Freitag, 26. Januar 2024

"Vorhaltebauwerke" für die S-Bahn, U-Bahn, Stadtbahn und Eisenbahn - Chancen und Risiken

Ein Vorhaltebauwerk ist ein Verkehrsbauwerk, das wegen baulicher Zusammenhänge mit anderen Bauwerken früher als eigentlich erforderlich gebaut wird. Es wird dann für einen späteren Zeitraum vorgehalten. Die für das Vorhaltebauwerk erforderlichen Mittel müssen vorfinanziert werden. Andererseits erspart ein Vorhaltebauwerk einen späteren Abbruch und Wiederaufbau anderer Bauwerke.
 
Das Wort "Vorhaltebauwerk" ist bisher nicht im Duden zu finden. In der Wikipedia gibt es bisher keinen Artikel mit der Überschrift Vorhaltebauwerk. Wortschöpfend ist in diesem Fall die Stadt München, wo in jüngster Zeit der Bau von gleich zwei großen Vorhaltebauwerken beschlossen wurde.
 
Im heutigen Post in diesem Blog sehen wir uns einige Vorhaltebauwerke in Deutschland an. Vorhaltebauwerke beinhalten Chancen und Risiken.     
 
Vorhaltebauwerk U9 im Münchner Hauptbahnhof
Das vielleicht größte Vorhaltebauwerk Deutschlands entsteht in den kommenden Jahren unter dem  Münchner Hauptbahnhof. Dort wird für ca. 660 Mio. Euro ein viergleisiger U-Bahnhof für die neue U9 gebaut (Vierte Stammstrecke der Münchner U-Bahn).

Die Kosten für den U-Bahnhof werden von der Stadt München vorfinanziert. Vorhaltebauwerk nennt man diesen neuen U-Bahnhof deshalb, weil er eigentlich in den Zwanziger Jahren dieses Jahrhunderts noch gar nicht gebaut werden müsste. Denn die U9 wird - wenn überhaupt - erst Ende der Dreißiger Jahre oder gar Anfang der Vierziger Jahre in Betrieb genommen.

Wegen anderer Großvorhaben (Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn und Neubau des Münchner Hauptbahnhofs), die beide jetzt in den Zwanziger Jahren im Bau sind, muss der neue Bahnhof für die U9 aber gleich mitgebaut werden. Später könnte man ihn nicht mehr oder nur unter größten Schwierigkeiten errichten.

Da geht die Stadt München ein gewisses Risiko ein. Die U9 ist vom Bund noch nicht mal genehmigt. Ohne Zuschüsse des Bundes könnte München die U9 aber nicht finanzieren. Die Gesamtkosten für die U9 werden auf vier bis zehn Milliarden Euro geschätzt. Ohne die U9 ist aber nach Auffassung der Stadt München die Verkehrswende nicht zu schaffen. 

Das ist also eine Entscheidung, um die man den Münchner Stadtrat nicht beneiden kann. Da sind Abwägungen erforderlich. Die Wahrscheinlichkeit, auf lange Sicht eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, ist immer präsent. 

Vorhaltebauwerk für Münchens U5 im neuen Stadtteiil Freiham
Für 100 Mio. Euro will München bis 2026 unter dem Zentrum des neuen Stadtteils Freiham einen Bahnhof für die U-Bahnlinie U5 errichten. Die U5 ist zur Zeit zwischen dem bisherigen Endbahnhof Laimer Platz und Pasing im Bau. Eine weitere Verlängerung in den neuen Stadtteil Freiham wird wohl erst Ende der Dreißiger -/Anfang der Vierziger Jahre in Betrieb genommen.
 
Trotzdem soll der neue U-Bahnhof in Freiham jetzt schon gebaut werden. Denn im Moment ist dort, wo der U-Bahnhof gebaut werden soll, noch eine "Grüne Wiese". Der U-Bahnhof kann insofern relativ einfach gebaut werden. Die Stadt München will vermeiden, dass die neue Infrastruktur im neuen Stadtteil Freiham später zum Teil wieder abgerissen werden muss, wenn die U-Bahn in den Stadtteil kommt.

Pech gehabt: Vorhaltebauwerk für die nordmainische S-Bahn im Frankfurter Ostbahnhof
Zusammen mit dem Bau der Stadtbahnlinie U6 zum Ostbahnhof in Frankfurt im Jahr 1999 wurde dort als Vorhaltebauwerk ein Tunnelstück für die geplante nordmainische S-Bahnstrecke gebaut. Diese S-Bahnstrecke soll nach mehreren Terminverschiebungen jetzt endlich im Jahr 2024 in Bau gehen. Inzwischen hat sich allerdings herausgestellt, dass wegen geänderter Vorschriften das seinerzeit gebaute Vorhaltebauwerk für die S-Bahn nicht mehr weiterverwendet werden kann. Deshalb muss dieses Vorhaltebauerk jetzt abgerissen werden. Der Tunnelabschnitt für die S-Bahn beim Ostbahnhof muss neu gebaut werden. 

Werden im Tunnel unterhalb des Stuttgarter LBBW-Gebäudes jemals Stadtbahnzüge verkehren?
Auch im Streckennetz der Stuttgarter Stadtbahn gibt es zahlreiche Vorhaltebauwerke, wobei die meisten dieser Bauwerke eher kleine Dimensionen haben. Dazu gehören zum Beispiel Tunnelrampen, die für den Weiterbau des Tunnels vorbereitet sind, oder Aufweitungen von Tunneln, um eine mögliche spätere Streckenverzweigung zu ermöglichen.
 
Unter dem Gebäude der LBBW an der Fritz-Elsas-Straße (Bollwerk) hat man Tunnelröhren für die Stadtbahn gebaut, die eine spätere direktere Führung der Stadtbahn zwischen dem Rotebühlplatz und der Kreuzung Schloss-/Johannesstraße unter Umgehung der Kreuzung  Berliner Platz ermöglichen sollen. Es ist allerdings fraglich, ob diese Tunnel jemals in Betrieb genommen werden.
 
Hauptplanungsziel bei der Stuttgarter Stadtbahn für die nächsten 20 Jahre muss der Bau einer dritten Stammstrecke für die Stadtbahn sein. In diesem Zusammenhang sind dann auch weitere bestehende Defizite im Stadtbahnnetz zu heilen. Dazu gehören die städtebaulich verheerende Tunnelrampe in der Fritz-Elsas-Straße, die städtebaulich katastrophale Tunnelrampe in der Schlossstraße sowie die Gleiskreuzung Berliner Platz mit ihren Übereck-Beziehungen, die bald sogar regelmäßig von 80 Meter langen Zügen befahren werden und die auf Dauer so nicht beibehalten werden können.
 
Stuttgart 21 knausert bei den Vorhaltebauwerken
Von seinem Wesen her wird Stuttgart 21 als minimalistisches Projekt ausgeführt. Denn Stuttgart 21 ist ein eigenwirtschaftliches Projekt der Bahn und wird nicht im Rahmen des Bundesverkehrswegeplans finanziert.
 
Deshalb ist zu erwarten, dass Stuttgart 21 auch bei den Vorhaltebauwerken minimalistisch vorgeht. Und tatsächlich: Es gibt kein Vorhaltebauwerk für den zukünftigen Nordzulauftunnel. Wenn dieser Tunnel später mal gebaut wird, muss der Feuerbacher Tunnel wegen der Umbauten für den Anschluss des Nordzulauftunnels wahrscheinlich mehrere Jahre gesperrt werden. Ausbaden müssen das die Fahrgäste und der Bund als Finanzier des Nordzulauftunnels. Nicht ganz so schlimm, aber ähnlich verhält es sich mit dem Cannstatter Tunnel, der wegen des Anschlusses der P-Option eine Zeitlang mit Einschränkungen leben muss.           

Stuttgart 21 bestätigt somit auch in Sachen Vorhaltebauwerke seinen Ruf als Verkehrs-Außenseiterprojekt in Europa. 

Freitag, 19. Januar 2024

Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn: Interessante Unterschiede im Vergleich mit Stuttgart 21

Obwohl sich die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn stark verteuert hat und obwohl ihr Inbetriebnahmetermin sich mehrfach verschoben hat, ist die Zweite Stammstrecke doch ein Bahnprojekt ohne Wenn und Aber.

Das kann man bei Stuttgart 21 in dieser eindeutigen Form nicht sagen. Je nach Standpunkt musste das Bahnthema bei Stuttgart 21 starke Abstriche machen bzw. ist Stuttgart 21 im Kern ein Immobilienprojekt.

Das wollen wir im heutigen Post in diesem Blog an Hand einiger Beispiele vertiefen.

Die Zweite Stamstrecke der Münchner S-Bahn bringt dem Großraum München eine weitere Doppelspur
Die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn bringt für den Großraum München eine zusätzliche Doppelspur. Das bedeutet Leistungssteigerung und Steigerung der Betriebsqualität. Es ist nicht so wie bei Stuttgart 21, wo zwar etwas Neues entsteht, wo aber gleichzeitig der gesamte Bestand stillgelegt wird. Die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn kommt zum bestehenden Bahnnetz in München dazu und ersetzt dieses nicht.
 
Besonders interessant ist, dass beim Münchner Hauptbahnhof auch die beiden Flügelbahnhöfe (Holzkirchner Flügelbahnhof und Starnberger Flügelbahnhof) erhalten bleiben  und sogar modernisiert und ausgebaut werden. 

Die Haltepunkte Hauptbahnhof und Marienhof der Zweiten Stammstrecke erhalten die Spanische Bahnsteiglösung
Im Verlauf der ersten Stammstrecke der Münchner S-Bahn ist bei den Haltepunkten Hauptbahnhof, Stachus und Marienplatz seit dem Jahr 1972 die sogenannte Spanische Bahnsteiglösung in Betrieb. Diese Lösung hat ihren Namen daher, dass bei der U-Bahn in Barcelona und Madrid bei einigen hochfrequentierten Haltestellen auf beiden Seiten eines Gleises Bahnsteige vorhanden sind. In München dient der Bahnsteig zwischen den beiden Gleisen den einsteigenden Fahrgästen. Die beiden Seitenbahnsteige dienen den aussteigenden Fahrgästen.

Nun werden also auch die Haltepunkte Hauptbahnhof und Marienhof der Zweiten Stammstrecke die Spanische Lösung erhalten. Der Mittelbahnsteig wird bei beiden Stationen 14,7 Meter breit werden. Die beiden Außenbahnsteige werden jeweils 5 Meter breit werden. Das ergibt pro Bahnsteiggleis eine Bahnsteigbreite von 12,35 Metern.
 
Beim achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof haben die vier Bahnsteige eine Breite von je 10 Metern. Das ergibt pro Bahnsteiggleis eine Bahnsteigbreite von 5 Metern. Hier sieht man einmal mehr, dass die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn ein Bahnprojekt ist. Die Bahnsteige werden so breit werden, wie dies aus Bahnsicht erforderlich ist. Im Gegensatz dazu ist beim Stuttgart 21-Tiefbahnhof zwischen dem bestehenden Bahnhofsgebäude und dem LBBW-Gebäude nur soviel Platz, dass die acht Gleise und die geringe Bahnsteigbreite daraus resultieren. Diese wichtigen Kenngrößen eines Bahnsystems werden in Stuttgart also durch externe Randbedingungen festgelegt. 
 
Die Tunnelstrecke der Zweiten Stammstrecke verfügt über einen dritten Tunnel
Die Zweite Stammstrecke wird dort wo sie unterirdisch verkehrt über einen dritten Tunnel verfügen. Gemäß den Angaben der Bahn wird die Zweite Stammstrecke als erstes Verkehrsinfrastrukturprojekt in Deutschland mit einem zusätzlichen Tunnel ausgestattet. Der dritte Tunnel liegt zwischen den beiden S-Bahntunneln und dient als Flucht und Rettungstunnel. Gemäß der Bahn wird die Zweite Stammstrecke "nach den neuesten Sicherheitsvorschriften" gebaut.
 
Die zahlreichen Tunnelstrecken bei Stuttgart 21 verfügen nicht über einen dritten Tunnel. Kann man daraus folgern, dass Stuttgart 21 nicht nach den neuesten Sicherheitsvorschriften gebaut wird? 
 
An den Stationen Laim und Leuchtenbergring kann barrierefrei von der Ersten in die Zweite Stammstrecke umgestiegen werden
Die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn verläuft von der Station Laim im Westen bis zur Station Leuchtenbergring im Osten. Die Stationen Laim und Leuchtenbergring sind Verknüpfungsbahnhöfe zwischen der Ersten und der Zweiten Stammstrecke. Mit Hilfe von Überwerfungsbauwerken wird erreicht, dass von einer Richtung der Ersten Stammstrecke in dieselbe Richtung der Zweiten Stammstrecke am gleichen Bahnsteig gegenüber umgestiegen werden kann.
 
Erhöhung der Zugabstände trotz neuem Zugsicherungssystem ETCS
Die beiden Stammstrecken der Münchner S-Bahn sollen mit dem Zugsicherungssystem ETCS ausgestattet werden. Die Zugabstände im Verlauf der ersten Stammstrecke sollen gleichwohl erhöht werden. Heute fahren 30 Züge pro Stunde und Richtung im Verlauf der ersten Stammstrecke. Zukünftig sollen nur noch 20 Züge pro Stunde und Richtung fahren, weil die Zweite Stammstrecke einen Teil der Züge übernimmt. ETCS dient also bei der Münchner S-Bahn in erster Linie dazu, die Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit zu verbessern, das System stabilder zu machen, und weniger dazu, noch mehr S-Bahnzüge auf überlastete Strecken zu bringen.
 
Ganz im Gegensatz dazu verhält sich der Verband Region Stuttgart, der trotz Überlastung der S-Bahn-Stammstrecke (24 Züge pro Stunde und Richtung) ETCS dazu benutzen will, eine weitere Linie durch die Stammstrecke zu führen. Das wird scheitern und es ist ein Anzeichen für eine insgesamt zu geringe Dimensionierung der Bahninfrastruktur in der Region Stuttgart als Folge von Stuttgart 21. 
 
Die Zweite Stammstrecke kann in Abschnitten in Betrieb genommen werden
Stuttgart 21 haben wir hier in diesem Blog stets als Alles-oder-Nichts-Projekt bezeichnet, das nicht sinnvoll etapierbar ist. Gemäß der Auskunft eines Mitarbeiters des unabhängigen Consulting- und Softwareunternehmens SMA könnte die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn in Etappen in Betrieb genommen werden. Das kann deshalb sinnvoll sein, weil der westliche Teil der Zweiten Stammstrecke planerisch und baulich wesentlich weiter fortgeschritten ist als der östliche Teil. Ein weiterer Grund ist die Westlastigkeit des Münchner S-Bahnnetzes, die eine Führung einiger S-Bahnzüge von Westen bis zum Haltepunkt Marienhof ohne weitere Durchbindung nach Osten sinnvoll erscheinen lässt.
 
Von Westen kommende Züge könnten also über einige Jahre hinweg im S-Bahnhaltepunkt Marienhof enden und von dort wieder zurückfahren, solange bis auch der östliche Teil der Zweiten Stammstrecke fertiggestellt ist. 

Bei Stuttgart 21 ist eine solche Vorgehensweise nicht möglich. Denn im Stuttgart 21-Tiefbahnhof können Züge wegen der großen Gleisneigung nicht wenden.
 
Fazit
Die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn ist ein Bahnprojekt wie es im Buche steht. Es bringt der Metropolregion München mehr und besseren Bahnverkehr durch mehr Gleise. Zwei Drittel der Nahverkehrsfahrgäste in Bayern fahren im Bereich der Münchner S-Bahn.
 
Es gibt ja Stuttgart 21-Kritiker, die die Zweite Stammstrecke der Münchner S-Bahn mit Stuttgart 21 in einen Topf werfen. Das ist falsch und schadet auch dem Widerstand und der Kritik an Stuttgart 21. Stuttgart 21 muss als das benannt werden, was es ist, nämlich eine einmalige Fehlplanung. Vergleiche mit anderen Bahnprojekten dergestalt, dass es weitere "Stuttgart 21" in Europa gibt, dürfen nicht stattfinden.       


Freitag, 12. Januar 2024

In der Stuttgarter Klett-Passage: "Wo bitte ist Gleis 9?"

"Wo bitte ist Gleis 9? Wir brauchen dringend Gleis 9. Hier gibt es nur Gleis 1 bis 4".

Dem Akzent nach kam die Familie aus Holland, die mich ein wenig panisch nach Gleis 9 fragte, als ich am Stuttgarter Hauptbahnhof von der Stadtbahn über die Klett-Passage auf den Linienbus umsteigen wollte. Mit Gleis 1 bis 4 meinte der Familienvater die Gleise der Stadtbahnhaltestelle Hauptbahnhof, die deutlich sichtbar aus Richtung Klett-Passage mit den entsprechenden Nummern beschildert waren.

Für den Bruchteil einer Sekunde verfiel ich in Schockstarre. Denn in der Klett-Passage nach Gleis 9 gefragt zu werden, gehört tatsächlich zu den größten Stuttgarter Peinlichkeiten, ist Auslöser für das größte Fremdschämen, das einem als Stuttgarter widerfahren kann. Die Frage nach Gleis 9 und die Unmöglichkeit, dazu eine passende, knappe Antwort zu geben, ist zudem eine der hässlichsten Manifestationen des Projekts Stuttgart 21, das ja an Peinlichkeiten und Zumutungen nicht gerade arm ist.

Wie soll ich denn den Weg von der Klett-Passage nach Gleis 9 im Stuttgarter Hauptbahnhof erklären?

Geht es vielleicht links herum zu Gleis 9?
Soll ich erklären, dass eine Möglichkeit darin besteht, dass man auf dem "Fernwanderweg" links herum geht? Von der Klett-Passage, in der es kaum Wegweiser zu den Gleisen des Hauptbahnhofs gibt, müsste man erst mal an der Polizeidienststelle vorbeigehen. Nach einigen Metern vollzieht man dann eine 180 Grad-Kehre nach rechts. Dann geht man eine sehr schmale Treppe hinauf zur Oberfläche. Oben angekommen gibt es eine erneute 180 Grad-Kehre nach rechts. Dann geht man zwischen Arnulf-Klett-Platz und der Stuttgart 21-Baustelle dahin. Später geht es dann nach rechts entlang der Heilbronner Straße. Dann erreicht man das LBBW-Gebäude und geht dort in einen der Innenhöfe. Nach rechts gehend verlässt man den Innenhof bald wieder und kommt dann tatsächlich zum Querbahnsteig des Hauptbahnhofs mit Gleis 1. Die Entfernung Klett-Passage (Abgang zur S-Bahn) - Gleis neun (links herum) ist ca. 500 Meter.
 
Oder ist der "Fernwanderweg" rechts herum besser?
Oder soll ich die Möglichkeit rechts herum erklären? Man müsste dann erst mal durch die ganze Klett-Passage gehen und dann die Treppen bzw. Fahrtreppen nach links hinaufgehen. So landet man in der früheren Großen Schalterhalle des Hauptbahnhofs, die jetzt vollständig eingerüstet ist. Man macht dann eine 180 Grad-Drehung nach rechts, um die Große Schalterhalle wieder zu verlassen. Man kommt dann ins Freie und dreht sich nach links. Dann folgt man dem Arnulf-Klett-Platz einige Meter, bis man nach halblinks gehend die Passerelle (den zweiten Fernwanderweg) betritt. Nach einer gefühlt ewigen Zeit kommt man schließlich zum Querbahnsteig des Kopfbahnhofs bei Gleis 16. Die Entfernung Klett-Passage (Abgang zur S-Bahn) - Gleis neun (rechts herum) ist ca. 630 Meter.
 
Warum muss ich für das verkorkste Stuttgart 21 geradestehen?
Warum muss ich überhaupt eine Auskunft zum Weg nach Gleis 9 des wegen Stuttgart 21 verlegten Stuttgarter Hauptbahnhofs geben? Ich habe bei der Volksabstimmung des Landes BW zu Stuttgart 21 mit Ja gestimmt - Ja zum Rückzug Baden-Württembergs aus diesem Projekt. Ich war zwar nicht von Anfang an ab dem Jahr 1994 gegen Stuttgart 21. Später jedoch, als ich mich näher mit der Sache beschäftigte, habe ich das Projekt immer kritischer gesehen. Und ich führe diesen Blog hier zu Stuttgart 21, wobei ich allerdings Wert darauf lege, dass ich nicht fanatisch große Teile meiner Zeit dieser Sache widme. Stuttgart 21 ist eher Nebensache, denn es gibt viele andere, interessantere und wichtigere Bestandteile des Lebens.

Aber bitte schön, sollen doch die Stuttgart 21-Protagonisten und diejenigen, die für Stuttgart 21 gestimmt haben, ihre Warnwesten anziehen, in die Klett-Passage gehen  und dort den Leuten erklären, wie man zu Gleis 9 kommt. In der Klett-Passage gibt es kaum Beschilderungen zum verlegten Kopfbahnhof. Das finde ich ja wirklich ätzend. Man macht einen Murks und zwingt dann die zufällig vor Ort sich befindenden Stuttgart 21-Kritiker, den Murks vor Besuchern aus dem Ausland auch noch mitzutragen und zu rechtfertigen.

"Stuttgart hat sich aufgegeben"
Und was will eigentlich diese Familie aus den Niederlanden in Stuttgart? Es gibt doch in Europa so viele schöne Städte, Städte mit großartiger Bausubstanz, Städte mit einer begeisternden Abfolge von Boulevards und Plätzen, Städte mit erhaltenen oder wiederhergestellten Altstädten, Städte mit großen Bahnhöfen mit vielen Gleisen. Es gibt doch überhaupt keinen Grund, sich bei diesem großartigen Städteangebot in Europa nach Stuttgart zu verirren, einer Stadt, die sich gemäß dem Artikel in der "Welt" vom 20.07.2023 (Tilman Krause, Leitender Feuilletonredakteur) "aufgegeben hat".     

Aus der Schockstarre erwacht.
All diese Gedanken und vielleicht noch mehr liefen in meinem Kopf in Bruchteilen von Sekunden ab. Als ich schließlich aus der Schockstarre erwachte, war die Familie aus den Niederlanden immer noch da und wartete auf eine Antwort. 

Ich sagte: "Sie müssen zum Hauptbahnhof! Oben!". Gleichzeitig hob ich meinen rechten Arm und zeigte mit dem Zeigerfinger nach oben. Mehr war unter den gegebenen Umständen nicht möglich. Da bleibt nur, unterwegs Details des Wegs noch einmal zu erfragen.

Die Familie aus den Niederlanden schien aber mit meiner Antwort zufrieden zu sein. Offen bleibt, ob sie den Weg gefunden haben und jemals bzw. rechtzeitig Gleis 9 erreicht haben.

Offen bleibt auch, wann und ob Stuttgart 21 in der alten, geplanten Form jemals in Betrieb gehen wird.


Freitag, 5. Januar 2024

Metropolexpress des Landes BW erfordert Neufassung des Gesetzes über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart


Das neue Produkt "Metropolexpress" des Landes BW und jüngste Entscheidungen des Verbands Region Stuttgart zur Erweiterung des Stuttgarter S-Bahnnetzes erfordern es, dass das Land BW sein Gesetz über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart neufasst bzw. ändert.

Warum ist der Verband Region Stuttgart für die S-Bahn zuständig?
Gemäß der Bahnreform ist das Land Baden-Württemberg für den gesamten Regionalverkehr einschließlich der S-Bahnen in diesem Bundesland zuständig. Das Land hat die Zuständigkeit für die Stuttgarter S-Bahn jedoch mit dem "Gesetz über die Errichtung des Verbands Region Stuttgart (GVRS)" vom 7. Februar 1994 an den Verband Region Stuttgart übertragen.

Warum diese Entscheidung heute nicht mehr zeitgemäß ist und jetzt wieder rückgängig gemacht werden sollte, sehen wir uns im heutigen Post in diesem Blog an.

Im Jahr 1994 war ein Metropolexpress nicht einmal am Horizont zu sehen. Heute ist dies anders. Die vielfältigen Schnittstellen zwischen dem Metropolexpress und der S-Bahn erfordern, dass beide Systeme gemeinsam gemanagt werden. Und dafür kommt nur das Land BW in Frage.

Der Verkehrsausschuss des Verbands Region Stuttgart hat am 13.12.2023 dafür gestimmt, dass das Stuttgarter S-Bahnnetz bis nach Vaihingen/Enz, Geislingen an der Steige und Bondorf verlängert werden soll. Das ist eine verheerende Entscheidung und zudem eine Entscheidung, die dem Metropolexpress des Landes BW Prügel zwischen die Beine wirft.

Die Mischverkehrsstrecken im Stuttgarter S-Bahnnetz
Ohne Not will der Verband Region Stuttgart noch mehr Mischverkehrsstrecken S-Bahn/Regionalbahn in der Region Stuttgart.

Es gibt bereits genügend Mischverkehrsstrecken in Stuttgarter S-Bahnnetz mit ihren negativen Auswirkungen auf die Pünktlichkeit, die Regelmäßigkeit, die Leistungsfähigkeit und die Barrierefreiheit (Bahnsteighöhen). Listen wir sie mal kurz auf:

  • S1 Rohr - Herrenberg
  • S1 Plochingen - Wendlingen
  • S2 Waiblingen - Schorndorf
  • S3 Waiblingen - Backnang
  • Die Mischverkehrsstrecke von Bad Cannstatt nach Plochingen wird nach Inbetriebnahme von Stuttgart 21 wegfallen, jedoch durch höhengleiche Gleiskreuzungen in Plochingen ersetzt, die ebenfalls problematisch sind.
  • Die Mischverkehrsstrecke von Bad Cannstatt nach S-Hbf wird mit Inbetriebnahme von Stuttgart 21 wegfallen.
Bei der Menge der verbleibenden Mischverkehrsstrecken im Stuttgarter S-Bahnnetz ist es absolut unsinnig, weitere Mischverkehrsstrecken (Plochingen - Geislingen an der Steige, Bietigheim - Vaihingen (Enz) und Herrenberg - Bondorf) draufzusatteln. Die Betriebsqualität der Stuttgarter S-Bahn wird dadurch noch weiter negativ beeinflusst.
 
Die unterschiedlichen Bahnsteighöhen
Der Metropolexpress des Landes BW ermöglicht es, dass bei den Bahnhöfen außerhalb des heutigen Stuttgarter S-Bahnnetzes eine einheitliche Bahnsteighöhe von 76 cm eingerichtet wird. Das ist fahrgastfreundlich und barrierefrei.

Es gibt überhaupt keinen Grund, von dieser Aussicht auf einheitliche Bahnsteighöhen jetzt wieder abzuweichen und mit der S-Bahn ein Fahrzeug auf die Metropolexpress-Strecken zu schicken, das eine andere Bahnsteighöhe (96 cm) benötigt als der Metropolexpress. Auch Lösungen wie beim Haltepunkt Wernau, wo nur in die beiden vordersten Türen eines S-Bahnzuges barrierefrei eingestiegen werden kann, können nicht der Weisheit letzter Schluss sein.

Die unterschiedlichen Fahrzeuge
Es gibt wohl kaum einen Fahrgast, der bei einer Wahlmöglichkeit zwischen S-Bahn und Metropolexpress nicht dem Metropolexpress den Vorzug geben würde. Der Metropolexpress hat mehr Sitzplätze als das S-Bahnfahrzeug. Der Metropolexpress verfügt über ein WC. Der Metropolexpress hat bequemere Sitze. Für lange Strecken wie z.B. nach Geislingen an der Steige ist das S-Bahnfahrzeug nicht geeignet.

Die schnellere Erreichbarkeit des Stuttgarter Hauptbahnhofs
Der Metropolexpress bietet auch eine schnellere Erreichbarkeit des potenziellen Super-Bahnknotens Stuttgart-Hauptbahnhof (potenziell bedeutet, dass der Stuttgarter Hauptbahnhof erst mit einem Ergänzungsbahnhof zu einem richtigen Bahnknoten wird). Steigt man jedoch in eine S-Bahn ein, z.B. in Geislingen an der Steige oder in Kirchheim unter Teck, dauert es eine Ewigkeit, bis man den Hauptbahnhof erreicht.
 
Die Problematik einer zusätzlichen S-Bahnlinie im Verlauf der Stammstrecke
Der Verband Region Stuttgart will die Bahnhöfe zwischen Plochingen und Geislingen an der Steige mit einer neuen S-Bahnlinie bedienen, die dann auch im Verlauf der Stammstrecke auftritt. Das ist absolut undenkbar. Die Stammstrecke der Stuttgarter S-Bahn ist bereits heute überlastet. Mögliche Verbesserungen in Folge eines neuen Signalsystems dürfen nur für den Verspätungsabbau, nicht jedoch für eine zusätzliche Linie aktiviert werden. Der heute bestehende 2,5 Minuten-Takt im Verlauf der Stammstrecke ist bereits das Ende des Möglichen. Auch München will von seinen heute noch 30 Zügen pro Stunde und Richtung im Stammstreckentunnel wegkommen, indem es eine zweite Stammstrecke baut. Auch im Verlauf der neuen Elisabeth-Line (Crossrail) in London fährt maximal alle 2,5 Minuten ein Zug.
 
Die Problematik von Streckenverlängerungen bei der S-Bahn
Streckenverlängerungen der Stuttgarter S-Bahn dergestalt, dass man eine neue Linie einrichtet, können wegen der Überlastung der Stammstrecke nicht funktionieren. Streckenverlängerungen in der Form, dass man einfach eine bestehende Linie verlängert, funktionieren ebenfalls nicht. Denn sie bringen keine Leistungsteigerung. Beispiel: Würde man die S5 von Bietigheim nach Vaihingen/Enz verlängern, gäbe es zwischen Bietigheim und dem Stuttgarter Hauptbahnhof keinen Zuwachs bei den Zugzahlen und den Sitzplatz- und Stehplatzzahlen. Die Stuttgarter S-Bahn steckt also in einer Sackgasse.

Die beiden Engpässe S-Bahn-Stammstrecke und Stuttgart 21
Der Bahnknoten Stuttgart wird von zwei Engpässen geprägt. Dies ist zum Einen die S-Bahn-Stammstrecke, die ausgelastet bzw. überlastet ist. Dies ist zum Anderen Stuttgart 21 mit dem nur achtgleisigen Hauptbahnhof und dem nur zweigleisigen Nordzulauf. Unter diesen Randbedingungen kann für die S-Bahn nichts Vernünftiges mehr entstehen.
 
Der Verband Region Stuttgart hat sich bei der S-Bahn in einen Sackgasse manövriert
Es ist also klar: Der Verband Region Stuttgart hat sich bei der S-Bahn in eine Sackgasse manövriert. Die jetzt beschlossenen Erweiterungen des S-Bahnnetzes sind Murks. Der Verband Region Stuttgart trägt einen gehörigen Teil zur heute bestehenden Bahnmisere bei. Denn der Verband Region Stuttgart hat sich nicht für einen Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof eingesetzt. Nur der Ergänzungsbahnhof ist in der Lage, die Kapazität des Bahnknotens Stuttgart zu steigern.
 
Der Metropolexpress ist die Lösung für die Stuttgarter Bahnverkehrsprobleme
Der Metropolexpress des Landes BW ist ein Produkt, das alle heute im Stuttgarter S-Bahnnetz und darüber hinaus in der Metropolregion Stuttgart bestehenden Regionalverkehrsdefizite heilen soll.

Der Metropolexpress fährt zunächst mal auf allen Strecken im Halbstundentakt. Das Entscheidende ist nun aber, dass der Metropolexpress zusammen mit dem Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof für einzelne Strecken sowie später für alle Strecken den Viertelstundentakt anbieten kann und damit einen echte Leistungssteigerung bewirkt. Der Vollständigkeit halber muss man anfügen, dass auf einigen Strecken zur Ermöglichung des Viertelstundentakts beim Metropolexpress punktuelle Ausbauten erforderlich sind (z.B. Waiblingen - Schorndorf oder Böblingen - Herrenberg).

Jetzt ist das Land BW gefordert
Bevor nicht mehr revidierbare Fakten geschaffen werden muss das Land BW jetzt eingreifen. Ein Nebeneinanderher der Zuständigkeiten für die Stuttgarter S-Bahn und für den Metropolexpress darf es nicht mehr geben. Die Zuständigkeit für alle regionalen Schienenverkehre muss beim Land gebündelt werden. Nur so ist das Ziel einer Verdoppelung der Fahrgastzahlen zu erreichen.