Die jetzt von SSB-Vorstand Arnold präsentierten Pläne für zusätzliche Zulaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof und einen zusätzlichen Kopfbahnhof in Tieflage gehen einen entscheidenden Schritt hin in Richtung Kombibahnhof für den Stuttgarter Hauptbahnhof sowie einen entscheidenden Schritt hin zu einem Stuttgarter Hauptbahnhof, der sowohl bei den Zulaufgleisen als auch bei den Bahnsteiggleisen leistungsfähiger ist als das bisherige Projekt Stuttgart 21.
Es mag sein, dass SSB-Vorstand Arnold wegen der bevorstehenden ca. vierjährigen schweren Beeinträchtigungen des Stadtbahnverkehrs in Stuttgart als Folge des Projekts Stuttgart 21 jetzt in Zugzwang geraten ist und unbedingt Luft aus dem Stuttgart 21-Kessel lassen musste. Es mag auch sein, dass Arnold jetzt die Unfahrbarkeit der Gäubahnführung über die Fildern realisiert hat und mit dem Vorschlag der Führung der Metropolexpress-Züge der Gäubahn über S-Vaihingen und die Panoramastrecke auch hier Druck aus dem Stuttgart 21-Kessel herauslassen musste.
Solche Vermutungen treten aber jetzt in den Hintergrund. Denn auf die Ergebnisse kommt es an. Wir wollen im heutigen Artikel in diesem Blog diejenigen Kritikpunkte an Stuttgart 21 nennen, die mit dem neuesten Arnold-Vorschlag zur Zufriedenheit gelöst werden. Wir wollen aber auch weitere Punkte nennen und die Sache mit dem Kombibahnhof einschließlich eines oberirdischen Kopfbahnhofs mit ca. 10 Gleisen vom Ende her denken. Hierzu wollen wir noch einmal Punkt für Punkt aufführen, warum einem Kombibahnhof mit oberirdischem, ca. 10gleisigem Kopfbahnhof sowohl verkehrstechnisch als auch städtebaulich der Vorzug zu geben ist.
Metropolexpress-Züge der Gäubahn halten in S-Vaihingen
Die Metropolexpress-Züge der Gäubahn halten gemäß dem neuen Vorschlag in S-Vaihingen. Dort gehören diese Züge auch hin. S-Vaihingen ist verkehrstechnisch fast das Zentrum des Filderraums. Dort fahren S-Bahn, Stadtbahn, Bus und zukünftig auch die Metropolexpress-Züge. Zwei Universitäten, riesige Industriegebiete und weit über 100.000 Einwohner werden direkt über S-Vaihingen angebunden. Am Flughafen haben die Metropolexpress-Züge der Gäubahn nichts zu suchen.
Die Zufahrt Zuffenhausen bekommt insgesamt sechs Gleise
Gemäß dem neuen Vorschlag erhält die Zufahrt Zuffenhausen neben den beiden S-Bahngleisen und neben den beiden in den Feuerbacher Tunnel führenden Fern-/Regionalbahngleisen zwei weitere Gleise, die durch den bestehenden Pragtunnel zu einem neuen Kopfbahnhof führen sollen.
Das ist richtig und eine absolute Notwendigkeit. Mehr als einmal haben wir in diesem Blog auf die Probleme der Zufahrt Zuffenhausen hingewiesen. Die Zufahrt Zuffenhausen hat sowohl bei der Nachfrage nach Fernverkehrsleistungen als auch bei der Nachfrage nach Regionalverkehrsleistungen einen Anteil von ca. 40 Prozent an der Gesamtnachfrage nach Bahnverkehrsleistungen zum Bahnknoten Stuttgart. Eine zweigleisge Zufahrt zu einem Bahnknoten, die von Fern- und Regionalzügen befahren wird, kann aber nicht mehr als 12 bis 13 Züge pro Stunde und Richtung bedienen. Das wird bereits heute im Berufsverkehr in der Zufahrt Zuffenhausen erreicht. Es gibt in Deutschland und in Europa keine Zufahrt zu einem Bahnknoten, die von mehr als 13 Zügen pro Stunde und Richtung befahren wird. Stuttgart 21 hätte mit einer nur zweigleisigen Fern-/Regionalverkehrszufahrt Zuffenhausen keinerlei Leistungssteigerung gegenüber dem heutigen Zustand gebracht.
Der Stuttgarter Hauptbahnhof bekommt zusätzliche Bahnsteiggleise
Mit dem Vorschlag für einen neuen unterirdischen Kopfbahnhof erhält der Stuttgarter Hauptbahnhof zusätzlich zu den bisher geplanten acht Bahnsteiggleisen im Durchgangsbahnhof weitere Bahnsteiggleise im Kopfbahnhof. Damit wird die Leistungsfähigkeit des Bahnknotens Stuttgart im Vergleich zu den bisherigen Planungen erhöht. Die bisher im Durchgangsbahnhof geplanten Doppelbelegungen dürften sich damit vermeiden lassen.
Die Vorschläge können nur ein erster Schritt für einen besseren Bahnknoten Stuttgart sein
Die bisher bekannten Vorschläge lösen längst noch nicht alle Probleme von Stuttgart 21. Die Kombilösung mit einem ca. 10gleisigen oberirdischen Kopfbahnhof, wie sie hier in diesem Blog schon wiederholt vorgeschlagen worden ist, kann wesentlich mehr Probleme von Stuttgart 21 lösen.
Mit einiger Verwunderung bleibt festzustellen, dass der Kombibahnhof bei vielen Stuttgart 21-Befürwortern immer noch ein rotes Tuch zu sein scheint. Unvergessen ist die schroffe Ablehnung des Kombibahnhofs, wie sie z.B. Thomas Bopp, der Regionalpräsident des Verbands Region Stuttgart, sofort nach Bekanntwerden des entsprechenden Vorschlags von Heiner Geißler und Werner Stohler zum Ausdruck gebracht hat. Auch SSB-Vorstand Arnold hat den Kombibahnhof in einer vom damaligen OB Wolfgang Schuster eingesetzten Expertenkommission klar abgelehnt.
Möglicherweise ist diesen und anderen Personen die ganze Tragweite eines Kombibahnhofs mit einem ca. 10gleisigen oberirdischen Kopfbahnhof noch nicht klar. Deshalb gilt es jetzt, weitere Punkte aufzuzählen, die möglicherweise bisher nicht richtig gedacht worden sind.
Die Bahnsteigbreite des Tiefbahnhofs kann von 10 auf 12,5 Meter vergrößert werden
Ein Kombibahnhof mit einem 10gleisigen, oberirdischen Kopfbahnhof ermöglicht es, die Zahl der Bahnsteiggleise im Tiefbahnhof von geplanten acht auf sechs zu reduzieren. Bei gleichbleibender Breite des Tiefbahnhofs kann damit die Bahnsteigbreite vergrößert werden. Die heute geplante Bahnsteigbreite von nur 10 Metern ist nicht ausreichend für einen zukünftigen ICE-Massenverkehr. Die bei den Treppenaufgängen verbleibende Bahnsteigbreite ist fast schon gefährlich schmal. Die Bahnsteigbreite der Zürcher Durchmesserlinie beträgt 12,50 Meter. Diese Bahnsteigbreite lässt sich im Stuttgarter Tiefbahnhof als Folge einer Reduzierung der Gleise von acht auf sechs ebenfalls erreichen.
Die größere Bahnsteigbreite im Tiefbahnhof dürfte die bestehenden Brandschutz- und Entrauchungsprobleme ein Stück weit entschärfen. Zu diesem Thema kommen wir weiter unten aber noch einmal.
Das übergroße Gefälle im Tiefbahnhof verliert seinen Schrecken
Das Gefälle der Gleise im Tiefbahnhof ist sechsmal so groß, wie nach nationalem Recht für Bahnhöfe vorgeschrieben. Zur Zeit hilft man sich dadurch aus der Patsche, dass man sagt, der zukünftige Stuttgarter Hauptbahnhof ist gar kein Bahnhof, sondern nur ein Haltepunkt.
Mit einem oberirdischen Kopfbahnhof steht bei einem Kombibahnhof eine Alternative zu den geneigten Gleisen des Tiefbahnhofs zur Verfügung. Züge, die in Stuttgart beginnen und enden, sowie Züge die in Stuttgart ge- oder entkuppelt werden, können zukünftig den Kopfbahnhof anfahren. Verkehrsunternehmen, die ihren Lokführern die Probleme mit den geneigten Gleisen im Tiefbahnhof nicht zumuten wollen, können ihre Züge grundsätzlich in den Kopfbahnhof führen.
Nur der oberirdische Kopfbahnhof bietet ausreichende Redundanz
Der oberirdische Kopfbahnhof kann auch bei Störungen in den Tunnelanlagen und bei Sperrungen von Tunneln wertvolle Dienste leisten. Mit dem oberirdischen Kopfbahnhof kann der Stuttgarter Hauptbahnhof auch weiterhin von Dieselfahrzeugen angefahren werden. Ohne oberirdischen Kopfbahnhof hätte der Bahnknoten Stuttgart keine ausreichende Redundanz.
Wolframstraße
Die Wolframstraße wird zukünftig bei der Einmündung der Nordbahnhofstraße höher liegen als heute. Der Grund ist der darunterliegende neue S-Bahntunnel Hauptbahnhof-Mittnachtstraße, der über das heutige Straßenniveau hinausragen wird. Die höhere Lage der Wolframstraße bereitet zusammen mit der heute bestehenden, angrenzenden Bahnunterführung der Wolframstraße Höhenprobleme. Beim Kombibahnhof mit einem 10gleisigen oberirdischen Kopfbahnhof sind diese Höhenprobleme jedoch beherrschbar. Denn im Vergleich zu heute wird die Bahnunterführung der Wolframstraße drastisch kürzer werden. Über diese Bahnunterführung werden nur noch sechs unmittelbar nebeneinanderliegende Gleise führen. Diese Gleise werden nahe des Schlossgartens geführt werden. Damit wird es möglich, die Gradiente der Wolframstraße so auszubilden, dass sie nach der Überquerung des S-Bahntunnels auf das Niveau unter der Bahnunterführung herabgesenkt werden kann.
Wegfall von Rohrer Kurve, Mischbetrieb auf den Fildern und Gäubahn-Flughafenbahnhof
Im Gegensatz zum bisher vorliegenden Vorschlag sollen alle Züge der Gäubahn über die Panoramastrecke zum Kopfbahnhof fahren. Damit können die problemtische Rohrer Kurve, der Mischbetrieb zwischen Rohr und Flughafen sowie der eingleisige Flughafenbahnhof der Gäubahn entfallen. Es müsste doch selbst den eingefleischtesten Stuttgart 21-Befürwortern ein Stein vom Herzen fallen, wenn diese problematischen Teile von Stuttgart 21 entfallen können.
Die ministerielle Ausnahmegenehmigung für den Mischbetrieb zwischen Rohr und dem Flughafen läuft bereits in den Dreißiger Jahren aus. Im Bereich der Kurve bei Leinfelden gibt es Gerüchte über ein bevorstehendes Begegnungsverbot von ICE. Die Sicherheitsräume entlang dieser nur für den S-Bahnbetrieb gebauten Strecke sind zu klein. Durch den Wegfall dieser problematischen Streckenteile spart man auch eine Menge Geld, das dringend für die Kombilösung gebraucht wird.
Zufahrt Bad Cannstatt zum Kopfbahnhof
Die jetzt vorgelegten Pläne sehen zwei Gleise der Gäubahn und zwei Gleise der Zufahrt Zuffenhausen zu einem neben dem Tiefbahnhof gelegenen Kopfbahnhof vor. Es müssen aber auch zwei Gleise der Zufahrt Bad Cannstatt zum Kopfbahnhof geführt werden. Hier muss entweder die Planung des Cannstatter Tunnels so geändert werden, dass dieser direkt zum Kopfbahnhof geführt wird. Oder es muss eine Abzweigung vom Cannstatter Tunnel zum Kopfbahnhof eingerichtet werden.
Die Zufahrt von Bad Cannstatt zum Kopfbahnhof ist wichtig, damit die von der Gäubahn und von Zuffenhausen kommenden Züge über den Kopfbahnhof weiter zu den Abstellanlagen in Untertürkheim und anderswo fahren können. Die Zufahrt von Bad Cannstatt ist auch erforderlich, um bei Bedarf den Zügen der Gäubahn die Durchbindung in Richtung Bad Cannstatt (z.B. Zürich-Nürnberg) zu ermöglichen.
Die Zufahrten zum Kopfbahnhof werden zukünftig auf einem tieferen Niveau liegen
Die Zufahrten der Gäubahn und von Zuffenhausen zum Kopfbahnhof werden zukünftig nicht mehr auf hohen Bahndämmen, sondern auf einem tieferen Niveau liegen. Das heutige sogenannte Gleisgebirge (Überwerfungsbauwerke) wird entfallen. Es wird nicht mehr benötigt. Damit werden die Bahnanlagen zwischen Nordbahnhof und Hauptbahnhof zukünftig eine wesentlich kleinere trennende Wirkung entfalten und sich besser in das Stadtgefüge einpassen.
Zahlreiche Flächen können bebaut werden
Das Weiterbestehen eines zehngleisigen Kopfbahnhofs ermöglicht zusammen mit dem Tieferlegen der Zufahrten der Gäubahn und von Zuffenhausen sowie dem Wegfall des Abstell- und Wartungsbahnhofs sowie einem wesentlich kleineren und kompakteren Gleisvorfeld die Bebauung zahlreicher Flächen. Das sind so viele Flächen, dass Stuttgart damit für die kommenden 20 Jahre beschäftigt ist.
Der Tiefbahnhof muss an zwei Stellen nach oben offen sein
Der Tiefbahnhof sollte an zwei Stellen nach oben offen sein. Dafür kommen in Frage der Bereich zwischen dem heutigen Gleis 6 des Kopfbahnhofs und dem Kurt-Georg-Kiesinger-Platz sowie der Bereich unter der früheren Straße "Am Schlossgarten".
Ein zum Teil nach oben offener Tiefbahnhof dürfte alle Brandschutz- und Entrauchungsprobleme auf einen Schlag lösen. Die bisher geplanten Schwall-, Entrauchungs- und Belüftungsbauwerke dürften damit überflüssig werden. Für die Bewohner des angrenzenden Kernerviertels sowie des Kriegsbergs dürften sich als Folge des zum Teil nach oben offenen Tiefbahnhofs gegenüber dem heutigen Zustand keine zusätzlichen Lärmprobleme ergeben.
Alle Groß- und Weltstädte in Europa besitzen in ihren Zentren oberidische bzw. sichtbare Bahnanlagen. Auch Stuttgart braucht sich seiner Bahnanlagen nicht zu schämen. Die Eisenbahn gehört zu einer pulsierenden Metropole dazu. Man braucht sie nicht zu verstecken. Der Blick von oben auf die Züge im Tiefbahnhof entweder direkt von einer benachbarten Brüstung aus oder vom angrenzenden Rand des Stuttgarter Talkessels aus könnte sich sogar zu einer neuen Besucherattraktion entwickeln.
Das bisherige Lichtaugen- und Kelchstützenkonzept für den Tiefbahnhof ist in Frage zu stellen
Unterstellt man, dass der Tiefbahnhof zukünftig an zwei Stellen nach oben offen ist, muss man das gesamte bisherige Abdeckungskonzept für den Tiefbahnhof mit seinen Lichtaugen und Kelchstützen in Frage stellen. Zu diesem Punkt war sogar der frühere Ministerpräsident Mappus gesprächsbereit.
Man benötigt die Kelchstützen und Lichtaugen jetzt nicht mehr. Der Tiefbahnhof kann außerhalb der offenen Bereiche eine einfache Abdeckung erhalten. Damit dürfte auch der optische Wall quer zum Stuttgarter Talkessel entfallen.
Ein Schritt, aber noch nicht der ganze Weg
Die jetzt vorliegenden Vorschläge sind also nur ein Schritt eines längeren Wegs, um das Stuttgart 21-Desaster doch noch in einigermaßen vernünftige Bahnen zu lenken. Ziel muss sein, dass Stuttgart durch sinnvolle und praktikable Änderungen am Projekt Stuttgart 21 doch noch mit einem blauen Auge davonkommt. Man kann nur hoffen, dass verantwortliche Politiker jetzt den gesamten Weg zu schreiten bereit sind.
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