In Paris ist am 14. Dezember 2020 die fahrerlose, hochleistungsfähige und hochmoderne Metrolinie M14 um 5,8 Kilometer von ihrem bisherigen nördlichen Endpunkt Saint-Lazare bis zum neuen vorläufigen Endpunkt Mairie de Saint-Ouen verlängert worden.
Nun gibt es im riesigen Schienennetz der französischen Metropole ständig neue Inbetriebnahmen. Was hat also die Verlängerung der Metrolinie M14 hier in diesem monothematischen Blog zu suchen und welche Verbindungen gibt es zum Projekt Stuttgart 21 sowie zur Stuttgarter Stadtbahn?
Das wollen wir nachfolgend herausarbeiten.
Das Gebiet, in das die Metrolinie M14 nun verlängert worden ist, wurde bisher von der Metrolinie M13 bedient. Diese Metrolinie verzweigt sich ab der Haltestelle La Fourche in zwei Linienäste, eine bei der Pariser Metro eher seltene Streckenkonfiguration. Normalerweise fahren die Linien der Pariser Metro auf ihren eigenen Strecken ohne Streckenverzweigungen.
Nehmen wir einfach mal überschlägig an, dass die dichteste Zugfolge bei der Pariser Metro ca. zwei Minuten beträgt. Das bedeutet dann aber auch, dass bei einer Streckenverzweigung, wie sie bei der M13 vorliegt, im Verlauf der beiden Streckenäste nur alle vier Minuten ein Zug fahren kann. Denn es kann ja jeweils nur alternierend einer der alle zwei Minuten bei der Verzweigung ankommenden Züge in die beiden Streckenäste geschickt werden.
Bei der dichten Besiedlung des ganzen Bereichs, den die M13 bedient, führt die Zugfolge von vier Minuten im Verlauf der beiden Streckenäste der M13 zu einer ganz starken Belegung der Züge oder sogar zu einer Überfüllung. Ich habe dies vor einigen Jahren selbst mal mitbekommen. Das Hotel, in dem ich übernachtete, war in St. Denis im Norden von Paris. Jeden Morgen nach dem Berufsverkehr fuhr ich mit der M13 in Richtung des Pariser Zentrums. Die Überfüllung der Züge der M13 ist fast unbeschreiblich. Obwohl dies nun schon einige Jahre her ist, habe ich die entsprechenden Bilder unauslöschlich nach wie vor in meinem Kopf.
Den Planern bei der Pariser Metro war schon vor vielen Jahren klar, dass irgendetwas mit der M13 geschehen musste. Rettung war auch in Sicht, in Form der Metrolinie M14, die in Richtung Norden bis zur Haltestelle Saint-Lazare fuhr. Diese Metrolinie musste man zusätzlich in das Gebiet führen, das bisher nur von der M13 bedient wurde. Zunächst dachte man daran, dass die M14 einen der beiden Streckenäste der M13 übernimmt. Das erwies sich aber als nicht vorteilhaft, denn man hätte dann diesen Streckenast für mehrere Jahre sperren müssen.
Es wurde schließlich eine Lösung gewählt, dass die M14 einen eigenen Linienweg mit eigenen Tunnels und eigenen Haltestellen bekommt. Die M14 kreuzt dann beide Linienäste der M13 und soll dort so viele Fahrgäste wie irgend möglich von der M13 absaugen. Und dieser Neubau der M14 ging nach vielen Jahren Bauzeit jetzt am 14.12.2020 in Betrieb.
Ganz kurz noch: Die M14 wird zukünftig weiter verlängert, im Norden bis St. Denis und im Süden bis zum Flughafen Orly. In St. Denis wird sie an die neuen Metrolinien M15, M16 und M17 anschließen, in Orly an die neue Metrolinie M18. Diese neuen Metrolinien werden rund um Paris fahren, ein riesiges neues Investitionsprogramm und ein Quantensprung für die Pariser Metro.
Kommen wir jetzt aber zu Stuttgart 21
Da gibt es mit der Zufahrt Zuffenhausen zum Bahnknoten Stuttgart (Nordzulauf) ein ähnliches Problem, wie es bisher bei der Pariser Metrolinie M13 bestand.
Die Zulaufstrecken von Vaihingen/Enz (Schnellfahrstrecke) und von Ludwigsburg (Frankenbahn, Westbahn) werden nicht etwa separat zum Stuttgarter Hauptbahnhof geführt. Vielmehr werden beide jeweils zweigleisige Strecken nördlich von Zuffenhausen zusammengeführt. Die Zufahrt Zuffenhausen ist dann für die Fern- und Regionalzüge nur noch zweigleisig.
Das führt dazu, dass die Zufahrt Zuffenhausen überlastet ist und dass auf den Strecken von Vaihingen/Enz und von Ludwigsburg lange nicht so viele Züge fahren können, wie das möglich wäre, würden beide Strecken separat zum Stuttgarter Hauptbahnhof geführt.
Stuttgart 21 löst an dieser Misere nichts. Es bleibt bei der nur zweigleisigen Ausführung der Zufahrt Zuffenhausen. Es gibt eine P-Option, die aber nicht Bestandteil von Stuttgart 21 ist. Bei der P-Option würde das fünfte und sechste Gleis der Zufahrt Zuffenhausen durch den bestehenden Pragtunnel und einen weiteren Tunnel in den Cannstatter Tunnel von Stuttgart 21 und von dort weiter zum nur achtgleisigen Hauptbahnhof geführt. Die P-Option ist abzulehnen. Denn sie führt die beiden zusätzlichen Gleise der Zufahrt Zuffenhausen nicht bis zum Hauptbahnhof, sondern nur bis zum Cannstatter Tunnel, in dem ja auch noch andere Züge verkehren. Zudem ist der nur achtgleisige Hauptbahnhof nicht in der Lage, zusätzliche Züge über die Zufahrt Zuffenhausen aufzunehmen.
An Stelle von Stuttgart 21 hätte man in den Neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts erst mal das fünfte und sechste Gleis der Zufahrt Zuffenhausen zum Stuttgarter Hauptbahnhof bauen müssen. Wenn jetzt am Kern des Projekts Stuttgart 21 nicht mehr gerüttelt werden kann, dann ist wenigstens das fünfte und sechste Gleis der Zufahrt Zuffenhausen zu bauen und durch den bestehenden Pragtunnel und mit separaten Gleisen in einen Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof zu führen.
Kommen wir jetzt zur Stuttgarter Stadtbahn
Da zeigt sich das Pariser M13-Problem in einer noch viel schärferen Form. Die Stuttgarter Stadtbahn verfügt über nur zwei Stammstrecken. Auf jeder Seite einer jeden Stammstrecke gibt es nicht nur eine Verzweigung wie bei der Pariser Metrolinie M13, sondern jeweils fünf Verzweigungen entsprechend den fünf Linien, die in jeder der beiden Stammstrecken verkehren.
Das führt dazu, dass die beiden Stammstrecken überlastet sind und dass jede Linie nur alle 10 Minuten fahren kann.
Um im Rahmen der angestrebten Verkehrswende und der Verdoppelung des Bahnverkehrs wenigstens alle Linien der Stuttgarter Stadtbahn im 7,5-Minuten-Takt fahren zu lassen, ist mindestens eine weitere, wenn nicht sogar zwei weitere Stammstrecken für die Stuttgarter Stadtbahn zu bauen.
Das könnte theoretisch nach dem Vorbild der Pariser Metro M14 geschehen. Es wäre eine fahrerlose, hochleistungsfähige U-Bahn zu bauen, die an möglichst vielen Stellen die bestehenden Stadtbahn- und S-Bahnstrecken kreuzt und dort so viele Fahrgäste wie möglich von diesen Linien absaugt. Allerdings wäre dies eine sehr teure und zeitaufwändige Investition. Zudem dürfte nach den Stuttgart 21-Erfahrungen der weitere Tunnelbau bei der Stuttgarter Bevölkerung auf immer größere Skepsis stoßen.
Eine bessere Alternative scheint zu sein, dass man die dritte und ggf. auch die vierte Stammstrecke der Stuttgarter Stadtbahn in der Konfiguration als Niederflurstraßenbahn baut. Diese Bahn könnte im Stuttgarter Talkessel oberirdisch verkehren. Und auch dafür gibt es Vorbilder aus Frankreich. Dutzende französische Städte haben in den letzten Jahrzehnten die Niederflurstraßenbahn wieder neu entdeckt und gebaut.
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