Mittwoch, 2. November 2022

Die maximale Leistungsfähigkeit des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs von 32 Zügen pro Stunde scheint sich zu bewahrheiten

Der Stuttgart 21-Hauptbahnhof mit seinen acht Gleisen kann nicht mehr als 32 Züge pro Stunde abfertigen. Dies scheint sich nach dem Vorliegen des Regionalverkehrsfahrplans unter Stuttgart 21 zu bewahrheiten.

Ein Zug belegt ein Bahnsteiggleis 15 Minuten lang
Die Zahl von 32 Zügen pro Stunde ist ja seit längerer Zeit in der Diskussion. So hat sich der Physiker Dr. Engelhardt die Zugzahlen an den deutschen Knotenpunktsbahnhöfen angesehen. Er kam zum Ergebnis, dass nirgendwo weniger als 15 Minuten pro Zug und Gleis erreicht werden, auch nicht bei den hochbelasteten und verspätungsanfälligen Knotenpunktsbahnhöfen. Das ergibt dann vier Züge pro Stunde und Gleis und im Falle des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs 32 Züge pro Stunde.
 
40 Prozent der Züge müssen über eine zweigleisige Zufahrt fahren
Wir haben hier in diesem Blog eine Herleitung der Zugzahlen beim Stuttgarter Hauptbahnhof mit Hilfe des Nordzulaufs vorgenommen. Die These lautete, dass der Nordzulauf zum Bahnknoten Stuttgart für 40 Prozent der Nachfrage nach Bahnverkehrsleistungen im Regional- und Fernverkehr und für 40 Prozent der Züge vom und zum Bahnknoten Stuttgart zuständig ist. Weiter lautete die These, dass eine Zulaufstrecke zu einem großen Bahnknoten wie der Nordzulauf mit nur zwei Gleisen nicht mehr als 12 bis 13 Züge pro Stunde und Richtung bewältigen kann. In ganz Deutschland gibt es keine Situation, dass im Verlauf einer solchen Zufahrt mehr als 12 bis 13 Züge fahren. Während der Spitzenstunde wird dieser Wert beim Nordzulauf bereits heute erreicht. Daraus ergibt sich eine Leistungsfähigkeit des Stuttgart 21-Hauptbahnhofs von 12 bzw. 13 geteilt durch 0,4 gleich 30 bzw. 32,5 Züge pro Stunde.

Verblüffend: Zwei unterschiedliche Herleitungen führen zum gleichen Ergebnis.

Die Zugzahlen für den Regionalverkehr liegen nun vor
Nun aber haben wir eine dritte Quelle für die maximale Leistungsfähigkeit von Stuttgart 21 in der Hand. Denn die Zugzahlen beim Regionalverkehr unter Stuttgart 21 sind jetzt bekannt. Das Verkehrsministerium Baden-Württemberg und die Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH haben diese Zahlen am 11.10.2022 bekanntgegeben.
 
Ganz kurz zur Methodik bei den Zugzahlen:
Für einen Kopfbahnhof wie für einen Durchgangsbahnhof gilt: 
 
 
Ein ganzer Zug wird gezählt, wenn dieser Zug im Bahnhof ankommt und wieder abfährt. Ein halber Zug wird gezählt, wenn dieser Zug nur ankommt oder nur abfährt. Ein viertel Zug wird gezählt, wenn der Zug nur ankommt oder abfährt und nur alle zwei Stunden fährt. Zwei Züge werden gezählt, wenn die Linie im Halbstundentakt fährt.
 
Damit errechnen sich die Zugzahlen des Regionalverkehrs im Stuttgart 21-Hauptbahnhof wie folgt:
IRE1: 1 + 1 = 2 
IRE 6: 1/2 + 1/2 = 1 
RE 5a/5b: 1 + 1 = 2
RE 8: 3/4 + 3/4 = 1 1/2 
RE 90: 1/4 + 1/4 = 1/2
MEX 13: 2 + 2 = 4 
MEX 16: 1 + 1 = 2*
RE 17: 2 + 2 = 4 
MEX 18: 1 + 1 = 2
MEX 19: 1/2 + 1/2 = 1 
MEX 90: 1/4 + 1/4 = 1/2

Summe: 20 1/2 Regionalzüge pro Stunde im Stuttgart 21-Hauptbahnhof

* Dieser Zug endet in Bad Cannstatt. Das ist jedoch nicht als Durchbindung zu werten. Die Infrastruktur von Stuttgart 21 lässt wohl keine andere Wahl. Normalerweise müsste der Zug im Hauptbahnhof beginnen und enden. Darauf sind die Zahlen ausgerichtet. 

Leistungsgrenze oder Bezahlgrenze?
Nun stellt sich allerdings noch die Frage, ob die 20 1/2 Regionalzüge pro Stunde zusammen mit den Fernzügen bereits die Leistungsgrenze des Stuttgart 21-Tiefbahnhofs ankündigen oder ob einfach das Land BW aus finanziellen Gründen nicht mehr Regionalzüge bestellen kann.

Hierzu gibt es in den Unterlagen der Nahverkehrsgesellschaft mbH (Folie 50) eindeutige Hinweise. So wird zukünftig das Verstärken und Schwächen von Zügen vermieden. Ebenfalls vermieden wird die Zugteilung (Flügelkonzepte). Zudem wird eine Komplexitätsreduzierung angestrebt durch kapazitätsschonende Linienverbindungen ("Innen-Innen", "Außen-Außen"). Die Durchbindungen zum Flughafen ändern sich. 
 
Daraus folgt ganz klar, dass der Engpass Stuttgart 21 bereits mit den 20 1/2 Regionalzügen pro Stunde den Freiheitsgrad der Fahrplangestaltung massiv einschränkt. Es werden nicht so sehr die Linien und Züge gefahren, die verkehrlich wünschenswert sind, sondern diejenigen Linien und Züge sowie Durchbindungen, die die Infrastruktur von Stuttgart 21 hergibt. Das System Stuttgart 21 ist damit bereits mit den 20 1/2 Regionalzügen pro Stunde und den Fernzügen überlastet. 
 
Der Fernverkehr
Wir orientieren uns an der Netzgraphik des 3. Entwurfs des Deutschlandtakts für Baden-Württemberg. Möglicherweise sind darin der neue Nordzulauftunnel sowie die P-Option von Stuttgart 21 bereits enthalten. Das behalten wir lediglich im Hinterkopf.

Es gibt demnach die folgenden Fernzüge:
FV 27, Stundentakt, 2 Züge pro Stunde
FV 8, Stundentakt, 2 Züge pro Stunde
FV 31, Zweistundentakt, endet in Stuttgart, 1/2 Zug
FV 22a, Zweistundentakt, 1 Zug
FV 41, Zweistundentakt, 1 Zug
FV 40, Zweistundentakt, 1 Zug
Zwischensumme: 7 1/2 Züge
 
Jetzt gibt es noch verschiedene Fernzüge, die nach Nürtingen fahren. Deren Bedeutung ist nicht ganz klar. Wir listen sie jedoch hier auf:
FV 6a/47a, Stundentakt, 2 Züge
FV 45, Zweistundentakt, 1 Zug
FV 94, Zweistundentakt, 1 Zug
Weitere Zwischensumme: 11 1/2 Züge
 
Jetzt gibt es noch den zweistündlich verkehrenden Fernzug nach Nürnberg:
FR 16, Zweistundentakt, 1 Zug
Endsumme Fernzüge: 12 1/2 Züge
 
Gesamtsumme Regionalzüge und Fernzüge:
20 1/2 + 12 1/2 = 33 Züge pro Stunde.
 
Nochmal sei es gesagt: Diese Zahlen basieren möglicherweise auf dem Nordzulauftunnel und der P-Option von Stuttgart 21. Zudem ist es unklar, warum vom Hauptbahnhof und vom Flughafen neben den beiden Regionalzügen pro Stunde noch weitere Fernzüge nach Nürtingen fahren sollen. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass diese Fernzüge vom Hauptbahnhof nicht in den Wartungsbahnhof / Abstellbahnhof Untertürkheim gelangen können.
 
Die Botschaft, die es hier jetzt zu transportieren gibt, ist, dass Stuttgart 21 bereits mit 32 Zügen überlastet ist. Das zeigen ganz klar die Ausführungen der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg mbH sowie die geplanten Zugzahlen. Deshalb ist der Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof kein Projekt für die ferne Zukunft. Der Ergänzungsbahnhof muss sofort gebaut werden. Alternativ muss ein Teil des Kopfbahnhofs  erhalten bleiben.

       

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