Der Leipziger Hauptbahnhof ist der flächengrößte Kopfbahnhof Europas. Im heutigen Post in diesem Blog sehen wir uns die betriebliche Situation beim Leipziger Hauptbahnhof an und ziehen Schlussfolgerungen für Stuttgart 21.
Wenn man im Leiziger Hauptbahnhof die gelben Aushangfahrpläne, die in nahezu allen Bahnhöfen der Bahn vorhanden sind, ansieht, erschrickt man zunächst. Im Leipziger Hauptbahnhof scheinen mehr Züge abzufahren als im Stuttgarter Hauptbahnhof. Bei näherer Betrachtung löst sich das Rätsel aber schnell auf. Denn auf den gelben Aushangfahrplänen im Leipziger Hauptbahnhof werden nicht nur die Züge aufgeführt, die vom Kopfbahnhof abfahren, sondern auch alle Züge der S-Bahn Mitteldeutschland, die von den beiden unterirdischen Bahnsteigen abfahren.
Das ist beim Stuttgarter Hauptbahnhof ja nicht der Fall. Dort sind auf den gelben Aushangfahrplänen nur die vom Kopfbahnhof abfahrenden Züge gelistet und nicht die von den beiden Bahnsteigen des Tiefbahnhofs abfahrenden S-Bahnzüge. Würde man diese S-Bahnzüge auch noch auf den gelben Aushangfahrplänen des Stuttgarter Hauptbahnhofs unterbringen, wären diese Pläne noch wesentlich voluminöser als dies in Leipzig der Fall ist.
Im Leipziger Hauptbahnhof: Ungefähr in der Bildmitte sieht man einen gelben Aushangfahrplan, der nicht nur die Fern- und Regionalzüge, sondern auch die S-Bahnen anzeigt. |
Kommen wir als nächstes zur Bahnsteignummerierung. Auch bei diesem Thema gibt es einige Unterschiede zwischen Leipzig und Stuttgart. Beim Stuttgarter Hauptbahnhof haben die beiden unterirdischen Bahnsteige der S-Bahn die Nummern 101 und 102 erhalten. Anders in Leipzig. Dort haben die beiden unterirdischen Bahnsteige der S-Bahn die Nummern 1 und 2.
Was aber ist dann mit den Bahnsteigen 1 und 2 im Kopfbahnhof von Leipzig? Diese Bahnsteige und noch einige weitere wurden stillgelegt. Früher hatte der Leipziger Kopfbahnhof 25 Bahnsteiggleise. Heute sind es "nur noch" 18. Die im Bereich des heutigen S-Bahntunnels liegenden Kopfbahnhofgleise wurden z.B. abgebaut und nach Inbetriebnahme des S-Bahntunnels nicht mehr aufgebaut. Die Gleisnummern im Leipziger Kopfbahnhof wurden auch nach dem Abbau einiger Gleise nicht angepasst.
Abgang von der Querhalle des Leipziger Kopfbahnhofs zum unterirdischen S-Bahnhof. Die hier früher vorhanden gewesenen Gleise des Kopfbahnhofs wurden abgebaut. |
Nun wollen wir die Belastung der Bahnsteiggleise des Leipziger Kopfbahnhofs mit derjenigen des Stuttgarter Kopfbahnhofs vergleichen. Der Leipziger Kopfbahnhof hat zur Zeit 18 Bahnsteiggleise. Der Stuttgarter Kopfbahnhof hat 16 Bahnsteiggleise. Der Vergleichszeitraum ist Freitag von 16 bis 17 Uhr. Es werden die abfahrenden Züge gezählt. Im Leipziger Kopfbahnhof fahren von 16 Uhr bis 17 Uhr 14 Züge ab. Im Stuttgarter Kopfbahnhof fahren von 16 Uhr bis 17 Uhr 30 Züge ab!
Damit haben wir im Stuttgarter Kopfbahnhof 1,875 Züge pro Bahnsteiggleis und Stunde. Beim Leipziger Kopfbahnhof beträgt dieser Wert 0,777. Daraus kann man schließen, dass der Leipziger Kopfbahnhof wesentlich weniger ausgelastet ist als der Stuttgarter Kopfbahnhof. Der Leipziger Kopfbahnhof hat Reserven, die bei Störungen, Zugverspätungen. Bauarbeiten und Sonderzügen wertvolle Dienst leisten.
Im Gegensatz dazu scheint der Stuttgarter Kopfbahnhof an der Leistungsgrenze angekommen zu sein bzw. diese bereits überschritten zu haben. Das merkt man als häufiger Bahnfahrer an den immer wieder vorkommenden Gleisänderungen als Folge von Zugverspätungen. Zudem gibt es auf Gleis 16 stündlich bereits eine Doppelbelegung. Dann können nicht alle Züge der Linie MEX1 von Göppingen bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Sie müssen statt dessen bereits in Plochingen oder Esslingen enden. Es mag weitere Einschränkungen geben.
Der Stuttgarter Kopfbahnhof hätte somit dringend eine Erweiterung gebraucht, wie das z.B. durch eine Durchmesserlinie nach Zürcher Vorbild möglich gewesen wäre. Statt dessen wurde Stuttgart 21 erfunden, ein Projekt, das den gesamten Hauptbahnhof samt Zulaufstrecken für voraussichtlich ca. 10 Millliarden Euro neu baut, ohne dass es dadurch eine einwandfrei nachweisbare Kapazitätserweiterung gibt.
Im Gegenteil. Für den Stuttgart 21-Tiefbahnhof sind bereits im Normalbetrieb Dutzende Gleis-Doppelbelegungen angekündigt. Wie das bei Störungen und Verspätungen aussehen wird, bleibt der Phantasie des Betrachters überlassen. Die Zufahrt der Gäubahn zum Stuttgart 21-Hauptbahnhof muss als unfahrbar klassifiziert werden.
Im Leipziger Kopfbahnhof: Viele Gleise und viel Platz auch bei Störungen des Betriebsablaufs |
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