Dienstag, 20. Juli 2021

Warum der Stuttgarter Gemeinderat mit seiner Ansicht zum Ergänzungsbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof falsch liegt

Der zuständige Ausschuss des Stuttgarter Gemeinderats hat vor wenigen Tagen den Bau eines Ergänzungsbahnhofs für den Regional- und S-Bahnverkehr beim Stuttgarter Hauptbahnhof erneut abgelehnt. Damit begeht der Stuttgarter Gemeinderat aber einen schweren Fehler.

Die Zuständigkeit des Landes für den Regionalverkehr
Die Zuständigkeit für den Regionalverkehr der Bahn liegt beim Land Baden-Württemberg. Das Land ist der Auffassung, dass der achtgleisige Stuttgart 21-Tiefbahnhof nicht ausreicht, um den Regionalverkehr mit guter Qualität abzuwickeln und/oder die angestrebte Verdoppelung des Bahnverkehrs bis zum Jahr 2030 zu schaffen.
 
Diese Auffasssung des Landes ist auch aus der Geschichte von Stuttgart 21 einfach nachvollziehbar. Die Betonung sowohl von Stuttgart 21 als auch des Vorgängerprojekts einer Durchmesserlinie lag auf dem Fern- und Hochgeschwindigkeitsverkehr ("Magistrale Paris-Bratislava"). Der Regionalverkehr spielte nur eine untergeordnete Rollle.
 
Das Land hat mit der unterirdischen, sechsgleisigen Ergänzungsstation der Stadt bereits ein großzügiges Angebot gemacht. Alternativ muss das Land auf eine Beibehaltung des ganzen oder eines Teils des bestehenden Kopfbahnhofs hinarbeiten. Ob die Stadt damit glücklich wird?
 
Bis zur Bebauung dauert es jeweils eine halbe Ewigkeit
Die Beispiele "ehemaliger Güterbahnhof Bad Cannstatt" und "ehemaliger Straßenbahnbetriebshof Vogelsang" sowie viele, viele andere Bauvorhaben zeigen, dass in Stuttgart jeweils nicht nur Jahre, sondern Jahrzehnte vergehen, bis nach einer Freiwerdung eines Grundstücks der Neubau tatsächlich beginnt. Behauptungen der Stadt, dass man nach einer eventuellen Inbetriebnahme von Stuttgart 21 Ende 2025 das freiwerdende Gelände sofort benötigt, haben keine nachvollziehbare Grundlage.
 
Über eine Million Menschen würden gerne im Stuttgarter Talkessel leben
Nehmen wir einfach mal hypothetisch an, dass es im Stuttgarter Talkessel beliebig viele Wohnungen gibt,  die auch noch zu einem vernünftigen Preis zu mieten oder zu kaufen wären. Dann würden sich innerhalb von ca. fünf Jahren über eine Million Menschen aufmachen und in die Stuttgarter Innere Stadt ziehen.
 
Vor diesem Hintergrund bringt das geplante Rosensteinviertel keine Entlastung für den Stuttgarter Wohnungsmarkt. Es führt lediglich dazu, dass zusätzliche Einwohner vom Umland nach Stuttgart ziehen. Das ist ein Sachverhalt, der alle europäischen Städte betrifft. Alleine schon aus physikalischen Gründen können nicht alle Menschen, die gerne in den Innenstädten der europäischen Großstädte leben würden, dort auch tatsächlich eine Wohnung finden. Damit muss man sich abfinden. Ein Großteil der Menschen muss weiterhin außerhalb der Stuttgarter Innenstadt wohnen und ggf. mit den öffentlichen Verkehrsmitteln dann dorthin fahren.
 
Das Land kann dafür sorgen, dass in Stuttgart kein Wohnungsmangel mehr herrscht
Das Land hat es andererseits auch in der Hand, dafür zu sorgen dass in Stuttgart kein Wohnungsmangel mehr herrscht. Damit könnte der Stadt auch das Argument entzogen werden, dass ein besserer Bahnverkehr hinter einer Bebauung des Rosensteinviertels zurückstehen muss.
 
Das Land kann das Regierungspräsidium Stuttgart von Stuttgart nach Heilbronn verlegen. Verschiedene Ministerien können von Stuttgart nach Freiburg im Breisgau, Karlsruhe, Mannheim, Friedrichshafen und Ulm verlegt werden. Dasselbe gilt für einige Landesbehörden. Das ist auch notwendig, um die Regionen in BW besser zu entwickeln.
 
Mal sehen, was der Stuttgarter Gemeinderat zu einer solchen Entwicklung sagt. 
 
Die Großstädte in Europa legen Wert darauf, von der Bahn möglichst gut bedient zu werden
Die Großstädte in Europa kämpfen dafür, dass sie jeweils ein möglichst attraktiver Bahnknotenpunkt sind und werden, dass zusätzliche Gleise gebaut werden, dass weitere Bahnhöfe gebaut werden und dass für alle Bahnverkehrsarten (Fernverkehr, Regionalverkehr, S-Bahnverkehr, Güterverkehr) möglichst optimale Bedingungen herrschen.
 
Alle Großstädte in Europa? Nein, es gibt im Schwäbischen eine Stadt, der diese Dinge augenscheinlich nicht so wichtig sind......
 
Es ist ein Trauerspiel.    
 
   

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