Samstag, 24. November 2012

Der neue Lufthansa-Flugplan zeigt: S21 und NBS sind die größten Fehlplanungen in der Geschichte der Eisenbahn

Die Lufthansa hat mit dem jetzt gültigen Winterflugplan den minutengenauen Stundentakt bei ihren Flügen zwischen Frankfurt und Berlin, Frankfurt und Hamburg sowie Frankfurt und München eingeführt.

Die Flüge von Frankfurt nach Berlin starten von 7 Uhr bis 21 Uhr jede Stunde zur Minute 55. Während der Berufsverkehrszeiten gibt es sogar einen Halbstundentakt. Zusätzlich fliegen in dieser Relation auch noch Flugzeuge der Air Berlin. Die Flüge von Frankfurt nach Hamburg starten von 08 Uhr bis 21 Uhr jede Stunde zur Minute 05. Auch hier gibt es zeitweise sogar einen Halbstundentakt. Schließlich starten die Flüge von Frankfurt nach München von 7 Uhr bis 21 Uhr jede Stunde zur Minute 05, ebenfalls mit einem zeitweisen Halbstundentakt.

Mit diesem neuen Betriebsprogramm nähert sich die Lufthansa auf den wichtigen innerdeutschen Strecken ab Frankfurt dem Betriebsprogramm an, das im ICE-Verkehr seit Jahren gefahren wird, nämlich eine stündliche Fahrtmöglichkeit jeweils zur gleichen Minute zu bieten. Was aber noch wesentlich wichtiger ist: Mit diesem neuen Betriebsprogramm stellt die Lufthansa die einseitige Ausrichtung der Bahninvestitionen in einen Hochgeschwindigkeitsverkehr mit Geschwindigkeiten von 250 bis 300 km/h in Frage. Zudem zeigt das neue Betriebsprogramm der Lufthansa, dass die Prämissen für Stuttgart 21 und die NBS Wendlingen-Ulm vollständig falsch sind und diese beiden Projekte damit wohl die größten Fehlplanungen in der Geschichte der Eisenbahn werden.


Einseitige Investitionsausrichtung auf den Hochgeschwindigkeitsverkehr 
Immer wieder hat die Bahn ihre hohen Investitionen in das Hochgeschwindigkeitsnetz und die damit verbundene Vernachlässigung des Regionalverkehrs damit begründet, dass nur bei Fahrzeiten unterhalb von 3 bis maximal 4 Stunden nennenswert Reisende vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen. Auch während des Sach- und Faktenchecks zu Stuttgart 21 unter Heiner Geißler wurde zum Beispiel Bahnvorstand Kefer nicht müde zu betonen, dass bei einer Fahrzeit zwischen zwei Städten von drei Stunden mit der Bahn der Flugbetrieb entbehrlich werde. Selbst Fahrzeiten von 4 Stunden mit der Bahn würden noch toleriert, weil die Reisenden bei der Bahn ja zum Beispiel ständig am Computer arbeiten könnten, was im Flugzeug ja nicht möglich ist.

Der neue Flugplan der Lufthansa widerlegt all diese Behauptungen. Denn in den Relationen Frankfurt-Berlin, Frankfurt-Hamburg und Frankfurt-München hat die Bahn heute diejenigen Reisezeiten, die laut Kefer erforderlich sind, um den Flugverkehr entbehrlich werden zu lassen. Zwischen Frankfurt und Berlin hat man eine stündliche Fahrgelegenheit mit der Bahn mit einer Fahrzeit von 4 Stunden 08 Minuten. Zwischen Frankfurt und Hamburg gibt es eine stündliche Fahrgelegenheit mit einer Fahrzeit von 3 Stunden 37 Minuten.

Eine weitere Verkürzung der Bahnreisezeiten zwischen Frankfurt und Hamburg und zwischen Frankfurt und Berlin ist in den nächsten Jahrzehnten nicht zu erwarten. Nun haben wir also hier die Situation, dass entgegen der Prognose der Bahn der Flugverkehr bei attraktiven Fahrzeiten der Bahn nicht abnimmt oder sogar ganz eingestellt wird. Im Gegenteil erweitert die Lufthansa sogar ihr Flugangebot zwischen diesen Städten und macht es mit der Einführung des minutengenauen Stundentakts sogar noch attraktiver in der Art einer Luftbrücke. 

Prämisse für Hochgeschwindigkeitsstrecken der Bahn ist entfallen
Damit ist jedoch eine der wichtigsten Prämissen, die bisher als Rechtfertigung für die exorbitant hohen Investitions- und Unterhaltskosten für Neubaustrecken (Hochgeschwindigkeitsstrecken) der Bahn gegolten hat, entfallen. Und als Folge muss es zukünftig für den Ausbau des Bahnnetzes ganz andere Prämissen geben.

Kommen wir nun zur Relation Frankfurt-München. Denn in diesem Zusammenhang werden jetzt S21 und die NBS Wendlingen-Ulm interessant. Zwischen Frankfurt und München hat die Bahn zur Zeit eine Fahrzeit von 3 Stunden 18 Minuten. Diese Fahrzeit gilt für die Fahrt über Nürnberg. Fährt man über Stuttgart, ergibt sich eine Fahrzeit von 3 Stunden 33 Minuten. Die Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm beträgt zur Zeit 55 Minuten. Mit S21 und der NBS würde die Fahrt zwischen Stuttgart und Ulm 28 Minuten betragen, also eine Reduzierung um 27 Minuten. Die Fahrzeit zwischen Frankfurt und München über Stuttgart verkürzt sich also auf 3 Stunden 6 Minuten und ist damit kürzer als die Fahrzeit über Nürnberg.

Nun gibt es aber bei einem Vergleich mit den Fahrzeiten zwischen Frankfurt und Hamburg bzw. zwischen Frankfurt und Berlin eine ganz klare Schlussfolgerung. Die mit S21 und der NBS etwas kürzere Fahrzeit zwischen Frankfurt und München gegenüber den heutigen Werten wird kein einziges Flugzeug in dieser Relation am Boden lassen. Im Gegenteil: die als Folge von S21 und der NBS stark steigenden Fahrpreise werden noch mehr Reisende in die Flugzeuge locken.

Und darauf zu hoffen, dass sich diese Angelegenheit mit zukünftig steigenden Kerosinpreisen von selbst verledigt, kann vergeblich sein. Denn gerade in den letzten Wochen erreichen uns Nachrichten, dass etwa die USA wegen verbesserter Fördertechniken und neuer Ölfunde in 15 Jahren sogar zum Selbstversorger beim Erdöl werden. Auch wenn ich selbstverständlich diese Nachrichten nicht bewerten kann, so gibt es doch eine Wahrscheinlichkeit, dass es mittelfristig keine weiter steigenden Kerosinpreise geben wird.

S21 und die NBS Wendlingen-Ulm erweisen sich als grandiose Fehlplanung
Die einseitige Ausrichtung der Bahn auf den Hochgeschwindigkeitsverkehr und auf die Konkurrenz zum Flugzeug erweist sich immer mehr als grandiose Fehlplanung. Für S21 und für die NBS Wendlingen-Ulm gab es zwei Prämissen, die wenig demokratisch von einem ganz kleinen Kreis festgelegt wurden. Erstens sollte der Landesflughafen an das ICE-Netz angeschlossen werden. Zweitens sollte zwischen Stuttgart und Ulm eine möglichst hohe Geschwindigkeit möglich sein, um Verkehr vom Flugzeug abzuwerben.

Beide Prämissen sind aus heutiger Sicht vollkommen falsch. Erschwerend kommt hinzu, dass es für den Ausbau des Bahnknotens Stuttgart und des Bahnkorridors Stuttgart-Ulm ganz andere Prämissen gibt, die seinerzeit überhaupt nicht berücksichtigt wurden und die mit großer Wahrscheinlichkeit wesentlich gewichtiger sind als die beiden gewählten Prämissen.

Eine dieser bisher nicht berücksichtigten Prämissen hebt darauf ab, dass 95 Prozent aller Fahrten im Entfernungsbereich von 50 Kilometer oder weniger stattfinden. Es täte der Bahn also gut, ihre Investitionen auf diese überwältigende Mehrzahl der Fahrtwünsche zu konzentrieren. 

Eine weitere Prämisse ist, dass der Güterverkehr von der Autobahn auf die Schiene verlagert werden soll, aber gleichzeitig auch der Güterverkehrslärm reduziert werden soll. Es täte der Bahn also gut, ihre Investitionen für diese beiden Ziele zu reservieren.

Und eine dritte Prämisse ist selbstverständlich, dass die Bahn gute und attraktive Verbindungen zwischen den deutschen Städten anbieten soll. Aber hierzu braucht man keine Geschwindigkeit von 250 oder 300 km/h. Da reichen 200 oder teilweise auch 160 km/h vollkommen aus. Und zur Attraktivität einer Verbindung gehören auch der Fahrpreis und die Taktfolge. Was nutzt eine exorbitant teure Neubaustrecke Wendlingen-Ulm, wenn wegen der gestiegenen Fahrpreise sich die Mehrzahl der Bevölkerung eine ICE-Fahrt gar nicht mehr leisten kann? Und besser als der Stundentakt ist der Halbstundentakt. Es täte der Bahn also gut, nach Schweizer Vorbild den Halbstundentakt zwischen den deutschen Städten einzurichten.

Eines ist klar: unter der Berücksichtigung der genannten Prämissen sieht ein Ausbau des Bahnknotens Stuttgart und des Bahnkorridors Stuttgart-Ulm vollkommen anders aus als dies durch Stuttgart 21 und die NBS Wendlingen-Ulm geschieht. Nach dem Aus für diese beiden Projekte gilt es also, das Rad herumzuwerfen und einen Ausbau im Sinne der Eisenbahn und der Bevölkerung anzugehen.                                   

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