Montag, 1. August 2011

Welche baulichen und städtebaulichen Nachteile von S 21 beseitigt die Geißlersche Kombilösung?

Im letzten Post ging es um die bahnbetrieblichen Aspekte der von Heiner Geißler vorgeschlagenen Kombilösung. Hierbei wurde klar, dass diese Lösung überraschend viele Nachteile von Stuttgart 21 nicht aufweist. Aber es wurde auch zum wiederholten Male klar, was für ein unsäglicher Murks Stuttgart 21 ist.

Nun geht es um die baulichen und städtebaulichen Aspekte der Kombilösung.



Südflügel
Mit einer gewissen Wahrscheilichkeit kann bei der Kombilösung der Südflugel des Stuttgarter Kopfbahnhofs erhalten bleiben (sowie der bereits abgerissene Nordflügel später wiederaufgebaut werden). Diese Wahrscheinlichkeit leitet sich ab aus der kleineren Breite des Tiefbahnhofs bei der Kombilösung, aus einer etwas anderen Höhenlage des Tiefbahnhofs und aus dem Erhalt des Kopfbahnhofs.

Die Aussicht auf einen Erhalt des Südflügels bei der Kombilösung muss jedoch Verpflichtung für die Bahn sein, diesbezüglich jetzt keine vollendeten Tatsachen zu schaffen und den Südflügel jetzt auf keinen Fall abzureisen. Und es wäre an der Zeit, dass auch die S21-Betonköpfe der SPD, Schmiedel und Schmid, sich diesbezüglich ganz klar äußern. Andernfalls sehe ich für die Zukunft der SPD ganz, ganz schwarz in Baden-Württemberg.

Tunnelbahnhof
Der Tunnelbahnhof wird bei der Kombilösung ganz anders aussehen als bei Stuttgart 21. Die von Ingenhoven geplanten Glasaugen wird es hier nicht geben. Der unter dem Kopfbahnhof gelegene Teil des Tiefbahnhofs wird teilweise nach oben offen sein und somit ganz interessante Blickbeziehungen zwischen Kopfbahnhof und Tiefbahnhof ermöglichen. Für diesen Teil des Tiefbahnhofs wird somit der Tunnelcharakter entfallen. Der außerhalb des Kopfbahnhofs gelegene Tiefbahnhof wird hingegen - ähnlich wie etwa die S-Bahnhaltepunkte Hauptbahnhof oder Stadtmitte - vollständig im Tunnel liegen. Diese Ausführung des Tiefbahnhofs ist architektonisch ansprechender und wird von den Fahrgästen besser angenommen als die Ingenhoven-Lösung bei Stuttgart 21.

Entrauchung
Bei einem Brand im Tiefbahnnhof kann bei der Kombilösung der Rauch schneller nach oben entweichen als bei Stuttgart 21. Dies liegt an den großen nach oben offenen Bereichen des Tiefbahnhofs dort, wo er sich unter dem Kopfbahnhof befindet.

Fluchtwege
Die Lage des Tiefbahnhofs bei der Kombilösung unter dem Kopfbahnhof mit Übergangsbereichen zwischen beiden Bahnhöfen und die größere Breite der Bahnsteige erlauben es, dass neben den Treppen, Fahrtreppen und Aufzügen auch barrierefreie Rampen eingebaut werden, die ggf. im Zick-Zack vom Tiefbahnhof nach oben führen. Somit können sich zum Beispiel Rollstuhlfahrer auch aus eigener Kraft bzw. mit der Schiebehilfe einer Person nach oben bringen.

Wall im Schlossgarten
Beim Projekt Stuttgart 21 gibt es einen zwischen 6 und 14 Meter hohen Wall im Schlossgarten quer zum Stuttgarter Talkessel sowie an seiner engsten Stelle. Diese Abriegelung quer zum Talkessel ähnlich einem Staudamm ist ein städtebauliches No Go, eines der vielen K. O. -Argumente, die Stuttgart 21 entgegenstehen.

Bei der Kombilösung gibt es eine Chance, dass auf diesen Wall verzichtet werden kann. Das muss im Detail aber noch untersucht werden. Die Gründe für den möglichen Verzicht auf den Wall sind: 

  • die Höhenlage der Gleise ist bei der Kombilösung anders als bei Stuttgart 21
  • Oberhalb der Gleise gibt es im Bereich des Schlossgartens keine Fußgängerverteilerebene und ebenso wenig gibt es dort die von Ingenhoven geplanten Augen
  • bei der Kombilösung kann der Tiefbahnhof im Vergleich zu den Stuttgart 21-Planungen um 100 bis 200 Meter in Richtung Feuerbach verschoben werden. Damit wird der Tiefbahnhof vom Mittleren Schlossgarten weggerückt. Im Mittleren Schlossgarten gäbe es damit nur noch zwei Streckengleise.
Bäume im Schlossgarten
Der Schlossgarten sowie seine alten Bäume müssen vollständig erhalten bleiben. Beim Projekt Stuttgart 21 ist dies nicht möglich. Bei der Kombilösung, die allerdings diesbezüglich noch näher untersucht werden muss, gibt es eine Chance auf einen fast vollständigen Erhalt des Schlossgartens mitsamt allen Bäumen.

Der Grund ist die weiter oben bereits angesprochene Möglichkeit, den Tiefbahnhof in Richtung Feuerbach zu verlegen. Damit wäre das Ende des Tiefbahnhofs im Bereich von Gleis 16 des Kopfbahnhofs und der Beginn des Tiefbahnhofs wäre unter der Jägerstraße. Die Kombilösung beinhaltet bereits einen gegenüber Stuttgart 21 wesentlich weniger breiten Tiefbahnhof. Das reicht aber noch nicht aus, um den Schlossgarten weitestgehend zu schützen. Erst die Verlegung des Tiefbahnhofs weg vom Schlossgarten bietet die Chance, dass die Auswirkungen auf diesen Park nur noch ganz klein sind. Unter dem Schlossgarten verliefen dann nur noch zwei eingleisige Tunnelröhren mit einer Breite von ca. 4,5 Meter in einem Abstand von ca. 10 Metern. Je nach der genauen Lage dieser Tunnelröhren besteht die realisitische Chance, dass kein einziger Großbaum beeinträchtigt wird. Man darf nicht außer lassen, dass im Mittleren Schlossgarten ja bereits einige Tunnelröhren verlaufen, zum Beispiel für die Fernwärmeversorgung oder für den Nesenbach. 

Anzusprechen sind auch noch die Weichenbereiche im Gleisvorfeld des Tiefbahnhofs. Für den Normalbetrieb werden auf beiden Seiten des Kombi-Tiefbahnhofs nur je zwei Weichen benötigt. Auf der Südflügelseite würden sich diese beiden Weichen unter dem Südfugel sowie unter der bisherigen Straße Am Schlossgarten und unter dem früheren ZOB befinden. Im Bereich des heutigen Mittleren Schlossgartens wären die vier Gleise des Tiefbahnhofs bereits zu zwei Gleisen zusammengeführt. Dann gibt es allerdings noch weitere Weichen zwischen den beiden Richtungsgleisen, die allerdings nur im Störungsfall benötigt werden. Diese Weichen müssen nicht unbedingt unmittelbar im Anschluss an den Tiefbahnhof liegen. Es ist möglich, diese Weichen auch weiter weg vom Tiefbahnhof, also im Fildertunnel, zu bauen.

Mineralwasser
Es besteht, was den Bau betrifft und auch was die Auswirkungen auf das Mineralwasser betrifft, ein himmelweiter Unterschied zwischen einem über 100 Meter breiten Trog und zwei 4,5 Meter breiten Tunnelröhren. Die bei der Kombilösung zu bauenden beiden schmalen Tunnelröhren werden kein Grundwassermanagement mit großflächigem Abpumpen des Grundwassers erfordern und kaum Auswirkungen auf das Mineralwasser haben. Der Tunnel Untertürkheim mit seinen gravierenden Auswirkungen auf das Mineralwasser entfällt bei der Kombilösung.

Gipskeuper
Hier gibt es bei der Kombilösung keine Änderungen gegenüber Stuttgart 21. Die bei der Kombilösung zu bauenden Tunnel verlaufen durch den problematischen Gipskeuper.

Kopfbahnhof
Bei der Kombilösung könnte in den Bereichen des Kopfbahnhofs, die außerhalb des Tiefbahnhofs liegen, sofort mit einer grundlegenden Sanierung und Modernisierung begonnen werden. Damit würde der schleichende Zerfall des Kopfbahnhofs beendet und die Fahrgäste könnten bereits nach wenigen Jahren von einem modernisierten Kopfbahnhof profitieren. Bei Stuttgart 21 würde der Zerfall des Kopfbahnhofs in den nächsten 15 bis 20 Jahren weitergehen.

Unter dem Vorbehalt einer genauen Prüfung erweist sich somit die Kombilösung dem Projekt Stuttgart 21 haushoch überlegen.

Und gleichzeitig offenbart die Kombilösung noch einmal eindrücklich den Murks Stuttgart 21. 


Hierbei ist noch nicht berücksichtigt, ob K 21 nicht trotzdem noch besser ist als die Kombilösung.

Ein sofortiger Bau- und Vergabestopp von Stuttgart 21 ist vor diesem Hintergrund das Allermindeste, was Bahn und Politik jetzt vollziehen müssen. Sonst besteht die Gefahr, dass sich diese Institutionen für die nächsten 40 Jahre bei der Bevölkerung ins Abseits manövrieren.             

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