Samstag, 19. November 2022

Der Pfaffensteigtunnel ist genauso unausgegoren wie Stuttgart 21

Im Jahr 1994 wurde Stuttgart 21 in einem Überraschungscoup der Öffentlichkeit vorgestellt. Mit dem Pfaffensteigtunnel der Gäubahn geschah es vor wenigen Jahren nicht anders.

Immerhin ist der Pfaffensteigtunnel das Eingeständnis der Stuttgart 21-Protagonisten, dass die bisherige Planung, nämlich die Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn, vorne und hinten nicht funktioniert. Zu viele Engstellen gibt es hier, zu viele höhengleiche Gleiskreuzungen, eingleisige Abschnitte und Mischverkehrsstrecken. 

Darauf haben viele Kritiker von Stuttgart 21 von Anfang an hingewiesen. Trotzdem hat es über ein Jahrzehnt gedauert, bis auch die Stuttgart 21-Protagonisten von der Führung der Gäubahn auf den Gleisen der Flughafen-S-Bahn abgerückt sind. So lange dauert es wohl, bis man gesichtswahrend und ohne sich bei den Kritikern von Stuttgart 21 entschuldigen zu müssen von einer Sache Abstand nehmen kann.

Der Pfaffensteigtunnel ist nicht Deutschlandtakt
Die Hauptbegründung für den Pfaffensteigtunnel lautet nun: Deutschlandtakt. Das scheint das neue Zauberwort zu sein, mit dem man auch noch den größten Unsinn durchdrücken kann.

Man hat den Eindruck, dass auch die Stuttgart 21-Protagonisten unter dem Begriff Deutschlandtakt nur etwas Minimalistisches verstehen. Und das ist der Halbstundentakt im Fernverkehr. Dabei ist der Halbstundentakt im Fernverkehr nicht einmal der wichtigste Gesichtspunkt beim Integralen Taktfahrplan = Deutschlandtakt. 
 
Der Integrale Taktfahrplan kann mit dem Stundentakt und dem Halbstundentakt funktionieren. Der wichtigste Punkt beim Integralen Taktfahrplan sind jedoch die Knotenpunkte, bei denen Züge aus allen Richtungen in etwa gleichzeitig ankommen und wieder abfahren. Damit wird erreicht, dass aus allen Richtungen in alle Richtungen umgestiegen werden kann. Und das wiederum ist die Voraussetzung für die Flächenbahn, eine Bahn also, die nicht nur wenige Hochgeschwindigkeitsstrecken befährt, sondern die die ganze Fläche abdeckt und damit dem Auto Konkurrenz macht.
 
Was aber brauchen solche Knotenpunkte im Rahmen des Integralen Taktfahrplans? Sie brauchen viele Bahnsteiggleise und viele Zulaufgleise. Je mehr Zulaufgleise es gibt, desto kürzer kann das Rendezvous der Züge im Knotenpunkt gestaltet werden.
 
Bei den Mega-Flughäfen kann man ja bei entsprechender Witterung oft eine richtige Perlenkette der landenden Flugzeuge beobachten. Dort braucht es über eine halbe Stunde, bis im Rahmen einer sogenannten Welle alle Flugzeuge gelandet sind und dann das Umsteigen beginnen kann. Bei der Bahn ist das aber anders. Beim integralen Taktfahrplan sollte es nur wenige Minuten dauern, bis alle Züge im Hauptbahnhof angekommen sind.
 
Der Pfaffensteigtunnel ist dafür ungeeignet. Er beraubt die Gäubahn ihrer eigenen Zulaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Statt dessen schickt er die Gäubahn in den Fildertunnel, wo dann ebenfalls die einzelnen Züge von Ulm, von Tübingen und von der Gäubahn nur hintereinander im zwei- bis drei-Minuten Abstand fahren können. Dieser Aufbau des Rendezvous im Hauptbahnhof braucht viel zu lange!
 
Der Pfaffensteigtunnel beschreibt eine 270 Grad-Kurve
Möglicherweise hat sich noch nicht jeder der Stuttgart 21-Protagonisten eine Karte des Pfaffensteigtunnels angesehen. Denn daraus würde ersichtlich, dass mit dem Pfaffensteigtunnel die Züge beim Stuttgarter Flughafen eine 270 Grad-Kurve mit ganz engem Radius fahren müssen. Das erinnert an eine Modelleisenbahn oder an die alte Gotthard-Strecke in der Schweiz.
 
So geht das nicht! Noch ist es Zeit, den Pfaffensteigtunnel zu stornieren und die Panoramastrecke der Gäubahn mit ihren eigenen Zulaufgleisen zum Stuttgarter Hauptbahnhof weiterzubetreiben. Zu einem späteren Zeitpunkt kann diese Strecke modernisiert werden, indem z.B. der Kriegsbergtunnel und der Hasenbergtunnel neugebaut werden. Ansonsten ist an erster Stelle der Ausbau-Agenda der Gäubahn das dritte Gleis zwischen Böblingen und Herrenberg zu setzen. Dazu kommen weitere Doppelspurinseln zwischen Horb und Tuttlingen.  
 

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