Samstag, 12. November 2016

Ob Mexiko-Mauer oder Stuttgart 21: Welche Einmischung ist Bauunternehmern erlaubt?

Der Chef des Dax-Unternehmens HeidelbergCement hat sich nach der Wahl von Donald Trump zum 45. US-Präsidenten dahingehend geäußert, dass HeidelbergCement als Baustofflieferant vom Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko profitieren könnte.

Diese Äußerung nehmen wir heute hier in diesem Blog zum Anlass, die Beeinflussung von Bauprojekten der öffentlichen Hand durch Bauunternehmer zu diskutieren. Zunächst geht es um den aktuellen Fall von HeidelbergCement. Dann kommen wir zu Stuttgart 21 und hier konkret zu den Unternehmen Herrenknecht AG und Ed. Züblin AG.


Der von Donald Trump im Präsidentschaftswahlkampf offensiv vertretene Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko ist ein äußerst kontrovers diskutiertes Thema. Es ist somit nachvollziehbar, wenn auch die Äußerung des HeidelbergCement-Chefs in der Öffentlichkeit kontrovers diskutiert wird. Je nach politischem Standpunkt sowie Standpunkt zum Bau einer Mauer USA/Mexiko mag man die Äußerung des HeidelbergCement-Chefs schroff ablehnen oder mit Wohlwollen zur Kenntnis nehmen.

Im konkreten Fall ist an der Äußerung des HeidelbergCement-Chefs nichts wirklich auszusetzen. Denn der HeidelbergCement-Chef macht nur das, was Unternehmer in unserer Wirtschaftswelt nun einmal tun bzw. sogar tun müssen. Er bemüht sich darum, Aufträge zu bekommen. Er bemüht sich darum, Arbeit für seine Mitarbeiter generieren zu können. Er bemüht sich darum, Gewinne zu erwirtschaften, um die Anteilseigner zufriedenzstellen.

Nun ist Donald Trump rechtmäßig und demokratisch zum 45. US-Präsidenten gewählt worden. Und einer der Punkte seines Wahlprogramms ist und war nun einmal der Bau einer Mauer zwischen den USA und Mexiko. Anders hätte die Sache gelegen, hätte HeidelbergCement bereits während des Wahlkampfs Stellung zu Trump und zur Mauer bezogen. Das ist aber zumindest nicht bekannt. Es ist auch nicht bekannt, dass HeidelbergCement etwa durch Spenden Donald Trump zum Wahlsieg verholfen hätte. Es ist also zunächst mal davon auszugehen, dass HeidelbergCement sich nicht in den Wahlkampf in den USA eingemischt hat. Wenn ein Unternehmen nach der Wahl Interesse an einem Bauauftrag zeigt, der durch die Wahl demokratisch legitimiert ist, ist daran zunächst mal nichts auszusetzen.

Warum hat sich Martin Herrenknecht so stark bei Stuttgart 21 eingemischt?
Kommen wir als nächstes zur Herrenknecht AG. Diese in Baden-Württemberg beheimatete  Firma ist sehr erfolgreich und Weltmarkführer bei den Tunnelvortriebsmaschinen. Unzählige wichtige Bauprojekte wurden bereits mit Hilfe von Tunnelvortriebsmaschinen der Herrenknecht AG umgesetzt. Dazu gehören der Gotthard-Basistunnel, der Bosporus-Tunnel oder auch Crossrail 1 in London, das derzeit größte Bahnprojekt Europas. Allein bei Crossrail 1 waren acht Tunnelbohrmaschinen der Herrenknecht AG gleichzeitig im Einsatz. 

Eine Stellung, wie sie die Herrenknecht AG heute innehat, ist nur durch unternehmerischen Fleiß, Geschick und viel Arbeit zu erreichen. Insofern kann man dem langjährigen Chef, Martin Herrenknecht, nur uneingeschränkte Bewunderung zollen.

Gleichwohl stellen sich, was das Engagement von Herrenknecht bei Stuttgart 21 betrifft, Fragen. Die Herrenknecht AG ist bei Stuttgart 21 nur mit einer einzigen Tunnelbohrmaschine im Einsatz (Fildertunnel, die beiden Röhren des Fildertunnels werden nicht einmal gleichzeitig aufgefahren, sondern es ist nur eine Tunnelbohrmaschine im Einsatz, die erst im einen Tunnel und später im anderen Tunnel zugange ist, alle anderen Tunnel von Stuttgart 21 werden konventionell ohne Tunnelvortriebsmaschine aufgefahren).

Martin Herrenknecht hat sich bei Stuttgart 21 weit über das hinaus eingemischt, was man Unternehmern zur Erlangung von Aufträgen eigentlich zubewilligen mag. Martin Herrenknecht hat sich zum Beispiel für die CDU (Stuttgart 21 ist ein Projekt der CDU) und gegen die Grünen (Gegner von Stuttgart 21) ausgesprochen. Herrenknecht hat sogar einmal die Verlagerung von Arbeitsplätzen aus Baden-Württemberg anderswohin ins Gespräch gebracht, sollte Stuttgart 21 nicht gebaut werden. Martin Herrenknecht hat sich bei einer Veranstaltung im Zusammenhang mit dem Tunnelanstich beim Fildertunnel für die Große Lösung beim Stuttgarter Flughafen (Bahnhof mit vier Gleisen) stark gemacht.

Dieses Starkmachen für die Große Lösung beim Stuttgarter Flughafen zeigt jedoch auch den Schwachpunkt des Engagements von Herrenknecht bei Stuttgart 21. Martin Herrenknecht ist ein sehr erfolgreicher Unternehmer und ein ausgewiesener Fachmann für Tunnelbohrmaschinen. Martin Herrenknecht ist aber kein Verkehrsplanungsfachmann, kein Eisenbahnfachmann und auch kein Fachmann für Raumplanung. Die Große Lösung beim Stuttgarter Flughafen hätte die wesentlichen Fehler und Unzulänglichkeiten von Stuttgart 21 nicht geheilt. 

Diese wesentlichen Defizite von Stuttgart 21 liegen ja darin, dass Stuttgart 21 - im Gegensatz zu allen anderen großen Bahnausbauprojekten in Europa - kein eigentliches Ausbauprojekt ist. Denn Stuttgart 21 bringt für die Region Stuttgart und für den Bahnknoten Stuttgart keine zusätzliche Doppelspur und damit keine wesentliche bzw. überhaupt keine Kapazitätssteigerung. Das ist darin begründet, dass Stuttgart 21 die Kernstrecke zwischen Zuffenhausen und dem Hauptbahnhof nicht ausbaut, sondern lediglich die vorhandenen beiden Gleise aufwändig in einen Tunnel verlegt. Dazu kommen noch die Reduzierung der Gleise des Hauptbahnhofs von 16 auf 8 sowie zahlreiche Engstellen in Form eingleisiger Abschnitte und höhengleicher Gleiskreuzungen bei der Anbindung von Stuttgart 21 an das Bestandsnetz.

Mit welchem Recht betätigt sich somit Martin Herrenknecht als Verkehrsplaner und empfiehlt der Politik die große Lösung am Flughafen, die noch mehr Geld als die derzeitigen Planungen verschlungen hätte? Als Bürger von Baden-Württemberg darf sich Martin Herrenknecht selbstverständlich zu Stuttgart 21 äußern, wie das auch die anderen 10.879.617 Bürger dieses Bundeslands (Stand vom 31.12.2015) tun dürfen. Das was Martin Herrenknecht diesbezüglich aber gemacht hat, geht weit über das hinaus, was einfache Bürger können und dürfen.

Vor dem Hintergrund des nur geringen Auftragswerts für die Firma Herrenknecht AG bei Stuttgart 21 - vor allem im Vergleich zu den zahlreichen anderen Bauprojekten, bei denen die Firma engagiert ist - stellt sich die Frage nach dem Sinn und den Absichten der Einflussnahme Herrenknechts. Ging es hier eventuell um mehr als um das Projekt Stuttgart 21? Waren hier politische Dinge im Spiel?

Es ist nachvollziehbar, wenn die Firma Ed. Züblin AG auf den baldigen Ausbau des Bahnknotens Stuttgart drängt
Kommen wir als letztes zur Firma Ed. Züblin AG. Diese Firma hat sich im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung zu Stuttgart 21 sinngemäß dahingehend öffentlich geäußert, dass es jetzt langsam Zeit wird, dass sich in Sachen Ausbau des Bahnknotens Stuttgart etwas tut. Es sei allerdings sekundär, ob dieser Ausbau im Rahmen von Stuttgart 21 oder im Rahmen eines alternativen Projekts, z.B. im Rahmen von K21, erfolgt. Diese Äußerung muss man auch vor dem Hintergrund sehen, dass sich die angekündigte Vertragsunterzeichnung zu Stuttgart 21 immer wieder Jahr um Jahr verzögert hat und die Baufirmen langsam ungeduldig wurden.

Die Äußerung der Firma Züblin ist m.E. nicht zu beanstanden. Die Firma hat sich nicht konkret in verkehrliche, eisenbahntechnische und raumplanerische Themen eingemischt, Themen, die allein Sache des demokratischen Staates und der Bürger sind. Sie hat lediglich ihr unternehmerisches Interesse zum Ausdruck gebracht, Bauarbeiten durchführen zu können, Aufträge zu bekommen und vor allem auch baldige Planungssicherheit bei der Zahl und Zuordnung der Mitarbeiter zu erhalten. 

Dass ein Ausbau des Bahnknotens Stuttgart seit langem überfällig ist, ist zudem trivial. Bereits in den Achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts gab es konkrete Forderungen nach dem Bau des fünften und sechsten Gleises zwischen Bad Cannstatt und dem Hauptbahnhof, weil diese Strecke zumindest in der morgendlichen Berufsverkehrszeit überlastet war. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Hätte man auf das Alles-oder-Nichts-Projekt Stuttgart 21 verzichtet und hätte man stattdessen einen konventionellen, etappierbaren Ausbau des Bahnknotens Stuttgart angestrebt, hätte dieser Ausbau mit dem ersten Ausbauschritt des fünften und sechsten Gleises Bad Cannstatt-Hauptbahnhof bereits Anfang der Neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts starten können. Züblin und andere Baufirmen wären dann bereits seit den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts mit einem Ausbau des Bahnknotens Stuttgart beschäftigt, der diesen Begriff "Ausbau" auch verdient. Die - ein wenig Ungeduld zeigende - Äußerung der Firma Züblin im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung zu Stuttgart 21 ist auch vor diesem Hintergrund zu sehen.

Fazit
Fassen wir also zusammen. Es ist das legitime Interesse von Bauunternehmen, sich um Aufträge zu bemühen und Bauarbeiten durchzuführen - auch Bauarbeiten der öffentlichen Hand, wenn diese demokratisch legitimiert sind. Vor diesem Hintergrund sind weder die Äußerungen des HeidelbergCement-Chefs zur Mauer USA-Mexiko noch die Äußerungen der Firma Züblin im Vorfeld der Vertragsunterzeichnung zu Stuttgart 21 zu beanstanden.

Etwas anders verhält es sich beim Engagement von Martin Herrenknecht für Stuttgart 21. Dieses Engagement umfasste nicht nur das Bestreben, eine oder mehrere Tunnelbohrmaschinen für Stuttgart 21 zu bauen und zu liefern. Das Engagenemt von Herrenknecht für Stuttgart 21 hatte wohl auch politische Komponenten. Hier stellt sich die Frage, was Bauunternehmern im Kontext von Bauprojekten erlaubt ist. Die Grünen, die ja Stuttgart 21 kritisch begleiten wollten, sollten dies zum Anlass nehmen, einen Untersuchungsausschuss zur Einflussnahme von Unternehmen auf Stuttgart 21 im Landtag zu beantragen.

Jeder Bauauftrag sei den Unternehmern gegönnt. Bauunternehmer sollten sich aber nicht in den Fachplanungsprozess bei öffentlichen Bauvorhaben und auch nicht in den politischen Meinungsbildungsprozess einmischen.                    

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