Sonntag, 11. August 2013

NBS Wendlingen-Ulm wegen Regionalzugproblemen wirtschaftlich auf der Kippe

Die NBS Wendlingen-Ulm sowie Stuttgart 21 sind politische Projekte. Der Hauptgrund, weshalb diese Projekte zur Zeit nicht gestoppt werden, ist die Eitelkeit von Bundeskanzlerin Merkel. Sie will auf Teufel komm raus vermeiden, dass die Grünen als Gewinner dastehen. Für diese Eitelkeit muss dann das Wohlergehen einer Großstadt im Südwesten Deutschlands, eines ganzen Bundeslandes und der Eisenbahn zurückstehen. Die Geschichte der Menschheit ist voll mit solchen Eitelkeitsdramen.

Dabei wird es für die NBS Wendlingen-Ulm und für Stuttgart 21 auf der sachlichen und fachlichen Ebene immer enger. Bereits im letzten Post in diesem Blog haben wir gesehen, dass mindestens vier Sachverhalte einen sofortigen Stopp des Baus der NBS Wendlingen-Ulm erfordern. Das sind:
  • Güterzüge werden auf der NBS nie fahren. Sie wurden jedoch in die Wirtschaftlichkeitsberechnung mit einbezogen.
  • Die geplante Fahrzeit von 28 Minuten zwischen Stuttgart und Ulm kann nicht gehalten werden. Die Fahrzeit beträgt nach neuesten Angaben mindestens 31 Minuten. Damit kann die im Rahmen des integralen Taktfahrplans erforderliche Eckfahrzeit von 30 Minuten zwischen Stuttgart und Ulm nicht eingehalten werden.
  • Die Anbindung des Flughafens an den Fernverkehr, die für die Wirtschaftlichkeit der NBS und von Stuttgart 21 erforderlich ist, ist fraglich bzw. wird allenfalls alle zwei Stunden stattfinden.
  • Nach dem Regionalisierungsgesetz dürfen Regionalzüge zwischen Ulm und dem Flughafen eigentlich gar nicht fahren. Dies ist keine Regionalzugstrecke. Der Regionalzugverkehr ist jedoch ebenfalls Bestandteil der Wirtschaftlichkeitsberechnung und Grundlage der Zuwendungen des Landes für die NBS.
Gerade diesen letztgenannten Punkt mit den Regionalzügen wollen wir im heutigen Post in diesem Blog näher betrachten. Denn hinter diesem Punkt steckt einigermaßen Sprengstoff.


Das Regionalisierungsgesetz, das die Verteilung der Mittel des Bundes für die Bestellung von Regionalzügen durch die Länder regelt, definiert den Regionalverkehr klar und eindeutig. Gemäß dem §2 des Regionalisierungsgesetzes versteht man unter Regionalverkehr diejenigen Verkehre, bei denen die Mehrzahl der Beförderungsfälle eines Verkehrsmittels die gesamte Reiseweite 50 Kilometer......nicht übersteigt.

Was heißt das nun konkret? Heißt das, dass Regionalzüge nur Strecken von ca. 50 Kilometer zurücklegen dürfen? Nein, das hat damit nichts zu tun. Die Lauflänge eines Regionalzugs ist eine rein betriebliche Angelegenheit, die der Betreiber des Zuges und ggf. der Besteller festlegen. Ein Regionalzug könnte sogar durch ganz Deutschland fahren - auch wenn dies aus vielen anderen Gründen eher nicht sinnvoll ist.

Der Bahnhofsabstand im Regionalverkehr darf nicht beliebig groß werden
Hinter der Zahl von 50 Kilomtern steckt etwas anderes. Hier kommt die Größe des Bahnhofsabstands ins Spiel. Der Regionalverkehr definiert sich unter anderem durch seinen durchschnittlichen Bahnhofsabstand. Es ist wohl auf den ersten Blick einleuchtend, dass der Bahnhofsabstand beim Regionalverkehr der Bahn im Durchschnitt größer ist als der Bahnhofsabstand bei der S-Bahn, aber kleiner als der Bahnhofsabstand beim Fernverkehr. Orientiert man sich an der Vorgabe des Gesetzes für die gesamte Reiseweite im Regionalverkehr von maximal 50 Kilometern für die Mehrzahl der Fahrgäste, dann muss der Bahnhofsabstand im Regionalverkehr im Durchschnitt gerade mal höchstens die Hälfte dieses Werts, also 25 Kilometer betragen. Der maximale Bahnhofsabstand muss noch deutlich unter 50 Kilometern liegen.

Sehen wir uns mal einige konkrete Zahlen des Bahnhofs- oder Haltestellenabstands an.
1. Buslinienverkehr in Großstädten: ca. 400 Meter
2. Stadtbahn Stuttgart: etwas größer als 600 Meter
3. S-Bahn (Beispiel S1 Stuttgart-Plochingen): 2,28 Kilometer
4. Regionalexpress (Beispiel Karlsruhe-Offenburg): 10,4 Kilometer
5. Interregio-Express (Beispiel Stuttgart-Ulm): 23,5 Kilometer
6. Fernverkehr: 70 Kilometer (Quelle: wikipedia-Artikel Intercity-Express) 

Damit ist klar: der durchschnittliche Bahhofsabstand beim Regionalverkehr beträgt weniger als 25 Kilometer. Der maximale Bahnhofsabstand beim Regionalverkehr liegt deutlich unter 50 Kilometer. Das gilt es nun noch etwas abzusichern.

Regionalzüge halten wesentlich häufiger als nur alle 50 Kilometer
Wie sieht es denn bei der viergleisigen Neu-/Ausbaustrecke Karlsruhe-Offenburg aus, wo ja stündlich ein Regionalexpress fährt? Hier gibt es einen durchschnittlichen Bahnhofsabstand für den Regionalexpress von 10,4 Kilometern. Bei der Neu-/Ausbaustrecke Karlsruhe-Offenburg verträgt sich augenscheinlich der Ausbau für den Fernverkehr mit dem Ausbau für den Regionalverkehr.

Fährt denn nicht auf der Schnellfahrstrecke Mannheim-Stuttgart auch ein Regionalzug? Ja, es fährt zweistündlich ein Interregio-Express, allerdings nur von Stuttgart nach Vaihingen/Enz, dann geht es auf der Altstrecke weiter nach Karlsruhe. Der Bahnhofsabstand zwischen Stuttgart und Vaihingen/Enz beträgt 28,5 Kilometer.

Wie aber sieht es mit der Schnellfahrstrecke Nürnberg-Ingolstadt aus. Die war ja auch Thema bei der sogenannten Schlichtung unter Heiner Geißler zu Stuttgart 21. Dort fahren Regionalzüge. Wegen der exorbitant teuren Trassengebühren bei dieser Schnellfahrstrecke kann sich der Freistaat Bayern allerdings nur alle zwei Stunden einen Regionalzug leisten. Wesentlich ist jedoch, dass es im Verlauf dieser Schnellfahrstrecke zwei Bahnhöfe gibt (Allersberg und Kinding), die ausschließlich von den Regionalzügen bedient werden. Die Schnellfahrstrecke war also von vornherein auch dafür gedacht, Regionalverkehr abzuwickeln und die Region zu erschließen. Der Bahnhofsabstand zwischen Nürnberg und Allersberg beträgt 25,4 Kilometer, zwischen Allersberg und Kinding 33,2 Kilometer und zwischen Kinding und Ingoldstadt 28,2 Kilometer. Damit bewegen sich die Bahnhofsabstände auch hier im für den Regionalverkehr üblichen Rahmen.

Es gilt der Vollständigkeit halber noch einen Sündenfall aus BW zu nennen. Der zweistündliche Interregio-Express Stuttgart-Sigmaringen fährt zwischen Stuttgart und Reutlingen ohne Halt. Das ist ein Bahnhofsabstand von 57,5 Kilometern, mithin größer als die für den Regionalverkehr zulässigen Werte. Hier ist es in der Tat unverständlich, weshalb dieser IRE nicht auch in Plochingen hält. Denn der Zug fährt wegen verschiedener Gleiswechsel mit engen Weichen sowieso nur im Schneckentempo durch den Bahnhof Plochingen. Da kostet ein Halt kaum mehr Zeit. Und wir erinnern uns, dass die Bahn ein oder zwei Jahre lang sogar einen Intercity zwischen Stuttgart und Tübingen laufen ließ. Dieser IC hielt auch in Nürtingen. Es geht ja nicht, dass der IC häufiger hält als der IRE. Diesen IRE-Fehler sollte das Land also demnächst bereinigen.

Die Beteiligung des Landes an der Finanzierung der NBS verstößt gegen das Regionalisierungsgesetz
Nun aber zur NBS Wendlingen-Ulm. Zwischen dem Stuttgarter Flughafen und Ulm gibt es keinen weiteren Bahnhof. Der Abstand zwischen dem Flughafen und Ulm ist 69,3 Kilometer. Damit ist klar, dass die NBS nicht für den Regionalverkehr geeignet und gemäß dem Regionalisierungsgesetz nicht für den Regionalverkehr zulässig ist. Dieser Bahnhofsabstand von 70 Kilometern ist vielmehr genau der durchschnittliche Bahnhofsabstand des ICE-Verkehrs in Deutschland. Das geplante Angebot eines stündlich fahrenden IRE zwischen Ulm und dem Flughafen darf somit nicht stattfinden.

Einerseits sind die Regionalisierungsmittel nicht dazu da, dem eigenwirtschaftlich operierenden Fernverkehr Konkurrenz mit Steuergeldern zu machen. Andererseits sind die viel zu knappen Regionalisierungsmittel nicht dafür gedacht, dass über die exorbitant hohen Trassengebühren für die NBS ein Teil der Wirtschaftlichkeit der NBS gesichert und ein Teil der jährlich anfallenden Instandhaltungskosten bezahlt werden.

Der Verkehr zwischen Ulm und dem Flughafen über die NBS ist jedenfalls kein Verkehr, der unter den Begriff des Regionalverkehrs im Sinne des Regionalisierungsgesetzes fällt. Deshalb muss das Land die geplante Bestellung von Regionalzügen für die NBS stornieren und auch die Bauzuschüsse für diese Strecke kündigen. Damit aber kann die NBS nicht gebaut werden. 

Dieser Sachverhalt ist noch ein wenig anders gelagert als der immer wieder diskutierte Sachverhalt der höchstwahrscheinlich verfassungswidrigen Mischfinanzierung. Die finanzielle Beteiligung des Landes am Bau der NBS ist nicht nur verfassungswidrig. Sie verstößt auch gegen das Regionalisierungsgesetz. Denn die Mitfinanzierung seitens des Landes wird ja ausschließlich mit den Regionalzügen begründet, die auf der NBS einmal fahren sollen,. 

Die Alternative zur NBS wartet auf ihre Umsetzung
Was aber soll nun an Stelle der NBS gebaut werden? Es soll selbstverständlich etwas gebaut werden, was im Einklang mit dem Regionalisierungsgesetz steht. Das ist der etappierbare, stufenweise umsetzbare, viergleisige Ausbau der Strecke Stuttgart-Ulm. Die Interregio-Express-Züge werden dann auch zukünftig zwischen Stuttgart und Ulm in Plochingen, Göppingen und Geislingen halten. Reisende zwischen Ulm und dem Flughafen werden mit den Interregio-Express-Zügen oder einem IC bis Plochingen fahren und dort in die Express-S-Bahn umsteigen, die mit einmaligem Zwischenhalt in Wendlingen in wenigen Minuten zur bestehenden Flughafenstation direkt unter dem Terminal fährt.

Dieser viergleisige etappierbare Ausbau des Bahnkorridors Stuttgart-Ulm ist im Übrigen auch für die Belange des Güterverkehrs die bessere Lösung, ebenso für die Lärmschutzbelange der Anwohner, ebenso für die S-Bahn Plochingen-Göppingen und ebenso für den Fernverkehr. Denn die Eckfahrzeit von 45 Minuten gemäß dem integralen Taktfahrplan lässt sich mit dem etappierbaren Ausbau des Bahnkorridors Stuttgart-Ulm gut gewährleisten. Dazu benötigen wir nicht eine unwirtschaftliche NBS Wendlingen-Ulm.    

           
  
  

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