Teilweise polemisch, teilweise nur peinlich: so stellen sich die 89 Fragen dar, die Stuttgarts OB Schuster an Herrn Stohler von der Firma SMA zur Kombilösung (Vorschlag SK 2.2) geschickt hat. Ausarbeiten lassen hat sich Schuster diese Fragen von einer Expertenkomission, von der nur der Name Heimerl nach außen dringt. Aha, mal wieder Heimerl.
Herr Stohler hat jetzt richtig reagiert. Er hat es abgelehnt, diese 89 Fragen einfach mal so zu beantworten. Dafür muss schon eine explizite Beauftragung her. Und man spürt beim Lesen dieser Fragen förmlich, wie sich OB Schuster und seine Expertenkomission streuben, wie sie sich mit Händen und Füßen am Türrahmen festhalten, um ja nicht aus dem einengenden Raum von Stuttgart 21 in die Freiheit sinnvoller Lösungen für den Bahnknoten Stuttgart treten zu müssen. Eine andere Frage ist, wie lange es der Gemeinderat und die Bevölkerung von Stuttgart noch zulassen werden, dass die Zukunft dieser Stadt und ihrer Bevölkerung von einer ominösen Expertenrunde bestimmt wird.
Aber sehen wir uns einfach mal ein paar wenige der Fragen an, in diesem Post und vielleicht später in weiteren Posts. Alle Fragen können wir im Rahmen eines Posts nicht abdecken. Dazu müsste man ein Sonderheft herausgeben.
Frage 47: "Eine einheitliche Trennung des Regionalverkehrs vom Fernverkehr findet mit SK 2.2 nicht statt. Wie ist dieser Aspekt der Orientierung / Umsteigesituation aus Sicht der Fahrgäste zu bewerten? Wie soll die Übersichtlichkeit im Sinne der Kundenfreundlichkeit gewährleistet werden?"
Etwas polemisch könnte man darauf antworten, dass es ja überraschend ist, wenn die Stuttgart 21 - Protagonisten jetzt plötzlich von Kundenfreundlichkeit reden. Aber weiter im Ernst: sind etwa die viel zu engen und geneigten Bahnsteige bei Stuttgart 21 kundenfreundlich? Ist die Notwendigkeit bei Stuttgart 21, beim Wechsel des Bahnsteigs stets Treppen, Fahrtreppen oder Aufzüge benutzen zu müssen, kundenfreundlich? Ist die viel zu hohe Zugbelegung der Bahnsteiggleise bei Stuttgart 21 mit über 6 Zügen pro Stunde kundenfreundlich? Ist die Doppelbelegung von Bahnsteiggleisen bei Stuttgart 21, bei der zwei Züge gleichzeitig am selben Bahnsteig stehen, kundenfreundlich? Oder führt die Doppelbelegung nicht vielmehr zur Verwirrung, zu langen Wegen und dazu, dass einige Fahrgäste in den falschen Zug einsteigen?
Ist die Situation auf den Fildern am Flughafen bei Stuttgart 21 kundenfreundlich? Dort würde beim Konzept Stuttgart 21 ja gerade der in der Frage kritisierte Umstand herrschen, dass Regional- und Fernverkehr am gleichen Bahnsteig verkehren. Und das jeweils in zwei weit auseinanderliegenden Bahnhöfen. Zu welchem dieser Bahnhöfe soll man sich denn begeben, wenn man mit dem Regionalverkehr oder mit dem Fernverkehr vom Flughafen aus weiterfahren will? Man kann sich lebhaft vorstellen, wie die potenziellen Fahrgäste da umherirren werden oder wie sie ratlos auf einer windumtosten Fläche zwischen leblosen Allerweltsgebäuden auf eine hilfsbereite Person warten.
Die SMA-Lösung SK 2.2 zeichnet sich dagegen durch eine solide, in der Schweiz erprobte Kundenfreudlichkeit aus. Beim Flughafen wird es bei SK 2.2 den bestehenden S-Bahnhof unverändert sowie einen neuen Bahnhof nur für Fernzüge geben. Was für eine Übersichtlichkeit! Und im Stuttgarter Hauptbahnhof werden der weiter zu betreibende Kopfbahnhof und der direkt darunterliegende neue viergleisige Durchgangsbahnhof eine Bahnhofseinheit bilden mit durchnummerierten Gleisen und kurzen direkten Wegen zwischen allen Bahnsteigen.
Schauen wir uns noch eine Frage an.
Frage 20: "Welche Neu-, Umbau- und Sanierungsmaßnahmen sind bei SK 2.2 an den Zulaufstrecken von / nach Zuffenhausen, Bad Cannstatt, Ober-/ Untertürkheim sowie der Gäubahnstrecke notwendig?"
Diese Frage ist insoweit interessant, weil hier raffiniert einer der größten Nachteile von Stuttgart 21, nämlich die fehlende Lösung für den Zulaufengpass Zuffenhausen, kaschiert werden soll. In der Tat ist beim Konzept SK 2.2 ein Ausbau der Zufahrt Zuffenhausen erforderlich. SK 2.2 verdoppelt die Kapazität der Zufahrt Zuffenhausen und damit die Kapazität des gesamten Bahnknotens Stuttgart. Denn die beiden bestehenden Gleise für den Fernverkehr zwischen Feuerbach und dem Kopfbahnhof werden erhalten. Gleichzeitig werden zwei weitere Gleise für den Fernverkehr im neuen Tunnel Feuerbach gebaut. Um diese Kapaziätserhöhung wirksam werden zu lassen, müssen auch zwischen Feuerbach und Zuffenhausen zwei zusätzliche Gleise gebaut werden. Dies ist auf bestehendem Bahngelände möglich.
Also: für die Zufahrt Zuffenhausen fallen beim Konzept SK 2.2 gegenüber dem Konzept Stuttgart 21 weitere Kosten an. Allerdings fallen diese Kosten an, damit der Bahnknoten Stuttgart für die Zukunft eine Verdoppelung des Bahnverkehrs aufnehmen kann. Dieses Versprechen hat ja Stuttgart 21 auch vor Jahren einmal gegeben und nicht einmal in Ansätzen einhalten können.
Alle anderen Zulaufstrecken - Gäubahn, Bad Cannstatt, Untertürkheim - müssen bei SK 2.2 nicht ausgebaut werden. Die beiden letztgenannten Zulaufstrecken werden durch die beiden Gleise des Fildertunnels entlastet. Eventuell anstehende Sanierungsmaßnahmen bei diesen Zulaufstrecken sind alleinige Aufgabe der Bahn und brauchen die Stadt sowie auch die Expertenkomission nicht zu interessieren.
Ein mögliches Missverständnis will ich noch ausräumen. Die Lösung SK2.2 ist zwar um Längen besser als Stuttgart 21. Jedoch soll dies kein Plädoyer darstellen, dass SK 2.2 jetzt verwirklicht werden muss. Es gibt noch bessere Lösungen für den Bahnknoten Stuttgart und - das ist vielleicht noch wichtiger - der Ausbau wichtiger Bahnengpässe wie zum Beispiel im Oberrheintal oder zwischen Frankfurt und Mannheim ist ungleich wichtiger als eine Änderung des bereits heute gut funktionierenden Bahnknotens Stuttgart.
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