Donnerstag, 28. April 2022

Der Gäubahn-Pfaffensteigtunnel konterkariert den Deutschlandtakt

Für die Gäubahn wurde ein ca. 12 Kilometer langer Tunnel zwischen Böblingen und dem Stuttgarter Flughafen vorgeschlagen, genannt Pfaffensteigtunnel.

Hinter diesem Tunnel wurde ein Narrativ aufgebaut, dass der Tunnel für den Deutschlandtakt von Bedeutung ist und den Deutschlandtakt auf der Gäubahn sogar erst ermöglicht.

Das trifft absolut nicht zu. Vielmehr ist der Pfaffensteigtunnel eine Reparaturmaßnahme für Stuttgart 21, die eine Gesichtswahrung bei diesem Projekt ermöglichen soll. Zudem zieht der Pfaffensteigtunnel je nach Lesart eine knappe Milliarde bzw. bis zu 2,5 Milliarden Euro ab, die für richtige und eigentliche Deutschlandtakt-Maßnahmen dann fehlen. Insofern ist der Pfaffensteigtunnel eine Maßnahme ganz im Sinne der Autolobby.

Warum aber konterkariert der Pfaffensteigtunnel den Deutschlandtakt?

1. Die Bahnsteiggleise
In den im Rahmen des Deutschlandtakts festgelegten Taktknoten (Vollknoten oder Teilknoten) treffen sich zu bestimmten Zeiten möglichst viele Züge, um ein Umsteigen aus und in alle Richtungen zu ermöglichen. Hierzu bedarf es wesentlich mehr als die bei Stuttgart 21 im Hauptbahnhof geplanten acht Bahnsteiggleise. 
 
Der Pfaffensteigtunnel führt die Gäubahn aber geradewegs zu den acht Bahnsteiggleisen von Stuttgart 21 und verunmöglicht somit die Anlage weiterer Bahnsteiggleise, wie dies zum Beispiel durch eine Ergänzungsstation möglich ist
 
2. Die Zulaufgleise
Im Rahmen des Deutschlandtakts sollen Züge aus allen Richtungen gleichzeitig oder in kurzem Abstand beim Knotenpunkt eintreffen und von dort wieder abfahren. Von daher sind an einem Taktknoten möglichst viele eigenständige Zulaufgleise erforderlich.
 
Der Pfaffensteigtunnel bietet für die Gäubahn jedoch keine eigenständigen Zulaufgleise, wie sie das heute noch hat. Vielmehr führt der Pfaffensteigtunnel die Gäubahn in die schon stark belegten Zulaufgleise des Fildertunnels und damit in einen Engpass.
 
3. Die Fahrzeiten
Im Rahmen des Deutschlandtakts sind im allgemeinen im Verlauf der Strecken zwischen zwei Knotenpunkten moderate Fahrzeitverkürzungen erforderlich, damit sich die Züge aus Richtung und Gegenrichtung sowohl im Knoten A als auch im Knoten B begegnen.
 
Für diese Fahrzeitverkürzungen im Verlauf der Gäubahn braucht es den Pfaffensteigtunnel nicht. Diese moderaten Fahrzeitverkürzungen sind im Verlauf der Gäubahn zwischen Stuttgart und Singen (Hohentwiel) an vielen Stellen durch kleinere Investitionen erreichbar.
 
Zudem sind bei der Gäubahn in Bezug auf den Deutschlandtakt noch viele Fragen offen:
 
Erfolgt das Rendezvous der Züge im Stuttgarter Hauptbahnhof zukünfig zu den Minuten 00 und 30 oder zu den Minuten 15 und 45?
Wieviele Minuten vor sowie nach der Symmetriezeit müssen die Züge der Gäubahn im Stuttgarter Hauptbahnhof ankommen, um die Anschlüsse zu gewährleisten sowie dann auch wieder abfahren?
Wo außer im Stuttgarter Hauptbahnhof sollen im Verlauf der Gäubahn noch Taktknoten eingerichtet werden? Kann das in Tuttlingen möglich sein oder in Singen (Hohentwiel)?
Um wie viele Minuten muss die Fahrzeit der Gäubahn letztendlich verkürzt werden und auf welchen Abschnitten sind die Verkürzungen erforderlich?
 
In diesem Zusammenhang sei noch angemerkt, dass der (abschnittsweise) Doppelspurausbau ebenfalls eine Beschleunigungsmaßnahme darstellt, weil die Züge dann nicht mehr so lange auf den Gegenzug warten müssen.
 
4. Die Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030
Die Verdoppelung der Fahrgastzahlen bis 2030 ist ebenfalls ein Bestandteil des Deutschlandtakts. Der Paffensteigtunnel trägt zu diesem Ziel nichts bei. Die Kapazität des Bahnknotens Stuttgart wie auch die Kapazität der Gäubahn werden durch den Pfaffensteigtunnel nicht gesteigert sondern sogar vermindert.
 
5. Die wegfallenden Halte der Fernverkehrszüge in Böblingen und Singen (Hohentwiel)
Im Rahmen des Baus des Pfaffensteigtunnels sollen die Fernzüge der Gäubahn nicht mehr in Böblingen und in Singen (Hohentwiel) anhalten. Sarkastisch könnte man hierzu anmerken, dass die Züge der Gäubahn doch nirgendwo mehr anhalten sollen, weil ein Betrieb ohne Fahrgäste doch immer noch das Beste ist.
 
Jetzt gibt es zaghafte Meinungsäußerungen, dass die Fernverkehrszüge der Gäubahn doch in Böblingen halten sollen - trotz Pfaffensteigtunnel. Diese Äußerungen sind nicht statthaft. Der Pfaffensteigtunnel und der Wegfall der Fernverkehrshalte der Gäubahn sind ein und dasselbe Projekt. Will man an einer Stelle etwas ändern, muss die gesamte Nutzen-Kosten-Rechungung für den Pfaffensteigtunnel und alle anderen Maßnahmen erneut durchgeführt werden. Wenn man also will, dass Böblingen und Singen (Hohentwiel) weiterhin von den Fernverkehrszügen bedient werden, muss der Pfaffensteigtunnel schnellstens storniert werden.         

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.