Freitag, 29. Dezember 2023

Hat Stuttgart eine U-Bahn oder eine Stadtbahn?

Gleich vorweg die Antwort: Stuttgart besitzt eine Stadtbahn und keine U-Bahn.

Trotzdem sprechen viele Fahrgäste in Stuttgart von einer U-Bahn. Selbst die Deutsche Bahn AG verwendet den Begriff U-Bahn auf Umleitungsschildern bei der Stuttgart 21-Baustelle. Der Grund für die falsche Bezeichnung ist in erster Linie darin begründet, dass bei der Stuttgarter Stadtbahn dem Liniennamen ein U vorangestellt ist, also z.B. U1, U2 usw.

Ich wollte über dieses Thema schon seit vielen Jahren hier in diesem Blog schreiben. Ich habe das Thema aber immer wieder verschoben, weil es vielleicht wichtigere Themen gab oder aber weil ich mich an das Thema nicht so richtig herantraute.

Jetzt bin ich aber in Zugzwang geraten. Denn in der Ausgabe 663 der Internetzeitung "KONTEXT-Wochenzeitung" vom 13.12.2023 hat eine Praktikantin aus Wien einen ausführlichen - absolut lesenswerten - Vergleich der Zustände im öffentlichen Verkehr in Wien und Stuttgart veröffentlicht. Stuttgart kommt nicht gut dabei weg. Und in diesem Bericht wird  tatsächlich auch das Paradoxon der Stuttgarter U-Bahn, die ja gar keine ist, angesprochen.

Also: Versuchen wir mal der Sache auf den Grund zu gehen.

Im Jahr 1975 hat der Gemeinderat der Landeshauptstadt Stuttgart dem Begriff "Stadtbahn" für das städtische öffentliche Verkehrsmittel zugestimmt. Ende der Achtziger Jahre hat die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) den Buchstaben U vor der jeweiligen Liniennummer eingeführt.

Freitag, 22. Dezember 2023

Ist die P-Option eine weitere versteckte Unterstützung des Landes für Stuttgart 21?

Ende November 2023 wurde der Planfeststellungsbeschluss (= Baugenehmigung) für die sogenannte P-Option erlassen.

Die P-Option ist zwar nicht unmittelbar Bestandteil von Stuttgart 21. Sie wurde jedoch von Anfang an als eine mögliche Erweiterungsoption zu Stuttgart 21 genannt.

Was ist die P-Option?
Im Rahmen der P-Option zweigen nördlich der Tunnelrampe des Feuerbacher Tunnels beim Bahnhof Feuerbach zwei Gleise ab und werden durch den vorhandenen alten Pragtunnel geführt. Diese Gleise tauchen dann südlich des Pragtunnels ab und werden an den Cannstatter Tunnel von Stuttgart 21 angeschlossen. Der Cannstatter Tunnel ist die am wenigsten belastete unter den vier Zulaufstrecken zum Stuttgart 21-Hauptbahnhof.
 
Wie wird der Bau der P-Option finanziert?
Die Finanzierung der P-Option soll im Rahmen des Bundes-Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes  (GVFG) erfolgen. Das heißt, dass die P-Option weder im Rahmen des Stuttgart 21-Budgets noch als Projekt des Bundes finanziert werden soll. Vielmehr ist sie Bestandteil eines Bundesprogramms zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse in den Städten und Gemeinden. Bei diesen Projekten muss stets auch der Nutznießer und Antragsteller (Land BW) einen Eigenanteil bezahlen. 

Im heutigen Post in diesem Blog gehen wir der Frage nach, ob die P-Option eine weitere versteckte Unterstützung des Landes für Stuttgart 21 ist.    

Zwei Themen sind im Rahmen der P-Option relevant. Das sind der Bau des Nordzulauftunnels und die Kapazitätssteigerung für die Nordzufahrt zum Bahnknoten Stuttgart.  
 
Der Nordzulauftunnel und die P-Option
Der Bund will im Rahmen seines Bedarfsplans für den Ausbau der Bundesschienenwege einen ca. 10 Kilometer langen Nordzulauftunnel beim Bahnknoten Stuttgart bauen. Der Nordzulauftunnel soll die Schnellfahrstrecke Mannheim - Stuttgart direkt mit dem Feuerbacher Tunnel von Stuttgart 21 verbinden.
 
Der Nordzulauftunnel ist einerseits zur Einrichtung des Deutschlandtakts erforderlich. Denn er verkürzt die Fahrzeit Mannheim - Stuttgart, so dass zusammen mit anderen Maßnahmen eine Fahrzeit Mannheim - Stuttgart von knapp unterhalb der Kantenzeit von 30 Minuten möglich wird. Damit kann sowohl in Mannheim als auch in Stuttgart ein 00/30er-Vollknoten im Rahmen des Deutschlandtakts eingerichtet werden.
 
Andererseits bringt der Nordzulauftunnel auch das aus Kapazitätsgründen wichtige fünfte und sechste Gleise für die Zufahrt Zuffenhausen (Nordzulauf).
 
Wegen des Nordzulauftunnels muss der Feuerbacher Tunnel wieder aufgerissen werden
Die Anbindung des Nordzulauftunnels an den Feuerbacher Tunnel wurde beim Bau des Feuerbacher Tunnels von Stuttgart 21 nicht berücksichtigt. Deshalb muss der Feuerbacher Tunnel zur Anbindung des Nordzulauftunnels über eine längere Zeit hinweg gesperrt werden. Damit wäre der Stuttgarter Hauptbahnhof über eine längere Zeit aus Richtung Norden nicht mehr erreichbar. Nur die P-Option - oder alternativ ein Ergänzungsbahnhof - sichert dann noch eine eingeschränkte Erreichbarkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs aus Richtung Norden.
 
Die P-Option ist also für den Bau des Nordzulauftunnels unabdingbar. Von daher ist die Finanzierung der P-Option entweder eine Sache des Bundes oder aber eine Sache des Stuttgart 21-Betreibers. Denn der Stuttgart 21-Betreiber hätte sich vor dem Bau des Feuerbacher Tunnels über eventuelle direkte Anbindungen der Schnellfahrstrecke Mannheim - Stuttgart an den Stuttgarter Hauptbahnhof Gedanken machen müssen und den Feuerbacher Tunnel entsprechend ausbauen müssen. Jedenfalls ist von daher eine (Teil-)Finanzierung der P-Option durch das Land BW sowie aus Geldern für den Regionalverkehr nicht oportun. Vielmehr kann das als weitere versteckte Subvention des Landes BW von Stuttgart 21 betrachtet werden.
 
Verbesserungen für den Regionalverkehr?
Die P-Option wird auch immer wieder als Ausbaumaßnahme für den Regionalverkehr betrachtet. Eines ist aber klar: Auch mit der P-Option stehen in der Zufahrt Zuffenhausen (Nordzulauf) nur zwei Gleise für den Fern- und Regionalverkehr zur Verfügung, konkret im Abschnitt zwischen dem Feuerbacher Bahnhof und der Verzweigung nördlich des Zuffenhauser Bahnhofs.
 
Wir haben hier in diesem Blog aber vielfach gesehen, dass eine zweigleisige Zufahrt zu einem großen Bahnknoten mit Mischverkehr von Fern-/Regionalzügen nicht mehr als 12 bis 13 Züge pro Stunde und Richtung verkraften kann. Stuttgart 21 sieht mehr als  diese 12 bis 13 Züge pro Stunde und Richtung im Nordzulauf vor und ist somit überlastet.  Die P-Option bringt also zunächst mal keine Verbesserung bei der Kapazität für die Regionalzüge.
 
Verbesserungen bei den Fahrstraßen im Stuttgarter Hauptbahnhof
Verbesserungen wird es durch die P-Option stattdesssen aber bei den Fahrstraßen im Stuttgart 21-Hauptbahnhof geben. Der Feuerbacher Tunnel und der Fildertunnel münden ja in die inneren Gleise des Stuttgart 21-Tiefbahnhofs. Der Cannstatter Tunnel und der Untertürkheimer Tunnel münden in die äußeren Gleise. Im Regionalverkehr werden zukünftig fast nur Innen-Innen-Verbindungen bzw. Außen-Außen-Verbindungen gefahren. Innen-Außen-Verbindungen und Außen-Innen-Verbindungen sind leistungshemmend, weil dadurch gleich zwei Fahrstraßen auf einmal blockiert werden. Durch die P-Option dockt der Nordzulauf nicht nur innen, sondern auch außen an den Stuttgart 21-Hauptbahnhof an. Damit können die Durchbindungen flexibler gestaltet werden (z.B. Ludwigsburg - Esslingen).

Trotzdem sind die durch die P-Option möglichen flexibleren Durchbindungen im Regionalverkehr keine Sache, die das Land BW finanzieren sollte. Denn Stuttgart 21 kam vor allem in der Anfangszeit mit dem Anspruch daher, die Kapazität des Stuttgarter Hauptbahnhofs verdoppeln zu wollen. Von daher ist die P-Option lediglich eine Maßnahme, mit der die Einschränkungen des Stuttgart 21-Tiefbahnhofs ein kleines Stück weit geheilt werden sollen. Die P-Option muss deshalb vom Stuttgart 21-Betreiber finanziert werden.
 
Gilt nun der Kostendeckel bei Stuttgart 21 für das Land BW oder gilt er nicht?
Der Landesverkehrsminster betont bei jeder Gelegenheit, dass der Kostendeckel von Stuttgart 21 für das Land gilt. Gleichzeitig finanziert er jedoch mit Landesmitteln zahlreiche Ergänzungsmaßnahmen zu Stuttgart 21, die eigentlich integraler Bestandteil des Projekts sein müssten. Dazu gehört auch die P-Option. Das gefällt wohl den Stuttgart 21-Protagonisten, die ja Stuttgart 21 in einer minimalistischen Version ausführen. Land und Bund stehen Gewehr bei Fuß, mit eigenen Mitteln die Defizite von Stuttgart 21 zu heilen. Warum kommt da vom Landtag in BW, vor allem auch von den Abgeordneten aus dem badischen Landesteil, kein Einspruch?
 
Der Ergänzungsbahnhof bringt die erforderliche Kapazitätssteigerung
Das Land BW sollte seine Regionalisierungsmittel und seine GVFG-Mittel in erster Linie für einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgart 21-Tiefbahnhof und dessen Zulaufstrecken investieren. Vor allem ist auch dafür zu sorgen, dass eine Zufahrt von Zuffenhausen zum Ergänzungsbahnhof nicht durch die P-Option verunmöglicht wird, dass also die P-Option und der Ergänzungsbahnhof nicht in Konkurrenz zueinander stehen.

Freitag, 15. Dezember 2023

Das Gäubahn-Desaster betrifft auch die Fahrtwünsche von Stuttgart Richtung Bodensee/Schweiz und zurück

Geht es nach den aktuellen Planungen, soll die Gäubahn nach einer ersten Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 auf unabsehbare Zeit nicht mehr den Stuttgarter Hauptbahnhof und Bahnknoten Stuttgart anfahren können.

In der Öffentlichkeit wird bisher fast nur über die Erschwernisse für die Fahrgäste mit Fahrtanfang entlang der Gäubahn diskutiert, die nicht mehr direkt zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren können. Eine andere, genauso wichtige Fahrgastgruppe wird jedoch bisher kaum genannt. Das sind die Fahrgäste, die in Stuttgart oder in der Region Stuttgart wohnen und zu Orten entlang der Gäubahn bzw. in den Schwarzwald bzw. zum Bodensee bzw. in die Schweiz fahren wollen. Dazu kommen die Fahrgäste, die irgendwo in Deutschland wohnen und im Stuttgarter Hauptbahnhof auf die Gäubahn umsteigen wollen. 

Damit wollen wir uns im heutigen Post in diesem Blog näher befassen.

Beginnen wir aber mit den Fahrgästen, die entlang der Gäubahn wohnen und die zum Bahnknoten Stuttgart alias Stuttgarter Hauptbahnhof fahren wollen.

Viele Bürgermeister von Orten entlang der Gäubahn haben sich ja für diese Fahrgäste in der Vergangenheit ein wenig eingesetzt. Sie haben allen möglichen Ideen wie z.B. einer Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn nach Horb oder gar Rottweil oder einem Metropolexpress von Stuttgart-Vaihingen nach Rottweil zugestimmt.

Diese Vorschläge sind jedoch alle unbefriedigend. Und man fragt sich in diesem Zusammenhang, für was die Bürgermeister der Orte entlang der Gäubahn eigentlich gewählt wurden. Wurden sie gewählt, um für die Bürgerinnen und Bürger das Bestmögliche in Sachen Gäubahn herauszuholen, oder wurden sie gewählt, um in Stuttgart Immobilienprojekte zu fördern? Warum eigentlich haben die Bürgermeister der Orte entlang der Gäubahn einen solchen Bammel vor dem Projekt Stuttgart 21-Rosenstein? Sie schauen wie das Kaninchen auf die Schlange, wobei die Schlange in diesem Fall Stuttgart 21-Rosenstein ist.

Stuttgart 21-Rosenstein - der Koloss auf tönernen Füßen
Dabei ist Stuttgart 21-Rosenstein gar keine Schlange, sondern eher ein Koloss auf tönernen Füßen. Die Landeshauptstadt Stuttgart wird froh sein, wenn sie nur einen Teil von Stuttgart 21-Rosenstein bebauen muss und kann. Denn die Landeshauptstadt Stuttgart hat mit der Konvertierung von Bauflächen und von leerstehenden oder untergenutzten Gebäuden und Flächen im bestehenden Stadtgebiet mehr als genug zu tun. Da ist für Stuttgart 21-Rosenstein kein Platz und keine Zeit und kein Geld mehr da.

Es mag ja sein, dass die Bürgermeister der Orte entlang der Gäubahn keine rechtliche Handhabe für eine Beibehaltung der Führung der Gäubahn über die Stuttgarter Panoramastrecke in einen ergänzenden Kopfbahnhof haben. Ein geschlossenes, mächtiges diesbezügliches Votum der Bürgermeister könnte aber von der Politik nicht einfach ignoriert werden, auch vom immer unlustiger agierenden Landesverkehrsminister Hermann nicht.

Stuttgarter Gäubahnfahrgäste - keine Lobby
Aber kommen wir jetzt noch zu den Fahrgästen mit Wohnsitz in Stuttgart oder in der Region Stuttgart. 

Im Gegensatz zu den Fahrgästen in der Gegenrichtung der Gäubahn gibt es hier keinen Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister, der wenigstens versucht, etwas für diese Fahrgäste zu tun. Allerdings bräuchte es solcher Bürgermeister oder Oberbürgermeister gar nicht, wenn Bund und Land ihre Aufgaben erledigen würden.

In Bezug auf das Land Baden-Württemberg wäre festzustellen, dass alle im Verlauf der Gäubahn fahrenden Züge eine Regionalzugnummer tragen. Damit ist das Land BW für alle Züge der Gäubahn zuständig bzw. hat wenigstens ein Mitspracherecht bei allen Zügen. Das Land legt fest, wer diese Regionalverkehrszüge betreibt. Das Land legt fest, wo diese Regionalverkehrszüge halten. Das Land legt fest, welche Fahrzeuge dort verkehren. Das Land legt den Fahrplantakt fest. Und in diesem Kontext legt selbstverständlich das Land auch fest, dass diese Züge weiterhin den Stuttgarter Hauptbahnhof anfahren. 

Der Bund ist insoweit beteiligt, als es sich bei der Gäubahn um eine Eisenbahnstrecke des  Bundes handelt. Ein einziger Satz aus dem Bundesverkehrsministerium würde genügen, damit der direkte Zugang der Gäubahn zum Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten bleibt.

Das alles geschieht jedoch nicht. Jetzt warten alle auf das Gerichtsverfahren in Sachen Erhaltung des direkten Zugangs der Gäubahn zum Stuttgarter Hauptbahnhof, das die Deutsche Umwelthilfe DUH und der Landesnaturschutzverband LNV angestrengt haben. Peinlich und ärgerlich, dass NGOs das Versagen der Politik korrigieren müssen.   


Freitag, 8. Dezember 2023

Brüttener Tunnel in der Schweiz versus Gäubahn-Pfaffensteigtunnel - Ergebnis eindeutig

Zwei Tunnelprojekte mit ähnlicher Länge und Ausgestaltung. Aber was für Unterschiede! 

Heute vergleichen wir hier in diesem Blog den Brüttener Tunnel im Kanton Zürich mit dem Gäubahn-Pfaffensteigtunnel in der Region Stuttgart. 

Brüttener Tunnel
Der knapp neun Kilometer lange Brüttener Tunnel im Osten des Kantons Zürich soll die Fahrzeiten zwischen Zürich und Winterthur (- Ostschweiz) verkürzen sowie vor allem die Kapazität der Bahnstrecke Zürich - Winterthur massiv erhöhen.  
 
Gäubahn-Pfaffensteigtunnel
Der 11,2 Kilometer lange Gäubahn-Pfaffensteigtunnel soll die Gäubahn über den Stuttgarter Flughafen zum Hauptbahnhof führen. Gegenüber der Bestandsstrecke, die als Verbindung zum Hauptbahnhof aufgegeben werden soll, gibt es jedoch keine Kapazitätssteigerung und nur ganz wenig Fahrzeitgewinn. Der Gäubahn-Pfaffensteigtunnel ist der möglicherweise längste Eisenbahntunnel Deutschlands*.

*Es gibt inzwischen internationale Projekte wie Dresden - Prag, die noch längere Tunnel aufweisen.
 
Die Züge pro Stunde
Der Pfaffensteigtunnel wird nur von maximal drei Zügen pro Stunde und Richtung befahren werden. Ein weiterer Zug pro Stunde und Richtung der Gäubahn würde möglicherweise ohne Befahren des Pfaffensteigtunnels nach S-Vaihingen fahren. Güterverkehr wird es nicht geben. Wir haben beim Pfaffensteigtunnel somit sechs Züge pro Stunde und 114 Züge pro Tag (Betriebszeit angenommen 19 Stunden). Das ist für den längsten Eisenbahntunnel Deutschlands sehr wenig. Vor dem Hintergrund der allgemeinen Mittelknappheit sowie in Anbetracht zahlreicher wichtigerer Tunnelbauprojekte in Deutschland steht somit hinter dem Bau des Pfaffensteigtunnels ein großes Fragezeichen. 

Die Kapazität der Strecke Zürich - Winterthur steigt mit Inbetriebnahme des Brüttener Tunnels von heute 670 Züge auf zukünftig 900 Züge pro Tag. Der Brüttener Tunnel ermöglicht somit 230 zusätzliche Züge pro Tag von Zürich in die Ostschweiz und zurück (S-Bahn, Regionalzüge, Fernzüge). Das ist wichtig, um den Viertelstundentakt bei wichtigen Linien einführen zu können. Der Brüttener Tunnel soll darüber hinaus jedoch die vollkommen überlastete Bestandsstrecke entlasten, indem er Züge von der Bestandsstrecke übernimmt. Somit wird der Brüttener Tunnel von 900 geteilt durch zwei gleich 450 Zügen pro Tag befahren werden. Bei einer täglichen Betriebszeit von 19 Stunden sind dies 23,7 Züge pro Stunde sowie 11,8 Züge pro Stunde und Richtung

Ganz kurzer Vergleich mit dem Feuerbacher Tunnel von Stuttgart 21
Wir haben hier in diesem Blog ja den Engpass Feuerbacher Tunnel von Stuttgart 21 vielfach thematisiert. Der Brüttener Tunnel bestätigt diese Kritik einmal mehr.
 
Konkret: Der Nordzulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof ist für 40 Prozent der Nachfrage nach Bahnverkehrsleistungen (ohne S-Bahn) zum/vom Bahnknoten Stuttgart zuständig. Der Nordzulauf weist heute nur zwei Gleise auf. Eine zweigleisige Bahnstrecke zu einem großen Bahnknotenpunkt leistet nirgendwo mehr als 12 - 13 Züge pro Stunde und Richtung. Der Nordzulauf ist bereits heute mit bis zu 13 Zügen pro Stunde und Richtung ausgelastet. Stuttgart 21 sieht für den Nordzulauf keine zusätzlichen Gleise vor, sondern legt die beiden Gleise lediglich in den Feuerbacher Tunnel. Stuttgart 21 sieht aber im Feuerbacher Tunnel teilweise mehr als 13 Züge pro Stunde und Richtung vor. Der Brüttener Tunnel mit seinen 12 Zügen pro Stunde und Richtung bestätigt einmal mehr, dass der Feuerbacher Tunnel ein großes, eines von vielen, Problemen von Stuttgart 21 ist.   
 
Die Politik
Der Pfaffensteigtunnel ist kein normales, über viele Jahre gereiftes Projekt eines Bedarfsplans, sondern ein Stuttgart 21-Reparaturprojekt und ein Gesichtswahrungsprojekt, nachdem sich herausgestellt hat, dass die ursprüngliche Planung einer Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn nicht umsetzbar ist.
 
Das sieht man auch daran, dass der Pfaffensteigtunnel quasi ein Seiteneinsteiger in die Bedarfspläne des Bundes ist und viele andere wichtigere Projekte dort schon wesentlich länger zu finden sind. Geht es nach der Propaganda, soll nun der Pfaffensteigtunnel all diese anderen, viel älteren und wichtigeren Projekte überholen und früher als diese in Bau gehen und eröffnet werden. Es ist kaum wahrscheinlich, dass die Politik mit dieser Trickserei durchkommt. Zudem würde ein eigentlicher Baubeschluss für diesen Tunnel erst mit einer neuen Regierung in der folgenden Legislatur erfolgen können. Die neuesten Änderungen nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts sind hier noch gar nicht berücksichtigt.
 
Die Zeitskala beim Brüttener Tunnel entspricht dagegen dem, was bei sonst allen Tunnels dieser Größenordnung in Deutschland und der Schweiz zu erwarten ist. Die Idee zum Tunnel stammt aus den 80er Jahren. Ein eigentlicher Baubeschluss erfolgte im Jahr 2019. Der Tunnel wurde in das Ausbauprogramm bis 2035 eingeordnet (in der Schweiz gibt es Ausbauprogramme für die Bahn, die jeweils 15 Jahre umfassen). Nach heutiger Planung ist die Fertigstellung des Tunnels bis Ende 2035 vorgesehen. Zwischen der Idee und der Inbetriebnahme des Tunnels vergehen somit ca. 50 Jahre. Das sind Zeiträume, wie sie auch bei langen Tunnels in Deutschland bekannt sind. Umso befremdlicher und realitätsferner erscheint hier der Pfaffensteigtunnel mit einem Zeitraum zwischen Idee (Bilgertunnel) und der anvisierten Inbetriebnahme 2032 von ca. 12 Jahren.
 
Integraler Taktfahrplan / Deutschlandtakt
Der Brüttener Tunnel ist enorm wichtig, um den Integralen Taktfahrplan auch in die Ostschweiz bringen zu können. Hierzu ist eine Fahrzeit von Zürich nach St. Gallen von weniger als einer Stunde erforderlich. Die entscheidenden Minuten Fahrzeitersparnis dazu bringt der Brüttener Tunnel. 

Auch beim Pfaffensteigtunnel wird immer wieder das Zauberwort Deutschlandtakt (= Integraler Taktfahrplan) verwendet. Das soll wohl die Kritik zum Verstummen bringen. Denn der Deutschlandtakt ist doch etwas Gutes. 

Bei genauerem Hinsehen ist der Pfaffensteigtunnel für den Deutschlandtakt jedoch nicht erforderlich. Hierbei muss man von einem Endzustand ausgehen, der eine Fahrzeit Mannheim-Stuttgart von knapp unter 30 Minuten beinhaltet. Damit kommen die Züge der Magistrale Mannheim - Stuttgart - München zu den Minuten 28 und 58 im Stuttgarter Hauptbahnhof an und fahren zu den Minuten 32 und 02 wieder ab (Mindestaufenthaltszeit 4 Minuten). Alle anderen Züge - auch die der Gäubahn - gruppieren sich darum herum. Sie kommen früher an und fahren später ab als die Züge der Magistrale. Bei einer Fahrzeit Stuttgart - Böblingen von 21 Minuten über die Bestandsstrecke kommen die Züge der Gäubahn zu den Minuten 52 und 22 im Stuttgarter Hauptbahnhof an und fahren dort zu den Minuten 08 und 38 ab. Das ermöglicht dann auch noch einen 00/30er Knoten in Böblingen. Zudem sind die Umsteigezeiten im Stuttgarter Hauptbahnhof (Stuttgart 21-Durchgangsbahnhof und Ergänzungsbahnhof) dann bestens.
 
Sind die Klagen von DUH und LNV gegen die Kappung der Gäubahn doch viel aussichtsreicher als vermutet?
Der aktuelle Aktionismus rund um den Pfaffensteigtunnel kann auch darauf hindeuten, dass in den Amtsstuben sehr wohl mit der Möglichkeit einer erfolgreichen Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) und des Landesnaturschutzverbands (LNV) gegen eine Kappung der Gäubahn ab 2025 gerechnet wird. Dem sollen wohl jetzt die Planungsaktivitäten und der - kaum realistische - Inbetriebnahmezeitpunkt 2032 des Pfaffensteigtunnels entgegengesetzt werden.
 
Hoffen wir, dass der Pfaffensteigtunnel - wenn nicht bereits durch die großen bevorstehenden Änderungen als  Folge des Verfassungsgerichtsurteils - durch erfolgreiche Klagen der DUH und des LNV bald in das Archiv der gescheiterten Großprojekte befördert wird.


Freitag, 1. Dezember 2023

Frankfurt am Main: Distanzierung von Stuttgart 21

Das Projekt Stuttgart 21 taugt nicht als Vorbild, sondern allenfalls als Beispiel, wie man es nicht machen soll. Das zeigt auch die Diskussion um den Fernbahntunnel in Frankfurt am Main

So zitiert die Zeitung Frankfurter Allgemeine in einem Artikel vom 22.11.2023 den Projektleiter der Bahn für den Fernbahntunnel in Frankfurt am Main, der bei einer Pressekonferenz am 20.11.2023 das Projekt Stuttgart 21 als Vergleich heranzog.

Das Hauptziel des Fernbahntunnels in Frankfurt am Main sei es, die Kapazitäten der Schienenstrecken zu erhöhen. In Frankfurt bliebe, anders als bei Stuttgart 21, der Hauptbahnhof erhalten. Es kommen sogar vier neue unterirdische Haltepositionen hinzu. Der Frankfurter Hauptbahnhof hat dann 29 Bahnsteiggleise.

Ähnliche Äußerungen in Richtung Stuttgart 21 gab es in Frankfurt und Hessen auch schon von verschiedener politischer Seite.

Gemäß den Angaben der Bahn sind die zusätzlichen Gleise notwendig, um die Zahl der Züge pro Tag im Frankfurter Hauptbahnhof von heute 1.400 auf zukünftig 1.800 steigern zu können.

Man kann noch hinzufügen, dass das Modell Stuttgart 21 nirgendwo in Europa kopiert wird. Das Modell Stuttgart 21 besteht ja darin, dass alle oberirdischen Gleisanlagen bei einem Hauptbahnhof aufgegeben werden und durch einen unterirdischen Engpass ersetzt werden. Wegen des um 90 Grad gedrehten Hauptbahnhofs müssen auch alle Zulaufstrecken teuer im Tunnel neugebaut werden.

Viele Städte in Europa haben ihre Bahn bereits ausgebaut oder wollen dies noch tun. Keine einzige Stadt kopiert Stuttgart 21. Statt dessen ähneln sich die Ausbauprojekte vieler Städte in Europa. Der Bestand der Bahnanlagen bleibt großteils erhalten. Es kommen dann neue Bahnsteiggleise und neue Zulaufgleise hinzu. Vielfach entsteht dadurch eine Kombilösung. Das kann in der Form sein, dass zusätzlich zum bestehenden Hauptbahnhof eine Durchmesserlinie gebaut wird. Beispiele dafür in der Umgebung von Stuttgart sind Frankfurt, München und Zürich.

Ziel in Stuttgart muss es nun sein, dass zusätzlich zum achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof ein Kopfbahnhof erhalten bleibt. Damit hätte auch Stuttgart - wenngleich mit kostspieligen Um- und Irrwegen - ebenfalls seine Kombilösung bekommen.     

Freitag, 24. November 2023

Ist die Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn Richtung Heilbronn ein Versuch, den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof zu verhindern?

Es gibt Pressemeldungen, wonach der Verband Region Stuttgart Überlegungen anstellt, die Stuttgarter S-Bahnlinie S 5 über ihren derzeitigen Endpunkt Bietigheim-Bissingen hinaus in den Landkreis Heilbronn bis Lauffen am Neckar zu verlängern. 

Das scheint auf den ersten Blick eine interessante Sache zu sein. Auf den zweiten Blick wird man jedoch stutzig. Ist diese angedachte Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn vielleicht nur einer von vielen Versuchen, einen Ergänzungsbahnhof zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof zu verhindern? Und/oder ist diese angedachte Verlängerung der S-Bahn nur wieder einer von vielen Gelegenheiten, dem Metropolexpress (MEX) des Landes BW Prügel zwischen die Beine zu werfen? 

Das sehen wir uns heute hier in diesem Blog näher an.

Der Verband Region Stuttgart ist nicht für die von außerhalb in die Region Stuttgart einfahrenden Züge zuständig. Dafür ist das Land BW zuständig. 

Es gibt auf den zweiten Blick tatsächlich viele weitere Gründe, die gegen eine Verlängerung der Stuttgarter S-Bahn nach Lauffen am Neckar sprechen. Statt dessen sollte der MEX des Landes BW Stuttgart - Heilbronn und zurück in einem sauberen 15 Minuten-Takt verkehren. Dieser MEX muss dann aber in den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof einfahren - wie auch zum Beispiel ein zukünftiger MEX Calw - Stuttgart oder wie z.B. die Gäubahn oder wie z.B. eine zukünftige Express-S-Bahn Kirchheim unter Teck- Stuttgart.

Unterschiedliche Bahnsteighöhen
Bahnsteighöhen beim MEX von 76 cm über SO stehen Bahnsteighöhen bei der S-Bahn von 96 cm gegenüber. Man müsste also bei den Bahnhöfen im Verlauf der angedachten Verlängerung Besigheim, Walheim, Kirchheim (Neckar) und Lauffen am Neckar jeweils zwei Bahnsteige mit unterschiedlicher Bahnsteighöhe oder überlange Bahnsteige mit unterschiedlicher Bahnsteighöhe bauen. Das aber wäre eine städtebauliche und/oder eine landschaftliche Katastrophe. Die genannten Bahnhöfe dürfen deshalb nur eine Bahnsteighöhe aufweisen. Und das ist die Bahnsteighöhe des MEX.
 
Komfort/Toiletten
Dieses Thema wird bereits bei der vorgeschlagenen S-Bahnverlängerung Richtung Rottweil diskutiert. Die S-Bahn ist nun mal eher für kürzere Fahrstrecken konstruiert. Es gibt in der S-Bahn weniger Sitzplätze und mehr Stehplätze als in einem MEX. Zudem sind die Sitzplätze im MEX komfortabler als in einer S-Bahn. Der MEX verfügt zudem im Gegensatz zur S-Bahn über eine Toilette. Man sollte deshalb dabei bleiben, dass der MEX die Strecken außerhalb des bestehenden S-Bahnnetzes attraktiv bedient. Verlängerungen des bestehenden S-Bahnnetzes müssen die Ausnahme bleiben.  

Die S-Bahnverlängerung bringt keine zusätzliche Kapazität
Die Verlängerung der S-Bahn von Bietigheim-Bissingen nach Lauffen am Neckar bringt im Abschnitt zwischen Bietigheim-Bissingen und dem Hauptbahnhof keine zusätzliche Kapazität. Es fährt kein einziger Zug mehr. Es wird kein einziger Sitzplatz mehr angeboten. Ein MEX im Viertelstundentakt zwischen Heilbronn und Stuttgart bringt dagegen sehr wohl zusätzliche Kapazitäten, und das nicht nur im Abschnitt von Heilbronn nach Bietigheim-Bissingen sondern auch und gerade im Abschnitt von Bietigheim-Bissingen zum Hauptbahnhof. Zusätzliche Kapazitäten sind wegen des Ziels, bis zum Jahr 2030 die Fahrgastzahlen zu verdoppeln, unabdingbar.
  
Die unpünktliche S-Bahn sollte nicht verlängert werden
Die Menschen in der Region Stuttgart sind mit dem aktuellen Zustand der S-Bahn nicht zufrieden. Es gibt zu viele Verspätungen. Es fallen zu viele Züge aus. Das System der Stuttgarter S-Bahn scheint nicht zuletzt wegen des einzigen Stammstreckentunnels ausgereizt zu sein. Hauptaufgabe des Verbands Region Stuttgart ist es, das bestehende S-Bahnsystem zu verbessern. Das Wildern in den MEX-Gebieten des Landes BW sollte unterbleiben. 
 
Konkrete Maßnahmen, die innerhalb des bestehenden S-Bahnnetzes dringend in die Wege geleitet werden müssen, sind das dritte Gleis zwischen Böblingen und Herrenberg, Doppelspurabschnitte zwischen Wendlingen und Kirchheim unter Teck sowie abschnittsweise das dritte Gleis zwischen Waiblingen und Schorndorf. 

Der MEX fährt schneller nach Stuttgart
Die Fahrgäste aus Besigheim, Walheim, Kirchheim (Neckar) und Lauffen am Neckar kommen mit dem MEX schneller zum Stuttgarter Hauptbahnhof und damit zu einem der wichtigsten Bahnknoten als mit der S-Bahn. Das ist entscheidend. Das betrifft die Mehrzahl der Fahrgäste.
       
Der MEX könnte zukünftig auch in Zuffenhausen halten
Der MEX ist ein Produkt, für das es auch ein Produkt-Handbuch geben müsste. Gäbe es ein solches Handbuch, müsste darin auch festgehalten sein, wo der MEX hält. Eines von mehreren Kriterien müsste sein, dass der MEX an Bahnhöfen mit Streckenverzweigungen hält. Das ist wichtig für die Übereck-Fahrten, z.B. von Leonberg nach Heilbronn. Der MEX Heilbronn - Stuttgart müsste also irgendwann einmal im Verzweigungsbahnhof Zuffenhausen halten. Damit könnten zukünftig die Fahrgäste z.B. aus Lauffen am Neckar auch Zuffenhausen ohne Umsteigen erreichen. 

 

Freitag, 17. November 2023

Ulms Bayerischer Bahnhof - Vorbild für den Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof?

Gemäß einem Bericht auf der Website des SWR wurde am 02. November 2023 ein eigener Zugang zum Bayerischen Bahnhof des Ulmer Hauptbahnhofs in Betrieb genommen.

Wir sehen uns das hier in diesem Blog heute ein wenig näher an und ziehen dann einen Vergleich mit Stuttgart 21. Denn den Bayerischen Bahnhof kann man auch als Ergänzungsbahnhof zum Ulmer Hauptbahnhof betrachten.

Der Bayerische Bahnhof beim Ulmer Hauptbahnhof ist ein dreigleisiger Kopfbahnhof (Gleise 25, 27 und 28). Von dort fahren Regionalzüge in Richtung Augsburg - München sowie in Richtung Ingolstadt. 

Der Bayerische Bahnhof war nur umständlich zu erreichen
Bisher war der Bayerische Bahnhof in Ulm nur relativ kompliziert zu erreichen. Man musste zuerst mal in das zeitweise überfüllte Empfangsgebäude des Ulmer Hauptbahnhofs gehen. Von dort ging es dann wieder ins Freie zum Bahnsteig bei Gleis 1. Dort musste man sich nach links wenden und einige Zig-Meter entlang des ebenfalls manchmal stark belegten Bahnsteigs 1 gehen, um zum Querbahnsteig des Bayerischen Bahnhofs zu kommen.

Seit dem 2. November 2023 ist dies anders. Jetzt kommt man direkt vom Bahnhofsvorplatz, also direkt von der Straßenbahnhaltestelle, der Innenstadt, dem ZOB und der Fußgängerunterführung in Ulm zum Querbahnsteig des Bayerischen Bahnhofs (Kosten: 175.000 Euro).

Weitere Ausbaumaßnahmen in Ulm
Jetzt streifen wir mal ganz kurz die weiteren Ausbaumaßnahmen beim Ulmer Hauptbahnhof, obwohl das eigentlich im heutigen Post eher nebensächlich ist. 
 
2024/25 wird das Empfangsgebäude des Ulmer Hauptbahnhofs grundlegend saniert und modernisiert werden.  Während dieser Zeit wird man nur über die Brücke am Südende des Hauptbahnhofs zu den Gleisen gelangen können. Ebenfalls saniert und modernisiert wird die Fußgängerunterführung beim Hauptbahnhof. Unter anderem werden Fahrtreppen eingebaut.
 
Unterschiedliche Vorstellungen bei Bahn und Stadt Ulm
Im Rahmen der Sanierung / Modernisierung des Ulmer Hauptbahnhofs gibt es bei der Bahn und bei der Stadt Ulm unterschiedliche Vorstellungen. Die Bahn will die vorhandene Fußgängerunterführung lediglich sanieren und modernisieren. Dagegen will die Stadt Ulm die vorhandene Fußgängerunterführung auch verlängern, so dass es zwischen dem Dichterviertel im Westen des Hauptbahnhofs und den Sedelhöfen im Osten des Hauptbahnhofs eine durchgehende Fußgängerverbindung gibt, die auch alle Gleise des Durchgangsbahnhofs sowie das Empfangsgebäude anschließt.
 
Hier bleibt für die Stadt Ulm vielleicht nur übrig, die Sache selbst zu finanzieren, möglicherweise mit Zuschüssen. Den heutigen Zustand bei der Fußgängerunterführung einfach nur zu sanieren wäre ein Schildbürgerstreich.
 
Halb Ulm wird zur Baustelle
Jetzt muss man aber auch gleich noch Bedenken anbringen, ob die Stadt Ulm finanziell und personell in der Lage sein wird, auch noch die Verlängerung der Bahnhofsunterführung zu stemmen. Denn bis zum Ende der Zwanziger Jahre wird Ulm zur Großbaustelle. Neben der Sanierung und Modernisierung des Hauptbahnhofs wird für ca. 30 Mio. Euro die Hauptfußgängerzone Bahnhofstraße / Hirschstraße vollkommen neu und vorbildhaft gestaltet.
 
Dann steht in Ulm im Jahr 2030 eine Landesgartenschau an. Das ist weit mehr als eine bloße Blümchenschau. Denn Voraussetzung für die Landesgartenschau in Ulm ist der Abriss der Brücke der B10-Stadtdurchfahrt über das Blaubeurer Tor und deren Ersatz durch einen Tunnel. Das Blaubeurer Tor wird also endlich wieder freigestellt! Ein Mega-Bauvorhaben mit unerbittlicher Terminierung. Gleichzeitig muss auch die riesige Donaubrücke neugebaut werden. 

Dann gibt es gewaltige Entwicklungsvorhaben in den Stadtquartieren um den Hauptbahnhof, z.B. im Dichterviertel und im Theaterviertel. Möglicherweise wird Ulm die neue Mega-Baustellenstadt in Baden-Württemberg.
 
Fahrgäste im Stuttgarter und im Ulmer Hauptbahnhof
Kehren wir jetzt aber wieder zum eigentlichen Thema des heutigen Posts in diesem Blog zurück. Es geht ja darum, ob der Bayerische Bahnhof in Ulm ein Vorbild für einen zukünftigen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof sein kann. 

Der Stuttgarter Hauptbahnhof hat gemäß der Wikipedia 255.000 Besucher pro Tag. Der Ulmer Hauptbahnhof hat gemäß der Wikipedia 40.000 Reisende pro Tag. Ob diese beiden Zahlen jetzt genau dasselbe meinen, ist nicht klar. Uns bleibt erstmal nur anzunehmen, dass beide Zahlen miteinander verglichen werden können.
 
Damit ergibt sich dann ein Faktor von 6,4 im Vergleich Stuttgart - Ulm. Das kann man aber nicht direkt in Zugzahlen umrechnen. Denn die im Ullmer Hauptbahnhof fahrenden Regionalzüge einschließlich der Züge des S-Bahnvorlaufbetriebs sind vielfach wesentlich kürzer als die in Stuttgart verkehrenden Regionalzüge bzw. Züge der S-Bahn.
 
Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof
Trotzdem ist die Sache beeindruckend. Wenn der Ulmer Hauptbahnhof einen dreigleisigen Ergänzungsbahnhhof (Bayerischer Bahnhof) hat, dann braucht der Stuttgart 21-Hauptbahnhof ebenfalls einen Ergänzungsbahnhof mit - ganz überschläglich - acht bis zehn Gleisen.
 
Wie sieht es beim Durchgangsbahnhof aus?
Der Stuttgart 21-Hauptbahnhof wird acht Bahnsteiggleise haben. Dazu muss man in Stuttgart die zwei Gleise des S-Bahnhofs Hauptbahnhof zählen, denn in Ulm verkehren auch die Züge des S-Bahnvorlaufbetriebs bzw. des späteren S-Bahnbetriebs im Durchgangsbahnhof. Das ergibt dann zehn Bahnsteiggleise in Stuttgart.
 
Der Durchgangsbahnhof in Ulm hat sieben Bahnsteiggleise. Dazu kommen noch zwei Kopfbahnhofgleise. Durch den Durchgangsbahnhof fährt in Ulm auch ein Teil des Güterverkehrs. Das ist jedoch durch das bahnsteiglose Gleis zwischen den Gleisen 1 und 2 abgedeckt.   

Verglichen mit Ulm und unter Berücksichtigung der stark divergierenden Zahl der Fahrgäste ist der Stuttgart 21-Durchgangsbahnhof somit alles andere als üppig bemessen. Von daher gibt es einen weiteren Druck für einen Ergänzunngsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof.
 
Dann muss man noch die Gleis-Doppelbelegungen ansehen. Im Ulmer Durchgangsbahnhof gibt es zahlreiche Gleis-Doppelbelegungen. Das deutet auf eine Unterdimensionierung des Durchgangsbahnhofs hin. Auch im Stuttgart 21-Tiefbahnhof soll es Gleis-Doppelbelegungen geben, obwohl dies wegen des starken Gleisgefälles problematisch ist. Von daher ist auch der Stuttgart 21-Durchgangsbahnhof unterdimensioniert.
 
Die Notwendigkeit des Stuttgarter Ergänzungsbahnhofs
Im Vergleich Stuttgart - Ulm gibt es gleich eine mehrfache Notwendigkeit für einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof. Das ist einmal der schon bestehende Ergänzungsbahnhof beim Ulmer Hauptbahnhof (Bayerischer Bahnhof). Dann sind da die viel zu wenigen Gleise des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs - auch im Vergleich mit Ulm. Und dritttens gibt es sowohl in Ulm als auch bei Stuttgart 21 eine Gleis-Doppelbelegung, was auf eine Unterdimensionierung sowohl des Ulmer als auch des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs hindeutet. 
 
Ulm zeigt Stuttgart zudem, wie Stadtentwicklung auch bei einem oberirdischen Hauptbahnhof funktioniert.              

 

Dienstag, 14. November 2023

Nürnberger Güterzugtunnel zeigt: Zeitangaben für Gäubahn-Pfaffensteigtunnel sind äußerst fragwürdig

Die Bahn will zwischen Nürnberg und Erlangen den mit 7,5 Kilometern längsten Güterzugtunnel Deutschlands bauen. Die Zeitangaben für diesen Tunnel lassen einmal mehr die Zeitangaben für den Gäubahn-Pfaffensteigtunnel äußerst fragwürdig erscheinen.

Gemäß einem Pressebericht vom 14.11.2023 plant die Bahn zwischen Nürnberg und Erlangen den Bau des längsten Güterzugtunnels Deutschlands. Der Bau ist enorm wichtig. Denn mit Hilfe dieses Tunnels wird der Güterverkehr vom ICE-Verkehr getrennt.

Der Güterzugtunnel ist auch ungleich wichtiger als der Gäubahn-Pfaffensteigtunnel, eine Stuttgart 21-Reparaturmaßnahme. Denn der Güterzugtunnel wird von wesentlich mehr Zügen befahren als der Pfaffensteigtunnel. Zudem bringt der Pfaffensteigtunnel im Vergleich zum Bestand keine Leistungssteigerung für die Gäubahn.

Der geplante Güterzugtunnel wird von fast allen Seiten begrüßt, auch von den Naturschutzverbänden. Die Bahn will möglichst schnell mit den Bauarbeiten beginnen. Trotzdem wird der Tunnel erst irgendwann in den Dreißiger Jahren und damit möglicherweise erst Ende der Dreißiger Jahre fertig. Für den zentralen Teil des Tunnels soll bereits in einem Jahr der Planfeststellungsbeschluss erlassen werden. Trotzdem werden die Bauarbeiten erst Ende der Zwanziger Jahre beginnen können.

Pfaffensteigtunnel: Inbetriebnahme in weiter Ferne
Beim Pfaffensteigtunnel ist ein Planfeststellungsbeschluss noch in weiter Ferne. Trotzdem wird behauptet, dass der Tunnel bereits 2032 in Betrieb gehen könne. Das erscheint vollkommen an der Realität vorbei zu sein.

Es stellt sich sogar die Frage, ob der Pfaffensteigtunnel vor dem Hintergrund des wesentlich wichtigeren Güterzugtunnels bei Nürnberg überhaupt in Bau gehen kann. Sollte der Tunnel wider Erwarten irgendwann in Bau gehen, wäre er wohl erst irgendwann in den Vierziger Jahren fertig.

Die Politik sollte beim Pfaffensteigtunnel nicht mehr länger die Augen verschließen, sondern handeln. Und das heißt: Es muss für die Gäubahn noch über Jahrzehnte hinweg der bestehende Zulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof betriebsbereit bleiben. 

Freitag, 10. November 2023

Sensationelle Innovationen beim elektrischen Linienbusverkehr in Esslingen am Neckar

Der Städtische Verkehrsbetrieb Esslingen (SVE) will bis zum Jahr 2024/25 seinen gesamten Linienbusverkehr auf elektrischen Betrieb umstellen. Das soll geschehen, ohne dass das gesamte Busnetz mit einer Oberleitung ausgerüstet werden muss.

Das ist eine sensationelle Innovation, die wir heute hier in diesem Blog näher beleuchten wollen.

Dieser Blog hier über Stuttgart 21 kritisiert ja hauptsächlich eine bestehende Verkehrsentwicklung. Das bezieht sich erst mal auf das Projekt Stuttgart 21. Das bezog und bezieht sich aber auch auf die Stuttgarter Staddtbahn, die nur zwei Stammstrecken in ihrem Netz aufweist.  Das bezog und bezieht sich auch auf das Stuttgarter Straßennetz, das keinen Mittleren Ring besitzt.. Das bezog und bezieht sich aber auch auf die Stuttgarter S-Bahn, deren Stammstrecke die beiden wichtigsten Zufahrten zum Stuttgarter Hauptbahnhof nicht direkt miteinander verbindet.

Heute ist jedoch alles anders. Heute kritisieren wir nicht, sondern drücken unsere Anerkennung für die zukunftsgerichteten Planungen beim Esslinger Linienbusverkehr aus. Wer weiß, vielleicht übernimmt ja die Landeshauptstadt Stuttgart diese Planungen früher oder später für ihr Busnetz?

Die nachfolgenden Informationen basieren auf der Website des SVE.

Der Bestand
Im Jahr 1944 wurde in Esslingen am Neckar die erste O-Buslinie  in Betrieb genommen. Zur Zeit gibt es 29 Kilometer Oberleitung.
 
Nur kleine Erweiterung der Strecken mit Oberleitung
Die Oberleitung soll in Esslingen am Neckar nur um 5 Kilometer erweitert werden.
 
Der Batterie-Oberleitungsbus
Möglich macht diese nur kleine Erweiterung der Strecken miit Oberleitung der Batterie-Oberleitungsbus. Dieser Bus kann sowohl mit Strom aus dem Fahrdraht als auch mit Strom aus einer Batterie fahren. Damit wird eine win-win-Situation ermöglicht.

Einerseits muss nicht das gesamte Busnetz mit einer Oberleitung ausgestattet werden. Andererseits kann die Batterie im Bus wesentlich kleiner ausfallen als bei einem Bus, der nur mit Energie aus einer Batterie fährt. Das wiederum ermöglicht eine Gewichtsersparnis und mehr Platz für die Fahrgäste.

Wo wird Strom getankt?
Jede Buslinie des SVE in Esslingen am Neckar fährt zukünftig wenigstens auf einem Teil ihrer Strecke unter Fahrdraht. Während des Fahrens unter Fahrdraht wird die Batterie aufgeladen. Es gibt darüber hinaus zwei weitere Auflademöglichkeiten. Einmal werden die beiden Betriebshöfe des SVE mit Auflademöglichkeiten ausgestattet. Dadurch können die Busse über Nacht Strom tanken. Dann gibt es eine dritte Auflademöglichkeit. Das ist an den Endhaltestellen der Buslinien. Dort könnten die Busse während der Wendezeiten Strom tanken. Konkret betroffen davon ist die Linie 104, die nur einen vergleichsweise kleinen Anteil an Fahrdraht-Strecke haben wird. Die Busse dieser Linie können an der Endhaltestelle Deizisau Strom laden.
 
O-Bus-Fahrdraht nur in einer Fahrtrichtung
Der Umstand, dass nicht das gesamte Busnetz mit einem Fahrdraht überspannt werden muss, führt dazu, dass im Einzelfall auch mal nur eine Fahrtrichtung der Busse einen Fahrdraht erhält, während die Gegenrichtung ohne Fahrdraht bleibt. Ein Beispiel ist die Pliensauvorstadt in Esslingen, wo der Fahrdraht nur in stadtauswärtiger Richtung montiert werden wird.
 
O-Bus-Fahrdraht nur in Bergrichtung
In Bergrichtung benötigen die Busse wesentlich mehr Strom als in Talrichtung. Von daher ist der Gedanke naheliegend, dass man die O-Bus-Fahrleitung im Verlauf einer Steigungs-/Gefällestrecke nur in Bergrichtung montiert. In Talrichtung reicht der Batteriebetrieb aus bzw. es ist dort sogar überschüssige Energie vorhanden, so dass die  Batterie auch in Talrichtung geladen werden kann. Ein Beispiel hierfür ist der Esslinger Norden, der zu den Ausläufern des Schurwalds gehört. Dorthin wird der Fahrdraht nur in Bergrichtung montiert.
 
Soweit einige der Informationen auf der Website des SVE. 
 
Auswirkungen auf die Landeshauptstadt Stuttgart
Die Busse des SVE fahren heute bereits an zwei Stellen auf das Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart, konkret in Obertürkheim (Linie 101, O-Bus) und in Hedelfingen (Linie 103). Der Fahrdraht im Verlauf der Linie 101 geht hierbei bis zur derzeitigen Endhaltestelle Obertürkheim. Möglicherweise weiß ein Großteil der Stuttgarterinnen und Stuttgarter gar nicht, dass auf der Gemarkung der Stadt O-Busverkehr stattfindet.
 
Nun gibt es gemäß einer Medienmitteilung Pläne, die O-Buslinie 101 von ihrem bisherigen Endpunkt in S-Obertürkheim nach S-Untertürkheim zu verlängern. Mir ist derzeit nicht bekannt, ob diese Verlängerungsstrecke nur mit Batteriebetrieb stattfinden kann oder ob auf einem Teil der Strecke ein Fahrdraht benötigt wird oder ob bei der zukünftigen Endhaltestelle Untertürkheim eine Lademöglichkeit installiert werden muss. Mit der Verlängerung der Buslinie 101 nach Untertürkheim kann die heute zwischen Obertürkheim und Untertürkheim fahrende Buslinie 61 der Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) in diesem Abschnitt eingestellt werden. Statt dessen könnte die Buslinie 61 von Untertürkheim in Richtung Neckarpark fahren.
 
Damit ermöglicht es die Innovation beim Linienbusverkehr in Esslingen, dass die Buslinie zwischen S-Obertürkheim und S-Untertürkheim emissionsfrei fahren kann sowie dass zwischen Untertürkheim und dem Neckarpark eine neue Buslinie eingerichtet werden kann.
 
Man sieht also: Heute gibt es nur gute Nachrichten - wenigstens aus Esslingen am Neckar!
           

Freitag, 3. November 2023

Inbetriebnahme von Frankfurts U5 um zwei Jahre auf 2027 verschoben: Kann das auch bei Stuttgart 21 passieren?

Von einem Tag auf den anderen kam die Hiobsbotschaft in Frankfurt am Main: Die bisher und seit vielen Jahren für 2025 anvisierte Inbetriebnahme der U-Bahnlinie U5 vom Hauptbahnhof zum Europaviertel wird sich um zwei Jahre auf das Jahr 2027 verschieben. 

Da stellt sich selbstverständlich die Frage, ob so etwas auch mit Stuttgart 21 passieren kann.

Verlängerung der U5 vom Hauptbahnhof zum Europaviertel
Die U5 wird seit einigen Jahren von ihrem bisherigen Endbahnhof Hauptbahnhof zum Europaviertel verlängert, zum Teil unterirdisch. Das Europaviertel entsteht auf dem ehemaligen Güterbahnhof. Daran anschließend wird es eine weitere Verlängerung zum Stadtteil Römerhof geben.

Verschiebung des Inbetriebnahmetermins
Die jetzt von der Projektgesellschaft SBEV am 16. Oktober 2023 bekanntgegebene Terminverschiebung wird mit "Lieferengpässe, die zu Verzögerungen führen, enorme Preissteigerungen sowie bauliche Unwägbarkeiten" begründet. Es wird zudem betont, dass dies auf viele Bauprojekte der öffentlichen Hand zutrifft.
 
Gibt es Schlussfolgerungen für Stuttgart 21?
Die von der SBEV genannten Gründe für die Terminverschiebung bei der U5 könnten auch auf Stuttgart 21 zutreffen.
 
Es gibt bei Stuttgart 21 jedoch noch weitere Risiken, die bei der U5 in Frankfurt nicht bestehen. Dazu gehört konkret das neue Signalsystem, der sogenannte Digitale Knoten Stuttgart. Dies ist ein Pilotprojekt. Zum ersten Mal soll ein gesamter Bahnknoten mit allen Zügen auf ein neues Signalsystem umgestellt werden. Zusammen mit dem vollkommen neuen Hauptbahnhof ergeben sich hier große zeitliche und fachliche Risiken.
 
Möglich ist ein folgender Zeitablauf bei Stuttgart 21
1. Auf massiven politischen Druck hin wird Stuttgart 21 Ende 2025 offiziell eröffnet. Es fahren  jedoch nur wenige Züge durch den neuen Tiefbahnhof. Viele Züge bleiben (zunächst) mal oberirdisch im Kopfbahnhof.

2. Wenn der Kopfbahnhof zunächst mal erhalten bleiben muss, kann auch die Gäubahn weiterhin in den Kopfbahnhof geführt werden. Unabhängig davon ist eine weitere Führung der Gäubahn in den Kopfbahnhof auch deshalb zwingend, weil man diese wichtige Bahnstrecke nicht auf unabsehbare Zeit ohne Anschluss an den Bahnknoten Stuttgart belassen kann. 

3. Nach einigen Jahren wird man feststellen, dass ein Teil des Kopfbahnhofs auf Dauer erhalten bleiben muss. Dafür sind andauernde Probleme mit dem neuen Signalsystem, Probleme mit der Gleisdoppelbelegung im  großen Gefälle, neue Linien wie die Hermann-Hesse-Bahn sowie die neue europäische Magistrale Würzburg - Stuttgart - Zürich und weitere zusätzliche Verkehre verantwortlich.
 
4. Die Landeshauptstadt Stuttgart stellt fest, dass das Gebiet Rosenstein in absehbarer Zeit nur zum Teil bebaut werden kann. Es gibt schlichtweg zu viele Konversionsflächen in Stuttgart, die einer Bebauung harren. Deshalb wird entschieden, den Kopfbahnhof dauerhaft zu erhalten und ihn stufenweise zu sanieren und zu modernisieren.


Freitag, 27. Oktober 2023

"Main Line for Europe e.V." und Gäubahn: Landeshauptstadt Stuttgart verstrickt sich in Widersprüche

Gemäß einer Pressemitteilung der Landeshauptstadt Stuttgart vom 04. Oktober 2023 sind die Landeshauptstadt Stuttgart und der Verband Region Stuttgart am 27. September 2023 dem Verein "Main Line for Europe e.V." beigetreten.

Der Verein Main Line for Europe setzt sich für die Magistrale Paris - Budapest ein, an der auch Stuttgart liegt.

Mit dem Beitritt zum Verein Main Line for Europe verstrickt sich die Landeshauptstadt Stuttgart jedoch in eklatante Widersprüche. Denn man kann nicht einerseits vorgeben, die Attraktivität der Landeshauptstadt Stuttgart durch bessere Erreichbarkeit über den Schienenverkehr fördern zu wollen, und andererseits der Gäubahn, der Hermann-Hesse-Bahn und anderen Bahnlinien den Zugang zum Stuttgarter Hauptbahnhof verwehren und diese in irgendwelchen Vorortbahnhöfen enden lassen bzw. auf Tangentialverbindungen am Stuttgarter Hauptbahnhof vorbeileiten. 

Das sehen wir uns im heutigen Post in diesem Blog näher an.

Gemäß der Pressemitteilung der Landeshauptstadt Stuttgart ist "für Stuttgart und die Region ... eine attraktive Zuganbindung an andere bedeutende Wirtschaftsräume ein wichtiger Standortfaktor“. Zudem profitierten die Landeshauptstadt Stuttgart, die Stuttgarter Wirtschaft und die Bürgerinnen und Bürger direkt von schnellen Verbindungen und einer besseren Erreichbarkeit der Stadt.

Hoffentlich ist die Vereinsmitgliedschaft nicht zu teuer
Das kann man ja so stehen lassen. Es ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit. Hoffen wir, dass Stuttgart nicht allzu hohe Mitgliedsbeiträge an den Verein bezahlen muss. Denn auf die Landeshauptstadt Stuttgart kommen ja möglicherweise noch horrende Summen an Nachzahlungen für Stuttgart 21 zu.

Sieht man sich die Sache jedoch näher an, wird man stutzig. Ist, was für die Magistrale Paris - Budapest gilt, nicht auch für die Strecke Zürich / Konstanz - Stuttgart (Gäubahn) gültig? Oder für die Hermann-Hesse-Bahn von Calw nach Stuttgart. Oder für viele andere Bahnlinien, die möglicherweise in Zukunft über Tangentialverbindungen am Stuttgarter Hauptbahnhof vorbeigeleitet werden?

Sind nur ganz bestimmte Bahnlinien gute Bahnlinien?
Ist eine Bahnlinie für die Landeshauptstadt Stuttgart nur dann eine gute Bahnlinie, wenn sie das Stadtentwicklungsprojekt bzw. Immobilienprojekt Rosenstein nicht gefährdet? Sind Bahnlinien wie die Gäubahn, die Hermann-Hesse-Bahn und viele andere Linien, die einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof benötigen, für die Landeshauptstadt Stuttgart kein Standortfaktor?

Man erhält hier den Eindruck, dass es der Landeshauptstadt Stuttgart gar nicht um guten Bahnverkehr geht, sondern nur um ihr Immobilienprojekt Rosenstein. Bahnlinien, die dieses Projekt nicht gefährden, werden unterstützt. Andere Bahnlinien müssen vor den Toren der Landeshauptstadt enden oder auf Tangentiallinien daran vorbeifahren.

Es ist keine andere Großstadt in Europa bekannt, die so mit dem Bahnverkehr umgeht.              

Freitag, 20. Oktober 2023

Zeigt die Landeshauptstadt Stuttgart nach der Gäubahn auch noch der Hermann-Hesse-Bahn die Rote Karte?

Geht es nach der Landeshauptstadt Stuttgart, darf die Gäubahn - eine wichtige internationale und nationale Bahnverbindung von Zürich, Konstanz und vielen weiteren Orten nach Stuttgart - mit einer ersten Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 über viele Jahre oder gar Jahrzehnte nicht mehr zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Ein in Europa einmaliger Vorgang.

Damit aber noch nicht genug: Jetzt deutet sich an, dass wegen der Sturheit der Landeshauptstadt Stuttgart auch die zukünftige Hermann-Hesse-Bahn - eine Verbindung von/nach Calw im Nordschwarzwald - nicht zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren kann bzw. darf.

Sortieren wir das mal im heutigen Post in diesem Blog ein wenig und fangen wir nochmal mit der Gäubahn an.

Die Gäubahn wird gekappt
Die Gäubahn gehört zu den wichtigsten Bahnverbindungen in Baden-Württemberg bzw. zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz. Aus bautechnischen Gründen kann die Gäubahn einige Monate vor einer ersten Teilinbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht mehr zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Die Gäubahn kann aber auch danach über einen Zeitraum von vielen Jahren oder sogar Jahrzehnten nicht mehr zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren. Denn ein neuer Zulauf für die Gäubahn zum Stuttgarter Hauptbahnhof, der Pfaffensteigtunnel, wird erst nach vielen Jahren oder Jahrzehnten oder überhaupt nicht fertiggestellt werden.

Alternativ wäre es möglich, einen Teil des Stuttgarter Kopfbahnhofs stehen zu lassen und die Gäubahn über die bestehende Panoramastrecke dorthin weiterhin zu führen. Später kann dann ein Ergänzungsbahnhof (unterirdisch oder oberirdisch) beim Stuttgart 21-Tiefbahnhof die Gäubahn und viele andere Linien aufnehmen.

Dagegen wehrt sich allerdings die Landeshauptstadt Stuttgart vehement. Sie sieht dadurch ihr Stadtentwicklungsprojekt bzw. Immobilienprojekt Rosenstein gefährdet. Nun bestehen Zweifel, ob dieses Projekt dadurch gefährdet wäre. Die Dagegen-Haltung der Landeshauptstadt Stuttgart ist jedoch merkwürdig. Normalerweise arbeiten Großstädte in Europa darauf hin, eine möglichst gute verkehrliche Standortgunst zu haben, sprich, auf der Schiene, der Straße  und aus der Luft möglichst gut erreichbar zu sein. Zudem stehen die Städte oft in Bezug auf die Verkehrsgunst im Wettstreit miteinander. 

Die Landeshauptstadt Stuttgart zeigt sich hier als Außenseiter. Weder die Legislative (Gemeinderat), noch die Exekutive (Bürgermeister und Fachämter) scheint eine gute verkehrliche Anbindung Stuttgarts als wichtig einzustufen.

Ebenfalls merkwürdig ist die Haltung des Landes BW und des Bundes. Denn die Entscheidung, wo und wie die Gäubahn fährt, ist ja gar nicht die Sache der Landeshauptstadt Stuttgart, sondern des Landes und des Bundes. Und bei diesen politischen Ebenen herrscht in Sachen Gäubahn einen schon schreiende Stille.

Jetzt wird auch noch die Hermann-Hesse-Bahn in den Stuttgart 21-Rosenstein-Strudel gerissen
Die Hermann-Hesse-Bahn zwischen Calw im Nordschwarzwald und Weil der Stadt ist im Gegensatz zur Gäubahn noch Zukunftsmusik. Sie ist noch im Bau. Auch hier geht es jedoch um die Anbindung an den Stuttgarter Hauptbahnhof, die wegen der Verweigerungshaltung der Landeshauptstadt Stuttgart fraglich ist.
 
Die Hermann-Hesse-Bahn benötigt in einer zweiten Ausbaustufe den Einsatz eines Metropolexpress (MEX), der zwischen Calw und Weil der Stadt an jedem Haltepunkt hält, jedoch zwischen Weil der Stadt und dem Stuttgarter Hauptbahnhof nur noch ganz wenige Bahnhöfe bedient. Denn die Bewohnerinnen und Bewohner von Calw, Weil der Stadt und Leonberg haben genauso ein Recht auf eine schnelle Anbindung an den Stuttgarter Hauptbahnhof wie die Bewohnerinnen und Bewohner von Backnang, Nürtingen usw.. 
 
Eine Weiterführung der Stuttgarter S-Bahn bis Calw bzw. die Einrichtung einer Express-S-Bahn ist keine Alternative zu einem MEX. 
 
Jetzt hat Ministerialdirektor Berthold Frieß (Landesverkehrsministerium) bei einer Veranstaltung betont, dass der MEX für die Hermann-Hesse-Bahn nach wie vor im Rennen ist. Es gibt jedoch ein Problem. Das ist die Durchbindung dieser Linie im Stuttgarter Hauptbahnhof. Denn es gibt keine vergleichbare Strecke ab dem Stuttgarter Hauptbahnhof, in die der MEX von Calw durchgebunden werden könnte. Soweit Berthold Frieß sinngemäß.
 
Stuttgart 21 erfordert aber eine Durchbindung. Das ist einer der vielen Konstruktionsfehler des Projekts.
 
Das kann man jetzt auch in den Klartext übersetzen: Der MEX von/nach Calw müsste eigentlich im Stuttgarter Hauptbahnhof enden, um gut zu funktionieren. Das aber ist bei Stuttgart 21 nicht möglich. Dazu bräuchte es einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof bzw. den Weiterbetrieb eines Teils des Kopfbahnhofs. 
 
Da legt sich aber die Landeshauptstadt Stuttgart quer. Damit ist jetzt der Kreis geschlossen. Wir haben mit der Hermann-Hesse-Bahn eine zweite Gäubahn. Beide Bahnen können den Stuttgarter Hauptbahnhof ohne Ergänzungsbahnhof bzw. Beibehaltung eines Teils des Kopfbahnhofs nicht anfahren. Wie lange will die Landeshauptstadt Stuttgart eigentlich diese Peinlichkeit noch verantworten?

 

 

Dienstag, 17. Oktober 2023

Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell zeigt fast alle Probleme der Bahn (Teil 5 von 5)

Dies ist der fünfte von fünf hintereinanderfolgenden Posts in diesem Blog über eine Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell mit Umsteigen in Pforzheim und zurück an einem Sonntag.

Im vorangegangenen Post war ein Reisezeitvergleich zwischen Bahn und Auto das Thema. Die Bahn sieht hier schlecht aus. Heute vollziehen wir jedoch eine überraschende Kehrtwendung und betrachten die Nachteile des Autos.

In Stuttgart fehlt der Mittlere Ring
In 40 bis 50 Minuten von Stuttgart mit dem Auto nach Bad Liebenzell? Das geht, aber nur wenn man am westlichen Rand von Stuttgart wohnt. Wohnt man mitten in Stuttgart, im östlichen Bereich von Stuttgart oder im Rems-Murr-Kreis usw. kann man von den 50 Minuten nur träumen. Dann entsteht schnell die doppelte Fahrzeit. 
 
Die Ursache ist der fehlende Mittlere Ring in Stuttgart. Stuttgart ist ein Außenseiter in Sachen Verkehr. Das äußert sich nicht nur in Form von Stuttgart 21, sondern eben auch im großteils fehlenden Mittleren Ring. Die Versäumnisse der Landeshauptstadt auf dem Gebiet des Verkehrs wirken sich auf das halbe Land aus. Vom Osten Baden-Württembergs in den Westen muss man mit dem Auto vielfach mitten durch Stuttgart fahren. Besserung ist nicht in Sicht.     

Das Auto war schon immer teurer als die Bahn
Nicht erst seit dem Bestehen des 49 Euro-Tickets ist es wesentllich preiswerter, mit dem Regionalverkehr der Bahn zu reisen als mit dem Auto. Setzt man den Wertverlust des Autos und alle anderen Kosten voll an, ist das Auto ein Vielfaches teurer als die Bahn. Fachleute betonen immer wieder, dass trotz der hohen Kosten, die das Autofahren verursacht, viele Kosten - z.B. Stellplätze in öffentlichen Straßen - von der Allgemeinheit getragen werden. Vielleicht kommt irgendwann jemand auf die Idee, diese Kosten auch noch auf die Fahrzeughalter umzulegen?
 
Wie wirkt sich die EU-Führerscheinrichtlinie auf das Autofahren aus?
Wahrscheinlich wird die neue EU-Führerscheinrichtlinie nicht eins zu eins in Deutschland  übernommen. Gleichwohl besteht die Tendenz, bestimmten Bevölkerungsgruppen das Autofahren zu erschweren. Das kann durchaus zu einem Rückgang des Autoverkehrs führen, wenn z.B. die große Gruppe der Babyboomer das Alter jenseits der 70 erreicht.
 
Mobile Blitzgeräte
Wenn man öfter in einem Gebiet mit dem Auto unterwegs ist, kennt man die stationären Blitzanlagen. Es gibt aber darüber hinaus auch mobile Blitzer, die an wechselnden Standorten ihren Dienst tun. Da kann es schon mal passieren, dass man wenige Kilometer pro Stunde zu schnell ist und in der Folge geblitzt wird. Ca. einen oder eineinhalb Monate später kommt dann ein Brief, dass man ein Verwarnungsgeld von 20 Euro zahlen solle. Das ist ja alles in Ordnung. Nicht ganz nachvollziehen kann ich allerdings, dass man die 20 Euro innerhalb einer Woche bezahlen solle. Was ist, wenn man gerade z.B. im Urlaub ist? Warum kann das Zahlungsziel nicht z.B. vier Wochen sein?
 
Jedenfalls sind die zahlreichen Blitzgeräte auch nicht gerade dazu angetan, das Autofahren im Wettbewerb mit der Bahn attraktivier zu machen.  
  
Nur noch wenig Autofahren
Die Tourismus GmbH Nördlicher Schwarzwald hat in ihrer monatlich erscheinenden Zeitung (10/2023) empfohlen, nur noch dann mit dem Auto zu fahren, wenn dies wirklich notwendig ist. Das ist schon bemerkenswert, wenn eine Raumschaft, die einen Teil ihrer Wertschöpfung aus dem Tourismus verdient, eine solche Empfehlung veröffentlicht. Allerdings ist anzunehmen, dass man in ländlichen Gebieten die Folgen der Klimaerwärmung früher und heftiger sieht als in der Großstadt.
 
Mal sehen, wann es in Bezug auf die Benutzung des Autos weitergehende Maßnahmen gibt, z.B. selektive Fahrverbote.
 
Fazit
Die Bahn schneidet bei vielen Reisen heute im Vergleich zum Auto schlecht ab. Die goldene Zeit des Autos scheint aber gleichwohl dem Ende entgegenzugehen. Aus den verschiedensten Richtungen werden dem Auto inzwischen Prügel zwischen die Räder geworfen. 
 
Schlecht wäre es, wenn sich die für den Bahnverkehr Verantwortlichen jetzt zurücklehnen würden gemäß dem Motto, dass die Leute ja sowieso in der Zukunft auf die Bahn umsteigen müssen. Zumindest in Bezug auf die zunehmende Zahl der Bahnfahrgäste müssen Maßnahmen ergriffen werden. Und dazu gehört in Stuttgart auch der Bau eines Ergänzungsbahnhofs neben dem Stuttgart 21-Tiefbahnhof bzw. der Teil-Erhalt des bestehenden Kopfbahnhofs.

Montag, 16. Oktober 2023

Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell zeigt fast alle Probleme der Bahn (Teil 4 von 5)

Dies ist der vierte von fünf hintereinanderfolgenden Posts in diesem Blog über eine Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell mit Umsteigen in Pforzheim und zurück an einem Sonntag.

Im vorangegangenen Post waren die aus der Bahnreform folgenden Probleme mit eigenwirtschaftlich betriebenen ICs und vom Land bestellten IREs das Thema. Heute gibt es einen Reisezeitvergleich zwischen der Bahn und dem Auto für die Strecke von Stuttgart nach Bad Liebenzell.

Vom westlichen Teil Stuttgarts nach Bad Liebenzell beträgt die Fahrzeit mit dem Auto ca. 40 bis 50 Minuten. Staus sind in der Regel für diese Relation kein Thema. Es gibt immer mal wieder Straßensperrungen wegen Sanierungsarbeiten. Damit sind dann Umleitungen mit einer längeren Fahrzeit verbunden.

Die schnellste Verbindung mit der Bahn vom Stuttgarter Hauptbahnhof nach Bad Liebenzell beträgt 56 Minuten (mit Umsteigen in Pforzheim). Da kommen aber jetzt noch einige Zeitkomponenten hinzu.

Das Warten zu Hause
Mit dem Auto kann man jederzeit von zu Hause abreisen. Die Bahn fährt nur zu bestimmten Zeiten. Bei einem Halbstundentakt beträgt die durchschnittliche Wartezeit 15 Minuten. Der IRE nach Pforzheim fährt alle halbe Stunde mit einer Taktlücke alle zwei Stunden. Die durchschnittliche Wartezeit unter diesen Umständen nehmen wir mit 20 Minuten an.

Das ergibt eine Zwischensumme von 1 h und 16 min.

Die Anreise mit der Stadtbahn
Nur ganz wenige Menschen wohnen direkt beim Stuttgarter Hauptbahnhof. Viele müssen erst mal z.B. mit der Stadtbahn anreisen. Wir nehmen mal eine 15-minütige Anreise mit der Stadtbahn an.

Das ergibt eine Zwischensumme von 1 h und 31 min.

Auf die Stadtbahn muss man beim 10 Minuten-Takt durchschnittlich 5 Minuten warten.

Das ergibt eine Zwischensumme von 1 h und 36 min.

Zur Stadtbahnhaltestelle muss man erstmal gehen. Wir nehmen 7 Minuten an.

Das ergibt eine Zwischensumme von 1 h und 43 Minuten. 

Im Stuttgarter Hauptbahnhof
Von der Stadtbahnhaltestelle Hauptbahnhof bis zu den Bahngleisen muss man wegen der Stuttgart 21-Baustelle erstmal den "Fernwanderweg" bewältigen. Das schägt mit 10 Minuten zu Buche. Wie bitte: Die Stuttgart 21-Baustelle wird irgendwann mal fertig? Na und! Die Baustelle hat so viele Jahre gebraucht, dass die durch die Baustelle bedingten Zeitverluste wahrscheinlich während der ganzen Betriebszeit von Stuttgart 21 nicht mehr kompensiert werden können. Deshalb berücksichtigen wir die Baustelle sehr wohl.
 
Das ergibt eine Zwischensumme von 1 h und 53 Minuten.
 
In einem der vorangegangenen Posts haben wir ja gesehen, dass wegen einer potenziellen Überfüllung des IRE nach Karlsruhe man ca. 10 Minuten vor der Abfahrt des Zuges am Bahnsteig in Stuttgart sein sollte, um noch einen Sitzplatz zu ergattern.
 
Das ergibt eine Zwischensumme von 2 h und 03 Minuten. 
 
Soweit so gut. Verpasst man sonntags aber den Anschluss in Pforzheim, muss man eine Stunde auf den nächsten Zug nach Bad Liebenzell warten. 

Das wäre dann eine Gesamtreisezeit von 3 h und 03 Minuten.

Fazit
Da braucht man sich nicht zu wundern, dass der Nordschwarzwald von Autos geradezu überschwemmt wird und die Bahn nur einen ganz kleinen Teil der Verkehrsaufkommens übernimmt. Denn das Auto erschließt ja auch die Fläche des Schwarzwalds und nicht nur wenige Punkte wie die Bahn.
 
Wie geht es weiter?
Im folgenden fünften und letzten Post morgen zum Thema einer Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell vollziehen wir eine dramatische Kehrtwende. Wir sehen uns dann an, warum das Auto doch nicht so gut ist wie es auf den ersten Blick erscheint.

    


Sonntag, 15. Oktober 2023

Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell zeigt fast alle Probleme der Bahn (Teil 3 von 5)

Dies ist der dritte von fünf hintereinanderfolgenden Posts in diesem Blog über eine Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell mit Umsteigen in Pforzheim und zurück an einem Sonntag.

Im vorangegangenen Post war die Belegung der Züge das Thema. Heute geht es um die IC und IRE.

Hierzu schildern wir zuerst mal die Rückfahrt von Bad Liebenzell nach Stuttgart. Der Zug von Bad Liebenzell nach Pforzheim kam pünktlich dort an. In Pforzheim ging es dann darum, möglichst schnell zu Gleis 3 zu gelangen. Das ist das Gleis, über das normalerweise die Züge von Karlsruhe über Pforzheim nach Stuttgart fahren. Nach der Ankunft am Gleis drei kam dort tatsächlich bald ein Zug aus Karlsruhe. Es war aber nicht der erwartete IRE, sondern der zweistündlich verkehrende IC Karlsruhe - Pforzheim - Stuttgart.

Diesen IC kann man selbstverständlich mit einem Regionalverkehrsticket nicht nutzen. Fast alle Fahrgäste haben jedoch ein Regionalverkehrsticket. In der Folge mussten wir eine halbe Stunde in Pforzheim warten, bis der IRE nach Stuttgart kam. 

Verwunderung am Flughafenbahnhof in Zürich
Gehen wir ganz kurz in die Schweiz. Vor vielen Jahren war ich einmal am Flughafenbahnhof in Zürich und hatte eine Tageskarte des Zürcher Verkehrsverbunds. Ich wollte zum Zürcher Hauptbahnhof fahren. Ich war mir nicht sicher, ob ich jetzt auf die S-Bahn warten musste oder ob ich auch mit den ICs fahren kann. Eine Angestellte der Bahn erklärte mir dann, dass ich jeden Zug benutzen könne.
 
Bahn streicht ICE/IC-Züge zwischen Karlsruhe und Heidelberg
Gehen wir auch noch kurz zur Strecke Karlsruhe - Heidelberg. Das Land BW hat für die Strecke Karlsruhe - Bruchsal - Heidelberg einen stündlichen schnellen IRE bestellt. Als Folge dünnt die Bahn ihr Fernverkehrsangebot mit IC/ICE auf diesem Abschnitt ab Ende 2023 aus.
 
Drei IRE pro Zweistundenintervall zwischen Karlsruhe und Stuttgart
Das Land hat zwischen Karlsruhe und Stuttgart über Pforzheim fast den Halbstundentakt mit IRE bestellt. Alle zwei Stunden, wenn der IC auf derselben Strecke fährt, gibt es jedoch eine Taktlücke. Diese Taktlücke entwertet zum Teil das Halbstundenangebot mit den IRE. Denn man muss, wenn man spontan eine Fahrt antreten will, stets darauf gefasst sein, dass man in diese Taktlücke fällt. Diese Unannehmlichkeiten sind eine Folge der Bahnreform, die zwischen eigenwirtschaftlichem Fernverkehr und von den Ländern zu bestellendem Regionalverkehr unterscheidet.
 
Am Besten wäre es, wenn die Bahn auch im Verlauf der Residenzbahn Karlsruhe - Stuttgart über Pforzheim den IC einstellt und statt dessen das Land einen weiteren IRE bestellt. Zwar soll in einigen Jahren tatsächlich ein vierter IRE pro Zweistundenintervall zwischen Karlsruhe und Stuttgart fahren, allerdings über Bruchsal. Pforzheim hat davon nichts.
 
Morgen im folgenden Post in diesem Blog gibt es einen Reisezeitvergleich Stuttgart - Bad Liebenzell mit Auto und Bahn.     

Samstag, 14. Oktober 2023

Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell zeigt fast alle Probleme der Bahn (Teil 2 von 5)

Dies ist der zweite von fünf hintereinanderfolgenden Posts in diesem Blog über eine Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell mit Umsteigen in Pforzheim und zurück an einem Sonntag.

Im vorangegangenen Post in diesem Blog war die Anschlussproblematik im Pforzheimer Hauptbahnhof sowie im Allgemeinen das Thema. Heute geht es um die Auslastung der Züge.

Aus den Medien war ja verschiedentlich zu entnehmen, dass die Züge von Stuttgart nach Karlsruhe und zurück sehr stark ausgelastet bzw. überlastet sind. Und tatsächlich: Um im Stuttgarter Hauptbahnhof noch einen Sitzplatz im IRE von Stuttgart nach Karlsruhe zu bekommen, empfiehlt es sich, zehn bis fünfzehn Minuten vor der Abfahrt des Zuges am Bahnsteig zu sein, damit man beim Eintreffen des Zuges aus Richtung Abstellbahnhof bzw. aus Richtung Aalen sofort einsteigen kann. Kommt man erst kurz vor der Abfahrt, bleibt oft nur noch ein Stehplatz.

In Pforzheim hat man schlechte Karten
In der Gegenrichtung, von Pforzheim nach Stuttgart, hat man eher schlechte Karten. Der Zug kommt ja von Karlsruhe und ist bereits belegt. Bei der konkreten Fahrt von Bad Liebenzell nach Stuttgart war tatsächlich ab Pforzheim Stehen angesagt. Wirklich keine Einladung zum Bahnfahren.

Kommen wir zur Nagoldtalbahn (Kulturbahn) von Pforzheim nach Bad Liebenzell und zurück. Zumindest am Sonntag besteht hier ein Zug vielfach aus nur einem kleinen Dieseltriebwagen. Es braucht kaum gesagt zu werden: Aber auch hier ist eher Chaos und manchmal auch Stehen angesagt, besonders, wenn dann auch Fahrräder und Kinderwagen erscheinen.

Warum fahren hier nicht längere Züge? Herrscht Fahrzeugmangel? Ist ein zweiter Triebwagen zu teuer? Will man nicht so viel Dieselkraftstoff in die Luft blasen?

Wie auch immer: Unter diesen Umständen kann man eine Fahrt mit der Bahn von Stuttgart nach Bad Liebenzell nicht empfehlen.

Kommen wir nun noch zum 49 Euro-Ticket
Sinnvoll erscheint dieses Ticket in Zeiten der Klimakrise eigentlich nur zu sein, wenn dadurch nennenswert Autoverkehr auf die Bahn verlagert wird. Trifft das zu?
 
Wenn wir mal beim Beispiel Nordschwarzwald bleiben, hat der Autoverkehr dort augenscheinlich nicht abgenommen. An schönen Tagen sind zudem alle Parkplätze in Bad Liebenzell oder Bad Wildbad nach wie vor belegt. Die Auslastung oder Überlastung von Regionalzügen hat jedoch zugenommen. Das deutet darauf hin, dass wir es hier mit Neuverkehr zu tun haben.
 
Im Zeichen der Klimakrise darf eigentlich Neuverkehr nicht mehr politisch gefördert werden. Denn jegliche Mobilität - mit Ausnahme des uns von der Natur vorgegebenen Gehens zu Fuß - hat einen negativen Einfluss auf die Umwelt und das Klima, mal mehr (z.B. Flugzeug) oder mal weniger (z.B. Radfahren). Von daher deutet einiges darauf hin, dass das 49 Euro-Ticket wieder abgeschafft werden sollte.
 
Morgen im folgenden Post in diesem Blog geht es um das Zusammenspiel der IRE- und IC-Züge- ein Thema, das uns die Bahnreform beschert hat. 
       

  

Freitag, 13. Oktober 2023

Bahnfahrt von Stuttgart nach Bad Liebenzell zeigt fast alle Probleme der Bahn (Teil 1 von 5)

Von Stuttgart in den Nordschwarzwald fahren viele Menschen mit dem Auto. Man kann aber auch mit der Bahn fahren, zum Beispiel von Stuttgart nach Bad Liebenzell.

Im heutigen und in den folgenden vier Posts in diesem Blog sehen wir uns eine Bahnfahrt an einem Sonntag von Stuttgart nach Bad Liebenzell und zurück mal näher an. Bei einer solchen Bahnfahrt kann man fast alle Probleme der Bahn kennenlernen.

Für Stuttgart 21 werden wohl über 11 Milliarden Euro ausgegeben. Das Projekt ist augenscheinlich aber nicht in der Lage, die hier beschriebenen Probleme zu lösen, sondern bereitet wohl neue Probleme in Form eines riesigen Engpasses. 

Heute geht es erst mal um die Umsteigezeit im Pforzheimer Hauptbahnhof

Eine der schnellsten Fahrten von Stuttgart nach Bad Liebenzell führt mit dem IRE von Stuttgart nach Pforzheim und von dort weiter mit der RB nach Bad Liebenzell. Die Umsteigezeit in Pforzheim bei der durchgeführten Fahrt war sechs Minuten.

Das ist eine problematische Sache. Denn die RB der Nagoldtalbahn (Kulturbahn) von Pforzheim nach Bad Liebenzell fährt nicht im engeren Bereich des Pforzheimer Hauptbahnhofs mit seinen fünf Bahnsteiggleisen ab, sondern abseits an einem Nebenbahnhof mit 100er Gleisnummern. Fahrgäste, die zum ersten Mal dort umsteigen oder die sich nicht auskennen oder die nicht gut zu Fuß sind, können in den sechs Minuten Umsteigezeit kaum die RB erreichen.

In Pforzheim ist Sprinten angesagt
Bei der durchgeführten Fahrt hatte der IRE bereits bei der Abfahrt im Stuttgarter Hauptbahnhof sechs Minuten Verspätung. Am Pforzheimer Hauptbahnhof war dann Sprinten angesagt. Und tatsächlich, der Zug nach Bad Liebenzell war noch da. Die Türen wurden aber unmittelbar nach unserem Einsteigen geschlossen. Fahrgäste ohne Ortskenntnisse oder Fahrgäste, die nicht gut zu Fuß sind, haben die RB wohl nicht mehr erreicht. Und sonntags fährt die RB im Nagoldtal nur jede Stunde.

Was könnte man machen? Das Landesverkehrsministerium hat ja erst vor wenigen Wochen angekündigt, dass die Fahrpläne im Land umstrukturiert werden sollen, so dass jeweils mehr Umsteigezeit vorhanden ist. Bei eingleisigen Strecken wie der Nagoldtalbahn kann man die Fahrlagen mit dem Ziel einer längeren Umsteigezeit allerdings kaum verschieben. Denn das würde sich an den Begegnungsstellen auf die entgegenkommenden Züge negativ auswirken, die ja in Pforzheim Hauptbahnhof auch ihre Anschlüsse zu anderen Zügen haben.    

Mir fällt zunächst mal nur ein, dass geprüft werden sollte, ob die Züge der Nagoldtalbahn und teilweise auch der Enztalbahn in Pforzheim Hauptbahnhof von ihren 100er-Gleisen herunternommen werden und auf die Gleise 1 bis 5 gebracht werden können, notfalls in Form einer Gleisdoppelbelegung aus Nagoldtalbahn und Enztalbahn. Das würde die erforderliche Mindestumsteigezeit in Pforzheim Hauptbahnhof verkleinern.

Wunder sind aber keine zu erwarten und es bleibt der große System-Nachteil der Bahn gegenüber dem Auto, dass man beim Auto eben nicht umsteigen muss. Der Integrale Taktfahrplan, der zuerst in der Schweiz nach und nach eingeführt wurde bzw. wird, hat diesen Systemnachteil der Bahn erkannt und versucht, das notwendige Umsteigen zu optimieren. Leider ist mit Stuttgart 21 ein Projekt im Bau, das den Integralen Taktfahrplan nicht leisten kann - eine in Europa einmalige Blamage.

Morgen im folgenden Post in diesem Blog geht es um die Auslastung der IRE Stuttgart - Pforzheim und der RB Pforzheim - Bad Liebenzell.