Mittwoch, 21. September 2022

Hamburgs neue U-Bahnlinie U5: Welche Erkenntnisse gibt es für Stuttgart?

Im Hamburg wird Ende September 2022 der offizielle erste Spatenstich zum Bau der neuen U-Bahnlinie U5 gefeiert. Bereits seit einigen Monaten laufen vorbereitende Arbeiten wie z.B. Kanal- und Kabelverlegungsarbeiten.

Wir sehen uns heute hier in diesem Blog ein wenig (keineswegs erschöpfend) an, was die neue U-Bahnlinie U5 auszeichnet und welche Erkenntnisse sich für Stuttgart ableiten lassen.

Denn eines ist leider klar: Das Projekt Stuttgart 21 hat Stuttgart bei verkehrlichen Themen inzwischen um ca. 30 Jahre zurückgeworfen. Wie man aus dieser Falle herauskommt, ist nicht klar. Wichtig scheint aber zu sein, dass man immer wieder sieht, wie es die Anderen machen und daraus Erkenntnisse für Stuttgart ableitet.

Hamburgs neue U5 - ein Projekt der Superlative
Die neue U-Bahnlinie U5 soll das größte Bahninfrastrukturprojekt in einer deutschen Großstadt sein. Die Linie U5 wird eine Länge von ca. 24 Kilometern haben und 23 neue Haltestellen aufweisen. Die U5 wird vollständig auf eigenen Gleisen und nahezu komplett unterirdisch fahren. Die Zugfolge wird bis zu 90 Sekunden betragen.

1. Der fahrerlose Betrieb
Die U5 wird fahrerlos fahren mit Bahnsteigtüren. Das ist keineswegs überraschend. In Europa und weltweit werden heute neue U-Bahnsysteme oder auch nur neue Linien grundsätzlich fahrerlos ausgelegt. Kein anderes Schienenverkehrsmittel ist so gut automatisierbar wie die U-Bahn. 
 
Demgegenüber ist der Job eines U-Bahnfahrers oder einer U-Bahnfahrerin relativ monoton. Zudem leiden die öffentlichen Verkehrsbetriebe in Deutschland unter Fahrermangel. Von daher dürfte kaum jemand dem fahrerlosen Betrieb etwas entgegenzusetzen haben. Eine U-Bahn ist eigentlich nichts anderers als ein horizontaler Aufzug. Es gibt zehntausende vertikale Aufzüge in Deutschland. Alle fahren sie fahrerlos, ohne dass jemand etwas dagegen einzuwenden hätte.
 
2. Die Stammstreckenfrage
Mit der neuen U5 hat Hamburg bei der S-Bahn und U-Bahn sechs Stammstrecken (zwei bei der S-Bahn und vier bei der U-Bahn). Die Zahl der Stammstrecken ist maßgebend für die Leistungsfähigkeit eines Schienennetzes. Das Hamburger Schienennetz scheint von daher relativ leistungsfähig zu sein.
 
Stuttgart hat bei der S-Bahn und Stadtbahn nur drei Stammstrecken. Das ist vergleichsweise wenig. Vor allem fällt die Stadtbahn mit ihren nur zwei Stammstrecken auf. Bei diesem Kriterium ist die Stuttgarter Stadtbahn irgendwo am Ende der Deutschlandtabelle.
 
3. Radiale Linienführung
Die neue Hamburger U5 soll einerseits Stadtteile bedienen, die bisher noch keinen Schienenanschluss haben. Andererseits soll die U5 selbstverständlich den Hauptbahnhof anfahren, wie das auch die S-Bahn und die anderen U-Bahnlinien tun.
 
Hamburg bekennt sich somit ganz klar zu einer radialen Linienführung seiner S-Bahn und U-Bahn mit Bedienung des Hauptbahnhofs und der Innenstadt. Eine tangentiale Linienführung kommt nicht in Frage. Das gilt auch für die überwältigende Mehrzahl der deutschen Großstädte. In Stuttgart sollte man hier aufhorchen und die Pläne für tangentiale Linien über den Nordbahnhof noch einmal ganz genau ansehen.
 
4. U-Bahn versus Stadtbahn
Als Alternative zu einer U-Bahn war jahrelang in Hamburg auch eine oberirdische, tangential verlaufende Stadtbahn im Gespräch. Vor wenigen Wochen hat die Partei Die Linke noch einmal einen Versuch unternommen, die U5 zu stoppen und statt dessen eine Stadtbahn zu bauen.
 
Hamburgs Stadtverwaltung hat dem eine klare Absage erteilt. Sie arguemtiert, dass eine oberirdisch verkehrende Stadtbahn vor Ort bei den Anwohnern und bei den Verkehrsteilnehmern nicht akzeptiert würde.
 
5. Die Klimarelevanz der U5
Der CO2-Ausstoß beim Bau der U5 ist ein großes Thema in Hamburg, wie ja auch bei Stuttgart 21. Zu diesem Thema äußert sich die Hamburger Stadtverwaltung so, dass die U5 dank klimafreundlicher Bauverfahren mit ca. einem Drittel der bei solchen Großprojekten üblichen CO2-Emissionen auskommt. Diesbezüglich soll die U5 eine Vorreiterrolle einnehmen und ein Leuchtturmprojekt werden. Die CO2-Emissionen beim Bau sollen um ca. 70 Prozent gesenkt werden und sogar weniger als 0,4 Prozent des gesamten CO2-Ausstoßes in Hamburg ausmachen.
 
Fazit
Dies ist kein Plädoyer für den Bau einer U-Bahnlinie in Stuttgart. Es ist aber ein Plädoyer für eine Bestandsaufnahme beim Stuttgarter Verkehr und für das Ziehen von Schlussfolgerungen.
 
In Bezug auf eine dritte Stammstrecke für die Stuttgarter Stadtbahn wäre vor Beginn der Planungen die Systemfrage zu stellen. Es stehen mindestens drei Systeme zu Auswahl: Hochflur-Stadtbahn, Niederflur-Straßenbahn und fahrerlose U-Bahn.           

 

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