Dies ist der achte und vorläufig letzte Post zur Neubaustrecke Wendlingen-Ulm bzw. zum Bahnkorridor Stuttgart-Ulm. Das A und O eines Ausbaus der Bahnstrecken im Land ist die Etappierbarkeit. Projekte wie Stuttgart 21 und die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm sind Alles-oder-Nichts-Projekte. Sie sind nicht etappierbar und gehören damit so schnell wie möglich in das Haus der Geschichte, Abteilung nicht realisierte Projekte.
Warum aber ist die Etappierbarkeit beim Bau von Verkehrsprojekten so wichtig? Dafür gibt es gleich mehrere Gründe.
Im Rahmen eines etappierbaren Ausbaus werden diejenigen Abschnitte bzw. Sachverhalte eines Projekts als erstes ausgebaut, deren Ausbau am dringlichsten ist und die den größten Nutzen bringen. Diese Abschnitte können dann relativ früh in Betrieb gehen und ihren Nutzen entfalten, wesentlich früher als die Inbetriebnahme eines Alles-oder-Nichts-Projekts möglich wäre.
Dann ist ein etappierbarer Ausbau auch deshalb erforderlich, weil es im Bahnnetz von BW ja Dutzende, nein: Hunderte von Engstellen und Ausbaunotwendigkeiten gibt. Es ist vor diesem Hintergrund einfach nicht statthaft, dass alle Ausbaumittel über 15 bis 20 Jahre hinweg in ein Alles-oder-Nichts-Projekt gehen. Vielmehr müssen landesweit unterschiedlichste Ausbaumaßnahmen parallel erfolgen.
Ein etappierbarer Ausbau vermindert auch die Gefahr des Entstehens von Bauruinen drastisch. Bei einem Alles-oder-Nichts-Projekt besteht über die lange Bauzeit von 15 bis 20 Jahren die latente Gefahr, dass das Projekt irgendwann aus unterschiedlichsten Gründen nicht mehr weitergebaut werden kann. In diesem Fall hätte man es mit einer gigantischen Bauruine zu tun. Bei einem in Etappen erfolgenden Ausbau ist die Chance groß, dass die gerade begonnenen Ausbauetappen auch fertiggestellt werden können. Jede einzelne Etappe ist zudem für sich verkehrswirksam und kann auch ohne die nachfolgenden Ausbauetappen sinnvoll betrieben werden.
Und nicht zuletzt bietet ein etappierbarer Ausbau Optionen für die Zukunft, Handlungsalternativen für nachfolgende Generationen. Vielleicht wird in 20 Jahren eine bestimmte Ausbauetappe ganz anders betrachtet als heute. Vielleicht ändern sich die Randbedingungen für einen Ausbau im Laufe von 20 bis 30 Jahren. Bei einem Alles-oder-Nichts-Projekt gibt es nur eins: Augen zu und durch, 15 bis 20 Jahre lang.
Und eigentlich sind ja fast alle großen Verkehrsprojekte etappierbare Projekte. So wird zum Beispiel der Ausbau der Autobahn A8 Stuttgart-Ulm auf sechs Fahrstreifen in vielen einzelnen Etappen durchgeführt. Insgesamt dauert der Ausbau wohl 40 Jahre. Ja, das ist schon sehr lang. Aber die dringendsten Abschnitte sind längst fertiggestellt und entfalten ihre volle Verkehrswirksamkeit. Und der Ausbau der vielgescholtenen Rheintalbahn ist ja auch ein etappierbarer Ausbau. Der Ausbau der Gesamtstrecke wird auch hier 40 Jahre oder länger dauern. Aber ein wichtiger Abschnitt zwischen Baden-Baden und Offenburg ist seit einigen Jahren in Betrieb und wäre heute nicht mehr wegzudenken. TGV, ICE, Güterzüge, Regionalzüge und Stadtbahn Karlsruhe nutzen diesen viergleisigen Abschnitt und profitieren davon.
Auch in der Schweiz werden alle Verkehrsachsen in Etappen ausgebaut. Beispiel Lötschberg-Simplon-Achse: Der neue Lötschberg-Basistunnel wurde im Jahr 2007 in Betrieb genommen. Aber dieser 34,6 Kilometer lange Tunnel ist zunächst auf zwei Drittel der Länge nur eingleisig. Die vollständige Zweigleisigkeit kommt später mal. Auch der Ausbau der Strecke zwischen Thun und dem Nordportal des Lötschbergtunnels (Niesentunnel). der Neubau eines Simplontunnels zwischen Visp und Domodossola, der viergleisige Ausbau der Strecke Bern-Thun, der Neubau eines Juradurchstichs zwischen Basel und Olten und eine Güterzugstrecke zwischen Olten und Bern kommen später, können nicht sofort finanziert und gebaut werden, sind weitere Etappen im Rahmen des Projekts, einen attraktiven und leistungsfähigen Bahnkorridor zwischen Basel dem östlichen Piemont zu schaffen.
Heute in diesem Post geht es nun noch um die weiteren möglichen Ausbauetappen für den Bahnkorridor Stuttgart-Ulm. Diese Ausbauetappen sollen der Vollständigkeit halber hier noch kurz angerissen werden, auch wenn sie klar hinter den Abschnitten der ersten Priorität stehen (Geislinger Steige, Plochingen-Göppingen) und deshalb bis zu ihrem Ausbau noch einiges Wasser den Neckar, die Fils oder die Lone hinabfließen wird.
Ein Ausbauabschnitt der zweiten Priorität liegt zwischen dem Südportal des Tunnels Geislinger Steige und Ulm. Sofern auf diesem Abschnitt die Güterzüge auf der Bestandsstrecke verbleiben sollen (Anbindung Containerterminal Ulm nördlich der A8), könnte man eine Neubaustrecke für ICE in der Nähe der B10 bauen. Sollen die Güterzüge jedoch von der Bestandsstrecke abgezogen werden, muss das dritte und vierte Gleis zwischen B10 und bestehender Bahnstrecke mit Anbindung des Containerterminals verlegt werden.
Dann gibt es den Ausbauabschnitt zwischen Göppingen und Kuchen. Die hier vertretene Planung geht davon aus, dass auch zukünftig alle Züge durch den Göppinger Bahnhof fahren werden. Denn es wird hier ja ein Ausbau für ICE auf 160 bis 200 km/h vertreten und nicht auf 250 km/h,. Östlich von Göppingen gibt es heute einen markanten Geschwindigkeitseinbruch wegen einer S-Kurve. Denkbar ist eine Ausbauplanung, die das dritte und vierte Gleis in einem in Deckelbauweise zu erstellenden Tagebautunnel unter der Ulmer Straße in Göppingen vorsieht, wobei am östlichen Ende der Ulmer Straße die Bestandsstrecke wieder erreicht wird.
Die enge Kurve beim Bahnhof Süssen könnte man durch eine Kurvenaufweitung westlich des Bahnhofs beseitigen. Im Bereich der Bahnhöfe und Ortslagen von Eislingen, Salach und Süssen wäre zu prüfen, ob das dritte und vierte Gleis durch eine einfache Tieferlegung trassiert werden kann.
Als letztes wäre dann noch der Abschnitt Bad Cannstatt - Plochingen an der Reihe. Dieser Abschnitt ist ja schon lange viergleisig. Allerdings ist er hochbelastet, weil dort auch noch die S1 und die Züge nach Tübingen verkehren. Im Rahmen eines etappierbaren Ausbaus des Bahnkorridors Stuttgart-Ulm kann es erforderlich werden, auch in diesem Abschnitt leistungssteigernde Maßnahmen durchzuführen, die sowohl dem Güterverkehr als auch dem ICE-Verkehr dienen und mit denen das Neckartal vom lauten Güterverkehrslärm entlastet wird.
Die radikalste Variante für diesen Abschnitt wäre ein ca. 17 Kilometer langer Schurwaldtunnel. Dieser Tunnel würde ostsüdöstlich des Bahnhofs Bad Cannstatt östlich der Augsburger Straße in unmittelbarer Fortsetzung der Gleisachse des Bahnhofs beginnen und zwischen Plochingen und Reichenbach enden. In diesen Tunnel würden sowohl die ICE aus Richtung Stuttgart Hauptbahnhof als auch die Güterzüge von Kornwestheim einfahren. Man könnte unter dem Schurwald auch noch eine Gleisverzweigung in Richtung der Remsbahn einrichten, so dass auch das untere Remstal vom Güterzugverkehr entlastet würde. Der Schurwaldtunnel würde die Kapazität der Bahnstrecke Stuttgart-Plochingen für den Fern-, den Regional- und für den Güterzugverkehr markant steigern und gleichzeitig das dichtbesiedelte Neckartal entscheidend vom Bahnlärm entlasten.
Es sind für den Ausbau des Abschnitts Stuttgart-Plochingen selbstverständlich auch kleinere Varianten denkbar. Es gibt genügend Zeit, die richtigen Ausbaustufen zu überlegen und einen Konsens herzustellen. Denn zunächst werden ja erst einmal andere Abschnitte ausgebaut.
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