Im Dezember 2017 soll die neue Führung der Stadtbahnlinie U12 mit einem Tunnel unter dem Europaviertel und der auf einer Brücke gelegenen Haltestelle Budapester Platz in Betrieb gehen. Damit verbunden ist die Außerbetriebnahme der bestehenden Stadtbahnhaltestelle Pragfriedhof.
Die neue Führung der U12 mit der Haltestelle Budapester Platz war schon mehrfach das Thema hier in diesem Blog - zu einem Zeitpunkt, als man die ganze Sache noch hätte abblasen können und eine vernünftige und zukunftsgerichtete Entwicklung der Stuttgarter Stadtbahn noch in die Wege hätte leiten können.
Leider sind die Beteiligten damals stur geblieben und haben sich nicht auf die vorgebrachten Argumente eingelassen. Lediglich ein Stadtrat bzw. eine Stadträtin und Mitglied des Aufsichtsrats der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) hat sich damals näher für diese Sache interessiert und die Juristen zu Stuttgart 21 prüfen lassen, ob man jurstisch gegen die neue Führung der U12 mit der Haltestelle Budapester Platz vorgehen kann. Das verlief dann aber leider im Sande.
Last-Minute-Schaulaufen einiger Politiker zur Haltestelle Budapester Platz
Erst vor wenigen Tagen haben Anwohner der Stadtbahnhaltestelle Pragfriedhof noch einmal für den Erhalt dieser Haltestelle demonstriert. Ein Vertreter der Linken hat im Aufsichtsrat der SSB noch einmal den Erhalt der Haltestelle Pragfriedhof gefordert. Allerdings kommen alle diese Aktionen viel zu spät. Das alles und noch mehr hätte vor ca. 5 Jahren passieren müssen, als es noch die Chance gab, die Stuttgart 21-Posse der Haltestelle Budapester Platz zu verhindern. Auch von der Linken war damals wenig bis gar nichts zu dieser Thematik zu hören. Die jetzt im Aufsichtsrat der SSB versuchte Verhinderung der Stillegung der Haltestelle Pragfriedhof in letzter Minute muss man deshalb unter der Rubrik "Schaulaufen" einordnen.
Die Katze ist jetzt in den Brunnen gefallen. Auch wenn ich selbst im Moment keinen Weg sehe, wie man aus der Sache vernünftig wieder herauskommen kann, sollen nachfolgend noch einmal die Hauptargumente, die gegen die Haltestelle Budapester Platz sprechen, genannt werden.
Für einen hohen zweistelligen Millionenbetrag werden die Führung der Stadtbahnlinie U12 demnächst geändert und die neue Haltestelle Budapester Platz in Betrieb genommen. Steht dieser riesigen Investitionssumme wenigstens ein gewisser Nutzen gegenüber?
Die Haltestelle Budapester Platz hat so gut wie keinen Nutzen
Die Haltestelle Budapester Platz dürfte in den kommenden 12 Jahren kaum von Nutzen sein. Einen eigenständigen Nutzen gäbe es für die Haltestelle Budapester Platz erst, wenn das bestehende Gleisvorfeld des Stuttgarter Hauptbahnhofs in wesentlichen Teilen bebaut ist. Das wird aber realistischerweise frühestens in 12 Jahren der Fall sein. Diese Zahl setzt sich zusammen aus einer möglichen Inbetriebnahme von Stuttgart 21 zwischen 2023 und 2025, aus einer daran anschließenden mindestens zweijährigen Phase der Freiräumung des Geländes und der Altlastenbeseitigung, aus einer mindestens zweijährigen Phase, die vergeht, bis die Erschließung des Geländes fertiggestellt ist und mit den ersten Hochbauten begonnen werden kann und aus einer mindestens zweijährigen Phase, bis wesentliche Hochbauten fertiggestellt sind.
Referenz für diese Schätzung ist u.a. der ehemalige Güterbahnhof von Bad Cannstatt, wo die gerade genannten Zeiträume noch weit überschritten worden sind. Insgesamt ist die genannte Zeitschätzung sehr höflich und zugunsten von Stuttgart 21.
Die Haltestelle Budapester Platz bringt für die Fahrgäste der Stadtbahn sogar Nachteile
Die Haltestelle Budapester Platz wird also während der kommenden mindestens 12 Jahre keinen richtigen Nutzen haben. Es kommt aber noch schlimmer. Die Haltestelle Budapester Platz bringt für die Fahrgäste der Stadtbahn sogar Nachteile.
Um das nachvollziehen zu können, versetzen wir uns mal in einen Stadtbahnfahrgast, der z.B. von der Stadtbibliothek oder dem Einkaufszentrum Milaneo mit der Stadtbahn zum Hauptbahnhof fahren will (Das ist die Hauptfahrtrichtung für die Fahrgäste dieses Gebiets). Heute geht dieser Fahrgast den kurzen Weg von der Stadtbibliothek oder vom Milaneo zur Stadtbahnhaltestelle "Stadtbibliothek" und kann dort alle zwei Minuten mit einer Stadtbahn zum Hauptbahnhof fahren.
Zukünftig hat dieser Fahrgast zwei Haltestellen zur Wahl, die Haltestelle Stadtbibliothek und die Haltestelle Budapester Platz. Wird es dadurch für diesen Fahrgast besser? Nein, es wird sogar schlechter!. Entscheidet sich der Fahrgast für die Haltestelle Budapester Platz, muss er dort bis zu 10 Minuten auf die Fahrt zum Hauptbahnhof warten. Denn bei der Haltestelle Budapester Platz verkehrt nur eine Linie. Entscheidet sich der Fahrgast für die Haltestelle Stadtbibliothek, hat er dort noch vier Linien zur Wahl, somit also durchschnittlich eine Fahrt alle 2,5 Minuten. Nach einer einmal gemachten schlechten Erfahrung wird sich dieser Fahrgast also auch zukünftig ausschließlich zur Stadtbahnhaltestelle Stadtbibliothek wenden, auch wenn dort etwas weniger Züge fahren werden als dies noch heute der Fall ist.
Die neue Führung der U12 mit der Haltestelle Budapester Platz konterkariert die Planungen für den Netzausbau der Stadtbahn mit einer dritten Stammstrecke
Viele, viele Male haben wir hier in diesem Blog auf die Außenseiterposition der Stuttgarter Stadtbahn hingewiesen, die als einzige unter den Schienenverkehren in den vergleichbaren Großstädten im deutschsprachigen Raum nur zwei Stammstrecken aufweist. Alle anderen Großstädte haben bei ihrem städtischen Schienenverkehrssystem drei oder mehr Stammstrecken.
Diese Außenseitersituation führt dazu, dass die beiden bestehenden Stammstrecken nicht nur voll ausgelastet, sondern sogar überlastet sind. Das verunmöglicht die dringend erforderlichen Taktverdichtungen bzw. weitere Linien bei der Stuttgarter Stadtbahn. Taktverdichtungen und weitere Linien sind aber dringend erforderlich, um z.B. im Rahmen der Feinstaub- und Stickoxidsituation mehr Menschen vom Auto auf die Bahn zu bringen. Heute bleibt dem Stuttgarter OB nichts anderes übrig als achselzuckend zu sagen, dass man bei der Stadtbahn mehr Fahrgäste gar nicht verkraften könne - eine Kapitulationserklärung.
Nun sind aber die Stadtbahn-Zulaufstrecken aus der Hackstraße (heutige U4 und U9) sowie aus der Nordbahnhofstraße (heutige U12) die von der Netzstruktur her vorgegebenen Zuläufe aus Richtung Ost und Nord, die am geeignetsten in eine dritte Stammstrecke gelenkt werden könnten. Diese dritte Stammstrecke würde im Verlauf der früheren Straße "Am Schlossgarten" geführt werden.
Der Zulauf aus der Hackstraße würde über den Stöckachplatz, die Neckarstraße und die Heilmannstraße zur dritten Stammstrecke geleitet. Hierzu muss der Tunnel der ersten Stammstrecke in der Neckarstraße um 200 Meter verlängert werden. Die Haltestelle Stöckach wird zukünftig zweistöckig. In der Ebene minus 1 befindet sich die Haltestelle der ersten Stammstrecke. In der Ebene Null befindet sich die Haltestelle des Zulaufs zur dritten Stammstrecke.
Der Zulauf aus der Nordbahnhofstraße würde über die Wolframstraße und ggf. einen Durchlass unter dem Bahngelände hindurch zur dritten Stammstrecke geleitet.
Leider hat man dies nicht so vorbereitet, sondern im Gegenteil den größten Fehler gemacht, den man bei der derzeitigen Situation des Stuttgarter Stadtbahnnetzes überhaupt machen kann. Man hat die Zulaufstrecke aus der Nordbahnhofstraße (U12) mit einem hohen Millionenaufwand in die zweite Stammstrecke geführt - eine Stammstrecke, die überlastet ist und dringend einer Entlastung bedarf - und damit die ungünstige und fehlerhafte Struktur des Stuttgarter Stadtbahnnetzes für nahezu alle Zeiten betoniert.
Wie hätte man vorgehen müssen?
Man hätte die Führung der U12 durch das Europaviertel mit der Haltestelle Budapester Platz nicht bauen dürfen. Bis zur Klärung der Frage der dritten Stammstrecke der Stadtbahn hätte man die bestehende Führung der U12 über die Haltestelle Pragfriedhof beibehalten müssen.
Nun werden immer wieder Argumente vorgeschoben, warum dies nicht gehen könne. So wird angeführt, dass die geplanten 80 Meter-Züge der U12 bei der nur 40 Meter langen Haltestelle Pragfrieghof nicht anhalten können. Das ist aber kein Argument, das der Notwendigkeit der Planung einer dritten Stammstrecke gleichwertig wäre. Mit ein wenig gutem Willen hätte man zudem auch die bestehende Haltestelle Pragfriedhof auf 80 Meter verlängern können.
Dann wird angeführt, dass die Einmündung Heilbronner Straße / Friedhofstraße durch den Wegfall der U12 entlastet würde. Auch dies ist kein gewichtiges Argument. Denn diese Einmündung ist für den B 27-Verkehr gar nicht maßgebend. Die Autos stauen sich auf der B 27 hinter der Einmündung Friedhofstraße, also vor dem Pragsattel und im weiteren Verlauf der Heilbronner Straße.
Dann wird angeführt, dass die Fahrzeit der U12 durch das Europaviertel etwas kürzer sei als die Fahrzeit über die Haltestelle Pragfriedhof. Auch dies ist kein gewichtiges Argument. Ein öffentliches Verkehrsmittel nimmt nie den geradesten Weg. Dann könnte man ja auch gleich von Endstation zu Endstation fliegen. Das öffentliche Verkehrsmittel fährt dort, wo die Fahrgastnachfrage besteht und macht hierzu auch kleine Umwege.
Fazit
Die Haltestelle Budapester Platz zeigt im Kleinen, was für Stuttgart 21 als Ganzes gilt: Wir haben es mit einer wenig durchdachten, wenig zukunftsgerichteten und die Außenseitersituation Stuttgarts in Verkehrsfragen zementierenden Planung zu tun. Vor einigen Jahren hätte man das Ruder noch herumwerfen können. Wie man bei den heute geschaffenen Fakten noch zu einer vernünftigen Lösung kommen kann, ist eine ganz schwierige Fragestellung.
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