Freitag, 6. Dezember 2024

Mischverkehr von Hochgeschwindigkeitszügen und Regionalzügen: Ist Stuttgart 21 fundamental falsch geplant?

Eine der zahlreichen Verspätungsquellen für Fernzüge und Regionalzüge im deutschen Bahnnetz ist der in Deutschland auf weiten Strecken praktizierte Mischverkehr.

Der japanische Fernschnellzug Shinkansen hat demgegenüber ein eigenes Gleisnetz, das nicht mit anderen Zügen geteilt werden muss. Entsprechend pünktlich fahren die Shinkansen-Züge.

Bei einem Projekt wie Stuttgart 21, das irgendwann in den Zwanziger Jahren wenigstens zum Teil in Betrieb genommen werden soll und das mit dem Anspruch daherkommt, den Bahnknoten Stuttgart neu zu ordnen, sollte man erwarten, dass es die strikte Trennung von Hochgeschwindigkeitszügen und Regionalzügen wie auch von S-Bahnzügen konsequent umsetzt. Das aber ist nicht der Fall. Stuttgart 21 ist vielmehr ein Mischverkehrs-Dorado. Lassen sich daraus bereits Prognosen für die Qualität des Bahnverkehrs unter Stuttgart 21 ableiten?

Sehen wir uns mal die einzelnen Mischverkehrsstrecken mit dem ICE von Stuttgart 21 an. Da steht an vorderster Stelle der Feuerbacher Tunnel im Nordzulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Dort stehen für die Hochgeschwindigkeitszüge (ICE), die sonstigen Fernzüge, die schnellen Regionalzüge und die Metropolexpresszüge(MEX) nur insgesamt zwei Gleise für beide Fahrtrichtungen zur Verfügung. Dabei muss der Feuerbacher Tunnel 40 Prozent des Bahnverkehrs (ohne S-Bahn) beim Bahnknoten Stuttgart bewältigen. Die Vorstellung fällt hier bestimmt nicht schwer, dass der Feuerbacher Tunnel eine hochgradige Verspätungsursache sein wird.

Dann kommt der nur achtgleisige Hauptbahnhof Stuttgart 21. Bei dieser kleinen Gleiszahl ist es selbstredend nicht möglich, für die ICE eigene Bahnsteiggleise und Bahnsteige vorzuhalten. Alle Züge müssen sich die acht Bahnsteiggleise teilen.

Gehen wir weiter zum Fildertunnel. Dort teilen sich die Hochgeschwindigkeitszüge (ICE) die Gleise mit anderen Fernzügen Richtung Süden und mit Regionalzügen Richtung Ulm, Richtung Tübingen und - sollte der Pfaffensteigtunnel kommen, was aber hoffentlich abgewendet werden kann - auch noch mit den Regionalzügen (einschließlich den sonstigen Fernzügen und MEX-Zügen) der Gäubahn. Dem Land BW war es wohl allzu peinlich, dass dort auch noch die MEX nach Tübingen fahren und hat diese Züge kurzerhand in RE-Züge umbenannt.

Auch im weiteren Verlauf zwischen dem Flughafen und Wendlingen liegt eine Mischverkehrsstrecke vor. Dort teilt der Hochgeschwindigkeitsverkehr die Gleise mit den Regionalzügen nach Ulm und nach Tübingen.

Das alles ist eine hervorragende Verspätungsquelle. Je nach Betriebsführung kann man nun den Hochgeschwindigkeitsverkehr bevorzugen. Das Nachsehen hätten dann die Regionalzüge, die dem Hochgeschwindigkeitsverkehr ausweichen müssten. Oder man versucht, alle Züge in etwa gleich zu behandeln. Dann aber zuckelten die ICE hinter den Regionalzügen her und verteilten ihre Verspätungen in ganz Deutschland.

Stuttgart 21 - bei Inbetriebnahme schon veraltet
Man muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass Stuttgart 21 bei einer Inbetriebname bereits hoffnungslos veraltet ist. Das gilt einerseits in Bezug auf die Behandlung des Hochgeschwindigkeitsverkehrs und den Mischverkehr. Das gilt andererseits aber auch in Bezug auf den Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt). Diese Betriebsform kann mit der aktuellen Konfiguration von Stuttgart 21 nicht praktiziert werden.
 
Die Lösung der Probleme lag bereits einmal auf dem Tisch
Bereits vor der überfallartigen Präsentation von Stuttgart 21 im Jahr 1994 lagen Pläne für eine Kombilösung beim Bahnknoten Stuttgart vor. Heiner Geißler hat Jahre später diesen Vorschlag wiederholt.
 
Bei der Kombilösung wäre der 16gleisige Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten geblieben und hätte weiterhin dem Regionalverkehr gedient. Der Kopfbahnhof wäre ergänzt worden mit einer Durchmesserlinie und einem viergleisigen Durchgangsbahnhof für den Hochgeschwindigkeitverkehr.
 
Jetzt muss man irgendwie sehen, dass genau diese Kombilösung trotz Stuttgart 21 realisiert werden kann. Alles andere wäre nicht leistungsfähig genug, könnte den Deutschlandtakt nicht fahren und die Trennung von Hochgeschwindigkeit und Regionalzügen nicht praktizieren.             

 

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