Samstag, 27. Februar 2021

Ist der von der Politik vorgeschlagene Gäubahn-Fildertunnel mit dem Integralen Taktfahrplan (Deutschlandtakt) vereinbar?

Von bestimmten Teilen der Politik ist in den vergangenen Monaten der Vorschlag für einen neuen Gäubahn-Fildertunnel zwischen Böblingen und dem Stuttgarter Flughafen gekommen.

Dieser ca. 12 Kilomter lange Tunnel wäre nach Fertigstellung der längste Eisenbahntunnel Deutschlands. Gemäß einer Kostenschätzung des Verkehrsexperten Karlheinz Rößler würde der Tunnel 2,73 Milliarden Euro kosten.

Begründet wird der Tunnel mit dem Integralen Taktfahrplan. Konkret sollen durch den Tunnel die Züge der Gäubahn um einige Minuten schneller werden. Damit soll zusammen mit anderen Maßnahmen eine Kantenfahrzeit zwischen Stuttgart und Singen (Hohentwiel) bzw. zwischen Stuttgart und Zürich erreicht werden, die dem Vielfachen von 30 Minuten entspricht.

Die Vereinbarkeit des Gäubahn-Filder-Tunnels mit dem Integalen Taktfahrplan sehen wir uns im Folgenden näher an.

Der Integrale Taktfahrplan (Deutschlandtakt) stellt in der Tat umfangreiche Ansprüche an die Infrastruktur. Drei davon sind nachfolgend genannt:

 

Ausreichende Zahl an Bahnsteiggleisen im Knotenpunktsbahnhof
Für jede Bahnstrecke und für jede Fahrtrichtung muss mindestens ein Bahnsteiggleis im Knotenpunktsbahnhof vorhanden sein. Wird eine Strecke von mehreren Zugkategorien befahren, muss mehr als ein Gleis pro Strecke und Fahrtrichtung vorhanden sein.
 
Jede Bahnstrecke muss auf eigenen Gleisen zum Knotenpunktsbahnhof geführt werden
Bahnstrecken sollten möglichst nicht bereits vor dem Knotenpunktsbahnhof zusammengeführt werden. Vielmehr soll jede Bahnstrecke auf ihren eigenen Gleisen zu ihren Bahnsteiggleisen im Knotenpunktsbahnhof geführt werden. Das Rendez-Vous der Züge im Knotenpunktsbahnhof kann sonst nicht stattfinden bzw. würde viel zu lange benötigen.
 
Die Kantenfahrzeit zwischen benachbaren Knotenpunktsbahnhöfen muss vorhanden sein
Die Kantenfahrzeit ist das Vielfache der Taktzeit minus die Hälfte der Aufenthaltszeit im Knoten A minus die Hälfte der Aufenthaltszeit im Knoten B. Beispiel: 30 Minuten minus 2 Minuten minus 2 Minuten gleich 26 Minuten.
 
Beim Integralen Taktfahrplan müssen also die Strecken zwischen zwei Knotenpunkten sehr wohl ausgebaut werden, allerdings nicht nach dem Motto "So schnell wie möglich", sondern nach der Vorgabe "So rasch wie nötig".   
 
Erfüllt der Gäubahn-Fildertunnel die Anforderungen aus dem Integralen Taktfahrplan?
Beim Gäubahn-Fildertunnel wird die Strecke der Gäubahn nicht auf ihren eigenen Gleisen zum Stuttgarter Hauptbahnhof geführt. Vielmehr wird die Gäubahn ca. 10 Kilometer vom Hauptbahnhof entfernt mit den Zügen von Ulm und von Tübingen zusammengeführt. Damit dauert das Rendez-Vous der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof viel zu lange. Der Gäubahn-Fildertunnel erfüllt bei diesem wichtigen Kriterium die Anforderungen, die sich aus dem Integralen Taktfahrplan ergeben, nicht.
 
Man stelle sich den Verkehr unter diesen Randbedingungen im Gäubahn-Fildertunnel einfach mal vor. Ein so teurer Tunnel weist für sich allein genommen eine Leistungsfähigkeit von ca. 12 Zügen pro Stunde und Richtung auf. Weil dieser Tunnel aber nicht direkt zum Hauptbahnhof geführt wird, kann der Tunnel nur ca. drei Züge pro Stunde und Richtung bewältigen. Was für eine Verschwendung von Geld und Resourcen!
 
Auch in Bezug auf die Bahnsteiggleise im Knotenpunktsbahnhof (Hauptbahnhof) erfüllt der Gäubahn-Fildertunnel nicht die Anforderungen des Integralen Taktfahrplans. Die nur acht Gleise des Hauptbahnhofs sind längst durch die Züge anderer Strecken belegt. Für die Gäubahn bleibt da kein Platz mehr.
 
Kommen wir zur Kantenfahrzeit. Die Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen (Hohentwiel) weist eine sehr lange Strecke auf. An vielen Stellen dieser Strecke kann man Beschleunigungsmaßnahmen durchführen, um eine Kantenzeit zu erreichen. Den Gäubahn-Fildertunnel braucht man dazu nicht. Selbst im Verlauf der Panoramastrecke der Gäubahn zwischen S-Vaihingen und dem Nordbahnhof lassen sich Beschleunigungsmaßnahmen durchführen (z.B. der Ersatz des alten Hasenbergtunnels durch einen neuen Tunnel mit gestreckterer Linienführung).
 
Fazit
Der Gäubahn-Fildertunnel ist mit dem integralen Taktfahrplan nicht vereinbar. Dieser Tunnel erfüllt die Vorgaben für eine separate Führung der Gäubahn zum Stuttgarter Hauptbahnhof nicht. Dieser Tunnel erfüllt auch die Vorgaben für separate Bahnsteiggleise der Gäubahn im Hauptbahnhof nicht. Die durch den Tunnel erreichbare Beschleunigung der Gäubahn kann besser und billiger an anderer Stelle der Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen (Hohentwiel) umgesetzt werden.
 
Die Planungen für den Gäubahn-Fildertunnel sind sofort zu stoppen!         

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