Donnerstag, 15. Juli 2021

Für die Ergänzungsstation am Stuttgarter Hauptbahnhof muss man anscheinend dicke Bretter bohren

Die Vorgänge im Stuttgarter Gemeinderat in dieser Woche scheinen darauf hinzudeuten, dass man für die Ergänzungsstation am Stuttgarter Hauptbahnhof anscheinend dicke Bretter bohren muss.

Der zuständige Ausschuss des Stuttgarter Gemeinderats hat einmal mehr mit Mehrheit einer Ergänzungsstation eine Absage erteilt - mit fadenscheinigen und abenteuerlich anmutenden Argumenten. Man wünscht sich tatsächlich, dass das Land BW, das gemäß dem Koalitionsvertrag die Ergänzungsstation vorantreiben muss, in dieser Sache jetzt stärker und bestimmter auftritt. In erster Linie müssen jetzt Gutacher eingeschaltet werden, die bisher einen gewissen Abstand zum Verkehrs-Außenseiter Stuttgart gehabt haben.

Gehen wir aber hier in diesem Blog noch einmal auf einige Argumente ein, die immer wieder vorgetragen werden und die durch häufiges Wiederholen nicht stichhaltiger werden.

Die Zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn
Eine Zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn ist durchaus sinnvoll. Ihre Realisierung wird durch den Stuttgart 21-Tiefbahnhof-Trog aber maßgeblich erschwert.

Garantiert nicht verläuft eine Zweite Stmmstrecke über das Nordkreuz und über die Panoramastrecke der Gäubahn. Wäre die Verkehrsnachfrage in dieser Richtung tatsächlich so groß, dass sie eine Zweite Stammstrecke rechtfertigen würde, würde man als allererstes alle S-Bahnlinien vom Haltepunkt Schwabstraße nach Vaihingen verlängern. Die große Wendeschleife beim Haltepunkt Schwabstraße würde dann planmäßig nicht mehr befahren werden.

Eine Zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn verläuft ganz anders. Eine Zweite Stammstrecke für die Stuttgarter S-Bahn verbindet die am stärksten nachgefragten Abschnitte im Norden und im Süden des Hauptbahnhofs miteinander. Das sind nicht ganz zufällig auch diejenigen Abschnitte des württembergischen Eisenbahnnetzes, die als erstes erbaut worden sind. Eine Zweite Stammstrecke verläuft zudem nicht als Tangentiallinie, sondern als Radiallinie über den Hauptbahnhof.
 
Die Zweite Stammstrecke verläuft also wie folgt:
Haltepunkt Zuffenhausen
Haltepunkt Feuerbach
Tunnel unter Killesberg, Kräherwald, Hegelstraße, Hegelplatz, Kriegsbergstraße
Neuer Haltepunkt Hauptbahnhof
Haltepunkt Bad Cannstatt
 
Das leidige Thema mit den Tangentiallinien
Es gibt in Deutschland so gut wie keine Tangentiallinien bei der S-Bahn. Und dafür gibt es Gründe. Erst recht gilt dies für die Regionalzüge. Es ist nun einmal der Vorteil der Bahn gegenüber dem Automobil, dass die Bahn in das Herz der Städte fahren kann. Das Automobil ist in der europäischen Stadt dagegen eher fehl am Platze, weshalb für das Auto eher Ringstraßen (Mittlerer Ring, Außenring) angesagt sind, wobei in Stuttgart leider auch hier zum größten Teil Fehlanzeige besteht.
 
Die überwiegende Mehrzahl der Fahrgäste der Bahn will entweder in die Innenstadt oder zum Hauptbahnhof mit seinen vielfältigen Umsteigemöglichkeiten. Obwohl die Hauptbahnhöfe von München, Zürich und Hamburg bereits viel größer sind als der Stuttgarter Hauptbahnhof, werden diese Bahnhöfe in den kommenden Jahren mit zum Teil enormen Geldmengen weiter vergrößert - durch neue Bahnsteige, neue U-Bahnlinien und neue S-Bahnlinien. Es gibt überhaupt keinen Grund, Züge am vergleichsweise kleinen Stuttgarter Hauptbahnhof vorbeizuführen. Ja, der Stuttgarter Hauptbahnhof ist zu klein. Aber dann gehört er in Gottes Namen endlich ausgebaut. Tangentiallinien nutzen nur einem Bruchteil der Fahrgäste etwas. Sie können deshalb nicht so betrieben werden, dass sie für die Fahrgäste attraktiv sind. In der Folge startet ein Niedergang, der schließlich dazu führt, dass die Tangentiallinien wieder eingestellt werden.
 
Die Doppelstockzüge im Regionalverkehr
Noch bis vor kurzer Zeit war vorgesehen, dass der Regionalverkehr am Bahnknoten Stuttgart mit einstöckigen, komfortablen Zügen bewältigt wird. Dann aber kam die Wende. Wegen der begrenzten Kapazität von Stuttgart 21 können nicht so viele Züge wie gewünscht fahren. Ein gewisser Ersatz soll jetzt durch Doppelstockzüge kommen Gleichzeitig gibt es aber eine Menge Doppelbelegungen an den Bahnsteiggleisen im Stuttgart 21-Tiefbahnhof. Das führt dazu, dass die Doppelstockzüge nur so lang wie die Hälfte der Bahnsteiglänge sein können. 
 
Jetzt kommt der Vorschlag, die Doppelstockzüge länger zu machen. Das aber führt dazu, dass Doppelbelegungen von Bahnsteiggleisen wegfallen müssen und noch weniger Züge durch den Stuttgart 21-Tiefbahnhof fahren können. Das aber steht im Gegensatz zu den Bestrebungen im Rahmen des Deutschlandtakts, so viele Züge wie möglich und eigentlich alle Züge durch den Hauptbahnhof zu führen.
 
Merke also:
Wer für längere Doppelstockzüge eintritt, arbeitet gegen den Deutschlandtakt.
Wer für tangentiale S-Bahnen und Regionalzüge eintritt, arbeitet ebenfalls gegen den Deutschlandtakt sowie gegen die Attraktivität des Bahnknotens Stuttgart.
Wer die Ergänzungsstation ablehnt, schwächt den Bahnknoten Stuttgart und leistet dem weiteren Wachstum des Kfz-Verkehrs Vorschub.
Wer trotz entsprechender Vorbilder (z.B. ehemaliges Güterbahnhofgelände Bad Cannstatt oder Bebauung des ehemaligen Straßenbahnbetriebshofs Vogelsang), wo die Bebauung erst Jahrzehnte nach dem Freiwerden des entsprechenden Geländes startete, trotzdem für das sofortige Räumen der Gleise im Vorfeld des Stuttgarter Hauptbahnhofs eintritt, arbeitet geschichtsvergessen und interessengelenkt.
 
Noch einmal
Das Land BW muss jetzt Flagge zeigen und kraftvoller auftreten. Die Stuttgarter Provinzposse darf nicht zum Dauerzustand werden.  
 
   
 

 

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