Mittwoch, 29. Dezember 2021

SWR zieht anscheinend die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 um mindestens drei Jahre vor

Geht es nach dem SWR, ist die Inbetriebnahme von Stuttgart 21 bereits Ende 2022

So jedenfalls erzählt es der Sender auf seiner Website unter der Überschrift "Das ändert sich 2022 in Baden-Württemberg" (Stand 29.12.2021, 13:21 Uhr).

Wörtlich führt der SWR aus: "Nach zwölf Jahren Bauzeit und einem Jahr Testfahrten soll im Dezember 2022 die Schnellzugstrecke Stuttgart-Ulm in Betrieb gehen. Zugreisende sollen dann zwischen den beiden Städten nur noch gute 30 Minuten brauchen und damit etwa halb so lang wie bisher."

Zunächst mal handelt es sich bei der neuen Bahnstrecke Stuttgart-Ulm nicht um eine Schnellzugstrecke, sondern um eine Schnellfahrstrecke bzw. Neubaustrecke (NBS). Dann geht voraussichtlich Ende 2022 die NBS nur zwischen Wendlingen und Ulm in Betrieb, nicht aber zwischen Wendlingen und Stuttgart. Zudem wird es ab Wendlingen über eine Länge von über 10 Kilometern Richtung Ulm nur einen eingleisigen Betrieb gehen, vielleicht sogar im Bereich rund um den Filstal-Viadukt auf der Göppinger Alb. 

Es werden auch ab Ende 2022 nicht alle mal geplanten drei Fernzüge pro Stunde und Richtung über die NBS Wendlingen-Ulm fahren, sondern nur ein Fernzug pro Stunde und Richtung. Dieser Zug wird zwischen Stuttgart und Ulm nur ganz wenige Minuten schneller sein als heute. Das Land wird zudem einen Regionalzug pro Stunde und Richtung für die NBS bestellen, der jedoch von Ulm nicht bis Stuttgart, sondern nur bis Wendlingen fährt. Der Bestandsabschnitt Wendlingen-Plochingen-Stuttgart verträgt keine weiteren Züge. Stuttgart 21 und damit die Schnellfahrstrecke Wendlingen-Stuttgart gehen erst frühestens Ende 2025 in Betrieb.

Immerhin erklärt der SWR, dass nach einer Vollinbetriebnahme der Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm die Fahrzeit noch gute 30 Minuten betragen wird. Das ist jedenfalls etwas über 30 Minuten und damit nicht Deutschlandtakt-kompatibel. Hierzu wäre eine Fahrzeit von ca. 28 Minuten zwischen Stuttgart und Ulm erforderlich. 

Was also reitet den SWR, diese Falschmeldung zu bringen. Ist es Nachlässigkeit? Gibt es im SWR keine Redakteure mehr, die Bahnexperten sowie Experten zu Stuttgart 21 sind? Verfällt der SWR wieder in die alten Zeiten, als er Stuttgart 21 über den Grünen Klee lobte?  

Montag, 27. Dezember 2021

Die neue Bahnsituation in Lindau mit zwei Hauptbahnhöfen zeigt die Notwendigkeit für eine Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof

Die Bodenseestadt Lindau hat jetzt de facto zwei Hauptbahnhöfe. Das sind zum einen der Inselbahnhof, ein Kopfbahnhof und zum anderen der neue Bahnhof Reutin, ein Durchgangsbahnhof. Beide Bahnhöfe liegen Luftlinie ca. 1,8 Kilometer auseinander.

Die neue Situation bei der Bahn in Lindau zeigt die Notwendigkeit, dass der zusätzlich zum achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof erforderliche Ergänzungsbahnhof unmittelbar neben dem Stuttgart 21-Tiefbahnhof errichtet wird und nicht 2,4 Kilometer weit entfernt in der Nähe des Nordbahnhofs ("Nordkreuz"). Das wollen wir heute in diesem Blog näher beleuchten.

Wieso kam es überhaupt zur jetzt bestehenden Situation in Lindau? Es gibt bei der Nachfrage nach Bahnverkehrsleistungen im Bereich Lindau zwei vollkommen gegensätzliche Interessen.

Zum einen wollen sehr viele Fahrgäste auf die Insel Lindau fahren (Da fällt mir eine Postkarte mit dem folgenden Text ein: "Lindau liegt im Bodensee, wers nicht glaubt komm selbst und seh!"). In der Tat gehört die Insel Lindau zu den Top-Reisezielen in Deutschland. Und ein Vorteil der Bahn ist, dass sie direkt auf die Insel fährt. Mit der Bahn wird man also ohne lange Parkplatzsuche und ohne zeitraubendes Umsteigen auf einen Zubringerbus förmlich auf die Insel Lindau katapultiert und ist nach wenigen Schritten vom Inselbahnhof bereits in der Altstadt, am Hafen oder am Bodenseeufer.

Donnerstag, 16. Dezember 2021

Der Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen - Anspruch und Wirklichkeit

Am 14.12.2021 wurde der neue Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen offiziell eröffnet. Das Verkehrsministerium des Landes BW gab am 14.12.2021 eine Pressemeldung über die Eröffnung heraus, in der auch die gehaltenen Reden zusammengefasst werden.

Wenn man die Zusammenfassung der gehaltenen Reden liest, kommt es einem vor, als hätte diese Eröffnungsfeier an einem ganz anderen Bahnhof stattgefunden. Selten gab es eine derart große Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Gemäß den gehaltenen Reden sollte es beim Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen eigentlich mindestens einen Stundentakt oder noch besser einen Halbstundentakt mit Regionalzügen geben. Das ist aber mitnichten so.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann sagte demnach unter anderem: "Mit der Inbetriebnahme des Regionalhalts wird der Bahnhof Stuttgart-Vaihingen zu einem wichtigen Umsteigebahnhof im öffentlichen Nahverkehr". Wie passt das damit zusammen, dass am Tag nur insgesamt sechs Regionalzüge in S-Vaihingen halten?

Der Vorsitzende des Verbands Region Stuttgart Thomas Bopp sagte unter anderem: "Wir wollen den Fahrgästen in der gesamten Region Stuttgart Umstiege mit möglichst kurzen Wege- und Reisezeiten ermöglichen .... Hier in Stuttgart Vaihingen ist der Umstieg künftig besonders komfortabel". Wie passt das damit zusammen, dass pro Tag nur drei Regionalzüge pro Richtung in S-Vaihingen halten?

Der Stuttgarter Baubürgermeister Peter Pätzold sagte unter anderem: "Mit dem Ausbau des Bahnhofs Vaihingen wird Stuttgarts größtes Gewerbegebiet, der Synergiepark, noch besser an den ÖPNV angeschlossen". Wie passt das damit zusammen, dass am Wochenende nur insgesamt drei Regionalzüge in S-Vaihingen halten?

Der Konzernbevollmächtigte der DB AG für das Land Baden–Württemberg Thorsten Krenz sagte unter anderem "Mit Stuttgart-Vaihingen haben wir ein attraktives Angebot für Bahnreisende geschaffen". Wie passt das damit zusammen, dass von den nur sechs Regionalzügen gar nicht alle bis Stuttgart-Hauptbahnhof weiterfahren?

Erst sehr viel weiter unten in der Pressemitteilung des Landes wird aufgeführt, dass "die seit dem 13. September haltenden sechs zusätzlichen Regionalzüge in Stuttgart-Vaihingen ... auch im neuen Fahrplan fortgeführt" (werden). Das also ist das offizielle Angebot an Regionalzügen in S-Vaihingen.

Könnte uns das Land BW, das mit einem Beitrag von 10 Mio. Euro fast die gesamten Kosten des Regionalbahnhofs Stuttgart-Vaihingen bezahlt hat, einfach mal aufklären, was hier gespielt wird?! 


Sonntag, 12. Dezember 2021

Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen - das Schweigen im Walde

Ab heute gilt bei der Bahn und bei Stadtbahn, Straßenbahn und Bus in Baden-Württemberg ein neuer Fahrplan. Obwohl baulicherseits fertiggestellt, halten auch im neuen Fahrplan so gut wie keine Regionalzüge im neuen Regionalbahnhof Stuttgart-Vaihingen.

Dies war bereits das Thema im Post vom 09.11.2021  in diesem Blog

Zu diesem Thema sind keine Verlautbarungen des zuständigen Landesverkehrsministeriums in BW bekannt. Auch in den Medien ist dazu nichts zu finden. Dabei konnte man eigentlich davon ausgehen, dass nach einer - sehr wohl bekanntgemachten - Fertigstellung des Regionalbahnhofs S-Vaihingen dort auch in nennenswertem Umfang Regionalzüge halten.

Deshalb gibt es hier in diesem Blog eine öffentliche Anfrage an das Landesverkehrsministerium Baden-Württemberg, die betrieblichen Hintergründe und Randbedingungen des Regionalbahnhohfs S-Vaihingen zu erklären.

Das Problem besteht aus zwei Teilen: 
1. Die bestehenden Züge
2. Die geplanten MEX-Züge Stuttgart-Horb über S-Vaihingen
 
Zu 1.
Warum halten auch im neuen Fahrplan fast keine Regionalzüge in S-Vaihingen? Gibt es hierzu betriebliche und/oder verkehrliche Gründe, z.B. Verlängerung der Fahrzeiten, Fahrtenlagenüberschneidungen mit anderen Zügen, Anschlussprobleme?
 
Zu 2.
Der geplante, halbstündlich verkehrende MEX Stuttgart-Horb über S-Vaihingen, Böblingen, Herrenberg und Eutingen im Gäu ist der eigentlich für Halte in S-Vaihingen prädestinierte Zug. 
 
Wann ist mit einer Betriebsaufnahme dieses Zugs zu rechnen? Welche Gründe stehen einer sofortigen Betriebsaufnahme dieses Zugs entgegen (Überlastung des Stuttgarter Hauptbahnhofs, Züge sind noch nicht bestellt oder geliefert, es ist für eine Bestellung der Zugleistungen kein Geld vorhanden, es kommt zu Engpässen im Verlauf der Strecke Rohr-Böblingen, es kommt zu Engpässen im Verlauf der Strecke Böblingen-Herrenberg, es kommt zu Engpässen im Verlauf der Strecke Herrenberg-Eutingen)?
 
Problematisch wäre es, wenn auch längerfristig keine Regionalzüge in S-Vaihingen halten und dieser Bahnhof nur dazu dient, die betrieblichen Einschränkungen bei S-Bahnbauarbeiten oder beim Projekt Stuttgart 21 zu kaschieren. Dann hätte das Land BW diesen Bahnhof nicht finanzieren sollen. 
  

 

Mittwoch, 8. Dezember 2021

"Frankfurt RheinMain plus" versus Stuttgart 21 - etappierbarer Ausbau versus Alles-oder-Nichts-Projekt

Vor wenigen Tagen wurde im Umfeld des Frankfurter Hauptbahnhofs die Baumaßnahme "Homburger Damm" abgeschlossen. Dies ist eines von zahlreichen Ausbaumodulen im Rahmen des Projekts "Frankfurt RheinMain plus". 

Das Modul Homburger Damm bringt einen zweigleisigen Ausbau einer bisher eingleisigen Zulaufstrecke zum Frankfurter Hauptbahnhof, die Entflechtung von Zufahrten und eine Trennung von Fernverkehr (Südseite) und Regionalverkehr (Nordseite) im Frankfurter Hauptbahnhof.

Die jetzt erfolgte Inbetriebnahme der Baumaßnahme Homburger Damm ist eine willkommene Gelegenheit, noch einmal die fundamentalen Unterschiede zwischen einem etappierbaren Ausbauprogramm (Frankfurt RheinMain plus) und einem Alles-oder-Nichts-Projekt (Stuttgart 21) zu streifen.

Die Arbeiten beim Modul Homburger Damm begannen gemäß den Angaben der Bahn im Juni 2017. Die Inbetriebnahme war im November 2021. Dieses Modul war somit ca. 4,5 Jahre im Bau. Mit dem Bau von Stuttgart 21 wurde im Februar 2010 begonnen. Inbetriebnahme soll nach jetzigem Sachstand im Dezember 2025 sein, wobei unklar ist, ob bis zu diesem Zeitpunkt alle Arbeiten abgeschlossen sind und wobei sicher ist, dass die Arbeiten für die Gäubahn im Dezember 2025 nicht abgeschlossen sind. Das Alles-oder-Nichts-Projekt Stuttgart 21 wird bis zu einer ersten Inbetriebnahme somit knapp 16 Jahre im Bau sein.

Der Bauzeitenvergleich
Das steht also gegenüber: 4,5 Jahre Bauzeit beim Modul Homburger Damm und 16 Jahre Bauzeit bis zu einer ersten Inbetriebnahme bei Stuttgart 21.

Damit wird der Vorteil des etappierbaren Ausbaus eines Bahnknotens, wie das bei Frankfurt RheinMain plus der Fall ist, evident. Ein (Teil)Nutzen kann bei einem etappierbaren Ausbau sehr viel schneller erreicht werden als bei einem Alles-oder-Nichts-Projekt wie Stuttgart 21.

Zudem ist der etappierbare Ausbau mit einzenen Ausbaumodulen wesentlich weniger krisenanfällig. Die Wahrscheinlichkeit von Krisen während der Bauzeit ist bei einem Alles-oder-Nichts-Projekt wesentlich größer als bei einem etappierbaren Ausbauprojekt. Beispiele für Krisen sind: Pandemie, Asteroideneinschlag, Finanzkrise, Krieg, interne Spannungen usw..

Auch das Projekt Stuttgart 21 ist - soweit das noch geht - vom Alles-oder-Nichts-Projekt auf ein etappierbares Projekt umzustellen.

Konkret: Nach einer Erstinbetriebnahme von Stuttgart 21 muss ein Teil des Kopfbahnhofs in Stuttgart erhalten bleiben. Danach wird dann Modul um Modul abgearbeitet, z.B. Ergänzungsbahnhof, fünftes und sechstes Gleis der Zufahrt Zuffenhausen, Express-S-Bahn von Calw, von Marbach am Neckar und von Kirchheim unter Teck zum Ergänzungsbahnhof, Modernisierung der Panoramastrecke der Gäubahn usw.

Es darf nicht sein, dass Stuttgart gegenüber anderen Großstädten wie Frankfurt und München immer weiter in Rückstand gerät.

Samstag, 4. Dezember 2021

NBS Frankfurt-Mannheim ist Deutschlandtakt-kompatibel - ganz im Gegensatz zu den Strecken Mannheim-Stuttgart und Stuttgart-Ulm

Die Planfeststellungsunterlagen für den ersten Abschnitt der geplanten NBS Frankfurt-Mannheim zwischen Zeppelinheim und der Nordanbindung Darmstadt wurden am 30. November 2021 beim Eisenbahn-Bundesamt eingereicht. Das berichtet die Bahn auf ihrer Projekt-Website "Frankfurt Rhein-Main-Plus".

Ebenfalls auf ihrer Projekt-Website berichtet die Bahn, dass die Fahrzeit mit dem ICE zwischen den Hauptbahnhöfen von Frankfurt am Main und Mannheim zukünftig nur noch 29 Minuten betragen wird. Damit ist gewährleistet, dass sich die Züge aus Richtung und Gegenrichtung beim Halbstundentakt sowohl im Frankfurter als auch im Mannheimer Hauptbahnhof begegnen. Das wiederum ist die Vorraussetzung dafür, dass sowohl im Mannheimer als auch im Frankfurter Hauptbahnhof ein Vollknoten 00/30 im Rahmen des Integralen Taktfahrplans (Deutschlandtakt) eingerichtet werden kann.

Beim Stuttgarter Hauptbahnhof sieht es diesbezüglich schon viel schwieriger aus. Und einen Hauptanteil daran hat das Projekt Stuttgart 21.

Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm
Nach allem was man so hört wird die Fahrzeit mit dem ICE zwischen Stuttgart und Ulm im Verlauf der Schnellfahrstrecke mehr als 30 Minuten betragen. Damit ist die Fahrzeit nicht Deutschlandtakt-kompatibel.

Mittwoch, 1. Dezember 2021

Von der Express-S-Bahn zur Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof

Im Laufe des Jahres 2022 soll im Stuttgarter S-Bahnnetz die erste Express-S-Bahn starten. Sie verläuft zunächst von Weil der Stadt nach S-Zuffenhausen und hält im Streckenverlauf nur an wichtigen Stationen.

Im heutigen Post in diesem Blog geht es darum aufzuzeigen, dass die Express-S-Bahn im Stuttgarter S-Bahnnetz zwingend den Bau einer Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof nach sich zieht.

Die Express-S-Bahn hat zwei Hauptaufgaben.
Einerseits soll sie zusätzliche Kapazität im Stuttgarter S-Bahnnetz bereitstellen. Denn für die S-Bahn gilt ja dasselbe, was auch für das übrige Bahnnetz gilt: Im Rahmen der Verkehrswende soll sich die Bahnnverkehrsleistung verdoppeln.

Andererseits soll die Express-S-Bahn weiteren Städten eine schnelle und direkte Anbindung an den Stuttgarter Hauptbahnhof mit all seinen Umsteigemöglichkeiten bieten.