Mittwoch, 29. Juli 2020

Variantenvergleich der Führung der Gäubahn im Bahnknoten Stuttgart

Die Gäubahn hat es ja im Zusammenhang mit dem Projekt Stuttgart 21 zu einiger Berühmtheit gebracht. Denn in Sachen Gäubahn zeigt sich der Stuttgart 21-Murks in besonderem Maße, wenngleich die Gäubahn nur einen relativ kleinen Teil der Probleme von Stuttgart 21 ausmacht.

Heute vergleichen wir hier in diesem Blog die verschiedenen, für die Gäubahn im Bahnknoten Stuttgart vorgeschlagenen Führungen und bewerten sie ganz grob unter den Aspekten "Verkehr", "Betrieb" und "Bau". Mal sehen, welche Führung sich als die Beste erweist.

1. Führung der Gäubahn über die Rohrer Kurve und die S-Bahnstrecke zum Flughafen und über den Fildertunnel weiter zum Hauptbahnhof
Diese Führung hat inzwischen ihren Spottnamen "Gäubahn-Filder-Murks" erhalten. Selbst eingefleischte Befürworter von Stuttgart 21 rücken inzwischen von dieser Variante ab.

Verkehr
Diese Variante bindet den Flughafen an die Gäubahn an. Ein Umsteigeknoten am Flughafen hat im Rahmen des Deutschlandtakts an Bedeutung verloren. Die Züge treffen sich statt dessen im Hauptbahnhof. Ein regionaler Umsteigepunkt ist beim Bahnhof S-Vaihingen besser platziert. Der Umsteigeknoten am Flughafen ist auch wegen der schwierigen Erreichbarkeit der Bahnhofsteile wenig attraktiv. Eine Anbindung des Flughafens an den Fern- und Regionalverkehr wird heute nicht mehr als bedeutend erachtet. Wegen des Flaschenhalses Fildertunnel ist der Auf- und Abbau eines Rendezvous im Rahmen des Deutschlandtakts im Stuttgarter Hauptbahnhof kaum in attraktiver Zeit möglich. Der Deutschlandtakt kann somit im Bahnknoten Stuttgart nicht oder nur eingeschränkt gefahren werden. 

Betrieb
Zwischen der Rohrer Kurve und dem Flughafen gibt es eine bundesweit wohl einmalige Aneinanderreihung von Engstellen, die wahrscheinlich zur Unfahrbarkeit führen. Die Gäubahn verliert ihre eigenen Zulaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Statt dessen wird sie in den Flaschenhals Fildertunnel geleitet.

Bau
Der Bau des dritten Bahnsteiggleises für die S-Bahn am Flughafen ist sehr schwierig und teuer. Während der Bauzeit wird es Beeinträchtigungen für die Fahrgäste geben.

2. Führung der Gäubahn durch einen neuen 10 bis 12 Kilometer langen Tunnel zwischen Böblingen und Flughafen und über den Fildertunnel weiter zum Hauptbahnhof
Diese Führung wurde urplötzlich aus dem Hut gezaubert. Eine Nutzen-Kosten-Anlayse steht noch aus. Nach aller Erfahrung müsste diese Analyse negativ ausfallen.

Verkehr
Diese Variante bindet den Flughafen an die Gäubahn an. Ein Umsteigeknoten am Flughafen hat im Rahmen des Deutschlandtakts an Bedeutung verloren. Die Züge treffen sich statt dessen im Hauptbahnhof. Ein regionaler Umsteigepunkt ist beim Bahnhof S-Vaihingen besser platziert. Der Umsteigeknoten am Flughafen ist auch wegen der schwierigen Erreichbarkeit der Bahnhofsteile wenig attraktiv. Eine Anbindung des Flughafens an den Fern- und Regionalverkehr wird heute nicht mehr als bedeutend erachtet. Wegen des Flaschenhalses Fildertunnel ist der Auf- und Abbau eines Rendezvous im Rahmen des Deutschlandtakts im Stuttgarter Hauptbahnhof kaum in attraktiver Zeit möglich. Der Deutschlandtakt kann somit im Bahnknoten Stuttgart nicht oder nur eingeschränkt gefahren werden. 

Betrieb
Die Gäubahn verliert ihre eigenen Zulaufgleise zum Stuttgarter Hauptbahnhof. Statt dessen wird sie in den Flaschenhals Fildertunnel geleitet. Zudem muss sie irgendwie in den Flughafenbahnhof bei der Schnellfahrstrecke Stuttgart-Ulm geleitet werden.

Bau
Einen neuen 10 bis 12 Kilomter langen Tunnel baut man nicht so einfach. Es gibt überhaupt kein Argument, weshalb das Mauerblümchen Gäubahn den längsten Tunnel Deutschlands bekommen sollte. Die Planungs-, Genehmigungs- und Bauzeit für einen solchen Tunnel dürfte ab heute ca. 20 Jahre betragen.

3. Führung der Gäubahn über die Panoramastrecke und nach Feuerbach
Diese Führung gehört zu den tangentialen Führungen und wurde bereits im Sach- und Faktencheck unter Heiner Geißler angesprochen.

Verkehr
Diese Variante bindet den wichtigen Regional-, S-Bahn- und Stadtbahn-Bahnhof Vaihingen an die Gäubahn an. Jedoch fährt die Gäubahn am Stuttgarter Hauptbahnhof, dem wichtigsten Umsteigebahnhof Baden-Württembergs, vorbei. Im Bahnhof S-Feuerbach besteht ein weiterer Anschluss an S-Bahn und Stadtbahn. Verkehre, die am Hauptknotenpunkt einer Region und/oder an der Innenstadt vorbeifahren, sind grundsätzlich äußerst skeptisch zu bewerten. Es ist fraglich, ob diese Verkehre genügend Fahrgäste anziehen, um einen attraktiven Takt anbieten zu können. Die Gäubahn kann hier nicht am Deutschlandtakt teilnehmen.

Betrieb
Die Gäubahn behält ihre eigenen Gleise bis zum Nordbahnhof. Das Einschleifen am Nordbahnhof in die Gleise Richtung Feuerbach ist jedoch kompliziert sowie mit höhengleichen Gleiskreuzungen verbunden und damit leistungsmindernd. Zudem ist fraglich, ob es in Richtung Feuerbach genügend freie Fahrplantrassen gibt.

Bau
Die Panoramastrecke der Gäubahn muss in den kommenden Jahrzehnten saniert und modernisiert werden. Es ist fraglich, ob sich diese Investition für nur tangentiale Verkehre lohnt.

4. Führung der Gäubahn über die Panoramastrecke und nach Bad Cannstatt
Diese Variante geistert seit längerer Zeit als "Nordkreuz" in der Diskussion um den Bahnknoten Stuttgart herum.

Verkehr
Diese Variante bindet den wichtigen Regional-, S-Bahn- und Stadtbahn-Bahnhof Vaihingen an die Gäubahn an. Jedoch fährt die Gäubahn am Stuttgarter Hauptbahnhof, dem wichtigsten Umsteigebahnhof Baden-Württembergs, vorbei. Im Bahnhof S-Bad Cannstatt besteht ein weiterer Anschluss an den Regionalverkehr, an die S-Bahn und die Stadtbahn. Verkehre, die am Hauptknotenpunkt einer Region und/oder an der Innenstadt vorbeifahren, sind grundsätzlich äußerst skeptisch zu bewerten. Es ist fraglich, ob diese Verkehre genügend Fahrgäste anziehen, um einen attraktiven Takt anbieten zu können. Die Gäubahn kann hier nicht am Deutschlandtakt teilnehmen.

Betrieb
Die Gäubahn behält ihre eigenen Gleise bis Bad Cannstatt. Das Einschleifen in den Bahnhof Bad Cannstatt dürfte schwierig und leistungsmindernd sein.

Bau
Die Panoramastrecke der Gäubahn muss in den kommenden Jahrzehnten saniert und modernisiert werden. Es ist fraglich, ob sich diese Investition für nur tangentiale Verkehre lohnt. Zudem muss die Gäubahn unter dem Rosensteinpark hindurchtauchen. Ob das von der Gradiente her geht (die Gäubahn ist ja im Bereich Nordbahnhof heute viel höher als der Rosensteinpark) ist fraglich.

5. Führung der Gäubahn über die Panoramastrecke in einen ergänzenden Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof
Diese Variante wird von verschiedener Seite seit langem gefordert. Insbesondere die Landeshauptstadt Stuttgart sperrt sich zur Zeit noch dagegen, wenngleich die Stadt in Minischritten hier Terrain preisgibt (siehe den jüngsten Beschluss des Gemeinderats, einer Untersuchung zu einem ergänzenden Kopfbahnhof wenigstens keine Steine in den Weg zu legen).

Verkehr
Diese Variante bindet den wichtigen Regional-, S-Bahn- und Stadtbahn-Bahnhof Vaihingen an die Gäubahn an. Die Gäubahn fährt gleichzeitig den Stuttgarter Hauptbahnhof, den wichtigsten Umsteigebahnhof in Baden-Württemberg an.

Betrieb
Die eigenen Gleise der Gäubahn bleiben durchgehend bis zum Stuttgarter Hauptbahnhof erhalten.

Bau
Die in den kommenden Jahrzehnten erforderlich werdende Sanierung und Modernisierung der Panoramastrecke der Gäubahn lassen sich am ehesten mit radialen Verkehren (Verkehre zum Hauptbahnhof) darstellen. Diese Verkehre ziehen wesentlich mehr Fahrgäste an als tangentiale Verkehre. Wenn man mal davon ausgeht, dass ein ergänzender Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof wegen der ergänzenden Zufahrt über den Pragtunnel und wegen der S-Bahn sowieso benötigt wird, ist es kein großer Schritt mehr zu der Feststellung, dass dann auch die Gäubahn in diesen ergänzenden Kopfbahnhof einfahren kann.

Fazit
Die Variante 5 bietet in verkehrlicher, betrieblicher und baulicher Hinsicht die wohl besten Perspektiven für die Gäubahn. Eigene Gleise bis zum Hauptbahnhof, ein attraktiver Deutschlandtakt im Hauptbahnhof durch kurze Auf- und Abbauzeiten des Rendezvous der Züge zur vollen und zur halben Stunde, die Bedienung des regional wichtigen Umsteigebahnhofs S-Vaihingen und im Rahmen zu haltende Baukosten sprechen für diese Variante, vor allem auch unter dem Aspekt, dass an einem ergänzenden Kopfbahnhof beim Stuttgarter Hauptbahnhof auch aus anderen Gründen kein Weg vorbeiführt.
 

 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.