Samstag, 25. Juni 2022

"Und täglich grüßt das Murmeltier" - Soll die Gäubahn über Leonberg fahren?

Immer mehr Politiker, Bürger, Organisationen, Regionen und Staaten sprechen sich gegen eine jahrzehntelange Unterbrechung der Gäubahn in einem Stuttgarter Vorort aus.

Das scheint einige Stuttgart 21-Hardcore-Befürworter bzw. Stuttgart 21-Betreiber nervös zu machen. Denn es werden nun wieder längst widerlegte Uralt-Vorschläge für eine alternative Führung der Gäubahn auf den Tisch gelegt. Dazu gehört auch der Vorschlag, dass die Gäubahn zukünftig über Leonberg fahren soll.

Dieser Vorschlag ist genauso wenig praktikabel wie die inzwischen europaweit unter dem Titel "Gäubahn-Filder-Murks" bekanntgewordene Planung einer Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn. Und der Grund dafür ist ganz einfach der, dass es sowohl bei der Führung der Gäubahn über Leonberg als auch bei der Führung der Gäubahn über die Flughafen-S-Bahn eine Reihe unmittelbar aufeinanderfolgender Engstellen gibt. Sie führen in der Summe dazu, dass das Ganze unfahrbar wird.

Das werden wir im heutigen Post in diesem Blog für den Vorschlag einer Führung der Gäubahn über Leonberg noch einmal auflisten.

1. Engstelle
Zwischen Böblingen und Sindelfingen gibt es nur ein Gleis, das sich die Züge der S 60 in beiden Richtungen sowie der Güterzüge in beiden Richtungen teilen müssen. Gemäß dem Vorschlag kämen nun noch die Züge der Gäubahn dazu. 
 
Zwischen Böblingen und Sindelfingen überquert die Bahn die Autobahn A 81. Im Zuge des gerade laufenden sechsspurigen Ausbaus der A 81 wird die eingleisige Bahnbrücke gerade neu gebaut - leider wiederum nur eingleisig.
 
2. Engstelle
Zwischen Sindelfingen und Maichingen gibt es zwar zwei Gleise. Sie werden aber im eingleisigen Gegenrichtungsbetrieb befahren. Ein Gleis dient den Güterzügen. Ein Gleis dient der S 60.
 
3. Engstelle
Zwischen Maichingen und Renningen (2gleisig) gäbe es einen Mischbetrieb mit der S 60, die überall hält, und der Gäubahn, die nirgendwo hält. Es ist geplant, dass die S 60 anstatt des heute gefahrenen 30-Minuten-Takts zukünftig im 15-Minuten-Takt fährt. Das würde die Mischbetriebssituation verschärfen.
 
4. Engstelle
Im Bahnhof Renningen gibt es eine Verflechtung zwischen der S 6 und der Express-S-Bahn von Weil der Stadt sowie der S 60, den Güterzügen und der Gäubahn aus Richtung Böblingen.
 
Im Bahnhof Renningen gibt es eine höhengleiche Gleiskreuzung zwischen der S60, den Güterzügen und der Gäubahn in Richtung Böblingen sowie der S 6 und der Express-S-Bahn von Weil der Stadt.
 
5. Engstelle
Zwischen dem Bahnhof Renningen und dem Bahnhof Zuffenhausen gibt es einen extremen Mischbetrieb. Die Züge der S6 / S60 halten dort an neun Bahnhöfen, während die Gäubahn an keinem einzigen Bahnhof hält. Das gäbe es in dieser Form im Stuttgarter S-Bahnnetz kein zweites Mal. Allein die 5. Engstelle garantiert für sich alleine genommen die Unfahrbarkeit.
 
6. Engstelle
Beim Bahnhof Zuffenhausen müsste die Gäubahn in Richtung Hauptbahnhof das Gleis der S 4, der S 5 und der S 6 in Richtung Ludwigsburg / Weil der Stadt höhengleich kreuzen und sich dann auch noch in das überlastete Fern- und Regionalzuggleis in Richtung Hauptbahnhof einfädeln.
 
Die Züge der Gäubahn in Richtung Zürich müssten in Zuffenhausen das überlastete Fern- und Regionalbahngleis in Richtung Hauptbahnhof höhengleich kreuzen, ebenso das Gleis der S-Bahn von Ludwigsburg und sich in das Gleis der S 6 Richtung Weil der Stadt einfädeln.
 
Der Verband Region Stuttgart hat diese Situation als unfahrbar bezeichnet, und zwar im Zusammenhang damit, dass die geplante Express-S-Bahn von Weil der Stadt nicht in den Stuttgarter Hauptbahnhof fahren kann.
 
Damit garantiert alleine schon die 6. Engstelle für sich genommen die Unfahrbarkeit.
 
Fazit
Die Führung der Gäubahn über Leonberg ist genauso unfahrbar wie die als "Gäubahn-Filder-Murks" europaweit bekanntgewordene Planung einer Führung der Gäubahn über die Gleise der Flughafen-S-Bahn.
 
Jetzt sind die Landesregierung, das Eisenbahnbundesamt und ggf. die Gerichte gefragt, wenn es darum geht, dass die Gäubahn ihre eigenen Gleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof behält und den wichtigen Knotenpunkt Stuttgart Hauptbahnhof weiterhin anfahren kann.    

  

Mittwoch, 22. Juni 2022

Fernbahntunnel in Frankfurt frühestens 2041 fertig - Und was ist mit dem Pfaffensteigtunnel der Gäubahn?

Gemäß einem Beitrag vom 22.06.2022 auf der Webplattform "Deutsches Architektur Forum" treibt die Bahn die Planungen für den Frankfurter Fernbahntunnel mit Hochdruck voran. Gleichzeitig hat die Bahn eine Zeitschiene für den Frankfurter Fernbahntunnel bekanntgegeben.

Demnach fallen für die Schritte vor Baubeginn (Vor-, Ausführungs- und Genehmigungsplanung, Ausschreibung, Planfeststellungsverfahren und Bauvorbereitung) ab Anfang 2023 13,5 Jahre an. Daran schließt sich der eigentliche Bau an, der 4,5 Jahre bis zur Inbetriebnahme dauert. Das ergibt dann im günstigsten Fall (z.B. keine Klagen) eine Inbetriebnahme des Frankfurter Fernbahntunnels im Jahr 2041.

Wie sieht es vor diesem Hintergrund beim Pfaffensteigtunnel aus, der für die Gäubahn vorgeschlagen worden ist?

Vergleichen wir mal ganz grob:

1. Der Frankfurter Fernbahntunnel ist 7 bis 10 km lang. Der Pfaffensteigtunnel ist ca. 11,5 Kilometer lang. Beide Tunnels verfügen über jeweils zwei Tunnelröhren.

2. Der Frankfurter Fernbahntunnel ist etwas komplexer als der Pfaffensteigtunnel, weil beim Frankfurter Fernbahntunnel ein viergleisiger Bahnhof Bestandteil der Planung ist.  

3. Der Frankfurter Fernbahntunnel ist in verkehrlicher Hinsicht ungleich wichtiger als der Pfaffenteigtunnel. Der Frankfurter Fernbahntunnel befindet sich im Zentrum des deutschen ICE-Netzes und ist für die Leistungsfähigkeit und Qualität des ICE-Netzes von enormer Bedeutung. Demgegenüber ist der Pfaffensteigtunnel nur von sehr untergeordneter Bedeutung.

Sollte also der Pfaffensteigtunnel parallel zum Frankfurter Fernbahntunnel geplant und gebaut werden, ist eine Inbetriebnahme des Pfaffensteigtunnels ebenfalls erst in den Vierziger Jahren zu erwarten.

Allerdings soll es in Deutschland ab dem Jahr 2023 wieder eine Schuldenbremse beim Bundeshaushalt geben. Sollten die Politik und die Bahn in die Verlegenheit kommen, in Bezug auf die Bahnausbauten eine Prioritätenreihenfolge vorzunehmen, würde der Frankfurter Fernbahntunnel dem Pfaffensteigtunnel vorgezogen. Zudem gibt es noch eine zweistellige Zahl an teuren Bahnvorhaben, die ebenfalls ungleich wichtiger als der Pfaffensteigtunnel sind.

Fazit
Inbetriebnahme des Pfaffensteigtunnels ist frühestens in den Vierziger Jahren. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Pfaffensteigtunnel nicht gebaut wird.  

Dienstag, 21. Juni 2022

München baut S-Bahn-Umleitungsstrecke, Stuttgart will S-Bahn-Umleitungsstrecke zurückbauen

Während in Stuttgart die Pläne zum Rückbau der bestehenden Umleitungsstrecke der S-Bahn über die Panoramastrecke der Gäubahn immer noch nicht storniert sind, baut München bis zum Jahr 2024 eine neue Umleitungsstrecke für die S-Bahn.

Über die Münchner Pläne berichtet die Süddeutsche Zeitung in ihrer Online-Ausgabe vom 21. Juni 2022.

Die neue Umleitungsstrecke für die S-Bahn in München beinhaltet den Bau eines zweiten Gleises für die bisher einspurige, sogenannte Sendlinger Spange. Über diese Verbindung können S-Bahnzüge, die von München-Pasing kommen, in südliche Richtung zum S-Bahnhof Heimeranplatz umgeleitet werden. Dort besteht dann Anschluss an die U-Bahn.

Die neue Umleitungsstrecke für die Münchner S-Bahn soll zukünftig bei Störungen im Verlauf der Stammstrecke der Münchner S-Bahn sowie im Verlauf des Baus der Zweiten Stammstrecke der Münchner S-Bahn bei Bedarf aktiviert werden.

In Stuttgart gibt es bis zum Jahr 2025 noch die Umleitungsstrecke für die S-Bahn im Verlauf der Panoramastrecke der Gäubahn nach S-Vaihingen. Diese Umleitungsstrecke kommt heute bei Störungen im Verlauf der Stammstrecke der S-Bahn sowie bei baubedingten Sperrungen der Stammstrecke zum Einsatz.

Die bisherigen und immer noch nicht stornierten Pläne im Zusammenhang mit Stuttgart 21 sehen vor, dass diese Umleitungsstrecke für die Stuttgarter S-Bahn nach 2025 nicht mehr zur Verfügung steht. Hoffen wir, dass sich die Bevölkerung gegen diese dumme Planung mit allen im Rechtsstaat zulässigen Mitteln zur Wehr setzt und die Panoramastrecke der Gäubahn ab/bis zum Hauptbahnhof dauerhaft in Betrieb bleibt.   

Sonntag, 19. Juni 2022

Stuttgart 21 versus Deutschlandtakt: "Erst der Fahrplan, dann die Infrastruktur"

An zentraler Stelle des Webauftritts des Deutschlandtakts wird das Grundprinzip des Deutschlandtakts (Integraler Taktfahrplan) genannt: "Erst der Fahrplan, dann die Infrastruktur".

Damit aber ist das Projekt Stuttgart 21 das genaue Gegenteil des Deutschlandtakts. Denn beim Projekt Stuttgart 21 wurde zuerst die mögliche Infrastruktur bestimmt und dann versucht, einen Fahrplan zu erstellen.

Bei Stuttgart 21 stand zunächst mal fest, dass alle oberirdischen Gleise beim Kopfbahnhof sowie der Kopfbahnhof selbst verschwinden müssen. Weiter stellte man bei Stuttgart 21 fest, dass der unterirdische Durchgangsbahnhof aus Platzgründen nur acht Gleise haben kann. Weiter wurde festgelegt, dass die heute schon überlastete Zufahrt Zuffenhausen (Nordzulauf) weiterhin nur zwei Gleise für den Fern- und Regionalverkehr haben kann. Dafür waren Kostengründe verantwortlich. Und nicht zuletzt wurde entschieden, dass die Gäubahn sogar auf ihre heute bestehenden eigenen Gleise im Zulauf zum Stuttgarter Hauptbahnhof verzichten muss und sich auf einer S-Bahnstrecke mit den S-Bahnzügen um den Platz streiten muss.

Damit aber war die Freiheit der Fahrplangestaltung, wie sie bei anderen Bahnprojekten an erster Stelle steht, verlorengegangen. Die Fahrplangestalter mussten sich damit zufriedengeben, was diese vorher festgelegte Infrastruktur noch hergab.

Grundangebot im Halbstundentakt für alle Strecken und Zugkategorien
Der Deutschlandtakt sieht ein Grundangebot von Fernverkehrszügen im Halbstundentakt auf den wichtigsten Strecken vor. Dazu kommt ein Grundangebot von Regionalverkehrszügen auf allen anderen Strecken. Weiter sieht der Deutschlandtakt das Treffen der Züge zur vollen und zur halben Stunde (bzw. in einigen wenigen Fällen zur viertel und zur dreiviertel Stunde) in den Knotenpunktsbahnhöfen vor.

Als Stuttgart 21 im Jahr 1994 überfallartig präsentiert worden ist, war der Deutschlandtakt noch kein Thema. In der Schweiz arbeitete man jedoch schon längst intensiv an der Umsetzung der Integralen Taktfahrplans. Die Infrastruktur stand bei Stuttgart 21 von vornherein fest. Neue Entwicklungen wie z.B. der Deutschlandtakt oder das Metropolexpresssystem konnte Stuttgart 21 nicht aufgreifen. Sogar schon für einen Betrieb ohne Deutschlandtakt und ohne Metropolexpress ist das ursprüngliche Stuttgart 21 zu schwach dimensioniert. Denn es mussten der digitale Pilotknoten und der ursprünglich nicht beabsichtigte Einsatz von Doppelstockzügen im Regionalverkehr nachgeschoben werden, ebenso die Große Wendlinger Kurve und der Regionalbahnhof Vaihingen. Und als Höhepunkt gibt es auch noch eine Doppelbelegung von Bahnsteiggleisen, die wesentlich geneigter sind als es die nationalen Gesetze für Bahnhöfe zulassen. Eine Betriebsgenehmigung ist dafür noch nicht vorhanden. Sage also niemand, dass Stuttgart 21 langweilig wird!

Gibt es einen Ausweg aus dem Dilemma?
Die ursprüngliche Planung von Stuttgart 21, wonach der gesamte Kopfbahnhof sowie alle Gleise im Zulauf zum Kopfbahnhof verschwinden sollen, ist zu revidieren. Es muss ein Teil des Kopfbahnhofs erhalten bleiben. Ebenso müssen die Zuläufe der Gäubahn sowie von Zuffenhausen zum Kopfbahnhof erhalten bleiben.

Mittwoch, 15. Juni 2022

Vergleich mit München zeigt: Ergänzungsbahnhof für den Regionalverkehr in Stuttgart ist alternativlos

In Stuttgart soll zusätzlich zum nur achtgleisigen Stuttgart 21-Tiefbahnhof ein mindestens sechsgleisiger Ergänzungsbahnhof für den Regionalverkehr gebaut werden. So sieht es der Koalitionsvertrag der amtierenden Regierung in Baden-Württemberg vor.

Ein Vergleich mit München zeigt relativ schnell, warum dieser Ergänzungsbahnhof für den Regionalverkehr in Stuttgart alternativlos ist.

Hierzu ein paar wenige Zahlen aus der Wikipedia:

Die Münchner S-Bahn hat täglich 950.000 Fahrgäste und bedient ein Einzugsgebiet von 2,817 Mio. Einwohnern.

Die Stuttgarter S-Bahn hat täglich 435.000 Fahrgäste und bedient ein Einzugsgebiet von 2,7 Mio. Einwohnern.

Obwohl also das Einzugsgebiet beider S-Bahnnetze fast gleich groß ist (es entspricht in etwa der Region Stuttgart bzw. der Region München) begrüßt die Münchner S-Bahn täglich mehr als doppelt so viele Fahrgäste wie die Stuttgarter S-Bahn.

Betrachtet man nur die S-Bahn, gibt es somit in der Region Stuttgart ein tägliches Defizit von mehr als 500.000 Fahrgästen im öffentlichen Verkehr - verglichen mit München.

Diese fehlenden 500.000 Fahrgäste müssen irgend ein anderes Angebot annehmen. Das ist der Regionalzugverkehr. Das also ist der Grund, weshalb es in der Metropolregion Stuttgart ein Metropolexpress-Netz geben wird. Ein Blick auf eine Eisenbahnkarte zeigt zudem, dass der Bahnknoten Stuttgart - im Gegensatz zum Bahnknoten München - mitten im Bundesland liegt und sehr viele - fast rekordverdächtig viele - radiale Bahnstrecken beinhaltet. Auch das ist ein Grund für die Bedeutung des Regionalverkehrs im Bahnknoten Stuttgart.

Fazit
Der Bahnknoten München wird von der S-Bahn dominiert. Der Bahnknoten Stuttgart wird dagegen vom Regionalverkehr dominiert. Für diesen bedeutenden Regionalverkehr müssen beim Bahnknoten Stuttgart die entsprechenden Einrichtungen vorhanden sein. Im Falle von Stuttgart 21 gehört dazu mindestens ein sechsgleisiger Ergänzungsbahnhof für den Regionalverkehr. 

Mittwoch, 8. Juni 2022

FDP-Vorschlag zur Gäubahn beinhaltet Widersprüche und Ungereimtheiten

Einerseits ist es gut, wenn sich die Politik jetzt wieder verstärkt der Gäubahn annimmt. So bleibt wenigstens ein kleines Stück Hoffnung, dass der Jahrhundert-Planungsfehler "Stuttgart 21" wenigstens in Sachen Gäubahn noch zu einem akzeptablen Ende führt.

Die Äußerungen, die der Verkehrsexperte der Landtags-FDP Hans Dieter Scheerer jetzt aber in Sachen Gäubahn gemacht hat, beinhalten Widersprüche und Umgereimtheiten (Bericht des SWR vom 08.06.2022).

Pfaffensteigtunnel und Wegfall der Fernverkehrshalte in Böblingen und Singen (Hohentwiel)
So fordert Scheerer, den geplanten Wegfall der Fernverkehrshalte in Böblingen und Singen (Hohentwiel) rückgängig zu machen. Gleichzeitig fordert Scheerer, dass der Pfaffensteigtunnel für die Gäubahn vorangetrieben wird. 

So geht das aber nicht! Der Wegfall der Fernverkehrshalte der Gäubahn in Böblingen und Singen (Hohentwiel) und der Bau des Pfaffensteigtunnels sind Bestandteile ein und derselben Planung sowie Nutzen-Kosten-Rechnung. Wenn man will, dass die Fernzüge der Gäubahn weiterhin in Böblingen und Singen (Hohentwiel) halten, muss man den Pfaffensteigtunnel stornieren. Wenn man Änderungen an dieser Planung bzw. Nutzen-Kosten-Rechnung vornehmen will, muss die gesamte Planung neu aufgestellt werden. Dann ist auch eine neue Nutzen-Kosten-Rechnung erforderlich. Das Ergebnis wird höchstwahrscheinlich sein, dass der Pfaffensteigtunnel unwirtschaftlich ist. 

Pfaffensteigtunnel versus Ergänzungsstation
Scheerer fordert Landesverkehrsminister Hermann auf, die Planungen für eine Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof einzustellen. Diese Ergänzungsstation sei nicht wirtschaftlich und ein totes Pferd.
 
Das ist gleich in mehrfacher Hinsicht Quatsch. Zum einen ist die Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof nicht das Projekt von Hermann, sondern Bestandteil des Koalitionsvertrags in BW, der von den Parteien Die Grünen und CDU getragen wird.

Und woher weiß denn Scheerer, dass die Ergänzungsstation unwirtschaftlich ist? Diese Behauptung ist besonders makaber, wenn sie von jemand kommt, der ein Stuttgart 21-Befürworter ist. Stuttgart 21 ist nicht wirtschaftlich. Es konnte nur gebaut werden, weil man es losgelöst vom Bundesverkehrswegeplan in Angriff genommen hat und der Bahn riesige Zuschüsse für ein "eigenwirtschaftliches" Projekt gegeben hat.  
 
Wenn man schon das Wort unwirtschaftlich in den Mund nimmt, dann dürfte dies eher für den Pfaffensteigtunnel gelten als für die Ergänzungsstation. Baupreise von 2015 und die Verbindung mit dem Gäubahnausbau südlich von Horb, der für sich alleingenommen hochwirtschaftlich ist, haben den Pfaffensteigtunnel gerade noch über die Wirtschaftlichkeitsschwelle gehieft. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Pfaffensteigtunnel demnächst ganz schnell unter die Wirtschaftlichkeitsschwelle fällt.
 
Man muss sich auch fragen, warum für Scheerer die Ergänzungsstation ein totes Pferd ist. Scheerer ist Mitgleid des Landtags. Von daher hat er die Interessen des Landes zu vertreten. Und die lauten, dass es in BW einen attraktiven Bahnverkehr gibt sowie dass der Bahnknoten Stuttgart so attraktiv wie möglich ist. Dazu braucht es die Ergänzungsstation. Scheerer ist nicht Gemeinderatsmitglied in Stuttgart. Wenn die Stadt Stuttgart fürchtet, wegen des Ergänzungsbahnhofs nicht ganz so bauen zu können wie sie das gerne hätte, dann ist es nicht Scheerer, der diese Interessen vertreten sollte.
 
 

Montag, 6. Juni 2022

Nach Stuttgarter Gäubahn-Desaster: Kappt München die Bahnstrecke von/nach Stuttgart im Vorortbahnhof München-Pasing?

Noch immer ist die jahre- bzw. jahrzehntelange Kappung der Gäubahn ab 2025 im Stuttgarter Vorortbahnhof Vaihingen nicht vom Tisch.

Möglicherweise wissen viele Politikinnen und Politiker im Stuttgarter Gemeinderat, in der Verbandsversammlung der Region Stuttgart, im Landesparlament und in den Gebietskörperschaften entlang der Strecke der Gäubahn gar nicht, was sie hier anrichten und welche europaweite Blamage Stuttgart und Baden-Württemberg mit dieser kolossalen Fehlplanung droht.

Da lohnt sich ein Blick zu anderen Bahnknotenpunkten in Deutschland und Europa.

Was wäre denn, würde der Münchner Stadtrat eine Kappung der Bahnstrecke von/nach Stuttgart fordern? Die Züge von/nach Stuttgart sollen dann nicht mehr bis zum Münchner Hauptbahnhof fahren, sondern bereits in München-Pasing enden. Das geht doch. Denn von München-Pasing gibt es doch eine S-Bahnverbindung zum Münchner Hauptbahnhof und in ca. 7 Jahren auch noch eine U-Bahnverbindung.

Nun, Gott sei Dank wird der Münchner Stadtrat niemals eine solche Forderung erheben. Denn es ist ganz stark anzunehmen, dass der Münchner Stadtrat um die Bedeutung einer Anbindung der Bahnstrecke von/nach Stuttgart an den Münchner Hauptbahnhof weiß. Ins Herz der Städte zu fahren, das ist doch eine der Stärken der Bahn - gerade auch gegenüber dem Auto. Und in Bezug auf Anschlüsse zur S-Bahn, zur U-Bahn, zur Tram, zu anderen Fernzügen und zu Regionalzügen ist der Münchner Hauptbahnhof unschlagbar. Deshalb halten die Fernzüge von/nach Stuttgart allenfalls zusätzlich in München-Pasing, um dann von dort zum Münchner Hauptbahnhof weiterzufahren.

In Karlsruhe wird es nicht anders aussehen. Niemals wird der Karlsruher Gemeinderat auf die Idee kommen, die Züge von/nach Stuttgart bereits in Karlsruhe-Durlach enden zu lassen. Eigentlich müsste das doch gehen, nimmt man die Gäubahn in Stuttgart zum Maßstab. Denn von Karlsruhe-Durlach fahren doch Stadtbahnen und auch andere Regionalzüge weiter zum Karlsruher Hauptbahnhof und in die Innenstadt.

Auch in Zürich ist schwer anzunehmen, dass der dortige Gemeinderat niemals für ein Ende der Gäubahn von/nach Stuttgart bereits in Zürich-Oerlikon plädieren wird. Das würde dem Bahnknoten Zürich schweren Schaden zufügen und das Verkehrsmittel Bahn abwerten.

Mit Sicherheit ist davon auszugehen, dass der Münchner Stadtrat, der Zürcher Gemeinderat und der Karlsruher Gemeinderat um die Bedeutung eines guten Bahnsystems mit jeweils einem attraktiven Bahnknoten für ihre Städte wissen. Und dazu gehört, dass die Züge aus allen Richtungen bis zum jeweiligen Hauptbahnhof fahren.

Ein Gemeinderat oder Stadtrat entscheidet nicht über das Bahnnetz
Aber es kommt noch ein anderer Punkt hinzu. Bei aller Anerkennung der Stadträte und der Gemeinderäte in den einzelnen Städten: Die Entscheidung über das Bahnnetz liegt woanders. Das wäre ja auch ein Rückschritt ins Mittelalter, könnte in Deutschland jede Kommune darüber entscheiden, was mit den Bahnstrecken auf ihrer Gemarkung geschieht. Dann könnte man die Bahn einstellen.
 
Von daher kann man optimistisch in die Zukunft schauen. Die Gäubahn wird letztendlich mit einer maximal mehrmonatigen Unterbrechung weiterhin zum Stuttgarter Hauptbahnhof fahren.

    

Sonntag, 5. Juni 2022

Hoffentlich wird Stuttgart den Vorschusslorbeeren aus der Schweiz gerecht!

Stuttgart ist das Thema in der Reisebeilage der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) vom 04.06.2022.

Stuttgart kommt darin gut weg. Als Stuttgarter oder Stuttgarterin wird man bei so viel Lob sogar etwas verlegen.

Aber es hängt ein Damoklesschwert über diesen Vorschusslorbeeren aus der Schweiz für Stuttgart. Denn nach den leider immer noch nicht stornierten offiziellen Plänen wird die Gäubahn den Stuttgarter Hauptbahnhof ab ca. 2025 nicht mehr anfahren und damit einen Besuch aus der Schweiz in Stuttgart wesentlich erschweren.

Der Bericht in der NZZ über Stuttgart beginnt mit einem Paukenschlag. Demnach ist die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart "die Metropole, die der Schweiz fehlt". Stuttgart beherbergt "Weitläufiges und Sehenswürdigkeiten von Weltrang". Die NZZ stellt sogar in Stuttgart "erstaunlich viel Entspanntheit" fest.

Wie aber kommt man nach Stuttgart? Die NZZ ist auch hier um eine Antwort nicht verlegen. Man erreicht Stuttgart "nach dreistündiger Zugfahrt von Zürich".

Jetzt liegt es an den Stuttgarterinnen und Stuttgartern sowie an den Politikerinnen und Politikern in Stadt und Land, dass dies auch so bleibt und dass Stuttgart den Vorschusslorbeeren aus der Schweiz auch zukünftig gerecht wird.

Samstag, 4. Juni 2022

Weiterbetrieb der Gäubahn zum Stuttgarter Kopfbahnhof erfordert Überlegungen zu Abstellung und Zugsicherung

Es gibt immer mehr Stimmen, die einen ununterbrochenen Betrieb der Gäubahn zum Stuttgarter Hauptbahnhof (Kopfbahnhof) auch nach 2025/2026 fordern, zuletzt die SPD-Gemeinderatsfraktion in Stuttgart.

Der Weiterbetrieb eines Teils der Kopfbahnhofs des Stuttgarter Hauptbahnhofs für die Gäubahn erfordert einige Überlegungen. Alle Beteiligten sind eingeladen, konstruktiv ab sofort an der Lösung der sich abzeichnenden Probleme zu arbeiten.

Abstellung/Instandhaltung
Der heutige Abstell- und Wartungsbahnhof zwischen dem Stuttgarter Hauptbahnhof und dem Rosensteinpark wird nach einer (Teil)Inbetriebnahme von Stuttgart 21 im Jahr 2025 bzw. 2026 nicht mehr zur Verfügung stehen. Die Züge der Gäubahn können also nicht mehr dorthin fahren.
 
Es muss eine alternative Abstellung/Wartung für die Gäubahn gesucht werden. Aller Wahrscheinlichkeit wird dies auf Stuttgarter Boden nicht mehr möglich sein. Es ist deshalb zu prüfen, ob bei den Bahnhöfen Böblingen, Herrenberg und Horb Abstell- und Instandhaltungseinrichtungen für die Gäubahn errichtet werden können.
 
Zugsicherung
Die heute im Verlauf der Panoramastrecke der Gäubahn betriebene Zugsicherung wird nach einer (Teil)Inbetriebnahme von Stuttgart 21 nicht mehr zur Verfügung stehen.
 
Hier ist zu prüfen, ob auf der Gäubahn nicht die heute bestehende Zugsicherung weiterbetrieben werden kann. Die Gäubahn hat nach 2025/26 keine Berührung mehr zu anderen Gleisen des Hauptbahnhofs in Stuttgart. Deshalb könnte ein Inselbetrieb bei der Zugsicherung für die Gäubahn in Frage kommen.
 
Zulauf Zuffenhausen
Nicht nur für die Gäubahn muss ab 2025/26 ein Rest-Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten bleiben, sondern auch für die Zufahrt Zuffenhausen.
 
Die Zufahrt Zuffenhausen ist heute und auch bei Stuttgart 21 mit ihren nur zwei Gleisen für den Fern- und Regionalverkehr überlastet. Deshalb sind - wie das heute schon gebaut ist - nach 2025/26 die beiden Weichen bei der Tunnelrampe Feuerbach zu belassen, so dass die in der Zufahrt Zuffenhausen fahrenden Züge sowohl durch den Feuerbacher Tunnel zum Stuttgart 21-Tiefbahnhof als auch durch den bestehenden Pragtunnel zum Rest-Kopfbahnhof fahren können.
 
Übergang zur Ergänzungsstation
Der Weiterbetrieb eines Rest-Kopfbahnhofs ab 2025/26 darf nicht dazu führen, dass die geplante Ergänzungsstation beim Stuttgarter Hauptbahnhof mit mindestens sechs, besser jedoch zehn Bahnsteiggleisen nicht mehr gebaut werden kann.
 
Von der SPD kam bereits der Vorschlag, die Gleise der Gäubahn neben der Athener Straße zum Rest-Kopfbahnhof zu führen. Genau dort aber ist die Ergänzungsstation geplant. Die Gleise der Gäubahn müssen deshalb im Interimszustand verschwenkt werden. Sie liegen besser im Bereich der heutigen Gleise 7 bis 10.