Mittwoch, 6. Februar 2013

Stefan Kaufmann (CDU) irrlichtert durch die Stuttgart 21-Alternativen


Das schockierende Gutachten aus dem Bundesverkehrsministerium über die mangelnde Zukunftsfähigkeit von Stuttgart 21 zieht seine Kreise durch ganz Deutschland und durch Europa. Die Stuttgarter Zeitung bringt in einem Bericht vom 05.02.2013 Reaktionen zum Gutachten, darunter auch die Reaktion des Kreisvorsitzenden der CDU Stuttgart und Bundestagsabgeordneten Stefan Kaufmann.    

Kaufmann wird dort zitiert mit zwei Äußerungen. Einmal behauptet er, dass die Alternative zu Stuttgart 21 ein mit Milliardenaufwand renovierter Kopfbahnhof ohne verkehrlichen und städtebaulichen Mehrwert ist. Zum anderen schürt er Ängste, indem er behauptet, dass ohne Stuttgart 21 möglicherweise eine Neudiskussion über die Schnellbahntrasse vorbei an Stuttgart in Gang kommt.

Nun kann man bei Stefan Kaufmann erkennen, dass es sich teilweise schon auf dem Rückzug von Stuttgart 21 befindet. Andererseits kann er aus Gründen der Selbstachtung jetzt nicht sofort ganz von Stuttgart 21 loslassen. Deswegen kramt er noch einmal die üblichen Politikerargumente für Stuttgart 21 hervor, die zum Beispiel auch EU-Kommissar Oettinger so unnachahmlich und frei von Detailkenntnis immer wieder zum besten gibt.

Als Politiker muss sich Stefan Kaufmann jedoch gefallen lassen, dass man auf seine Äußerungen dann auch näher eingeht und sie auseinandernimmt. Das wollen wir jetzt mal tun. Beginnen wir mit dem Mehrwert des modernisierten Kopfbahnhofs.


Der Kopfbahnhof hat gegenüber Stuttgart 21 einen riesigen Mehrwert
Die Äußerung Kaufmanns ist falsch. Der modernisierte Kopfbahnhof hat gegenüber Stuttgart 21 einen riesigen Mehrwert. 
  • Der Kopfbahnhof kann ohne Streckenausbauten bis zu 50 Züge in der Spitzenstunde bedienen. Stuttgart 21 kann nur 32 Züge in der Spitzenstunde abfertigen.
  • Der Kopfbahnhof kann etapierbar ausgebaut werden im Rahmen der Umsetzung einzelner Module, die jeweils einen eigenständigen verkehrlichen Wert haben. Die Gefahr einer dauerhaften Bauruine und einer 20jährigen Wartezeit bis zum Eintreten erster Nutzeneffekte, wie dies beim Alles-oder-Nichts-Projekt Stuttgart 21 der Fall ist, besteht somit nicht.
  • Vom Kopfbahnhof können zukünftig S-Bahnzüge abfahren, z.B. halbstündlich die Züge der Express-S-Bahn vom Kopfbahnhof über S-Vaihingen, den Flughafen und Wendlingen nach Plochingen. Damit wird es möglich, das S-Bahnnetz und seine überlastete Stammstrecke zu entlasten. Bei Stuttgart 21 ist dies nicht möglich.
  • Der modernisierte Kopfbahnhof ist auch in der Zukunft modulförmig erweiterbar. Wenn es sein muss und wenn der Bedarf tatsächlich besteht, könnte sogar nach dem Zürcher Vorbild zusätzlich zum Kopfbahnhof eine Durchmesserlinie (parallel zu den Gleisen des Kopfbahnhofs) gebaut werden. Stuttgart 21 ist nicht erweiterbar.
  • Der Kopfbahnhof bietet für die Bahnunternehmen eine größere betriebliche Flexibilität als Stuttgart 21. Beim Kopfbahnhof können die Züge über dieselbe Strecke zurückfahren, aus der sie gekommen sind. Die Züge können aber auch über eine andere Strecke weiterfahren. Bei Stuttgart 21 können die Züge wegen der Gleisneigung im Tiefbahnhof und der nicht verfügbaren Fahrstraßen nicht über dieselbe Strecke zurückfahren. Sie müssen stets irgendwo anders hin weiterfahren.
  • Der Wartungs- und Abstellbahnhof Rosenstein befindet sich sehr nahe beim Kopfbahnhof. Bei Stuttgart 21 gibt es lange Leerfahrten zum weiter entfernten Abstellbahnhof in Untertürkheim. 
  • Der Kopfbahnhof bietet auch für die Wettbewerber der Bahn konkurrenzfähige Entwicklungsmöglichkeiten. Man kann mit der Dieseltraktion fahren, man kann Züge durch Kuppeln oder Entkuppeln stärken und schwächen, man kann in dieselbe Richtung zurückfahren, aus der man gekommen ist und man kann auch für längere Zeit einen Zug im Kopfbahnhof stehenlassen oder bereitstellen. Das alles ist bei Stuttgart 21 nicht möglich.    
  • Beim Kopfbahnhof können die Reisenden barrierefrei ohne elektrische Hilfsmittel über den Querbahnsteig umsteigen. Bei Stuttgart 21 ist dies nicht möglich. Dort benötigt man für das Umsteigen elektrische Hilfsmittel wie z.B. Aufzüge mit all ihren Problemen.
  • Beim Kopfbahnhof können sich die Reisenden einschließlich der behinderten Reisenden bei einem Brandfall selbst barrierefrei evakuieren. Der Rauch zieht nach oben ab, also weg von den Reisenden. Bei Stuttgart 21 müssen die Reisenden im Brandfall Treppen nach oben steigen, genau dorthin, wohin auch der Rauch wandert.
  • Der modernisierte Kopfbahnhof mit seinen in moderner, angepasster Form wiederaufgebauten Seitenflügeln wird wieder zur architektonischen Landmarke des Stuttgarter Talkessels. Bei Stuttgart 21 hätte man lediglich einen austauschbaren, hässlichen Platz mit Betonaufbauten.
  • Mit dem modernisierten Kopfbahnhof kann der Mittlere Schlossgarten wiederhergestellt werden und zum Hauptbahnhof-Südflügel hin arrondiert werden. Damit ist das von der Stadtverwaltung einst so hochgelobte Grüne U wiederhergestellt. Bei Stuttgart 21 würde auf Dauer eine tiefe Zäsur im Grünen U bleiben.
  • Mit dem modernisierten Kopfbahnhof können viele Hektar nicht mehr benötigter Gleisfläche ab sofort, also in den Jahren 2014 bis 2025 bebaut werden. Genau in diesem Zeitraum ist die Nachfrage nach Wohn- und Arbeitsflächen am größten. Bei Stuttgart 21 könnten die Flächen frühestens ab dem Jahr 2025 bebaut werden, zu einer Zeit, zu der möglicherweise gar kein Bedarf an zusätzlichen Gebäuden mehr besteht. 
Die Bahn wird den wichtigen Stuttgarter Hauptbahnhof niemals vom Fernverkehr abhängen 
Kommen wir nun zum zweiten Angstargument Kaufmanns, dem Abgehängtwerden Stuttgarts vom Fernverkehr.

Es gibt ja bei den Mitarbeitern der Bahn ein lustiges Sprichwort: "Der beste Betrieb ist immer noch der Betrieb ohne Fahrgäste". Nur wenn sich die Bahn diese Devise zu eigen machen würde, würde sie mit ihren Fernzügen an Stuttgart vorbeifahren.

Der Stuttgarter Hauptbahnhof gehört zu den 21 Bahnhöfen der höchsten Bahnhofskategorie der DB Station & Service (Quelle: wikipedia). Was den Fernverkehr anbetrifft, lag der Stuttgarter Hauptbahnhof im Jahr 1939 auf Rang 18 der meistbelasteten Knoten der Deutschen Reichsbahn. Im Jahr 1989 war der Stuttgarter Hauptbahnhof auf Rang 15 der bedeutendsten Fernverkehrsbahnhöfe der Deutschen Bundesbahn. Im Jahr 1996 lag der Stuttgarter Hauptbahnhof bereits auf Rang 7 der bedeutendsten Fernverkhrsbahnhöfe Deutschlands. Im Jahr 2004 hatte der Bahnhof den Rang 11 inne. (Quelle: wikipedia).

Wenn also die Bahn auch in Zukunft Fahrgäste befördern will, wird sie ihre Fernzüge tunlichst in Stuttgart und am Stuttgarter Hauptbahnhof anhalten lassen.

Es geistert ja immer wieder ein Vorschlag durch die Medien oder durch das Internet, wonach die Fernzüge zukünftig entlang der A8 fahren sollen und nur noch am Flughafen halten sollen. Der bestehende Kopfbahnhof wäre dann nur noch für den Regionalverkehr reserviert. Dieser Vorschlag lässt einen ganz wichtigen Sachverhalt unbeachtet.

Fernverkehr und Regionalverkehr gehören zusammen
Es ist vielleicht gar nicht so sehr der Umstand, dass die Stuttgarter Reisenden bei einem Fernverkehrshalt ausschließlich am Flughafen im Durchschnitt längere An- und Abreisewege zurückzulegen hätten. Das entscheidende Argument gegen einen Fernverkehrshalt am Flughafen besteht darin, dass der Fernverkehr und der Regionalverkehr vielfach vernetzt sind und eine verkehrliche Einheit bilden. Gerade bei einem Bahnknoten wie Stuttgart mit einem starken Fernverkehr, aber auch mit einem starken Regionalverkehr aus dem ganzen Bundesland müssen die Fernzüge und die Regionalzüge an demselben Bahnhof anhalten.

Viele Fahrgäste des Fernverkehrs werden mit Regionalzügen erst einmal zum Fernverkehrshalt gebracht bzw. von dort zurückgebracht. Ohne die Regionalzüge als Zubringer funktioniert der Fernverkehr an einem Bahnknoten wie Stuttgart nicht.

Es bleibt jetzt noch die Frage, weshalb es in Frankfurt/Main einen Fernverkehrs-Durchgangsbahnhof am Flughafen gibt und weshalb es dort zwei ICE-Linien gibt, die nur den Flughafenbahnhof, nicht aber den Hauptbahnhof anfahren.

Die Verhältnisse in Frankfurt sind vollkommen anders als in Stuttgart. Wegen der zentralen Lage Frankfurts in Deutschland verkehren dort wesentlich mehr Fernverkehrslinien als in Stuttgart. Durch die Führung von zwei Fernverkehrslinien in Frankfurt nur über den Flughafen ohne Bedienung des Hauptbahnhofs wird dem Frankfurter Hauptbahnhof überhaupt nichts weggenommen . Alle Ziele, die mit den über den Flughafen verkehrenden Fernzügen erreichbar sind, sind auch vom Frankfurter Hauptbahnhof durch die Benutzung anderer Fernverkehrslinien erreichbar.

Diese betriebliche Konfiguration lässt sich nicht auf Stuttgart übertragen. In Stuttgart verkehren nicht genügend Fernverkehrslinien, als dass sich eine Aufteilung der Fernzüge auf den Flughafen und auf den Hauptbahnhof darstellen ließe.

Fazit
Wir freuen uns auf die Modernisierung und auf den etapierbaren Ausbau des Kopfbahnhofs und des Bahnknotens Stuttgart. Und wenn Stefan Kaufmann noch ein paarmal über die Sache schläft und seine Argumente ordnet, wird er sich vielleicht auch bald über die Zukunft in der Nach-Stuttgart 21-Zeit freuen.            

    

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