Mit 114.470.000 Euro will die EU das Projekt Stuttgart 21 fördern. Diese Fördermittel sind jedoch auf Grund falscher Angaben zum Projekt Stuttgart 21 beschlossen und eingeplant worden und müssen somit jetzt zurückgezogen werden. Die Fördermittel der EU gründen sich auf Behauptungen zur Leistungsfähigkeit und zu den Fahrzeiten von Stuttgart 21, die sich inzwischen allesamt als falsch erwiesen haben.
Die EU fördert den Aufbau der sogenannten Transeuropäischen Netze (TEN). Zu diesen Netzen gehören als Unterkapitel auch Netze des Transports (TEN-T). Innerhalb der TEN-T gibt es 30 prioritäre Verkehrsprojekte (priority-projects), davon sind 18 Eisenbahnprojekte. Der Bahnkorridor Paris-Bratislava gehört zu diesen 18 Projekten. Er trägt die Nummer 17 (PP 17, priority project 17). Stuttgart 21 wiederum wird als ein Teil des Bahnkorridors Paris-Bratislava betrachtet (Nummer 2007-DE-17200-P).
Die EU will Stuttgart 21 mit über 114 Mio Euro fördern. Sie betrachtet hierbei nicht das gesamte Vorhaben Stuttgart 21 als Teil der Europäischen Netze, sondern nur den für den Fernverkehr Paris-Bratislava erforderlichen Teil (Tunnel Feuerbach anteilig, anteiliger Bahnhofsteil, Fildertunnel anteilig, Strecke vom Fildertunnel bis Wendlingen anteilig). Für diesen Teil von Stuttgart 21 gibt die EU Kosten von 986,2 Mio Euro an. Der Förderbeitrag von über 114. Mio Euro ist somit gemäß der EU-Rechnung ein Förderanteil von 11,61 Prozent am Projekt.
Die Begründung der EU für die Förderung von Stuttgart 21 ist falsch
Die Förderung der EU für Stuttgart 21 wird mit zwei Argumenten begründet. Einerseits wird auf die doppelte Kapazität des Tiefbahnhofs von Stuttgart 21 gegenüber dem bestehenden Kopfbahnhof verwiesen. Andererseits wird auf signifikante Fahrzeitverkürzungen durch Stuttgart 21 für die gesamte Magistrale Paris-Bratislava verwiesen. Beide Argumente sind falsch und verkehren sich bei Berücksichtigung der jetzt vorliegenden neuen Untersuchungen sogar in ihr Gegenteil.
Die Lüge der doppelten Kapazität von Stuttgart 21 gegenüber dem Kopfbahnhof
Beim Thema der Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 wurde gleich dreifach getrickst. Zunächst einmal wurden beim Kopfbahnhof die Sachverhalte der Kapazität und der tatsächlich heute vorhandenen Fahrten durcheinandergebracht. Zum Zweiten wurde die mögliche maximale Kapazität des Stuttgart 21-Tiefbahnhofs maßlos und ohne gesicherte Datengrundlage in die Höhe getrieben.
Und zum Dritten wurde (siehe erster Tag der "Schlichtung" unter Heiner Geißler) von der Bahn die zu erbringende Mehrleistung beim Tiefbahnhof gegenüber dem Kopfbahnhof zunächst nicht für die Spitzenstunde, sondern auf der Grundlage eines ganzen Tages dargestellt. Das führte dazu, dass in der Spitzenstunde zunächst selbst im Modell weniger Züge fuhren als heute. Dafür aber fuhren Geisterzüge mit viel warmer Luft vormittags zwischen 10 und 11 Uhr und nachts durch die Gegend. Als Bahnvorstand Kefer von Heiner Geißler und von Boris Palmer (GRÜNE) darauf hingewiesen wurde, dass dieser Trick durchschaut ist und nicht gilt, tat er ganz überrascht. Er tat so, als sei diese Art von Leistungssteigerung mit der damaligen Landesregierung so vereinbart worden.
Untersuchungen, die auch von der Landesregierung BW bestätigt worden sind, zeigen, dass der bestehende Kopfbahnhof ohne Ausbaumaßnahmen in der Spitzenstunde 50 Züge bewältigen kann. Die in der Begründung der EU genannte Verdoppelung der Kapazität bedeutet somit, dass Stuttgart 21 100 Züge in der Spitzenstunde abfertigen muss. Nun waren aber für Stuttgart 21 niemals mehr als 32 Züge in der Spitzenstunde geplant. Der Eckwert von 32 Zügen pro Stunde muss als die maximal mögliche Verkehrsleistung von Stuttgart 21 bezeichnet werden. Damit ist die Begründung der EU nicht zu 100 Prozent falsch. Sie ist vielmehr zu 312 Prozent falsch.
Stuttgart 21 bringt auch für die Magistrale Paris-Bratislava kaum Fahrzeitverkürzungen
Mögliche Fahrzeitverkürzungen von Stuttgart 21 für die Magistrale Paris-Bratislava teilen sich in Fahrzeitverkürzungen durch verkürzte Haltezeiten im Hauptbahnhof und in Fahrzeitverkürzungen, die aus der Strecke resultieren, auf.
Inzwischen dürfte klar sein, dass die Standzeiten der ICE-Züge im S21-Tiefbahnhof nicht kürzer sein werden als die heute möglichen Mindeststandzeiten von 4 Minuten im Kopfbahnhof. Die Dauer der Standzeiten im Kopfbahnhof resultiert aus den beiden Komponenten der technischen Wendezeit und der Fahrgastwechselzeit. Maßgebend ist die Komponente mit dem höheren Wert. Die wegen der Fahrgastwechselzeit erforderliche Standzeit im Kopfbahnhof ist kaum oder nur unwesentlich kleiner als die technische Wendezeit.
Im Stuttgart 21-Tiefbahnhof ist die technisch bedingte Standzeit wesentlich kleiner als im Kopfbahnhof, weil die Komponente der Wendezeit wegfällt. Maßgebend wird im Tiefbahnhof somit die für den Fahrgastwechsel erforderliche Zeit. Nicht zuletzt durch die Untersuchungen von Dr. Engelhardt und die Vergleiche mit zahlreichen anderen Bahnhöfen in Deutschland und Europa ist inzwischen klar, dass im Knotenbahnhof Stuttgart eine Fahrgastwechselzeit von 3 bis 4 Minuten für Fernzüge unbedingt anzusetzen ist. Bei Stuttgart 21 kommen noch einige Erschwernisse hinzu. Bedingt durch die kleine Breite der Bahnsteige, durch die zahlreichen Einbauten, durch die Engpässe bei den Zugängen zu den Bahnsteigen (Aufzüge, Fahrtreppen) und durch die Halbierung der Zahl der Bahnsteige gegenüber dem Bestand werden sich die Fahrgäste auf den Bahnsteigen wesentlich mehr stauen als heute im Kopfbahnhof. Das aber hat direkte Auswirkungen auf die Dauer der Fahrgastwechselzeit.
Fahrgastwechselzeiten von einer oder zwei Minuten für Fernzüge im Knotenbahnhof Stuttgart, wie sie von einigen Gutachtern für Stuttgart 21 zeitweilig angenommen worden sind, entbehren jeder Grundlage und gehören in das Reich der Märchenstunde. Somit ist ein erstes Fazit zu ziehen: Stuttgart 21 wird in Bezug auf die Standzeiten im Hauptbahnhof nicht zu einer Verkürzung der Fahrzeiten der Achse Paris-Bratislava führen.
Was eventuelle Fahrzeitverkürzungen aus der Strecke betrifft, so ist auch hier bei Stuttgart 21 Fehlanzeige. Im Abschnitt nördlich des Tiefbahnhofs wird der heute bestehende Geschwindigkeitseinbruch im Verlauf der Strecke von Vaihingen/Enz, beginnend im Tunnel Langes Feld bis zum Hauptbahnhof mit einer Länge von ca. 10 Kilometern, durch Stuttgart 21 nicht beseitigt. Stuttgart 21 ist ja nicht, wie uns immer wieder weisgemacht wird, eine Einbindung von Stuttgart in eine Hochgeschwindigkeitsstrecke Paris-Bratislava. Im Gegenteil konserviert Stuttgart 21 für alle Zeiten den durch zahlreiche enge Kurven bedingten Geschwindigkeitseinbruch vom Tunnel Langes Feld über Zuffenhausen und Feuerbach bis zum Hauptbahnhof.
Auch südlich des Hauptbahnhofs bringt Stuttgart 21 kaum Fahrzeitgewinne. Bis die ICE im steilen Fildertunnel auf Touren kommen, braucht es viele Kilometer. Da sind die ICE über die Bestandsstrecke fast gleichschnell unterwegs.
EU muss Fördermittel zurücknehmen
Wenn die EU weiterhin auch für andere Länder (insbesondere Entwicklungsländer) ein Vorbild in Bezug auf gute Regierungsführung, auf das Fernhalten von Korruption, auf die Priorisierung einer sachbezogenen vor einer an anderen Interessen ausgerichteten Projektbegründung bleiben will, muss sie die Fördermittel für Stuttgart 21 zurücknehmen. Denn die für die Förderung dieses Projekts angegebenen Gründe treffen nicht einmal in Ansätzen zu. Sie verkehren sich sogar ins Gegenteil.
Sollte die EU den Ehrgeiz jedoch nicht mehr haben, Vorbild zu sein, muss sie die Fördermittel trotzdem zurücknehmen. Dann muss dies ggf. über den Europäischen Gerichtshof eingeklagt werden. Schließlich gibt es genügend Bahnprojekte in Europa, die tatsächlich eine Erhöhung der Bahnkapazitäten und eine Verkürzung der Fahrzeiten bieten. Und die stets zu knappen Finanzmittel der EU sollten unbedingt für diese Projekte reserviert werden.
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