Montag, 13. September 2010

Stuttgart 21 - Zufahrt Zuffenhausen: ein Offenbarungseid

Dies ist nun bereits der dritte Post zum Thema der Zufahrten zum Stuttgarter Hauptbahnhof. In den beiden vorangegangen Posts haben wir ja gesehen, dass die bestehende Situation beim Kopfbahnhof Stuttgart gar nicht so schlecht ist wie manchmal behauptet. Weiter wurde klar, dass die Zufahrten zum Kopfbahnhof Stuttgart mit einem Bruchteil der Kosten von Stuttgart 21 ausgebaut werden können. Dieser Ausbau ist zudem etappierbar. Auch für den integralen Taktfahrplan und für das Störungsmanagement bietet ein Ausbau der Zufahrten zum Kopfbahnhof Stuttgart entscheidende Vorteile gegenüber dem Projekt Stuttgart 21.

Im heutigen Post geht es um die Zufahrt zum Stuttgarter Hauptbahnhof von Zuffenhausen her. Ein Blick auf den Fahrplan zeigt, dass ziemlich genau, ja sogar verblüffend genau die Hälfte aller Züge, die den Stuttgarter Hauptbahnhof anfahren, über Zuffenhausen kommen. Nördlich von Zuffenhausen treffen die wichtigen Strecken von Heilbronn und von der Schnellfahrstrecke Vaihingen / Enz zusammen.



Was sind denn das für Städte und Ziele, von denen die über Zuffenhausen fahrenden Züge kommen? Einige Beispiele: Heilbronn, Würzburg, Karlsruhe, Straßburg, Paris, Mannheim, Frankfurt, Frankfurt Flughafen, Köln, Rheinland, Kassel, Hannover, Hamburg, Berlin, Bremen...

Das ist ja unglaublich! Was für eine wichtige Zufahrt!

Und jetzt heißt es aufpassen: Diese Zufahrt Zuffenhausen, auf der die Hälfte aller Züge für den Stuttgarter Hauptbahnhof verkehren, wird mit gerade einmal zwei Gleisen in den geplanten Tiefbahnhof beim Projekt Stuttgart 21 hineingeführt. Was soll unter diesen Umständen das Gerede von den acht Zufahrtsgleisen zum Tiefbahnhof und von dessen Überlegenheit gegenüber dem Kopfbahnhof, wenn die Hälfte aller Züge auf  zwei Gleise zusammengedrängt werden? 

Die Zufahrt von Zuffenhausen ist ein gefährlicher und nicht zukunftsgerechter Engpass beim Projekt Stuttgart 21, einer von vielen Engpässen. Bereits heute kommt es gar nicht so selten vor, dass nördlich von Zuffenhausen bei der Zusammenführung der Strecken von Heilbronn und von Vaihingen / Enz ein Zug anhalten muss, weil gleichzeitig ein möglicherweise etwas verspäteter Zug aus der anderen Strecke kommt.

Dieser Engpass wird beim Projekt Stuttgart 21 für alle Zeiten festgeschrieben. Es gibt keine Erweiterungsmöglichkeiten beim zweigleisigen Tunnel zum Hauptbahnhof und es gibt auch keine flexible Betriebshandhabung mehr mit Benutzung der S-Bahngleise. Und wie soll denn mit diesem Engpass die in den kommenden 20 Jahren dringend erforderliche Steigerung des Verkehrsaufkommens auf der Bahn um 50 Prozent stattfinden?

Das Beispiel der Zufahrt Zuffenhausen ist eines von vielen Beispielen für die Natur des Projekts Stuttgart 21. Mitnichten soll mit diesem Projekt irgendetwas für die Zukunft des Systems Bahn getan werden. Und es sind hier auch keine selbstlosen Wohltäter am Werk, die der Bevölkerung gute und bezahlbare Mobilität bieten wollen. Stuttgart 21 ist ein Investoren- und Immobilienprojekt. Die Bahn muss hierzu in den Untergrund. Das ist das wichtigste Anliegen.

Wie können Gemeinderäte und Abgeordnete in Land und Bund einem Projekt mit solchen Fehlern nur zustimmen?

Ich sehe bei erster Überlegung zwei Gründe.

Kaum ein Abgeordneter wird die ganze Komplexität des Vorhabens Stuttgart 21 und dessen Folgen nachvollziehen können. Die Abgeordneten sind auf Informationen von den Projektbetreibern angewiesen. Und sie können nicht beurteilen, ob diese Informationen vollständig sind.

Und leider gibt es auch einen zweiten Grund: die Mehrzahl der Abgeordneten hat heutzutage mit der Bahn nur noch wenig am Hut. Man hat weder fachliche noch empirische Kenntnisse über die Bahn. Statt dessen sieht man die Welt bzw. die Verkehrswelt in der Hauptsache durch die Windschutzscheibe des Autos.

Man könnte für die Abgeordneten unter diesen Umständen sogar noch Verständnis aufbringen. Kein Verständnis haben die Politiker jedoch zu erwarten, wenn sie vor das Volk treten und in auf Unwissenheit gründender Überheblichkeit meinen, man müsse das Volk nur besser aufklären. Dann würde das Volk dem Projekt schon zustimmen.    

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