Donnerstag, 13. September 2018

VCD und BUND zu Stuttgart 21: Retten was noch zu retten ist

Nach dem Verkehrsclub Deutschland e.V. (VCD) hat nun auch der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) Vorschläge für eine Modifizierung des Projekts Stuttgart 21 vorgelegt, die beim aktuellen Baustand des Projekts noch ohne größere Probleme umzusetzen sind.

Bemerkenswert ist, dass sich die Vorschläge von VCD und BUND fast gleichen. Als Fußnote bleibt noch anzumerken, dass die Vorschläge von VCD und BUND auch den hier in diesem Blog seit mehreren Jahren gemachten Vorschlägen fast eins zu eins gleichen.

Grundgedanke der Vorschläge von VCD und BUND sowie dieses Blogs ist, dass alle Bauvorhaben von Stuttgart 21, mit deren Bau noch nicht begonnen worden ist, storniert werden. Die eingesparten Gelder werden statt dessen für leistungssteigernde Maßnahmen verwendet.

Betroffen von der Stornierung sind die folgenden Bauvorhaben im Rahmen des Projekts Stuttgart 21:


  • Die Rohrer Kurve entfällt ersatzlos.
  • Die Umrüstung der Strecke Rohr-Flughafen für den Mischbetrieb S-Bahn / Regionalbahn / Fernbahn entfällt ersatzlos. Diese Strecke bleibt eine reine S-Bahnstrecke.
  • Der Bau eines dritten Bahnsteiggleises beim bestehenden Flughafenbahnhof entfällt ersatzlos.
  • Die Einschleifung der Gäubahn vom bestehenden Flughafenbahnhof in den Fildertunnel entfällt ersatzlos.
  • Der unterirdisch gelegene zweite Flughafenbahnhof für die Strecke Stuttgart-Ulm/Tübingen mit seinen Zulaufstrecken entfällt. Er wird ersetzt durch einen Flughafenbahnhof nördlich der Autobahn A8 unmittelbar an der Strecke Stuttgart-Ulm/Tübingen (ähnlich wie der neue Bahnhof Merklingen).
An Stelle der stornierten Bauvorhaben werden die folgenden Bauvorhaben neu realisiert:
  • Es bleibt ein ca. achtgleisiger Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten. Noch offen ist, ob dieser Kopfbahnhof in der Höhenlage des heutigen Kopfbahnhofs oder eine Etage tiefer realisiert wird.
  • Die Zufahrt Zuffenhausen zum Stuttgarter Hauptbahnhof erhält eine weitere Doppelspur. Hintergrund ist, dass die Zufahrt Zuffenhausen - eine der beiden Hauptzufahrten zum Stuttgarter Hauptbahnhof - nur über zwei Gleise für den Regional- und Fernverkehr verfügt. Das ändert sich nach der bisherigen Planung auch bei Stuttgart 21 nicht. Mit einer Spitzenbelastung von bis zu 13 Zügen pro Gleis und Richtung ist die Zufahrt Zuffenhausen jedoch bereits heute ausgelastet. Zufahrten vom Kaliber der Zufahrt Zuffenhausen zu einem großen Bahnknoten, die im Mischbetrieb von ICE, IC, RE, IRE und ME befahren werden, haben eine Leistungsfähigkeit bei guter Betriebsqualität von ca. 10 Zügen pro Stunde und Gleis. Zukünftig werden in der Zufahrt Zuffenhausen 15 bis 20 Züge pro Spitzenstunde und Gleis fahren.
  • Es wird ein Regionalbahnhof S-Vaihingen gebaut. Dort halten die halbstündlich verkehrenden Metropolexpresszüge Horb-Stuttgart.
  • Die Gäubahn fährt weiterhin über die Panoramastrecke zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Panoramastrecke bleibt bei S-Nord an den Stuttgarter Hauptbahnhof angeschlossen. Zu einem späteren Zeitpunkt - nicht mehr Teil des Projekts Stuttgart 21 - wird die Panoramastrecke modernisiert.
  • Nördlich der Autobahn A 8 wird im Verlauf der Strecke Stuttgart-Ulm/Tübingen ein neuer Bahnhof nach dem Modell Merklingen gebaut. Von diesem Bahnhof gibt es einen Zubringerverkehr zum Flughafen/Messe. Dafür stehen verschiedene Modelle zur Wahl (Laufbänder, Peoplemover usw.).
Der BUND sieht im Gegensatz zum VCD und im Gegensatz zu den in diesem Blog vertretenen Modellen noch weitere Maßnahmen vor. Dazu gehört eine zusätzliche Doppelspur von Bad Cannstatt zum Kopfbahnhof sowie eine tangentiale Verbindung Bad Cannstatt - Nordkreuz - Vaihingen. Diese zusätzlichen Maßnahmen sind m.E. wenig realistisch. Zumindest können sie nicht im Rahmen des jetzt laufenden Projekts Stuttgart 21 umgesetzt werden.

Den Projektkritikern liegt ein guter Schienenverkehr am Herzen
Mit den Vorschlägen des VCD und des BUND haben die Projektkritiker von Stuttgart 21 deutlich gezeigt, dass ihnen ein guter Schienenverkehr in der Metropolregion Stuttgart am Herzen liegt. Sie haben auch deutlich gezeigt, dass Großprojekte wie Stuttgart 21, deren konzeptionelle Phase bereits über 30 Jahre alt ist, sich an die sich rasch verändernden Rahmenbedingungen angepassen müssen. 

Genau das ist jetzt der Ansatz, an dem sich auch die Politiker und die Bahn messen lassen müssen. Einfach nur zu sagen, dass man das jahrzehntealte Projekt Stuttgart 21 nach wie vor eins zu eins umsetzen müsse, reicht jetzt nicht mehr aus. Auch der Hinweis auf eine Volksabstimmung sowie auf ein Vertragswerk reichen als Argumentation dafür nicht mehr aus. 

Dringend erforderlich ist jetzt ein Bekenntnis der Politik und der Bahn, das Projekt Stuttgart 21 an die sich verändernden Rahmenbedingungen anpassen zu wollen. Hierzu ist ein Austausch mit den Projektkritikern von VCD, BUND sowie der Zivilgesellschaft anzuraten.

Stuttgart 21 kann beim derzeitigen Sach- und Umsetzungsstand nicht mehr vollständig storniert werden
Eine vollständige Stornierung von Stuttgart 21 ist beim jetzigen Sachstand nicht mehr realistisch. Heute soll als Begründung für diese These noch einmal auf die große Linie der Bahnpolitik in BW nach dem Zweiten Weltkrieg eingegangen werden.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden in Baden-Württemberg zahlreiche neue Autobahnen und autobahnähnliche Bundesstraßen gebaut. In den Ballungsräumen wurden neue S-Bahnen und Stadtbahnen gebaut. Für den Regional-, Fern- und Güterverkehr der Bahn wurde jedoch nur wenig gebaut. Es gibt nur zwei große Bauvorhaben für den überregionalen Bahnverkehr in Baden-Württemberg seit dem Zweiten Weltkrieg. Das sind die neue Doppelspur Mannheim-Karlsruhe-Freiburg-Basel sowie die neue Doppelspur Mannheim-Vaihingen/Enz-Stuttgart-Ulm. Beide Bauvorhaben sind immer noch nicht abgeschlossen.

Was die neue Doppelspur Mannheim-Vaihingen/Enz-Stuttgart-Ulm betrifft, ist seit dem Jahr 1991 der Abschnitt Mannheim-Vaihingen/Enz-Stuttgart-Zuffenhausen fertiggestellt. Die NBS Wendlingen-Ulm bringt die neue Doppelspur zwischen Plochingen und Ulm. Stuttgart 21 bringt die neue Doppelspur zwischen dem Hauptbahnhof und Plochingen (= Wendlingen). 

Die Vorschläge von VCD und BUND zielen darauf ab, dass auch zwischen Stuttgart-Zuffenhausen und dem Hauptbahnhof die neue Doppelspur gebaut wird. Damit wäre dann die neue Doppelspur Mannheim-Ulm vollendet. 

Vorschläge, Stuttgart 21 vollständig zu stornieren und durch ein anderes Projekt zu ersetzen, bedeuten, dass die neue Doppelspur Mannheim-Ulm im Abschnitt zwischen Bad Cannstatt und Plochingen auf absehbare Zeit nicht gebaut wird. Hierfür wäre eine vollständige Neuplanung erforderlich, die bis zur Inbetriebnahme ca. 30 bis 40 Jahre benötigen würde. Diese Vorschläge sind deshalb nicht (mehr) realistisch. Stuttgart 21 hat viele, viele Nachteile. Im Sinne einer absehbaren Fertigstellung der durchgehenden neuen Doppelspur Mannheim-Ulm ist die Umsetzung wesentlicher Teile von Stuttgart 21 beim heutigen Realisierungsstand jedoch unvermeidlich, allerdings ergänzt um die vom VCD und BUND vorgeschlagenen Maßnahmen.     
   

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