: 172.814.500 Euro
Kaufpreis von 50 Prozent des B-Gebiets: 45.249.500 Euro
Verkehrswert von 50 Prozent des B-Gebiets im Jahr 2010: 100.255.000 Euro
Kaufpreis des C2-Gebiets: 42.949.000 Euro
Verkehrswert des C2-Gebiets im Jahr 2010: 95.158.000 Euro
Summe Verkehrswert im Jahr 2010: 368.227.500 Euro
Verzugszinsen vom Jahr 2011 bis zum Jahr 2013 (5,5 Prozent/a): 64.160.466 Euro
Summe: 432.387.966 Euro    
   

4. Erlass der Verzugszinsen ab dem Jahr 2010
Der Erlass von Verzugszinsen zwischen den Jahren 2011 und 2020 im Falle einer verzögerten Fertigstellung des Projekts Stuttgart 21 ist mit großer Wahrscheinlichkeit eine verfassungswidrige Mischfinanzierung von Stuttgart 21, zumal er explizit mit der Absicht erfolgte, der Bahn eine Projektrendite von 7,5 Prozent zu sichern. Dies betrifft die Hälfte der Gebiete A2 und B.

Kaufpreis von 50 Prozent des A2-Gebiets: 106.093.000 Euro
Verkehrswert von 50 Prozent des A2-Gebiets im Jahr 2010: 172.814.500 Euro
Kaufpreis von 50 Prozent des B-Gebiets: 45.249.500 Euro
Verkehrswert von 50 Prozent des B-Gebiets im Jahr 2010: 100.255.000 Euro
Summe Verkehrswert im Jahr 2010: 273.069.500 Euro
Verzugszinsen vom Jahr 2011 bis zum Jahr 2020 (wir nehmen an, dass die Verzugszinsen auch nach dem Jahr 2014 5,5 Prozent betragen werden): 193.372.653 Euro 
   

5. Fertigstellung von Stuttgart 21 frühestens im Jahr 2025
Stuttgart 21 wird nach heutigem Kenntnisstand auch im Jahr 2020 nicht fertig, sondern frühestens im Jahr 2025. Für die Jahre von 2021 bis 2025 müssen selbst nach dem Memorandum of Unterstanding aus dem Jahr 2007 Verzugszinsen gezahlt werden. Dies betrifft die Gebiete A2 und B zu 50 Prozent. Diese zusätzlichen Verzugszinsen werden auf die unter 4. errechneten Verzugszinsen aufgesattelt. 

Wert + Verzugszinsen von 50 Prozent des A2- und B-Gebiets im Jahr 2020: 466.442.153 Euro.
Verzugszinsen vom Jahr 2021 bis zum Jahr 2025: 143.179.086 Euro.

Summe und Fazit
Zählt man die Beträge der Punkte 1. bis 5. zusammen, erhält man eine Summe von 816.469.307 Euro.

Diese aus der Rückabwicklung von Grundstückgeschäften und aus der Rückgängigmachung von Zinsverzichten resultierende Summe fällt in jedem Fall auch dann an, wenn Stuttgart 21 gebaut werden würde. 

Das Projekt Stuttgart 21 verteuert sich damit über die jetzt aktuelle Summe von 6,8 Milliarden Euro hinaus um mindestens weitere 0,8 Milliarden Euro auf die Gesamtsumme von 7,6 Milliarden Euro. Der Aufsichtsrat der Bahn muss dies bei seiner Entscheidung über die Übernahme der Mehrkosten durch die Bahn unbedingt berücksichtigen.

 





   

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.