Sonntag, 8. Juli 2012

Stuttgart 21 stirbt in Raten

Noch ist es zu früh, in Freudentaumel ob des bevorstehenden Endes von Stuttgart 21 zu verfallen. Das Ergebnis des sogenannten Filderdialogs, nach dem sich die überwältigende Mehrheit der Teilnehmer gegen die Antragstrasse der Bahn auf den Fildern und für die unter anderem von Verkehrsminister Hermann favorisierte Führung der Gäubahn über Stuttgart-Vaihingen ausgesprochen hat, lässt jedoch auf ein Ende von Stuttgart 21 in Raten hoffen.


Zwar sind die Bahn und die Projektbetreiber von Stuttgart 21 nicht an die Empfehlungen des Filderdialogs gebunden. Jedoch ist es kaum denkbar, dass die Bahn die Ergebnisse dieses im Vorfeld als Muster der Bürgerbeteiligung hochstilisierten Filderdialogs ignorieren kann. Ein Aufschrei in der Bevölkerung wäre sonst die Folge. Und die Bahn weiß ganz genau, dass ihre beantragte Trasse auf den Fildern mit einem Mischverkehr zwischen S-Bahn und Fern-/Regionalzügen, mit einer Führung des Fernverkehrs durch Leinfelden und Echterdingen, mit einem Rückbau des bestehenden Haltepunkts Flughafen in zwei eingleisige Bahnhöfe, mit verschiedenen höhengleichen Gleiskreuzungen, mit dem zu engen Trassenquerschnitt für die Fernzüge, mit einer Verlängerung der Fahrzeit der Gäubahn gegenüber heute, mit einer Zunahme der Verspätungen auf der Gäubahn und mit einer nicht ausreichenden Trassenkapazität für einen zukünftigen Halbstundentakt nicht genehmigungsfähig ist. 

Zudem wären jahrlange Gerichtsverfahren bei einem Festhalten an der Antragstrasse die Folge - und das nicht nur seitens der Bürger, sondern auch angetrieben von den Kommunen auf den Fildern. Und es ist zu hoffen, dass der BW-Verkehrsminister Hermann notfalls sein Veto einlegen wird, sollten die anderen Projektpartner von Stuttgart 21 auf einer anderen als auf der von den Bürgern favorisierten Trasse bestehen. Damit ist er zwar möglicherweise für eine kurze Zeitdauer der Buhmann in gewissen Kreisen. Jedoch hätte er mit diesem Verhalten die Verdienstmedaille des Landes BW verdient. Denn die von der Bahn bevorzugte Trasse ist nicht umsetzbar und würde die Region Stuttgart weitere wertvolle Jahre Stillstand kosten.  

Drei Schritte bis zum Ende von Stuttgart 21
Das Ende von Stuttgart 21 in Raten könnte in drei Schritten ablaufen. Der Schritt Nummer eins ist jetzt wohl mit der Wahl der richtigen Gäubahntrasse auf den Fildern unter Dach und Fach. Damit ist ein Drittel von Stuttgart 21 ad acta gelegt. Der zweite Schritt zum Stopp von Stuttgart 21, also das zweite Drittel, wird dann realisiert werden, wenn man einsieht, dass die Anbindung der Gäubahn an den Tiefbahnhof von Stuttgart 21 mittels einer Tunnelschleife Humbug ist und dass die Gäubahn viel besser und einfacher an den bestehenden Kopfbahnhof angebunden werden sollte. Zudem muss der Kopfbahnhof sowieso erhalten bleiben, nicht nur für die Aufnahme der Züge von Wettbewerbern der Bahn, sondern auch wegen der nicht ausreichenden Leistungsfähigkeit des geplanten Tiefbahnhofs. Damit wären dann zwei Drittel von Stuttgart 21 erledigt. Und der Schritt Nummer drei ist dann erreicht, wenn die Politiker realisieren, dass bei einem Erhalt des Kopfbahnhofs der geplante Tiefbahnhof eigentlich überflüssig ist und nur Nachteile beinhaltet. Damit wären dann drei Drittel von Stuttgart 21 (und das ist, wenn ich richtig rechne gleich eins, also das Ganze, ganz Stuttgart 21) Geschichte geworden.

Nun gilt es jedoch - und das ist eine ganz wichtige Aufgabe für die große Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 - mit allen legalen Mitteln zu verhindern, dass die Bahn versucht, vor dem Erreichen des dritten Schrittes zum Ende von Stuttgart 21 unumkehrbare Tatsachen zu schaffen. Dazu gehört, dass die Bahn versucht, die Bauarbeiten für den Tiefbahnhof von Stuttgart 21 sowie für die Tunnel von Stuttgart 21 zu starten, bevor die Schritte zwei und drei des Endes von Stuttgart 21 wirksam werden.

Das Fenster für die Zukunft der Bahn in der Region Stuttgart ist geöffnet
Mit der Führung der Gäubahn über S-Vaihingen und der Einrichtung eines Bahnknotenpunkts in S-Vaihingen wird zum ersten Mal konkret das Fenster für eine gute Zukunft der Bahn in der Region Stuttgart geöffnet. Anstatt mit Stuttgart 21 ein Projekt durchzusetzen, das von Lokalpolitikern mit Minderwertigkeitskomplex gegen den Willen der Bürger und fast aller Bahnfachleute durchgepeitscht werden sollte, wird jetzt ein Ausbau der Bahn in der Region Stuttgart begonnen, der sich an das anlehnt, was auch in anderen Regionen der Welt stattfindet.

Mit dem neuen Umsteigebahnhof Stuttgart-Vaihingen erhält der Westen von Stuttgart eine ähnliche Umsteigedrehscheibe wie sie der Osten mit Bad Cannstatt bereits hat. Und die Fildern erhalten einen wichtigen Bahnknotenpunkt, der nicht irgendwo abseits ist an einer Stelle, wo niemand wohnt. Es gibt auf den Fildern keinen besseren Ort für einen Bahnknotenpunkt als in S-Vaihingen. Dort leben die meisten Einwohner, dort sind die meisten Arbeitsplätze, dort sind die meisten Ausbildungsplätze und dort kommen die meisten Stadtbahn-, S-Bahn- und Buslinien zusammen. 

Und auch die Probleme der S-Bahn in der Region Stuttgart, die zu kurze Netzlänge, die Überlastung der Stammstrecke und das Fehlen schneller Express-Verbindungen, kann mit der jetzt gewählten Führung der Gäubahn über S-Vaihingen einer Lösung nähergebracht werden. Die jetzt möglich gewordene Express-S-Bahn vom Kopfbahnhof über S-Vaihingen, den Flughafen und Wendlingen nach Plochingen wird die Anbindung des Flughafens an das Bahnnetz revolutionieren, das S-Bahnnetz in der Region Stuttgart einen ganz großen Schritt voranbringen, die Stammstrecke im Talkessel entlasten und schnellere Verbindungen für Tausende von Pendlern ermöglichen. Ein Ausbau der Autobahn A8 auf acht Spuren zwischen Wendlingen und dem Kreuz Vaihingen wird dann überflüssig werden. Und all das ist mit einem Bruchteil der Kosten von Stuttgart 21 zu haben.

Es gilt also, zuversichtlich zu sein. Noch ist kein Freudentaumel angesagt, aber es gibt gute Hoffnung, dass Stuttgart, die Region Stuttgart, das Land BW und die Bahn doch noch auf den richtigen Weg finden werden. Und dabei sollten sie von der Bürgerbewegung gegen Stuttgart 21 tatkräftig unterstützt werden.

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