Die Zürcher Durchmesserlinie ist im Juni 2014 in einer ersten Stufe nur für die S-Bahn in Betrieb gegangen. Zum Fahrplanwechsel im Dezember 2015 geht die Endstufe der Zürcher Durchmesserlinie in Betrieb. Neben den Zügen dreier S-Bahnlinien werden ab diesem Zeitpunkt auch einige Fernzüge die Zürcher Durchmesserlinie befahren.
Der Fahrplan für die neue Zürcher Durchmesserlinie ab dem Dezember 2015 liegt bereits vor. An Hand dieses Fahrplans lassen sich einige interessante Schlussfolgerungen für Stuttgart 21 ziehen. In diesem Zusammenhang sind die fahrplanmäßigen Haltezeiten der Züge im Bahnhof der Zürcher Durchmesserlinie interessant. Noch interessanter ist jedoch die Streckenbelastung der Durchmesserlinie, die aus einem viergleisigen Bahnhof mit jeweils einer zweigleisigen Zulaufstrecke auf jeder der beiden Bahnhofseiten besteht.
Mehr als 12 Züge pro Stunde und Gleis geht nicht
Fangen wir sofort mit der Streckenbelastung an. Diese Größe ist im Zusammenhang mit Stuttgart 21 besonders interessant. Im Post vom 14.06.2015 in diesem Blog haben wir ja die Zufahrt Zuffenhausen von Stuttgart 21 eingehend betrachtet. Diese Zufahrt ist im heutigen Zustand des Bahnknotens Stuttgart mit dem Kopfbahnhof nur zweigleisig für den Fern- und Regionalverkehr und sie wird auch bei Stuttgart 21 nur zweigleisig bleiben. Im genannten Post wurde nachgewiesen, dass über die Zufahrt Zuffenhausen ca. 40 Prozent der Verkehrsnachfrage zum Bahnknoten Stuttgart kommt. Somit müssen auch 40 Prozent der Züge bei Stuttgart 21 über die Zufahrt Zuffenhausen kommen. Die zweigleisige Zufahrt Zuffenhausen ist jedoch mit den 13 Zügen pro Gleis und Richtung, die sie heute in der Spitzenstunde aufweist, bereits an der Belastungsgrenze angelangt. Wenn 13 Züge 40 Prozent der gesamten Züge am Bahnknoten Stuttgart ausmachen, dann sind 100 Prozent 32 Züge. Die Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 liegt somit bei 32 Zügen/Stunde.
Die Obergrenze von 13 Zügen pro Gleis und Richtung für eine Zufahrt zu einem Bahnknoten im Mischbetrieb zwischen Fern- und Regionalzügen muss als gefestigt betrachtet werden. Im Post vom 14.06.2015 in diesem Blog haben wir hierzu die Zufahrt Hohenzollernbrücke zum Kölner Hauptbahnhof herangezogen, die als überlastet gilt. Diese viergleisige Zufahrt wird in der Spitzenstunde von 10 Zügen pro Gleis und Richtung befahren. Wir haben zudem die Vermutung ausgesprochen, dass es in Deutschland kein Gleis als Zufahrt zu einem großen Bahnknoten gibt, über das mehr als 13 Züge pro Stunde und Richtung abgewickelt werden.
Soweit also der bisherige Stand. Jetzt kommt die Zürcher Durchmesserlinie hinzu. Man kann annehmen, dass das ab dem Dezember 2015 geltende Betriebsprogramm bereits die maximale Leistungsfähigkeit der Züricher Durchmesserlinie darstellt. Denn die Zürcher Durchmesserlinie bringt für viele Fernverkehrsrelationen der Schweiz eine Fahrzeitverkürzung von 7 Minuten. Da ist doch anzunehmen, dass außer den drei S-Bahnlinien, die bereits heute über die Durchmesserlinie geführt werden, auch so viele Fernzüge wie möglich zukünftig diesen neuen Verkehrsweg nutzen werden.
Das sind nun die Belastungszahlen der Zürcher Durchmesserlinie in der Spitzenstunde ab Dezember 2015:
Richtung West-Ost: 12 Züge pro Stunde
Richtung Ost-West: 12 Züge pro Stunde
Damit haben wir bei der Züricher Durchmesserlinie eine maximale Belastung von 12 Zügen pro Zulaufgleis und Stunde. Auch die Zürcher Durchmesserlinie geht also nicht über die 13 Züge pro Gleis und Stunde hinaus, die in der Zufahrt Zuffenhausen zum Bahnknoten Stuttgart heute bereits in der Spitzenstunde erreicht werden. Und das, obwohl die Schweizer Eisenbahner die Züge eigentlich eher noch dichter auf die Strecken packen als dies in Deutschland der Fall ist.
Sehen wir uns die Züge der Zürcher Durchmesserlinie für den Zeitraum von 16 Uhr bis 17 Uhr werktags einmal genau an. Angegeben ist jeweils die Abfahrtszeit im Hauptbahnhof Zürich.
Richtung West-Ost (Bahnsteiggleise 33 und 34)
16:07 IC nach Romanshorn
16:12 S14 nach Hinwil
16:14 S2 zum Flughafen
16:19 S19 nach Pfäffikon
16:25 S8 nach Winterthur
16:33 IC nach St. Gallen
16:39 ICN nach St. Gallen
16:42 S14 nach Hinwil
16:44 S2 zum Flughafen
16:49 S19 nach Pfäffikon
16:52 IR zum Flughafen
16:55 S8 nach Weinfelden
Richtung Ost-West (Bahnsteiggleise 31 und 32)
16:02 IC nach Brig
16:07 S8 nach Pfäffikon
16:09 IR nach Basel
16:11 S19 nach Koblenz
16:17 S2 nach Ziegelbrücke
16:19 S14 nach Affoltern am Albis
16:30 ICN nach Lausanne
16:32 IC nach Genf
16:37 S8 nach Pfäffikon
16:41 S19 nach Dietikon
16:47 S2 nach Unterterzen
16:49 S14 nach Affoltern am Albis
Somit fahren pro Stunde und Richtung vier Fernzüge und acht S-Bahnzüge über die Durchmesserlinie. Von dem Mischbetrieb zwischen den Fernzügen und den S-Bahnzügen sollte man sich nicht irritieren lassen. Denn die S-Bahn hat im Verlauf der Durchmesserlinie keine exklusiven Haltepunkte, bei denen die Fernzüge nicht halten. Vielmehr fahren alle Züge im Verlauf der Durchmesserlinie mit derselben Geschwindigkeit, was tendenziell auf eine relativ hohe Leistungsfähigkeit hindeutet. Der Mischbetrieb zwischen Fernzügen und S-Bahnzügen bei der Zürcher Durchmesserlinie entspricht somit in betrieblicher Hinsicht dem Mischbetrieb zwischen Fernzügen und Regionalzügen bei der Zufahrt Zuffenhausen zum Bahnknoten Stuttgart.
Fernzüge sollen in großen Bahnknoten mindestens fünf Minuten halten
Sehen wir uns als zweiten Punkt noch die planmäßigen Aufenthaltszeiten der Züge im Durchmesserbahnhof an. Die wichtigste Fernverkehrslinie im Zürcher Hauptbahnhof, der IC Genf-St. Gallen und zurück, hat im Durchmesserbahnhof eine planmäßige Aufenthaltszeit von 5 Minuten. Der Fernverkehrszug von Brig nach Romanshorn und zurück hat eine Aufenthaltszeit von 11 Minuten. Der Fernverkehrszug von Lausanne nach St. Gallen und zurück hat eine Aufenthaltszeit von 7 bzw. 9 Minuten. Der Interregiozug von Basel zum Flughafen Zürich hat eine Aufenthaltszeit von 3 Minuten. Aufenthaltszeiten von 2 Minuten sind im Durchmesserbahnhof ebenfalls vorhanden, allerdings nur für die Züge der S-Bahn, die nicht am Rendez-vous zur vollen und zur halben Stunde im Rahmen des integralen Taktfahrplans teilnehmen. Der IR Basel-Flughafen nimmt in Richtung Flughafen ebenfalls nicht am integralen Taktfahrplan teil.
Die relativ langen Aufenthaltszeiten der Fernzüge von Brig nach Romanshorn und von Lausanne nach St. Gallen sind zum Teil auf die Anschlussaufnahme im Rahmen des integralen Taktfahrplans, zum Teil auf die Zugfolge bei den Zulaufstrecken zurückzuführen. Dies gilt allerdings nicht für die wichtigste Fernverkehrslinie am Bahnknoten Zürich, den IC Genf-St. Gallen und zurück. Dieser Zug wartet nicht. Auf diesen Zug wird gewartet. Die fünf Minuten Aufenthaltszeit, die dieser IC im Durchmesserbahnhof trotzdem aufweist, deuten darauf hin, dass eine Aufenthaltszeit von fünf Minuten für Fernzüge in großen Bahnknoten durchaus erforderlich ist. Auch diese Feststellung ist wiederum für Stuttgart 21 interessant.
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