Mittwoch, 23. September 2020

Der Bund muss sich stärker um Stuttgart 21 kümmern und dieses Projekt in seine Zuständigkeit überführen

Der Bundesrechnungshof kritisiert in seinem Bericht vom 13.09.2019 zu Stuttgart 21 die bisherige "laissez-faire-Haltung" des Bundesministeriums für Verkehr und fordert das Ministerium auf, in Bezug auf Stuttgart 21 aktiv zu werden.

Damit spricht der Bundesrechnungshof eines der Kernprobleme von Stuttgart 21 an. Das Problem ist jedoch noch weit umfangreicher. Dem wollen wir heute hier in diesem Blog nachgehen.

Der Bund sowie auch alle Projektpartner von Stuttgart 21 sehen dieses Projekt als eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn. Der Bund beteiligt sich an diesem Projekt nur insofern, als er Gelder zuschießt, die für den Anschluss der NBS Wendlingen-Ulm an den Bahnknoten Stuttgart sowieso erforderlich gewesen wären. Dazu gibt es noch Gelder aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz für den teuren Umbau von Tunneln und Haltestellen der Stuttgarter Stadtbahn wegen Stuttgart 21.

Der Bund war nicht beim Sach- und Faktenchek zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler vertreten. Der Bund ist auch nicht im Lenkungskreis zu Stuttgart 21 vertreten. Der Bund lässt die Bahn bei Stuttgart 21 machen und mischt sich nicht weiter ein.

Ist das im Einklang mit dem Bundesschienenwegeausbaugesetz?
Das erscheint beim zweiten Blick etwas merkwürdig. Denn das Bundesschienenwegeausbaugesetz stellt im §8 (1) fest: "Der Bund finanziert Investitionen in die Schienenwege der Eisenbahnen des Bundes." Die Eisenbahnen des Bundes sind dagegen bei einer anderen Sache gefragt, wie in §8 (4) festgestellt wird: "Die Eisenbahnen des Bundes tragen Kosten der Unterhaltung und Instandsetzung ihrer Schienenwege". 

Nun gehört der Stuttgarter Hauptbahnhof mitsamt seinen Zulaufstrecken, somit also der Bahnknoten Stuttgart, eindeutig zu den Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes. Der Bund selbst ist somit für den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart zuständig. Dieser Ausbau hat nach einer Bedarfsanlayse im Rahmen des Bundeshaushalts zu erfolgen.

Da steckt einige Brisanz dahinter. Vergleichen wir mal den Bahnknoten Stuttgart mit dem Bahnknoten Frankfurt. Beim Bahnknoten Frankfurt nimmt der Bund seine Zustandigkeit für die Finanzierung von Investitionen wahr und will nach einer Bedarfsanalyse einen Fernverkehrstunnel bauen - wohlgemerkt nicht an Stelle des bestehenden riesigen Kopfbahnhofs, sondern zusätzlich zum Kopfbahnhof. Der Bahnknoten Frankfurt erhält somit eindeutig mehr Bahnsteiggleise und auch mehr Zulaufgleise. So also sieht ein Ausbau eines Bahnknotens aus, um den sich der zuständige Bund kümmert.

Ist Stuttgart 21 ein Ausbau oder nur ein Umbau?
Wie anders verläuft es hingegen in Stuttgart! Dort erfolgt der Ausbau des Bahnknotens - oder sagen wir besser: Umbau - nicht im Rahmen einer Wahrnehmung der Zuständigkeit sowie Finanzierung durch den Bund, sondern im Rahmen eines eigenwirtschaftlichen Projekts der Bahn AG. Das eigenwirtschaftliche Projekt der Bahn AG ist nicht unbedingt deckungsgleich mit einem Ausbauvorhaben des Bundes. Und in der Tat gibt es ja bei Stuttgart 21 massive Zweifel, ob dieses eigenwirtschaftliche Projekt der Bahn AG tatsächlich einer Investition in die Schienenwege des Bundes entspricht, wie es das Bundesschienenwegeausbaugesetz vorsieht.

Als nur ein Beispiel unter vielen sei noch einmal die Zufahrt Zuffenhausen zum Bahnknoten Stuttgart erwähnt. Diese Zufahrt hat für den Fern- und Regionalverkehr nur zwei Gleise. Sie ist für 40 Prozent der Nachfrage nach Bahnverkehrsleistungen zum/vom Bahnknoten Stuttgart zuständig. Sie ist heute bereits ausgelastet, denn eine zweigleisige Zufahrt zu einem großen Bahnknoten kann nicht mehr als 12 bis 13 Züge pro Stunde und Richtung abfertigen. Stuttgart 21 sieht für die Zufahrt Zuffenhausen keinen Ausbau, keine zusätzlichen Gleise vor!

Das läuft in Frankfurt und in Stuttgart also absolut gegensätzlich. Die 5,7 Millionen Einwohner des Rhein-Main-Gebiets erhalten einen Ausbau des Bahnknotens Frankfurt, der im Einklang mit dem Bundesschienenwegeausbaugesetz steht, der von der zuständigen Institution finanziert wird und der dem tatsächlichen Bedarf entspricht. Dagegen erhalten die 5,3 Millionen Einwohner der Metropolregion Stuttgart einen Ausbau (Umbau) des Bahnknotens Stuttgart, der als eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn daherkommt und der keineswegs zwangsläufig dem Bedarf entspricht. Als Sahnehäubchen dürfen die Bürgerinnen und Bürger der Metropolregion Stuttgart diesen eigenwirtschaftlichen Umbau des Bahnknotens Stuttgart auch noch zu einem großen Teil aus der eigenen Tasche bezahlen, weil sich der Bund verständlicherweise zurückhält.

Wie kann es jetzt weitergehen?
Es bestehen Zweifel daran, ob der Umbau des Bahnknotens Stuttgart im Rahmen eines eigenwirtschaftlichen Projekts der Bahn AG im Einklang mit dem Bundesschienenwegeausbaugesetz steht. Zudem wird möglicherweise der Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes verletzt, indem die Einwohnerinnen und Einwohner des Rhein-Main-Gebiets den Ausbau des Bahnknotens Frankfurt vom Bund bezahlt bekommen, während die Einwohnerinnen und Einwohner der Metropolregion Stuttgart den Umbau des Bahnknotens Stuttgart auch noch teilweise aus der eigenen Tasche finanzieren müssen.
 
Der Bund muss sich jetzt in Stuttgart 21 einschalten und Änderungen vornehmen. Dazu gehört in erster Linie, dass der Bund gemäß dem Bundesschienenwegeausbaugesetz den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart als seine Sache betrachtet. Das bedeutet dann aber auch, dass der Bund zukünftig bei Stuttgart 21 das Sagen hat. Der Bund muss jetzt entscheiden, dass auf den Bau eines Bahnknotenpunkts beim Stuttgarter Flughafen verzichtet wird. Es ist jetzt die Sache des Bundes festzustellen, dass der nur achtgleisige Tiefbahnhof von Stuttgart 21 dem Bedarf im Allgemeinen und dem Deutschlandtakt im Besonderen nicht entspricht und einen ergänzenden Kopfbahnhof benötigt. Der Bund muss jetzt klarstellen, dass die acht Zulaufgleise bei Stuttgart 21 zum Hauptbahnhof nicht genügen und zwei weitere Gleise über die Panoramastrecke der Gäubahn sowie zwei weitere Gleise durch den alten Pragtunnel bestehen müssen, die dann direkt in den ergänzenden Kopfbahnhof münden.
 
Eine vollumfängliche Finanzierungsverpflichtung für Stuttgart 21 durch den Bund ist dadurch nicht gegeben. Der Bund hätte den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart sicher anders durchgeführt, z.B. in Anlehnung an den Heimerl-Vorschlag zum Bau einer zusätzlichen Durchmesserlinie, die die Schnellfahrstrecken Mannheim-Stuttgart und Wendlingen-Ulm über den Stuttgarter Hauptbahnhof verbindet. Der bestehende Kopfbahnhof hätte dann weiterbestanden.          

        

 

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