In den Jahren vor der überfallartigen Präsentation von Stuttgart 21 war eine Kombilösung für den Stuttgarter Haupthof im Gespräch, ähnlich der jetzt umgesetzten Lösung für den Zürcher Hauptbahnhof.
Die Kombilösung für den Stuttgarter Hauptbahnhof hätte aus dem Kopfbahnhof mit seinen Zulaufstrecken bestanden. Zusätzlich hätte es eine Durchmesserlinie gegeben mit den folgenden Elementen: Feuerbacher Tunnel, viergleisiger Tiefbahnhof, Untertürkheimer Tunnel.
Diese Kombilösung hätte alle heute bei Stuttgart 21 bestehenden Leistungsprobleme gelöst. Zudem wäre mit dieser Kombilösung der Integrale Taktfahrplan (Deutschlandtakt) uneingeschränkt möglich geworden.
Warum ist die Kombilösung für den Stuttgarter Hauptbahnof nicht umgesetzt worden? Es wird berichtet, dass sich die Kombilösung wohl nicht gerechnet hatte und der Bund nicht bereit war, diese zu finanzieren.
Warum hat es in Zürich mit der Kombilösung und der Durchmesserlinie geklappt?
Die SBB brauchten für den Bahnknoten Zürich weitere Bahnsteiggleise. Zudem war für den Integralen Taktfahrplan eine Beschleunigung der Ost-West-Achse (St.Gallen - Genf) um ca. 7 Minuten erforderlich. Beide Anforderungen erfüllte die Durchmesserlinie. Jedoch rechnete sich die Durchmesserlinie alleine mit den Wünschen der SBB nicht.
Der Kanton Zürich als Aufgabenträger für die Zürcher S-Bahn wünschte eine zweite Durchmesserlinie für die S-Bahn. Denn verschiedene Linien vom Linken Zürichseeufer waren nicht in die erste Stammstrecke der Zürcher S-Bahn eingebunden. Zur Einbindung der Linien vom Linken Zürichseeufer war die Durchmesserlinie erforderlich. Alleine für die Belange der S-Bahn rechnete sich die Durchmesserlinie jedoch nicht.
Erst als sich die SBB und der Kanton Zürich zurück an einen Tisch setzten, war für die Durchmesserlinie grünes Licht vorhanden. Denn für die Belange der SBB plus für die Belange der Züricher S-Bahn rechnete sich die Durchmesserlinie sehr wohl. Allerdings wurde dies mit einigen Fahrplanrestriktionen für die S-Bahn erkauft. Die Zeiten zur vollen und zur halben Stunde sind bei der Durchmesserlinie für die Fernzüge reserviert. Zur vollen und zur halben Stunde fahren jeweils vier Fernzüge. Für die S-Bahn bleiben somit die Zeiten um die Minuten 15 und 45. Das konnte die Züricher S-Bahn verschmerzen. Denn es gibt bei der Zürcher S-Bahn sehr viele Linien, die aber zum großen Teil nur im 30-Minuten-Takt fahren.
Könnte eine Stuttgarter Durchmesserlinie auch von der S-Bahn befahren werden?
Nein. Denn in Deutschland sind die meisten S-Bahnsysteme nicht mit dem Fernverkehr kompatibel, z.b. bei den Bahnsteighöhen. Eine win-win-Situation wie in Zürich, indem sich der Fernverkehr und die S-Bahn zusammentun, kann es in Stuttgart nicht geben.
Wieviele Fernzüge sind für eine Stuttgarter Durchmesserlinie realistisch?
Eine Stuttgarter Durchmesserlinie wäre für die Relation von der Schnellfahrstrecke Mannheim-Stuttgart zur Schnellfahrstrecke Wendlingen-Ulm zuständig. Hierfür werden drei Fernzüge pro Stunde und Richtung vorausgesagt. Das aber wäre zu wenig, als dass sich eine Stuttgarter Durchmesserlinie rechnen würde.
Nun könnte man für eine Stuttgarter Durchmesserlinie jedoch noch weitere Züge aktivieren. Die Älteren unter uns erinnern sich wohl noch an die Zuggattung "Interregio". Das war neben den ICE und den IC die dritte Zugkategorie, die die Bahn eigenwirtschaftlich betrieb. Angeblich mangels Wirtschaftlichkeit stellte die Bahn die Interregiozüge ein. Einige Interregio-Linien wurden in IC-Linien umgewandelt. Einige Interregiolinien wurden ersatzlos eingestellt. Hierfür mussten die Bundesländer Ersatz bestellen. In BW wurde so der IRE geboren.
Die heute in BW fahrenden IRE sind also verkappte Fernverkehrszüge, die durchaus auch durch die Durchmesserlinie in Stuttgart fahren könnten. Da käme z.B. in Frage eine IRE-Relation von Karlsruhe über Stuttgart nach Ulm und weiter nach Oberschwaben.
Damit käme man auf mehr als die drei Züge pro Stunde und Richtung für die Stuttgarter Durchmesserlinie. Bekanntlich will der Bund als zuständiger Investor bei der geplanten Frankfurter Durchmesserlinie mit fünf Zügen pro Stunde und Richtung anfangen.
Im Rahmen des Integralen Taktfahrplans (Deutschlandtakt) wäre die Zahl der Systemzüge bei der Stuttgarter Durchmesserlinie allerdings auf acht pro Stunde beschränkt (vier Züge pro Stunde und Richtung). Mehr geben die vier Bahnsteigleise nicht her (Rendezvous der Züge zu den Minuten 00 und 30). Abhilfe für die Stuttgarter Durchmesserlinie könnten weitere Verstärkerzüge schaffen, die um die Minuten 15 und 45 verkehren.
Man sollte auf die Kombilösung für den Stuttgarter Hauptbahnhof weiterhin vorbereitet sein
Warum eigentlich lohnt es sich weiterhin, sich mit der Kombilösung für den Stuttgarter Hauptbahnhof zu beschäftigen und deren grundlegende Zusammenhänge zu studieren? Es ist absolut unklar, ob der Engpass Stuttgart 21 die notwendige Zahl an Zügen bewältigen kann. Das liegt nicht nur an der geringen Zahl der Bahnsteiggleise im Hauptbahnhof, sondern auch an der Unterdimensionierung der Zulaufstrecken. Man kann und muss also darauf gefasst sein, dass jederzeit die Nachricht kommt, dass zusätzlich zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof der Stuttgarter Kopfbahnhof mit seinen Zulaufgleisen doch gebraucht wird.
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