Am 11. Oktober 2022 stellte das Land BW den Regionalzugfahrplan unter Stuttgart 21 vor. Hierbei wurde auch die Durchbindung von Regionalzügen im Stuttgart 21-Tiefbahnhof bewertet.
Die Ausführungen des Verkehrsministeriums BW (Folie 42 des Vortrags) zeigen hierbei eindeutig, dass das ursprüngliche Konzept des Regionalverkehrs für Stuttgart 21 krachend gescheitert ist. Will man Stuttgart 21 nicht eindampfen, so ist dringend wenigstens ein Ergänzungsbahnhof für den Regionalverkehr im Stuttgarter Hauptbahnhof erforderlich.
Stuttgart 21 lebt mit der Durchbindung der Regionalzüge
Das Konzept Stuttgart 21 sieht eine Durchbindung vieler Regionalzuglinien mit einem nur kurzen Aufenthalt im Stuttgart 21-Tiefbahnhof vor. Wir haben dieses Konzept hier in diesem Blog mehrfach in qualitativer Hinsicht bewertet. Hierbei war das Ergebnis, dass die Durchbindung der Regionalzuglinien nur ganz wenigen Fahrgästen nutzt. Die große Mehrzahl der Fahrgäste hat davon nichts bzw. erleidet dadurch sogar Nachteile. Mit der Folie 42 des Vortrags des Verkehrsministeriums BW liegen nun auch Zahlen vor, die eine quantative Bewertung der Regionalzugdurchbindung erlauben.
Bleiben wir aber ganz kurz noch bei der qualitätiven Bewertung. Die Durchbindung von Regionalzügen im Stuttgarter Hauptbahnhof ist suboptimal, weil
viele Fahrgäste im Hauptbahnhof von den Regionalzügen in die Fernzüge umsteigen
viele Fahrgäste von den Regionalzügen in die S-Bahn umsteigen
viele Fahrgäste in die Stadtbahn umsteigen
viele Fahrgäste in die Linienbusse umsteigen
viele Fahrgäste in andere Regionalzüge umsteigen
viele Fahrgäste fußläufig die Stuttgarter Innenstadt erreichen
Fahrgäste mit dem Taxi weiterfahren und
Fahrgäste abgeholt und gebracht werden.
Jetzt zur quantitativen Bewertung (Folie 42):
Pro Tag wird es beim Stuttgarter Hauptbahnhof ca. 180.000 Fahrgäste im Regionalverkehr geben. Davon haben nur ca. 18.000 Fahrgäste (also ca. 10 Prozent) etwas von der Durchbindung der Regionalzuglinien. Die übergroße Mehrheit von ca. 162.000 Fahrgästen kann die Durchbindung nicht nutzen, weil sie andere Wege hat, wie oben genannt.
Nun ist das Projekt Stuttgart 21 auf die Durchbindung der Regionalzuglinien abgestellt. Die vom Land BW präsentierten Zahlen sind insofern eine Ohrfeige für Stuttgart 21. Dieses Projekt ist letztendlich ein Immobilienprojekt und vollkommen am verkehrlichen Bedarf vorbeigeplant.
Die Pufferzeiten für den Verspätungsausgleich müssen im Hauptbahnhof stattfinden
Es gibt noch einen zweiten Themenbereich auf der Folie 42 des Landesverkehrsministeriums. So wird dort festgestellt, dass "Pufferzeiten in Stuttgart zur Steigerung der Pünktlichkeit und Robustheit zielführend" sind. Das ist dann bereits die zweite Ohrfeige für Stuttgart 21. Denn Stuttgart 21 ist nach dem Prinzip "schnell rein, schnell raus" geplant. Pufferzeiten kann der Stuttgart 21-Tiefbahnhof kaum aufnehmen.
Worum geht es bei den Pufferzeiten?
Sehen wir uns ein allgemeines Beispiel an. Eine Regionalzuglinie fährt über eine Strecke mit 20 Bahnhöfen. Die Linie weist immer wieder Verspätungen auf bzw. es soll erreicht werden, dass die Linie pünktlich fährt. Von daher soll jetzt an einem Unterwegsbahnhof dieser Linie eine Pufferzeit eingeplant werden. Welchen Unterwegsbahnhof wählen wir dafür aus? Nun, es ist derjenige Unterwegsbahnhof, bei dem es die wenigsten Durchfahrer gibt oder anders ausgedrückt, bei dem die wenigsten Fahrgäste im Zug sitzenbleiben.
Genau das aber ist der Stuttgarter Hauptbahnhof. Dort bleiben in den Regionalzügen im jeweiligen Streckenverlauf die wenigsten Fahrgäste sitzen (nur jeweils ca. 10 Prozent). Damit ist der Stuttgarter Hauptbahnhof geradezu prädestiniert für Pufferzeiten. Das Dumme ist nur, dass der Stuttgart 21-Tiefbahnhof dafür ganz und gar nicht ausgelegt ist.
Wie geht es jetzt weiter?
Könnte man das Stuttgart 21-Rad zurückdrehen und noch einmal von vorne beginnen, gäbe es bei den vorliegenden Verkehrszahlen nur eine Ausbauvariante für den Stuttgarter Hauptbahnhof. Es müsste erst einmal ein Kopfbahnhof vorhanden sein, der die Mehrzahl der Regionalzüge aufnimmt. Dann wäre noch eine Durchmesserlinie gemäß dem Zürcher Vorbild anzulegen, für den Großteil der Fernzüge und für einige wenige Regionalzüge.
Nun ist es relativ unrealistisch, Stuttgart 21 wieder abzureißen. Es bleibt deshalb nur noch, zusätzlich zu Stuttgart 21 einen Ergänzungsbahnhof für den Regionalverkehr zu bauen.
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